Teil 32: Chile - Argentinien III

Die hohen Anden mit mehreren fast 5000 m.ü.M. hohen Passübergängen waren eine kalte Angelegenheit. Wir versuchen momentan, dem Winter zu entkommen, aber wenn man sich fast dauernd in solchen Höhen aufhält, ist dies nicht wirklich möglich. Schliesslich hat uns der Schnee eingeholt, der den kargen Wüstenbergen einen ganz besonderen "Charme" verliehen hat.

Wiederum hat es ein paar lustige Schmankerl in diesem Teil 32. Wir haben auf 4010 m.ü.M. in einer verlassenen Goldminenstadt in einer Höhle übernachtet, wenig später wollten uns die argentinischen Zöller nicht über den Paso Sico lassen, weil es zu viel Schnee und Eis habe und es einfach zu gefährlich sei. Schliesslich haben wir uns aber doch durchgesetzt, und es war wesentlich weniger schlimm als erwartet.

Jetzt befinden wir uns in einem der bekanntesten Touristenorte Chiles - in San Pedro de Atacama. Auf die verschiedenen touristischen Sehenswürdigkeiten haben wir wenig Lust, denn Ähnliches haben wir auf der Fahrt bereits erlebt, aber wir geniessen die milden und angenehmen Temperaturen in diesem auf 2450 m.ü.M. hoch gelegenen Ort.

Bald geht es weiter in Bolivien mit Trip zu weiteren sehr hoch gelegenen Salzseen. Ich hoffe, etwas besser schlafen zu können, die Höhe setzt mir erneut ziemlich zu.

Di, 04.04.2017: Schattengebirge

Um elf Uhr war in der Nähe meines Motorradshops unsere Wäsche abzuholen, und gemeinsam fuhren wir deshalb dorthin. Die Wäsche war bald aussortiert. Martin kam aber ziemlich in Stress, weil er sein Handy vermisste, weshalb wir ihn zurück zum Mendoza Inn navigierten, wo er sein wohl wichtigstes Utensil auch wirklich fand. Martin wollte sich auf der gut ausgebauten Strasse auf den Weg nach Uspallata am Fusse der Andenriesen machen. Sam und ich wollten auf der RN13, einer Nebenstrasse über die Cordilleren, eine Abkürzung nehmen.

Ich war etwas erstaunt, dass diese „Hauptstrasse“ am Stadtrand nichts mehr ein schmaler Kiesweg war, der zuerst durch Hunderte von Metern von Müllhalden führte. Als es dann anzusteigen begann, wurde der Fahrweg so ruppig, dass ich Sam hupend stoppte. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich habe ja gerne abenteuerliche Fahrten, aber heute hatte ich mich einfach nicht darauf eingestellt. Und als ich dann auf google maps feststellte, dass die Strasse auf über 3000 m.ü.M. führt, warf ich das Handtuch. Dies wollte ich mir heute nicht antun. So begab sich Sam alleine auf dieses Abenteuer, und ich kehrte um und war bald wieder am Stadtrand Mendozas. Nachdem ich in einem Supermarkt einige Besorgungen machte, staunte ich nicht schlecht, als ich bei der Abfahrt feststellte, dass mein Hinterreifen erneut ohne Luft war! Bei der nahen Tankstelle konnte ich den Reifen zwar wieder aufpumpen, und ich kam einige Kilometer weit bis zu einer weiteren Luftstation. Aber je näher ich dem Stadtzentrum kam, desto ärgerlicher wurden die Rotlichter und vor allem die Baustellen, die mich immer wieder stoppten. Im Stadtzentrum war ich mit vollkommen plattem Reifen unterwegs – noch 2.6 km bis zu „meinem“ Mech, den ich schliesslich mehr schlecht denn recht erreichte. Es war halb drei Uhr, Zeit für die argentinische Siesta, deshalb war auch niemand hier. Zwei Stunden wartete ich, bis die schwatzenden Mitarbeiter endlich erschienen. Unterdessen hatte ich das Rad selbständig demontiert, quasi als Aufforderung, bitte mein Rad zu einer Gomeria zu fahren, um den Schaden zu beheben. Der Trick funktionierte, und schneller als erwartet war das reparierte Rad wieder da. Zu dritt versuchten wir dann das Rad wieder zu montieren – eine ziemliche Geburt. Diesmal zog ich die Radmutter selber an, die man gestern leichtsinnigerweise nicht angezogen hatte…

Es war beinahe halb sechs Uhr, als ich endlich loskam von Mendoza und jetzt natürlich die schnelle RN7 nahm, die bald ihren Weg ins Gebirge nahm. Und was für ein Gebirge! Wie mächtige Kolosse versuchten sie gleichsam ein Näherkommen zu verhindern. Die einstige Eisenbahn schien diesem Druck vor langer Zeit nachgegeben zu haben. Nur noch einige alte Metallbrücken und einige überwachsene Gleise mahnen an die Gefahr der Berge, die schon früh am Abend riesige Schatten warfen. Erst vor Uspallata öffnete sich das Tal, sodass nochmals die Sonne sichtbar wurde. Aber es ist um einiges kühler hier oben. Morgen werden wir auf 4500 m.ü.M. einen frostigen Tag erleben.

