RONDOM Island 2020

Trotz der Unwägbarkeiten in diesem "Corona-Jahr" war es schliesslich nach einigem Hin und Her doch möglich, dass ich mich zusammen mit Sam (bekannt von der Südamerika-Reise, RONDOM 2017) und Dom (bekannt von der RONDOM-Reise 2015 Iran-Kirgistan) auf eine neue, immerhin 4 1/2 Wochen dauernde Reise machte, natürlich erneut auf unseren Motorrädern, ohne die sich für mich Reisen nur noch langweilig anfühlt. Tatsächlich haben wir erneut einige Abenteuer erlebt, und vor allem war es toll, wieder einmal für vier Wochen etwas zu "verwildern".
Schliesslich waren wir gar zu fünft, weil wir auf der Fähre nach Island ein Pärchen (Marleen & Clemens) kennengelernt haben, das sich uns angeschlossen hat.

 

Die blogartigen Einträge vom 4.7.2020 bis zum 4.8.2020:

 

Sa, 04.07.2020 : Start ins Island-Abenteuer

Ich war am Samstagmorgen schon früh reisefertig, hatte wohl gleich viel geladen, wie wenn ich mich auf eine dreijährige Weltreise begeben würde. Um halb zwölf Uhr fuhr ich zu Zollers, um mich von ihnen zu verabschieden. Dominique Lenz holte mich hier kurz darauf ab. Wir fuhren über die Hulftegg nach Girenbad, um Sam abzuholen. Zuerst wurde hier noch ein Stromproblem wegen Domis Navi behoben, dann gab’s ein Bier – und los ging’s. Sam führte uns auf kleinen Nebenstrasse durch die Zürcher Oberländer Provinz Richtung Nordwesten. Bald folgten wir dem türkisgrünen Rhein, der mich an jenen Flosstrip vor zwei Jahren erinnerte, den wir damals in Koblenz abschlossen.

In Rheinfelden fuhren wir ohne Probleme über die Grenze und erreichten gerade rechtzeitig Lörrach, wo unser Autozug nach Hamburg schon bereitstand. Wir bestiegen den Zug mit Maske (!) – Corona lässt grüssen, hatten ein Abteil für uns. Unsere Fahrzeuge hatten wir schon vorher auf die niederen Transportwagen gefahren. Ich schlief nicht besonders gut in dieser Nacht – dies war aber weniger der getrunkenen Biere geschuldet als vielmehr des etwas rüttelnden Wagens. Unsere Gruppe scheint perfekt zu harmonieren, wir ticken gleich und hoffen fest, dass wir übermorgen auch problemlos über die Grenze Dänemarks kommen und dann auch wie geplant Island erreichen werden.

Km: 136‘059 (200)

 

So, 05.07.2020 : Ein Tag in Hamburg

Kurz nach acht Uhr morgens erreichten wir Hamburg-Altona. Der Sommer hatte sich verzogen, vorerst nieselte es leicht. Als wir jedoch den Zug fahrend verliessen und durch den Eingangsbereich des Bahnhofs fuhren, der eigentlich nur für Fussgänger gemacht ist, hatte es aufgehört zu regnen. Wir entschlossen uns, ein Hotel zu beziehen, das wir noch im Zug gebucht hatten. Wir bewohnen ein geräumiges Zimmer im siebten Stock den Appartement Hotels Hamburg Mitte für insgesamt 130 €. Wir parkierten unsere Motorräder in der Tiefgarage. Nach einer Dusche waren wir per Bus unterwegs zum Fischmarkt.

Aber wir waren etwas zu spät (oder der Fischmarkt ist wegen der Corona-Krise grundsätzlich geschlossen), sodass wir nicht zu den angepeilten Matjes-Fischbrötchen kamen. Auf dem Weg der Grossen Elbstrasse entlang besuchten wir ein stillgelegtes russisches U-Boot, das in den Siebzigerjahren gebaut wurde. Ein ziemlich beklemmendes Gefühl, sich in diesen engen Gängen mit Tausenden von gelegten Kabeln und technischen Einrichtungen zu bewegen. Wenig weiter besuchten wir den Alten Elbtunnel, anfangs des 20. Jahrhunderts entstanden. Mittels Lift wurden hier Autos 23 m in die Tiefe geschafft, um von dort einen langen Tunnel unter der Elbe befahren zu können. Endlich fand ich in der Nähe auch einen Stand mit den gesuchten Fischbrötchen. Jetzt musste der Durst in einer Bierhalle gelöscht werden. Ein weiteres Bier wollten wir uns im Silbersack genehmigen, aber dieser traditionelle Laden war leider geschlossen, wie so mancher zwielichtige Schuppen im Reeperbahn-Bezirk. Offenbar ist man in Deutschland noch um einiges vorsichtiger, Bars und Clubs zu öffnen, um Corona nicht die Chance für eine zweite Welle zu geben. Die Masken-Tragdisziplin ist hier höher als in der Schweiz.

Gleich gegenüber Rosy’s Bar (bekannt vom St.-Pauli-Trip mit dem Strööffeli-Club vor zehn Jahren) tranken wir in einem feinen italienischen Restaurant einen ausgezeichneten Espresso. Unterdessen zeigte sich die Sonne immer mehr, und wir blieben gleich hier für ein nettes italienisches Essen. Dabei wurden wir von einer kontaktfreudigen Dame mit perfektem Model auch überaus freundlich bedient.

Eine Nacht in der Reeperbahn durfte es jetzt jedoch nicht sein, denn wir wollten uns nicht unnötig dem Corona-Risiko aussetzen und fuhren deshalb schon um acht Uhr per Bus zurück zum Hotel.

Jetzt schnarcht es bereits neben mir – es ist 22:38 Uhr, die Dämmerung hat erst eingesetzt, man merkt, dass wir uns schon einige Kilometer Richtung Norden bewegt haben.

Und noch etwas: Der FCSG hat zu Hause einen weiteren glücklichen Sieg gelandet – 2:1 gegen Sion. Man bleibt mit zwei Punkten Vorsprung Leader, aber die Wochen der Bewährung werden erst folgen…

Km: 136‘068 (9)

 

Mo, 06.07.2020: Stürmisches Dänemark

Eine steil-hügelige Landschaft liegt vor mir, die sich in der Entfernung im Einerlei verliert. Über den sanft-rundlichen Erhebungen wurden beinahe gewaltsam runde Hölzer hingeworfen, die aber unterdessen vom Grün überwuchert sind. Ebenfalls überwachsene Strünke ragen zwischen den Hügel gleichsam hoffnungslos gegen die allmählich wachsende Düsternis der Abenddämmerung, als ob sie dem Leben nachtrauern. Heulender Wind kreischt durch die Hügelmenge. Das eigentümliche Rauschen wird aber verursacht durch die Baummonster, die in Unzähligkeit über die bemoosten Hügel ragen.

