Teil 34: Peru I

Peru beinhaltet wohl alles, was mich an Südamerika so fasziniert. Da gibt es Berge, die unsere netten Schweizer Berge als Müsterchen erscheinen lassen; unglaublich wie viele Menschen in diesen unwirtlichen Gegenden in der Dauerkälte ausharren und ein Einkommen finden. Wir haben mehrere 5000-m-Pässe überquert, wähnten uns zeitweise auf dem Mond und haben Strecken befahren, die so anstrengend und abenteuerlich waren, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass dort schon viele Touristen durchgefahren sind.

Da ist aber auch die Kultur, eigenartig vermischt mit spanischen und indigenen Elementen, die farbigen Kleider, die immer wieder Farbtupfer in der manchmal wüstenähnlichen Landschaft sind. Natürlich haben wir auch Machu Picchu besucht, der trotz der unglaublich vielen Touristen immer noch eine gewisse Magie verströmt.

Unvermutet sind wir aber auch im Dschungel Perus gelandet, glücklicherweise schlägt die Trockenzeit endlich durch, und wir wurden von Schlamm fast völlig verschont, dafür durchstreiften wir Regionen, die noch vor Jahren vom "Sendero Luminoso" beherrscht wurden, einer maoistischen Guerilla-Organisation, die lange Zeit auch bei Touristen für Angst und Schrecken sorgten. Heute ist es glücklicherweise ruhig.

Ich habe die Peruaner als extrem tanzfreudiges Volk kennen gelernt. Schon in der Schule werden die traditionellen Tänze geübt und bei unzähligen Festen immer wieder mit Freude vorgeführt.

Noch immer hält meine Yamaha prima, obwohl ich bald 80'000 km gefahren bin, zweimal um die Welt. Momentan dreht sich vieles um den Amazonas-Flosstrip, der wohl im August/September starten wird. Bis dahin gilt es, noch etwas von Ecuador und Kolumbien zu sehen.

Di, 06.06.2017: Copacabana am Titicaca-See

 

Unter Copacabana stellt man sich augenblicklich den weltberühmten Strand in Rio de Janeiro vor. Aber auf über 3900 m.ü.M. ist weder Rio noch Strand, und doch ist Copacabana nicht weit. So heisst die Grenzstadt Boliviens zu Peru, idyllisch am Titicaca-See gelegen. Von hier sind wir bis fast an den äussersten Zipfel einer Halbinsel gefahren, vorbei an kleinen Dörfern, terrassierten Berghängen, deren kleine Felder aber nur noch selten bepflanzt werden. Kurz vor Yampupata folgten zwangen wir unsere Motorräder querfeldein zu einem Grat bis zum Absturz in den See, wo wir eine kleine Fläche gefunden haben, die ideal zum Zelten ist und erst noch eine sensationelle Aussicht bietet. Genau als wir ankamen, haben sich die Wolken verzogen, die Sonne hüllte die grünen Buchten und dunklen Wälder in warmes Licht. Was für eine Aussicht und was für intensive Farben!

Der Nachteil des Platzes war, dass wir aus einem Wäldchen Holz hoch zu unserem Platz schleppen mussten, eine ziemlich anstrengende Angelegenheit auf dieser Höhe. Wir sassen lange am Feuer, die Polenta mit Gemüse wollte aber nicht gar werden, zudem habe ich heute auf dem Markt eine Chili gekauft, die nur zu einem Viertel verwendet unser Mahl etwas gar verschärft hat… Jetzt sitze ich im Zelt und versuche meinen Rücken zu entspannen, dem es zwar besser geht, aber noch schmerzt er. Unterdessen bringen Windböen unsere Zeltwände zum Flattern, aber es ist doch recht gemütlich in diesem so oft gebrauchten Raum, vor allem wenn man schon im Schlafsack steckt.

Erst heute Morgen habe ich grünes Licht für die Abreise gegeben, weil es dem Rücken zusehends besser geht. Wir waren recht früh nochmals im Viertel mit den Motorrad- und Auto-Ersatzteilen, aber erneut erfolglos im Finden der Kupplungsscheiben. Wir verliessen das Scarlett Hostel um die Mittagszeit und lernten das Dauer-Verkehrschaos in dieser Stadt für einmal fahrend kennen. Wir fuhren hoch nach El Alto, wo vor allem die Kleinbusse für einen Verkehrszusammenbruch sorgten, weil sie mitten auf der Strasse standen und wohl Leute aus- und einsteigen liessen. El Alto ist unendlich gross und schien uns nicht loslassen zu wollen. Die Hauptstrasse ist zudem im Bau, sodass wir vorerst nur langsam vorwärtskamen.

Erst als wir die letzten Gebäude der Stadt hinter uns gelassen hatten, nahm der Verkehr schlagartig ab. Man baut hier unsinnigerweise eine doppelspurige Autobahn – purer, sinnloser Gigantismus. Wir bewegten uns jetzt auf einer Hochebene. Nach 50 km sahen wir zum ersten Mal den Titicaca-See, im Sonnenlicht tief-blau, magisch aussehend mit den verschneiten Sechstausendern im Hintergrund. Dreissig Kilometer vor Copacabana brachte uns eine alte Holzfähre über eine schmale Stelle des Sees. Leider war es jetzt stark bewölkt, die szenische Fahrt war deshalb nur halb so schön. Weil es schon spät war, entschlossen wir uns, die Nacht nochmals in Bolivien zu verbringen. Peru muss noch bis morgen warten.

