Meine Yamaha läuft und läuft, aber sie beginnt allmählich zu schwächeln. Es gab kaum eine grössere Stadt auf meinem Weg Richtung Südbrasilien, in der ich nicht einen Boxenstopp bei einer Werkstatt einschalten musste. Ich hoffe einfach nur innig, dass sie durchhält bis Buenos Aires und dann von Madrid nach Hause. Wenn alles gut geht, werde ich am Freitag, 26. Januar 2018 im Böl einfahren. Ich würde mich freuen, wenn du diesen für mich grossen Moment miterlebst. Für Bratwurst (natürlich!), Pürli, Bier und Wein ist gesorgt!
Die ganz grossen Abenteuer habe ich erwartungsgemäss auf diesem Teil nicht erlebt. Es galt einfach, die riesigen Distanzen häppchenweise hinter mich zu bringen und mich jeweils an einem Strand wieder einige Tage zu erholen - und dies war in der Tat zum Teil ganz spassig.
Eben habe ich Rio de Janeiro verlassen und bin auch dem Weg nach São Paulo, wo ich mir ein neues Kettenkit organisiert habe, das am Montag montiert wird. Ich versuche dem Töff alle erdenklichen Streicheleinheiten zu geben und hoffe, dass er als Gegenleistung dafür durchhält und mich sicher nach Hause bringt...
Jessy, Patricia und Pascal machten sich schon um acht Uhr auf den etwas komplizierten Weg nach Parnaiba. Ich beschäftigte mich nochmals mit meinem Blog Teil 38, aber das Internet war so schlecht, dass ich die Arbeit nicht abschliessen konnte. Am Morgen besorgte ich problemlos einen Ersatzschlauch für meinen Vorderreifen, dann kaufte ich in einem kleinen Supermarkt etwas Proviant ein. Lange war ich damit beschäftigt, meine Ladung wieder abfahrbereit zu richten.
Erst kurz nach zwei Uhr nachmittags fuhr auch ich los Richtung Osten. Auch ich wollte Parnaiba erreichen, aber ich wusste noch nicht, wie sehr mich die Strecke bis Paulino Neves herausfordern würde, denn noch vor einem Jahr war dies nur eine sandige Piste. Aber ich wurde positiv überrascht, denn in den letzten Monaten ist immerhin eine Schotterpiste mit nur noch wenigen Sandlöchern entstanden. Manchmal wähnte ich mich wegen des roten Gravels wie auf der Gibb River Road in Australien, wo mich der verhängnisvolle Beinbruchsturz heimsuchte. Der Abschnitt dauerte jedoch nicht lange, weil ich mich der Küste näherte und nochmals die Dünen küsste. Der Wind hatte Teile der Strasse mit Sand zugeblasen, ein Durchkommen war jedoch kein Problem. Bei einem Fotohalt wurde ich von einer brasilianischen Familie in ihrem Auto belagert, die nicht glauben konnte, dass ich mit meinem Töff schon 43 Länder bereist hatte. Einmal mehr kam es zu einer Fotosession.
Tutoia war auf neuer, geteerter Strasse bald erreicht, und es zeichnete sich ab, dass ich Parnaiba heute tatsächlich erreichen würde. Die Strasse führte mehrheitlich durch Buschland. In den wenigen Dörfern ärgerte ich mich über die Drempels, vor allem jene, welche nicht markiert sind, welche einen beinahe zum Abheben bringen, wenn man sie übersieht. Glücklicherweise hielt die Federung den Schlägen stand. Ich war genau rechtzeitig, um auf einer einen Fluss überspannenden Brücke den Sonnenuntergang zu beobachten, erreichte die Stadt bei der Dämmerung und traf auf dem Busbahnhof unglaublicherweise zufällig erneut auf Jessy, die sich jetzt doch dazu entschlossen hatte, per Bus schnell nach Fortaleza und bald weiter nach Salvador de Bahia zu fahren. Ich steuerte das Delta Hostel an, wo ich eincheckte und später in einem brasilianischen Strassenrestaurant einen Grillspiess verzehrte.