Die Monster haben uns reichlich Holz geliefert, um ein wärmendes Feuer zu entfachen, das natürlich auch genutzt wurde für ein abendliches Wildnis-Menu. Ich habe meinen noch im Böl gepflückten, etwas verlausten, aber noch prima frischen Blumenkohl verwertet für ein Nudelmenu mit Frischkäse, Knoblauch, Appenzellerkäse und Pesto – wunderbar gelungen. Die Fahrt von Hamburg in den Norden war allerdings nicht besonders erbaulich. Zwar war das Wetter am Morgen erstaunlich gut, aber es war ziemlich mühsam, aus Hamburg herauszufinden. Die grüne Welle scheinen die Hamburger noch nicht erfunden zu haben, wir wurden unzählige Male von Rotlichtern gebremst. Als wir endlich die Autobahn erreicht hatten, gerieten wir bald in einen ersten Schauersturm, und dies sollte nicht der einzige bleiben. Nach einem Frühstück mit Kaffee und Sandwich kurz nach Hamburg waren wir natürlich gespannt, was uns an der Grenze zu Dänemark erwarten sollte. Aber am ziemlich improvisierten Zoll ging’s ziemlich relaxed vonstatten. Wir hatten unser Fährticket vorzuweisen und die ID zu zeigen, und schon waren wir auf dem Weg in Dänemarks Norden. Kurz vor Kolding machten wir einen Halt für ein Mittagessen mit Hamburger oder Fish and Chips. Je weiter wir danach Richtung Norden fuhren, desto regnerischer wurde das Wetter. Wir verliessen in Velje die Autobahn und folgten einer gut ausgebauten Landstrasse, aber jetzt wurde der stürmische Wind immer stärker, sodass wir in unserem Gleichgewicht gefordert waren. Weil der Wind immer stärker wurde, schafften es die Wolken nicht mehr, sich zu entleeren. Sam hatte sich dank maps me schon einen Lagerplatz ausgedacht, und er landete gleich einen Volltreffer. Wir befinden uns mitten in einem grossen, wilden, nordischen Wald mit vielen Fichten und einigen Eichen. Der Boden ist hügelig bemoost und angenehm weich. Allmählich liess auch der starke Wind etwas nach. Jetzt erfreuen wir uns an der Ruhe am knisternden, kleinen Lagerfeuer. Ich habe mein neues Hilleberg-Zelt längst aufgestellt. Unterdessen ist es kühl, und ich freue mich auf den warmen, ebenfalls neuen Schlafsack. Morgen sind nur noch etwa 70 km zu fahren, bis wir Hirtshals an der Nordküste Dänemarks erreichen. Und tatsächlich scheint es, dass wir in 24 Stunden tatsächlich auf der Fähre Richtung Island sind.

Der Abenteuer-Trip hat gut begonnen, ich verstehe mich mit Sam und Dom bestens – da haben sich drei Gleichgesinnte gefunden…

Km: 136‘522 (454)

 

Di, 07.07.2020: Nächste Klippe überwunden – auf der Fähre nach Island

Mein neues Hilleberg-Zelt wurde in der Nacht einem ersten Regentest unterworfen. Auch um Viertel nach sechs Uhr regnete es noch leicht, aber just als ich aufstand, hörte das Feucht von oben auf. Ich hatte aber doch nicht mehr den Nerv, ein Feuer zu entfachen, um Spiegeleier zu braten und machte mich ans Aufräumen meines Kasumpels. Das Zelt musste leider nass verpackt werden – dies ist nie nett. Dies ging recht fix vonstatten, sodass ich tatsächlich als Erster bereitstand für die Weiterfahrt. Es war ein Leichtes, aus dem Wald herauszufinden. Wir fuhren weiter nach Norden und steuerten Lökken an, das ich schon letztes Jahr besucht hatte. Zeit für ein Bild am weiten Strand hatten wir diesmal jedoch nicht.

Kurz vor Hirtshals deckten wir uns im selben Supermarkt wie letztes Jahr noch mit etwas Proviant ein. Jetzt erst entdeckte ich, dass ich gestern fast eine ganze Stange Zigaretten verloren hatte, als der Fahrtwind den unverschlossenen, schwarzen Kofferdeckel öffnete, ihn mir aber wenigstens nicht wegriss. Am Hafen hatten wir wie erwartet einige Zeit zu warten, bis wir die Ticketkontrolle passieren konnten. Zuerst hatten wir aber noch einen Covid-19-Test zu machen – ziemlich unangenehm, als die nette Dame mir einen Abstrich aus dem Rachen nahm und in einem Röhrchen versorgte. Erst in Island werden wir erfahren, ob wir noch immer corona-frei sind. Mit zwei Stunden Verspätung fuhren wir auf die riesige Fähre, stellten unsere Motorräder auf dem vierten Deck ab und bezogen unsere Vierer-Kajüte im sechsten Deck (6031). Hier waren wir schnell eingerichtet. Ich hängte mein nasses Zelt in der Kabine auf, das bald trocken war.

Es war sehr windig und kühl auf Deck im achten Stock, der Fahrgenuss ist nicht gleich gross wie auf einer Fähre in den Tropen. Dafür ist die Fähre ultrasauber. Es hat ein kleines, mit Netzen geschütztes Fussballfeld neben Sitzpätzen im Aussenbereich. Da ist auch ein Helikopter-Landeplatz. Man könnte auch einige Hotpots gebrauchen, wenn man genügend Bares aufwenden würde. Natürlich wurde der Durst bald mit einigen Bieren („black sheep“) gelöscht. Den ganzen Nachmittag sassen wir am selben Tisch mit einem deutschen Paar. Wir teilten unseren Lunch, kauften uns weitere Biere, es war recht kurzweilig, von den besten Reisegeschichten der anderen zu erfahren. Wir erlebten die Dämmerung nicht mehr, als wir schon um zehn Uhr zurück zu unseren Kabinen gingen und sofort in einem tiefen Schlaf fielen.

Ich träumte ziemlichen Schrott, von meinem alten Oberbüren Schulleiter, der mich zu piesacken versuchte. Ich bin froh, jetzt in Zuzwil unterwegs zu sein. Sorgen macht mir mein rechtes Knie, das mich konstant leicht behindert, nachdem ich die ersten Reisetage absolut schmerzfrei war. Vielleicht reagiert es auf Kälte… Die Fähre ist erstaunlich voll. Eine ganze Reihe von in Reisemobile umgebauten kleinen Lastwagen befindet sich auf der Fähre. Wir begannen ein erstes Mal, unseren Island-Trip etwas zu planen. Ich bin gespannt, wie viele Touristen unterwegs sein werden. Das Land mit weniger als 400‘000 Einwohnern wird normalerweise von zwei Millionen Touristen besucht. Es wird interessant sein, wie viele dieses Jahr unterwegs sind. Ich bin ja guten Mutes, dass dieses Jahr die vielen Natur-Hotspots von weniger Leuten besucht sind.