Km: 74‘166 (168)

Mi, 07.06.2017:  Bolivianisch-peruanisches Rockmysterium

Seit ich in Bolivien unterwegs bin, wundere ich mich über die traditionelle Kleidung vor allem älterer Frauen, die einerseits sehr farbenfroh ist, mich andrerseits sehr neugierig macht, wenn ich ihre ganz spezielle Rockmode betrachte. Ich erkenne in den Gesichtern der indigenen Menschen deutlich einen asiatischen Touch, vor allem in den Augen, die Menschen sind auch eher klein gewachsen, aber fast immer doch deutlich breiter gebaut. Allerdings ist es für mich unmöglich zu glauben, dass derartig gross geformte Röcke auch wirklich der körperlichen Postur gleichen, weil alle Röcke auf einen extrem breiten Hintern schliessen lassen. Es wird für mich wohl ein Mysterium bleiben, wie die Röcke rein technisch aufgebaut sind, sie scheinen aus mehreren Stoffschichten zu bestehen, nicht ganz unclever, wenn man seinen Lebtag dauernd auf solchen Höhen verbringt. Noch hat mich diese entscheidende Frage nicht dazu verleitet, im Internet zu recherchieren.

Die heutige lange Fahrt entlang des Titicaca-Sees war im Grossen und Ganzen eine Enttäuschung, sodass ich viel Zeit fand, die traditionelle Mode der Frauen zu studieren. Ich war am Morgen schon früh auf den Beinen, entfachte sofort ein Feuer, genoss nochmals die herrliche Aussicht von unserem Zeltplatz, obwohl es stark bewölkt war. Eine ziemliche Herausforderung war es, zurück zum Fahrweg zu kommen, vor allem das letzte Stück war steiler als erwartet. Ich gab Sams Honda etwas Schiebhilfe (sie ist wieder einigermassen höhenkrank), meine Maschine verträgt solche Höhen, aber Sam gab mir Antikipp-Hilfe (ich wollte keinesfalls hangabwärts fallen). Schliesslich hatten wir beide den Weg erreicht, fuhren noch weiter bis zum letzten Dorf der Halbinsel (Yampupata), von wo aus wir einen Blick auf Isla de Sol werfen konnten, die am Morgen schon von vielen Touristen per Boot besucht wurde.

Wir waren bald zurück in Copacabana, ich bewunderte dort die massive Kirche mit dem grossartigen, vergoldeten Altar, dann war die Grenze nicht mehr fern. Wir hatten schnell ausgecheckt, das Brimborium beim Zoll Perus sollte etwas länger dauern. Zwar hatten wir schnell einen Einreisestempel in unserem Pass, aber die vor vier Monaten in Valparaiso abgeschlossene Versicherung ist für Peru nutzlos, sodass wir per Taxi in den ersten Ort fahren mussten, wo wir für einen Monat eine entsprechende Unfallversicherung abschlossen, die seltsamerweise teurer ist, als wenn wir mit dem Auto eingereist wären. Uns wurde gesagt, dass die Unfälle mit Motorrädern meist schwerwiegender seien als solche mit Autos… Der Ablauf bei der Zollstelle war aber gut organisiert. Nachdem wir mit dem Versicherungspapier erschienen, wurde uns schnell ein Einreisepapier für unseren Töff ausgestellt.

Entlang des Titicaca-Sees entdeckten wir wenig Liebliches, schon gar nicht in der grossen Stadt Puno am Ende des riesigen Sees. Tatsache ist, dass ein Leben in solcher Höhe kein Schleck ist. Ich sah Menschen beim Kartoffelnpflücken, die Häuser sind einfach gebaut, manchmal wurde auf den alten Grundmauern aus Lehm mit roten Backsteinen weitergebaut. Kein Haus sieht gleich wie das andere aus, es scheint, als ob man aus einem Haufen Ziegelsteinen relativ unstrukturiert Wände hochzieht. Manche Häuser sind sehr klein und doch hoch, keine architektonischen Schönheiten. Wir passierten viele Dörfer mit wenig Charme, der See war wegen der häufig starken Bewölkung grau und schien sich beklagen zu wollen, weil so viel Abwasser diesen grossen See so übermässig verschmutzen.

 

Kurze Zeit nach Puno wunderte ich mich vor allem über die mit Steinmauern abgeschlossen Häusergruppen, die von einer Art Schweinesymbol bei den Eingängen gleichsam bewacht wurden. Wenig später erreichten wir zufällig die Inkastätten Sillustani mit seinen Grabtürmen. Sam hatte kein Interesse an einer Exkursion. Dies hätten wir wohl besser gemacht, denn wir fuhren auf einem Schotterweg geradewegs in schwarze Wolken. Das Gewitter zog jedoch an uns vorbei. In Santa Lucia überlegten wir kurz, in einer Hospedaje zu übernachten, aber dann fuhren wir trotz starker Bewölkung noch über einen Pass, auf dem es leicht schneite (!), bis zur Laguna Lagunillas, auf 4174 m.ü.M. gelegen. Es war schon recht spät, aber ein eisiger Wind wehte über den See, nicht sehr motivierend, das Zelt aufzustellen, aber dann entdeckten wir eine Lehmhütte mit massiven Wänden, die wenigstens den Wind etwas abhielt. Auch wenn das Dach keinesfalls mehr dicht ist, schlugen wir in dieser maroden Hütte unser Lager auf. Auf zwei staubigen Steinpritschen liegen jetzt unsere Matten, Sam ist am Lesen, ich am Schreiben.

Auch in Peru ist es kalt auf solchen Höhen, die Andenkälte zermürbt uns allmählich. Ich bin heute mit Maximalausrüstung gefahren. Aber: Ich bin heute in meinem 37. Land angekommen…

Km: 74‘455 (289)

Do, 08.06.2017: Eisiges peruanisches Hochland und bei den Condors im Colca-Canyon

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