Es war schon zehn Uhr, als Patricia und Pascal aus Zug vom Ausgang zurückkehrten. Eigentlich gäbe es gleich mehrere ausgezeichnete Kite-Spots in der Umgebung, zudem wäre Jericoacoara, der berühmteste Küsten-(Party)-Ort nahe, den ich von Camocin über den Strand auf mit Töff erreichen könnte – die Gezeiten würden für morgen exakt passen. Aber will ich wirklich ein Sandabenteuer auf mich nehmen? Denn Jeri liegt in den Dünen, und nur eine tiefe Sandpiste führt auch wieder weg. Ich bin noch unschlüssig. Dafür stellte sich im Verlaufe des Gesprächs heraus, dass ich die Mutter der beiden kenne – Gaby Peikert aus Zug. Stöbi ist doch tatsächlich Pascals Götti und Sabine Patricias Gotte. Manchmal ist die Welt schon klein…
Km: 87‘020 (190)
Erst am Morgen entschloss ich mich definitiv, den Touristenhort Jericoacoara auszulassen, weil er nur über eine tiefe Sandpiste oder via 40 km langem Strand mit drei Flussübergängen zu erreichen gewesen wäre. Ich hatte mir vorgenommen, Icarai de Amontada mit seinen feinen Stränden anzufahren. Aber dies war dann auch nicht so leicht, wie ich mir dies vorgestellt hatte.
Ich erreichte Camocim ohne grössere Probleme durch eine wüstenartige Steppenlandschaft. Kurz danach nervte mich das schon bekannte Klacken am Hinterrad, und ich bemerkte bald, dass sich der einer meiner beiden hinteren Bremsbeläge wieder gelöst hatte und das Geräusche auslöste. Also machte ich in Granja einen Halt, um zu versuchen, das Problem zu fixen. Der Bremskolben war aber so weit herausgekommen, dass es nicht möglich war, beide Bremsbeläge wieder in die richtige Stellung zu bringen. Durch den Bremshebel baute ich noch mehr Druck auf sodass der Kolben noch weiter herauskam und ich keinen der Beläge wieder an Ort bringen konnte. Unterdessen hatte ich auch bemerkt, dass eine der beiden Halterungen des Bremskopfes gebrochen war. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Bremskopf ganz zu entfernen und ihn mit Kabelbindern auf der Seite zu befestigen und ohne Hinterbremse weiterzufahren. Dies bedeutete natürlich, mit noch mehr Achtsamkeit zu fahren, weil sich der Bremsweg jetzt um ein Mehrfaches verlängerte.
Aber ich erreichte Jijoca de Jericoacoara ohne Schwierigkeiten und machte mich hier auf die Suche nach einem Mechaniker, und tatsächlich fand ich einen, der mir eine metallene Verbindung baute, die den Bremskopf wieder fixierte. Es meinte jedoch, dass ich in Fortaleza die in Mitleidenschaft gezogenen Bremsbeläge dringend ersetzen solle. Bald war ich wieder unterwegs, aber die Bremse funktionierte immer noch nicht wirklich. Zwar hatten wir auch Bremsflüssigkeit nachgeleert, aber im Bremsschlauch scheint Luft zu sein, sodass die Bremse erst nach dem zweiten Bremsen zieht, nicht wirklich toll.
Zudem fuhr ich jetzt wegen des Zeitverlustes in die Nacht, erreichte Icarai de Amontada erst, als es schon lange dunkel war und machte mich auf die Suche nach einer Unterkunft, aber auch hier war mir das Glück nicht hold, denn dieser Ort war voller vor allem einheimischer Touristen, die wohl für das Wochenende hierher gekommen waren. Keine einzige preiswerte Unterkunft fand ich, und in einem Resort zu nächtigen, war mir dann doch zu teuer. So stillte ich in einem kleinen Restaurant erst mal meinen Hunger mit einem grossen Salat und verliess mich auf die beiden auf iOverlander eingezeichneten wilden Campingplätze. Maps me führte mich zum Strand, der noch einigermassen leicht zu erreichen war, dann folgte ich diesem auf einigermassen hartem Sand. Ich konnte es aber nicht riskieren, auf diesem Strand zu übernachten, weil mich irgendwann in der Nacht die Flut überrollt hätte, und neben dem harten Sand war es über ein steiles, sandiges Bord unmöglich, eine höher gelegene Stelle zu erreichen. Also wendete ich, fuhr erneut durch das an diesem Samstagabend sehr belebte Dorfzentrum. Bei einem nicht so luxuriösen Resort machte ich Halt, sprach mit einem Englisch sprechenden Kitesurf-Lehrer, aber die Rezeption war schon geschlossen, ein Einchecken unmöglich. So machte mich auf die Suche nach einer anderen Lösung. Aber auch hier stoppte mich schliesslich Tiefsand. So trat ich schliesslich den Rückweg Richtung Landesinneres an, wählte ein kleines Weglein, das mich weg von der Strasse führt auf ein weites, verlassenes Feld, wo ich endlich in Rekordzeit mein Zelt aufstellte und dort schnell einschlief.
Km: 87‘393 (373)