Noch sind wir nicht im Zielland, aber fast… Das Wetter macht im Moment gut mit, es ist zwar wenig überraschend kühl, es ist windig, aber es scheint meist die Sonne. Wir wurden gegen Abend nur von einem kleinen Schauer gestreift – mit der Auswirkung eines herrlichen Regenbogens über der Nordsee.

Km: 136‘610 (88)

 

Mi, 08.07.2020: Ein Tag auf der Fähre

Die Leute stehen gebannt mit Feldstechern an der Aussenscheibe des offenen Aufenthaltsraumes auf Deck und beobachten weit entfernt die Wasserfontänen einiger Wale. Eine Frau, die mich an eine Inuit erinnert, strickt an einem gelben Pullover. Einige Kinder vergnügen sich mit ihren Vätern auf dem kleinen Fussballfeld. Sam unterhält sich mit Clemens über Motorradtechnik. Viele Leute sitzen auf hölzernen Lehnstühlen und dösen vor sich hin. Ich habe eben meine Motorradhose an verschiedenen Orten geflickt. Wir haben gemeinsam unsere Reiseplanung fortgesetzt und einige Fixpunkte auf Sams Karte markiert. Ich bin etwas verkatert von den vielen gestrigen Bieren – wir haben bis zehn Uhr mehr oder weniger tief geschlafen – unter Schlafmangel leiden wir momentan also nicht.

Es blieb den ganzen Tag über kühl und windig, aber es war heiter. Ich flickte am Nachmittag meine Töffhose sowie den Rucksack, deren Lebensdauer ich noch etwas erhöhen wollte. Gegen Abend erreichten wir die Färoer-Inseln, meist runde, grün begraste Hügel. Es wächst nichts ausser Gras, und ich wurde erinnert an hochalpine Weiden in unseren Alpen. Torhavn ist etwas gleich gross wie Wil. Wiederum entdeckte ich im Zentrum jene Art Häuser mit wiesenbewachsenen Dächern, die ich schon in Norwegen vor einem Jahr angetroffen hatte. Die Fahrt aus dem Hafen wurde noch eindrücklicher, weil wir zwischen steilen, teils sogar felsigen Erhebungen durchfuhren, die im Abendlicht leuchteten. Das Essen im Selbstbedienungsrestaurant mit Hamburgern und Poulet war leider ziemlich übel, aber das Restaurant à la carte wollten wir uns dann doch nicht leisten, weil wir ziemlich unfreundlich empfangen wurden. Dafür kauften wir im Zollfreiladen eine Flasche Whisky, einen Rahmschnaps und eine Stange Zigaretten, die in den nächsten Tagen bestimmt ihre guten Dienste leisten werden. In Torhavn hatten wir ausgezeichnetes Internet, wir erfuhren, dass sich die Corona-Situation in Europa keineswegs verbessert hat. Zudem scheinen wir in Island bald in eine ziemlich üble Schlechtwetterlage zu geraten. Wahrscheinlich werden wir die heute geschmiedeten Pläne morgen bereits wieder über den Haufen werfen und wohl zuerst doch Richtung Süden fahren. Wir haben uns mit einem deutschen Paar angefreundet, die uns die nächsten Tage gerne begleiten würde. Mal schauen, ob es morgen dann tatsächlich so weit kommt.

Jetzt ist es erst zehn Uhr, ich liege bereits in meinem Bett – es wird wohl die letzte dunkle Nacht für einige Zeit sein. Morgen früh werden wir einen zweiten Covid-19-Kurztest machen, um dann hoffentlich in Island eingelassen zu werden.

Km: 136‘610 (0)

 

Do, 09.07.2020: Dauerflüela in Island

Schon morgens um zwanzig vor sieben Uhr mussten wir antraben für einen weiteren Corona-Test, der diesmal etwas unangenehmer war, weil auch ein Abstrich aus der Nase genommen wurde. Im  Verlaufe des Tages bekamen wir alle fünf die Meldung, dass wir negativ getestet wurden.

Gleichwohl wurden wir in Seydisfjördur nicht besonders freundlich empfangen, weil es regnete und wir in Vollmontur mit unserem Trip starten mussten. Aus drei wurden fünf – Marleen und Clemens folgen uns auf ihrer KTM, wollen vor allem von unseren Reiseerfahrungen profitieren. Glücklicherweise dauerte der Regen nicht lange. Als wir den kleinen Pass nach Egilstadir überwunden hatten, blieben wir den ganzen Tag vom störenden Nass verschont. Wir deckten uns mit isländischen Kronen ein (1 Sfr. = etwa 150 ISK). Wir entschlossen uns, der Küste Richtung Südwesten zu folgen, weil das Wetter im Süden Besseres verheisst.

Die ersten regenfreien Kilometer in diesem Land waren einfach nur faszinierend. Man wähnt sich in den Hochalpen, obwohl man sich meist auf Meereshöhe bewegt. Das Land ist karg, Wiesland wechselt sich ab mit felsigen Partien, aber steil aufragende Berge dominieren die reizvolle Landschaft. Das Land ist kaum besiedelt, wir passierten einige kleine Weiler, manchmal nur einzeln stehende, abgelegene Gehöfte, die wie verloren an einem etwas geschützten Platz stehen. Oft waren hier auch einige Bäume zu sehen. Bald wählten wir eine Abkürzung über eine Schotterpiste. Es war etwas wie ein Nachhausekommen. Ich werde an Patagonien erinnert in seiner Kargheit. Wir folgten den ganzen Nachmittag der Küste oder den ostisländischen Fjorden.

Der Höhepunkt des Tages war bestimmt das erste heisse, isländische Bad. Der iOverlander-Platz war kaum markiert (ausser auf dieser App), und Sam führte uns zielstrebig auf einen Kies-Parkplatz nahe der Hauptstrasse. Kleine, rauchende Röhrenvulkane, aus denen warmes Wasser sprudelte, verkündete schon Interessantes. Und wenig weiter entfernt entdeckten wir eine riesige, metallene Badewanne inmitten einer weiten Wiese und ganz nahe des Meeres, die mit warmem Wasser gespeist wurde. Die Temperatur war geradezu perfekt, war wohl um die 40°C heiss. Aber die Lage war schon ziemlich aussergewöhnlich. Da steht eine riesige Wanne im Middle of Nowhere, die einlädt für ein wärmendes Bad. Und dies wurde natürlich aufs Köstlichste ausgenützt. Nur fünfzehn Meter entfernt war eine selchte, schlammige, aber immer noch angenehm warme Pfütze, die für ein Schlammbad einlud. Auch dies wollte ich mir nicht entgehen lassen – ich war mit dem Schlamm bald schwarz eingeschmiert. Es war aber nicht leicht, mich danach vom schwarzen Schlamm wieder zu befreien – dazu nutzte ich das kleine Rinnsal des Wassers, das aus der Wanne überlief.