Und noch etwas: Ich hoffe schwer, dass die Pannenphase jetzt endlich überstanden ist. Mehrheitlich war ich heute am Fluchen. Ich habe beschlossen, schon in Santiago meine Reifen erneut zu wechseln, es wird mir definitiv zu dumm, dauernd stehen bleiben zu müssen und auf Hilfe angewiesen zu sein. Und die Heidenau Pneus können mir von jetzt an gestohlen bleiben, die nicht einmal 9000 km gehalten haben. Der Ausklang des Tages war aber wieder sehr angenehm, denn ich traf meine beiden Kollegen essend in einem Restaurant – Sam hatte den wilden Ritt mehr oder weniger problemlos überstanden, aber ich beneide ihn keinesfalls. Lieber genoss ich ein fünfhundertgrämmiges Riesensteak mit Pommes und ein Glas Wein – der Tag ist gerettet.

Km: 67‘040 (154)

Mi, 05.04.2017: Der erste grosse Andenpass

Ideales, strahlendes, aber kühles Wetter begrüsste uns heute Morgen, den ersten grossen Andenpass unter die Räder zu nehmen. Ich rüstete meine Jacke mit dem wärmenden Futter aus. Es war unschwer zu erkennen, dass es sich bei dieser Strassenverbindung um eine Hauptverkehrsachse handelt, denn es waren viele schwer beladene Lastwagen und schon beinahe ein Übermass an Motorradfahrern unterwegs.

Die Strecke führt durch ein recht weites Tal mit im Morgenlicht rötlich schimmernden, zerfurchten Felsformationen. Häufig sieht man auf der gegenüberliegenden Talseite die Überbleibsel einer aufgegebenen Bahnlinie, manchmal verschüttet durch Steinschläge. Schade, dass diese Bahnlinie geschlossen wurde, es wäre bestimmt ein touristisches Highlight, per Bahn über diesen Pass zu fahren. Wir machten einen Halt bei der Puente del Incas, bei der durch heisse Quellen ganze Felspartien gelb-orange verfärbt wurden. Vor hundert Jahren betrieb man hier mit dem warmen Wasser noch ein Heilbad, in dem Haut- und Geschlechtskrankheiten geheilt wurden. Heute ist die eigentliche Brücke leider abgesperrt und für Besucher aus „Sicherheitsgründen“ nicht begehbar – auch für uns… Dann bekamen wir Einblick auf den höchsten Berg Südamerikas, den über 6600 m.ü.M. hohen Aconcagua, natürlich schneeweiss und mächtig – und der gar nicht so schwierig zu erklimmen sein soll – wenn man dann die Höhe erträgt…

Auf 3100 m.ü.M. bringt den normalen Verkehrsteilnehmer ein Tunnel auf die chilenische Passseite. Sam und ich wollten auf der recht gut zu befahrenen Schotterpiste aber die Passhöhe des Paso de Libertadores auf 3800 m.ü.M. erreichen. Auf halbem Weg wurde ich erneut durch eine Panne gestoppt – mein billiges Kupplungskabel riss erneut, und zusammen mit Sam montierten wir ein improvisiertes Ersatzkabel, das bis Santiago halten sollte. Vor allem die Abfahrt auf der chilenischen Seite mit vielen Spitzkehren auf sandiger Piste war imposant. In Portillo, wo vor vielen Jahren einmal die Ski-WM stattgefunden hat, trafen wir wieder auf Martin, der sich hier mit einer besonderen Dame aus England unterhielt. Gaby ist alleine auf ihrer GS 650 unterwegs – und hat wohl halb so viel Gepäck dabei wie wir – ziemlich genial.

Je weiter wir Richtung Santiago fuhren, desto wärmer und verkehrsreicher wurde es. Zwischen Los Andes und Santiago befuhren wir eine Autobahn, und in der Hauptstadt gerieten wir in das abendliche Verkehrschaos. Vor allem steckten wir einige Zeit in einem von Abgasen stinkenden Tunnel fest, sodass sich bei mir die Platzangst regte und ich um die Autos Slalom fahrend hurtig zum Ausgang fuhr, wo ich auf die beiden anderen wartete. Wir stiegen erneut in einer typischen Unterkunft für Motorradfahrer ab, der Casa Matte, die mich an die Villa Kunterbunt erinnert, nur dass dieses Haus viel sauberer gehalten ist. Wir trafen hier auf einen jungen Berner Koch, der uns mit einem Eintopf aus Getreide und Gemüse kulinarisch verwöhnte. Dann sassen wir noch lange bei Bier, Wein und chilenischem Schnaps zusammen und erzählten von unseren Reiseabenteuern. Es wird wohl schwierig werden, all die Dinge zu erledigen, die ich mir für morgen vorgenommen habe.

Km: 67‘299 (259)

Do, 06.04.2017: Rallye in der Grossstadt

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