Manchmal stieg man auf und wurde von neuen grossartigen Ausblicken überrascht. Eigentlich hätte ich gerne wild übernachtet, aber Dom hatte seine Bedenken, obwohl es viele geeignete Plätze gegeben hätte. Aber ja, tatsächlich ist es verboten, in diesem Land wild zu campieren.

Jetzt befinden wir uns beim Cape Horn auf einem kleinen, wunderschön gelegenen Campingplatz. Nach dem Aufstellen des Zeltes wollten wir die Umgebung etwas erkunden. Es war etwas ärgerlich, dass die vier ziemlich bald unterwegs waren zu einem nahen Aussichtspunkt. Ich mochte ihnen nicht folgen und erklomm den etwas höheren, benachbarten Gipfel nach einiger Kraxlerei. Ich blieb lange auf diesem Aussichtpunkt und genoss die beinahe 360 Grad weite Rundsicht auf ein weites Fjord mit einer Landzunge. Weit entfernt war bereits der mächtige Vatnajökull-Gletscher zu sehen, den wir morgen erreichen werden. Auf der anderen Seite des bestiegenen Berge waren entfernt einige grasbewachsene Häuser zu erkennen. Die alte Siedlung war mit spitzen Pfählen eingezäunt, womit ein minimaler Schutz gewährleistet war. Vor Jahren haben hier vielleicht Menschen gelebt, aber dies war wohl überaus hart. Das Dorf ist unterdessen ausgestorben, die Häuser sind am Zerfallen und werden leider nicht renoviert. Geschnitzte Türinschriften erinnern offensichtlich an die Wikinger. Dies war meine Vermutung, und diese stellte sich als falsch heraus – es handelte sich offenbar um die Kulisse eines Filmsets irgendeines Wikingerfilms (?), wurde aber nie gebraucht und ist heute am Zerfallen.

Gemeinsam kochten wir bei unserem Zeltlager eine Nudelspezialität, ganz gut gelungen. Nachher gab’s einen Whisky und ein Glas Wein. Sam und Clemens machten noch eine kleine Töfftour zum Fjord für einige Sandkapriolen.

Es ist bereits halb zwölf Uhr, es ist noch immer hell. Aber ich bin müde. Ich werde auch schlafen können, wenn es hell bleibt…

Und noch etwas: Der FCSG spielte heute in Lugano 3:3 und verlor die Tabellenführung, ist aber immer noch punktgleich mit YB.

Km: 136‘825 (215)

 

Fr, 10.07.2020: Gewaltige Gletscher auf Meereshöhe

Nach einem leichten Frühstück waren wir schon bald unterwegs Richtung Südwesten, machten einen Tankhalt in Höfn, wo wir uns auch mit neuem Proviant eindeckten. Das Wetter spielte heute wunderbar mit, um die Grossartigkeit des riesigen Jökull, den Hunderte von Quadratkilometer grossen Gletscher aus nächster Nähe zu erkunden. Den Gletschern vorgelagert sind meist grosse Gletscherseen oder reissende, milchig-graue Flüsse, sodass es kaum möglich war, ganz nahe an die Gletscher heranzukommen. Einen Abstecher zu einer der unzähligen Gletscherzungen über eine rauhe Schotterpiste war nicht von Erfolg gekrönt, weil die Zugangsbrücke kurz vor dem Gletscher vom Fluss mitgerissen wurde. Aber die Aussicht war gleichwohl gut.

Einen eindrücklichen Ausblick konnten wir kurze Zeit später beim Jökulsarion geniessen. Der Gletscher hat hier eine riesige Lagune gebildet, in dem Hunderte von riesigen, abgebrochenen Gletscherstücken schwimmen oder am steinigen Untergrund festsitzen. Was für eine Aussicht! Und das beinahe auf Meereshöhe. Aber auch hier richtet die Klimaerwärmung seinen Schaden an. Der Gletscher zieht sich seit Jahren immer weiter zurück, und dieser Prozess hat sich in den letzten Jahren beschleunigt. An einem geschützten Ort mit grandioser Aussicht genossen wir den ersten isländischen Lachs.

Jetzt befinden wir uns am Eingang des Vatnajökull Nationalparks, haben unser Camp auf einem offiziellen Zeltplatz aufgeschlagen, der aber kaum zu einem Viertel besetzt ist – Corona lässt grüssen mit positiven Auswirkungen auf unsere Reise… Es ist kalt hier, die nahen Gletscher wirken wohl wie ein regionaler Kühlschrank. Gegen Abend machten wir eine leichte Wanderung zu den Svartifoss Wasserfällen. Wir stiegen auf durch niedrige Birkenwälder. Die Wasserfälle sind eigentlich nicht wirklich der Rede wert. Die Gesteinsformationen beim grössten Wasserfall mit seinen sechseckigen Basaltsäulen sind aber schon sehr eindrücklich. Ich liess es mir nicht nehmen, das fallende Wasser auf glitschigen Steinen zu umrunden. Viel eindrücklicher ist aber die stupende Landschaft mit den mächtigen Gletschern und die weite, karge Landschaft mit dem entfernten Meer.

Wir begannen erst um halb neun mit Kochen – Reis und Gemüse. Wir genossen Wein und Whisky – so lässt es sich leben, auch wenn es unterdessen sehr kalt geworden ist. Es ist bereits halb eins Uhr. Es dämmert zwar etwas, aber dunkel ist anders…

Km: 137‘002 (177)

 

Sa, 11.07.2020: Gletscher-Eroberung und ein zauberhafter Ort in Hügel-Island

Gleich neben meinem Zelt plätschert ein Bächlein munter dahin, die Sonne ist eben untergegangen, notabene um 22:30 Uhr, die saftig-grünen Wies- und Mooslandhügel spiegeln sich zwar immer noch in den Mäandern der Bäche, aber der warme Glanz ging ganz plötzlich verloren, weil die Nacht den Tag doch allmählich vereinnahmt, auch wenn ihr dies nicht wirklich gelingen wird. Es ist sofort etwas kälter geworden, sodass ich jetzt in meinem Zelt liege und dem Wind lausche, der an der Zelthülle nagt. Ich liege schräg im Zelt, die beiden Reisesäcke dienen als Nackenstütze, um den Tag nochmals revue passieren zu lassen.

Am Morgen war es noch stark bewölkt, sodass wir den stundenlangen Trip auf einen Berg sofort verwarfen. Nach dem Frühstück wollten wir die Zunge des Svartifoss-Gletschers erreichen. Je näher wir dem Gletscher kamen, desto kälter wurde es. Wiederum war der Zugang zum Gletscher nicht einfach, weil tiefes, graubraunes Gletscherwasser eine Lagune gebildet hatte, die nur schwer zu durchqueren war. Deshalb folgten wir der Moräne auf der linken Seite des Gletschers. Dies war ein rutschiges Unterfangen. Die von schwarzem Schmutz gezeichneten Gletscher-abbrüche waren zum Greifen nah, aber wegen des wilden Gletscherbaches doch nicht wirklich erreichbar. Wir folgten dem Bach, bis wir schliesslich eine Krete überwanden. Der Bach war jetzt unter dem Gletscher verschwunden, sodass der Zutritt zum Gletscher jetzt einfach war. Der Gletscher ist hier fast flach und nur von wenigen Spalten durchzogen. Wir fanden eine griffige Eisoberfläche vor, die ein einfaches Wandern auf dem Eis möglich machte. Wir folgten verschiedenen Rinnen oder aufgetürmten Mini-Eisbergen, bis wir Sicht auf die schiere Unendlichkeit dieser Eiswüste kriegten. Das Tal war jetzt schon weit unter uns, und wir genossen die grandiose Aussicht auf die wilde Berg- und Eislandschaft. Auch der Abstieg war ohne Gletscherausrüstung absolut problemlos und ungefährlich, sodass wir die seitliche Moräne bald wieder erreichten.

Zurück auf dem Zeltplatz räumten wir unser Lager auf und planten die Fortsetzung der Reise. Wir wollten weiter Richtung Reykjavik der Küste folgen, aber nach 90 km nicht mehr der geteerten Nationalstrasse 1. Wir wollten zum ersten Mal eine Nebenstrasse mit Schotterpisten nehmen.  Ich wollte eigentlich lieber die Route über die F210 zum Eyjafjällajökull wählen, dem Vulkan, der uns vor einigen Jahren eine Fussballreise nach England verunmöglichte, aber die Mehrheit entschied, dass wir der F208 Richtung Norden folgen, zumal wir uns vor der Unwägbarkeit des Wetters für morgen etwas fürchteten. In Kirkjubaejarklaustur machten wir einen Tankhalt, konnten aber unsere Vorräte nicht aufstocken, weil die Läden an diesem Samstagabend schon geschlossen waren.

Wenige Kilometer später durch ein Feld mit weissem Moos überwachsenen Lavatrümmern bogen wir nach rechts in die F208, die anfangs perfekt geteert war. Nach wenigen Kilometern wechselte der Belag auf gut zu befahrenen Schotter, sodass wir ganz gut vorwärtskamen. Unterdessen hatte das Wetter grandios aufgehellt, sodass die Farben der kargen, aber doch grünen Landschaft umso stärker leuchteten. Bald wurde die Strasse etwas enger und begann aufzusteigen, sodass sich noch grossartigere Aussichten auftaten. Auf dem höchsten Punkt konnte ich mich an der Landschaft kaum sattsehen.

Sam wusste über iOverlander von einem Rastplatz, den wir über einen Feldweg ohne Probleme erreichten. Sofort war klar, dass wir hier bleiben wollten. Wir waren auf einer weiten Hochebene gelandet, der von Bächen durchzogen ist und die einlud, die nähere Umgebung zu Fuss etwas zu erkunden. Wir waren an einem paradiesischen Ort gelandet. Zudem war es erstaunlich mild. Von einer aufkommenden Front ist momentan weit und breit nichts zu sehen. Wir kochten ein weiteres Nudelgericht mit Thon und Tomatenpesto, genossen die Zeit und die Stimmung. Dom rauchte seine Pfeife, ich trank meinen Whisky, Marleen und Clemens alberten auf der moosigen Wiese herum, Sam prüfte den Reifendruck der Motorräder, den wir zu Anfang des Gravel-Trip etwas vermindert hatten.

Etwas schräg ist es mit der Müdigkeit. Eigentlich ist man nach so einem Tag schon müde, aber das lange Tageslicht scheint einen immer wieder mit Energie zu versorgen. Es ist jetzt 23:15 Uhr, in den Zelten ist es ruhig geworden, die Vernunft hat uns zum Schlafen bewegt, denn morgen soll es rechtzeitig weitergehen. Vielleicht wird es eine Regenfahrt geben, zudem erwarten uns die ersten Flussdurchquerungen…

Km: 137‘126 (124)

 

So, 12.07.2020: Flussdurchfahrten

Eigentlich wollten wir um sieben Uhr aufstehen, aber über Nacht hatte sich das Wetter grundlegend verändert. Leichter Regen prasselte auf mein Zelt, und ich war froh, dass Dom seinen Plan nicht umsetzte, so früh aufzustehen und uns mit Musik zu wecken. Etwas nach acht Uhr liess der Regen etwas nach, bis er schliesslich ganz aufhörte. Mein Töff fungierte als Eier-, Kaffee- und Nutellabar, sodass wir gut gestärkt zu unserem ersten wirklichen Fahrabenteuer starteten.

Als wir losfuhren, regnete es zwar wieder leicht, aber maximal eingepackt war der Fahrgenuss gross, es war noch immer einigermassen mild. Zuerst führte die F208 auf gut zu befahrener Piste zu Tal, aber bald wieder steil aufwärts. Wir erreichten eine vulkanisch ehemals aktive Region. Pechschwarze Sandwüsten, golden-orange-gelbe Hänge zeugen von vergangenen Vulkanausbrüchen. Dies beunruhigte uns aber keinesfalls, aber wir wussten, dass die ersten Flussübergänge bald zu bewältigen sein würden. Und sie kamen unweigerlich. Den ersten passierten wir alle fünf ohne Schwierigkeiten. Beim zweiten wollte ich der tiefsten Stelle ausweichen und wählte den Weg über eine Sandbank, war etwas zu langsam und grub mich sofort tief in den schwarzen Sand mitten im Wasser ein. Ein (Minus-)Punkt für mich. Es war ein Leichtes, aus der misslichen Situation herauszukommen, weil gleich sechs Hände mich aus dem Sandloch heraushoben. Beinahe unzählige Flussübergänge wurden problemlos bewältigt. Die Wasserfontänen des wegstiebenden Wassers wurden bei jedem Übergang grösser. Sam übertrieb es mit diesem Spass, sodass sein Luftfilter Wasser ansog, das sich sofort irgendwo im Motor verteilte. An ein sofortiges Weiterfahren war nicht zu denken. Die Kerzen wurden getrocknet und literweise Wasser wurden aus dem Motor gekurbelt. Schliesslich brachte Sam die Maschine tatsächlich wieder zum Laufen, sodass es weitergehen konnte. Ziel war Landmannalaugar, ein touristisch recht bekannter Ort, am Fusse eines ehemals aktiven Vulkans, zu dem einst ein riesiger Lavastrom floss, aber genau vor diesem Ort stoppte. Die wild zerrissene Lava ist heute von weisslich-grünem Moos überwachsen. Die beiden grössten Wasserüberquerungen mussten jetzt aber auch noch geschafft werden – und dies schafften wir souverän. Wir waren die einzigen Motorräder, die heute so weit gekommen waren. Da konnte der „Münchner“ staunen, der seine 12-er-GS ennet des Gewässers abgestellt hatte. Sofort machten wir uns auf zum heissen Bad, gefüttert von wohl über 60°C heissem Wasser. Die Mischung der Zuflüsse machte es aus und ermöglichte ein angenehmes Badeerlebnis. Vor allem Sam und Clemens blieben sehr lange im Bad.

Die Zeit war unterdessen so weit fortgeschritten, dass wir uns entschlossen, hier zu übernachten. Der Zeltplatz ist zwar wenig erbaulich, weil nur ein harter Kiesplatz zur Verfügung steht. Nach einem ausgiebigen Vesper machte sich Dom auf einen 7 km langen Bergtrip, ich versuchte eine versteckte heisse Quelle zu finden, indem ich dem Weg durch den „Lava-Wald folgte und nach einer knappen Stunde ein vulkanisch aktives Gebiet ansteuerte, wo heisse, schweflige Dämpfe aus dem Boden heraustreten. Gleichwohl war es kalt, weil es wieder leicht zu regnen begonnen hatte. Ich überlegte mir, einen nahen Gipfel zu erklimmen, um dem ursprünglichen Vulkan näher zu kommen, aber ich verwarf die Idee. Wenig später holte mich Dom auf seiner Wanderrunde ein. Bald hatten wir das Tal wieder erreicht. Ich nahm ein zweites Bad im warmen Naturpool.

Anschliessend gab’s noch ein teures Bier (900 ISK=6 Sfr.), und wir besprachen gemeinsam, wie die Reise morgen weitergehen soll. Jetzt sitze ich in einem alten Bus, wo man wenigstens vor dem Wind geschützt ist. Aber es ist saukalt. Auf nichts freue ich mich jetzt mehr als auf den warmen Schlafsack. Wenn morgen nur meine Töffhosen und die Schuhe wieder trocken wären – es wäre ein angenehmerer Start morgen früh!

Und: Der FCSG spielte in Genf gegen Servette 1:1 und übernahm wieder die Tabellenführung, weil Basel gestern YB 3:2 geschlagen hatte…

Km: 137‘178 (52)

 

Mo, 13.07.2020: Anstossen und Flussbegleitung

Es war bitterkalt diese Nacht, und ich schloss zum ersten Mal den Schlafsack – dies bewährte sich, denn er gab wunderbar warm. Es hatte die ganze Nacht geregnet, erst am Morgen trocknete es allmählich ab. Dies reichte jedoch nicht, um die Zelte trocken zu kriegen. Zum Frühstück griff ich zum ersten Mal zu meiner Notsalami – allerdings hatten wir nur noch zwei Scheiben dünnes Brot und einige süsse Kekse.

Der Fahrtag begann schwierig, weil Sam sein Motorrad nicht zum Laufen brachte. Offenbar ist der Anlasser defekt, die Diagnose bestätigte sich am Abend, der gestrige Wasservorfall hatte das Teil gebrochen. Deshalb versuchten wir zu dritt Sams BMW anzuschieben – und dies gelang im zweiten Versuch. Jetzt galt es aber nochmals die beiden breiten Wasserdurchläufe zu durchqueren (der Münchner Möchtegernheld liess sich von einem riesigen Pick-up über das Wasser führen). Uns gelang dies natürlich problemlos.

Nochmals durchfuhren wir die stark vulkanische Region, passierten auf passabler Strasse zwei grosse Seen. Es war ein munteres Auf und Ab mit guter Rundsicht auf den Übergängen. Etwas achtzugeben hatte man bei den wenigen sandigen Stellen. Kurz vor dem Erreichen der geteerten Strasse, die uns zur F26 führte, überquerten wir zum ersten Mal wieder eine Brücke über einen Fluss. Dieser war herrlich türkis-grün-blau und mündete in ein grösseres, braunes, fliessendes Gewässer.

Kaum auf der F26 erreichten wir eine Tankstelle, füllten auf und genehmigten uns einen isländischen Hamburger – leider fehlte hier ein Laden, sodass wir unsere Vorräte nicht aufstocken konnten. Sams Maschine lief prima, ausser wenn er sie starten musste, aber dafür waren ja wir da, sodass wir uns an ein weiteres Abenteuer einliessen. 21 km fuhren wir auf Teer, dann bogen wir nach rechts ab. Die Schotterpiste war bis zum Haifoss, zwei grossen, sehenwerten Wasserfällen in karger Natur noch ganz gut, kurz darauf wurden wir aber ziemlich gefordert, denn die sämtliche, friedlich dahinfliessende Wassermenge der beiden Wasserfälle sollte jetzt überquert werden. Und dies ging jetzt nicht mehr so einfach vonstatten, weil der Übergang kaum genutzt wird, sehr unregelmässig tief und von grossen Steinen durchsetzt ist. Diesmal war eine Überfahrt nur zu dritt möglich, das heisst, dass einer fuhr und zwei versuchten zu verhindern, dass das Motorrad unmotiviert kippt und so aufgefangen werden kann. Dies forderte uns einigermassen heraus, aber wir schafften die Klippe schliesslich doch recht gut. Aber die ohnehin schon kalten Füsse (von den nassen Schuhen von gestern) wurden noch kälter.

Wir durchfuhren ein weites, karges Wiesland zumeist parallel zu einer Hochspannungsleitung. Diese störte das Naturerlebnis etwas. Die Schotterpiste war jetzt äusserst rau, vor allem in den Aufstiegen, die schon aufgefahren waren. Die zweite Flussüberfahrt schien wesentlich leichter (und weniger breit) zu sein. Ich versuchte etwas leichtfertig, alleine über den Fluss zu kommen – und ich stiess an einem grossen Stein an, verlor das Gleichgewicht – und schon lag die Maschine im Wasser, die jetzt mit vereinten Kräften aus dem Wasser gezogen wurde. Glücklicherweise blieb der Luftfilter wasserfrei, aber ich hatte die Tasche mit den Schlafsäcken nicht optimal verschlossen, sodass sie feucht wurden.

Weitere zwei Wasserübergänge wurden ohne Probleme gemeistert. Jetzt campieren wir wild an einem kleinen Fluss, der bald in eine Schlucht mündet, die wir nach dem Aufstellen der Zelte (die ja trocknen sollten) erkundeten. Wir erfreuten uns an Steinwurfspielen – die versammelten Nussgesichter trafen leider besser als ich. Wir kochten am Fluss auf Gas- und Benzinkocher, allerdings ärgerten wir uns über den gekauften Pack Nudeln, die leicht angegraut waren. Wir sortierten die einzelnen Spiralnudeln in essbare und zu entsorgende. Mit der Knoblauch-Pesto-Nusssauce schmeckte das Abendessen aber doch prima.

Eben sind wir von einem kleinen Spaziergang zu einer verlassenen, vor sich hinrostenden Hütte zurückgekehrt, die nicht einmal verschlossen war. Wir sind eine muntere, lustig zusammengewürfelte Truppe, die ausgezeichnet harmoniert.

Km: 137‘279 (101)

 

Di, 14.07.2020: Raus aus der Wildnis in den Regen von Reykjavik

In der Nacht begann es wieder zu regnen, aber dies störte mich kaum, denn ich schlief gut und warm verpackt in meinem Schlafsack. Zudem trocknete es gegen Morgen ab, und ich konnte das Zelt beinahe trocken verpacken. Immerhin gab es einen heissen Kaffee und ein paar Guetzli mit einem Snickers zum Frühstück – die Vorräte sind beinahe aufgebraucht, nur der halbe Notsalami blieb noch erhalten.

Die Fahrt aus der Wildnis war problemlos, weil keine Flüsse mehr zu durchfahren waren. Sams Motorrad wurde am Morgen angestossen, und dies funktionierte erneut. Die Schotterpiste wurde je länger desto besser, und wir kamen gut vorwärts. Nach gut 20 km erreichten wir den Gulfoss, wo sich ein grosser Fluss in die Tiefe stürzt. Wir erreichten den Wasserfall nicht auf der üblichen Seite, wo ein ausgetretener Touristenpfad zur Sehenswürdigkeit führt. Wir wanderten kaum zwei Kilometer durch Lupinenfelder und konnten das Naturschauspiel wunderbar beobachten. Wild stiebende Gischt färbt das Moos an den Felswänden giftig grün in einer sonst kargen, felsigen Landschaft. Wir erreichten die Hauptstrasse bald, sodass es nicht mehr weit war bis zum Geothermalfeld Haukadalur bei Stokkur. Das Spannende an diesem Spot sind die Geysire, die hier die Menschen seit Jahrhunderten erfreuen. Der bekannteste Geysir mit eben diesem Namen (woher auch der Name stammt) war zwar nur bis in die Dreissigerjahre aktiv (und erstaunlicherweise auch im Jahr 2000). Der Aktivste bricht alle acht bis zehn Minuten aus, sodass wir den Ausbruch gleich mehrere Male bewundern konnten. Natürlich hatte es hier viele Touristen und eine entsprechende Infrastruktur, die wir anschliessend für ein Lava-Lachs-Brötli oder isländische Speckschwarten (Sam) oder Fish ´n Chips (Dom) nutzten.

Wir wollten jetzt auf direktem Weg Reykjavik  erreichen, wo wir im Hostel Kex ein Sechserzimmer gebucht hatten (21 €/Person). Wir gerieten aber bald in eine Regenfront, sodass wir unsere Regenschütze wieder montieren mussten. Wir durchfuhren eine geothermisch extrem aktive Region, die offenbar auch für die Energiegewinnung genutzt wird. Bevor wir zum Hostel fuhren, schauten wir gleich bei zwei Motorradwerkstätten vorbei. Sam kommt bis nächsten Montag zu einem neuen Anlasser.

Im Hostel war es vor allem eine Wohltat, aus den klamm-feuchten Schuhen herauszukommen. Die Lebensgeister erwachten endgültig nach der ausgiebigen, warmen Dusche. Am Abend spazierten wir zu fünft zum ersten Mal durch die autofreie Flanier-Gasse Reykjaviks. Wir spassten herum bei einem Himmel- und Hölle-Spiel, das auf die Strasse aufgemalt wurde und bis zur Nummer 106 geht. Zudem massen wir uns bei einem 100-m-Lauf quer durch die Gasse.

Eigentlich hätte ich gerne ein exquisites isländisches Restaurant besucht, aber wir landeten in einer Bar, in der nur Hamburger serviert wurde, die zwar ganz okay waren, aber meine vier Reisegenossen sind halt kulinarische Tiefflieger. Es ist kaum zu glauben, wie viele für mich ungeniessbare Sweeties während des Tages verschlungen werden – Nussgesicht-Food! Vielleicht sind sie aber einfach auch nur viel jünger als ich und setzen andere Prioritäten. Während ich „on the road“ kaum Mühe habe mit dem doch recht grossen Altersunterschied zwischen mir und meinen Kumpanen, ist es in der Stadt doch etwas anders. Da hätte ich es gerne etwas gediegener – allerdings weniger bei der Unterkunft, die wirklich sehr einfach ist, als vielmehr beim Essen oder Ausgang. Als wir um halb zwölf Uhr aus der schummrigen Bar heraustraten, war es noch immer hell. In Island gibt es aber eine Polizeistunde, sodass kaum mehr etwas offen war. Dies war mir aber egal, denn ich fühlte mich müde und freute mich, wieder einmal in einem Bett zu schlafen, auch wenn es nur ein Kajütenbett ist… Es sieht ziemlich chaotisch aus in unserem Zimmerschlauch, viele Kleider hängen zum Trocknen an allen möglichen Haken, Bettstangen oder Stühlen.

Schlofwohl!

Km: 137‘460 (181)

 

Mi, 15.07.2020: Mitten im Island-Tief

Die Wetterkarte verheisst nichts Gutes, denn das Island-Tief hält uns momentan in der Hauptstadt gefangen. Dies ist nicht wirklich schlimm, weil ohnehin einiges zu retablieren ist. Dom war schon bald unterwegs, um seinen Hinterreifen zu wechseln, Sam versuchte bei einem Mechaniker die unterwegs verlorene Schutzplatte wieder zu befestigen, die er gestern nach einem Schlag verloren hatte. Er fuhr dabei mit meiner Tenere zu einer Werkstatt. Er bastelte dort aus Plastikrohren einen erhöhten Luftzugang oder Schnorchel, der jetzt ziemlich schräg auf seiner linken Tankseite hängt. So kennt man Sam ja…

Es war den ganzen Tag über sehr regnerisch und kühl. Die Kleider sind frisch gewaschen, ich sitze an einem Tisch in der Hostelbar, während Dom, Clemens und Marleen mit einer Stadtbesichtigung beschäftigt sind. Ich war schon früh am Morgen alleine in der Stadt unterwegs für einen Kaffee und erneut ein Lachs-Sandwich. Ich lud meine vielen Fotos auf meinen Computer und sandte sie per WhatsApp an meine Kollegen. Erst gegen Abend wurde ich fertig und machte mich auf in die Stadt, um mit meinen Reisekumpanen ein Bier zu trinken. Während Sam, Clemens und Marleen im Hostel etwas kochten, besuchte ich mit Dom das Old Iceland, eines der besten Restaurants der Stadt und ass einen exquisit zubereiteten Fisch – wenigstens Dom versucht, meinen kulinarischen Wünschen zu entsprechen.

Km: 137‘490 (30)

 

Do, 16.07.2020: Ruhetag und ein überraschend sonniges Reykjavik

Am Morgen verwöhnte uns Clemens mit einem einem Pfannkuchen-Frühstück. Anschliessend wollten wir gemeinsam etwas die Stadt erkunden, spazierten zuerst zur markanten, erst 1986 fertig gestellten Kirche, genossen die Aussicht über die beschauliche Stadt vom Turm aus. Wir flanierten durch die Hauptgasse, um in den nordischen Läden ein textiles Andenken zu finden. Nachdem ich mir eine Kappe gekauft hatte, fand ich in einer isländischen Boutique eine dunkelolive, gewachste Jacke, bestimmt erst geeignet für den nächsten Winter. Ich musste auswählen zwischen zwei Exemplaren in zwei verschiedenen Läden. Und ich schlug tatsächlich zu, auch wenn die Jacke einigermassen teuer war – 48‘900 ISK, die ich gleich in meiner gelben, wasserdichten Tasche versorgte.

Anschliessend fuhr ich zu einem Motorradgeschäft, um vielleicht einen neuen Helm zu finden. Die Auswahl war eigentlich recht gross, gleichwohl konnte ich mich nicht für ein neues Stück entscheiden. Etwas Sorge bereitet mir das scheppernde Geräusch, das auch dem Motor zu kommen scheint. Werde ich mein Gefährt wohl auch diesmal nach Hause bringen? Zwar stelle ich überhaupt keine Leistungseinbusse fest. Natürlich scheppert einiges an meinem Töff, aber das eigenartige Geräusch aus dem Motor gefällt mir wirklich nicht – ich werde morgen einmal den Ölstand prüfen…

Gegen Abend stiess meine Idee auf Anklang, ein Sushi-Restaurant zu besuchen – ausser bei Clemens, der wirklich immer knapp bei Kasse zu sein scheint. Die Sushi- und Sashimi-Kollektion im Sushi Social war wirklich extraprima, wir bestellten sogar noch eine zweite Portion nach. Unterdessen hatte es zu regnen begonnen, und wir spazierten durch die Hauptgasse zurück zu unserem Hostel.

Morgen sind wir bereit für die Weiterfahrt und neue Abenteuer, das Wetter scheint sich allmählich zum Guten zu wenden, auch wenn es deutlich kälter werden dürfte.

Km: 137‘504 (14)

 

Fr, 17.07.2020: Sturm über Island

Ein starker Polarwind fegte heute Morgen über Reykjavik. Es machte keinen Sinn weiterzureisen, weil sich in der Nordströmung schwarze Wolken an den Bergen stauten und starke Niederschläge verursachten. Eigentlich wollte ich gleichwohl zum 50 km entfernten heissen Fluss Reykjadalsa fahren, um ein nettes Bad zu geniessen. Sam, Clemens und Marleen fuhren schon früher los und wollten zuerst noch die vulkanisch aktive Spalte besuchen, bei der sich die eurasische und amerikanische Landplatte aufeinanderschieben. Aber darauf wollte ich verzichten.

Ich besuchte mit Dom ein nahes Café für einen doppelten Espresso und ein überzuckertes, aber frisches Gebäck, wo wir über Tennis und Fussball, später über Badminton diskutierten, wodurch wir auf die Idee kamen auf ein Badminton-Game. Schnell hatten wir ein nahes Tenniscenter gefunden, wohin wir bald hinfuhren und einige Sätze spielten. Allerdings war ich nicht wirklich ein valabler Gegner und verlor sämtliche Sätze. Natürlich weiss ich, dass die Jahre nicht spurlos an mir vorbeigegangen sind und ich nicht mehr beweglicher werde, aber es war doch toll, sich zu bewegen und wieder einmal richtig zu schwitzen.

Nach einer Siesta besuchten wir in der Stadt ein ganz besonderes Museum, welches das einzige Phallus-Museum auf der Welt sein soll. Es war schon ziemlich schräg, gleich Hunderte von Penissen verschiedener Tiere in allen möglichen verschiedenen Formen und Grössen zu begutachten. Der grösste war derjenige eines Wals – mannsgross, der aktiv 20 Liter Sperma ausstossen soll. Anschliessend besuchten wir ein Irish Pub für ein Bier und gleich drei Whiskys – einer davon war aus Taiwan, und dazu noch überraschend gut. Auf dem Heimweg besuchten wir eine fast leere Pizzeria für eine ausgezeichnete Holzofenpizza. Zurück im Hostel trafen wir auf die drei Ausflügler, die sich lange im heissen Fluss gesuhlt hatten. Das hatte ich jetzt halt verpasst, aber der Tag war gleichwohl gut gelungen – und wir hatten bestimmt gut daran getan, heute nicht weitergereist zu sein.

Km: 137‘509 (5)

 

Sa, 18.07.2020: Sommerwind in Islands Outback

Der Wind hatte über Nacht kein bisschen nachgelassen, nach wie vor befinden wir uns auf den engen Isobar-Linien, Tief bläst uns starken Polarwind nach Süden. Das ist der Sommerwind in Island, es hatte vielleicht sechs Grad heute Morgen. Gleichwohl begannen wir mit Packen, denn immerhin schien es laut Wettervorhersage trocken zu bleiben.

Wir wollten heute die F35 erreichen, die über ein unwirtliches Hochplateau nach Norden führt. Ausgangspunkte dieser wilden Schotterpiste war wiederum Geysir, sodass wir eine ähnliche Route wählen mussten, die wir in umgekehrter Richtung bereits befahren hatten. Die Fahrt nach Nordosten war wegen des stürmischen Gegen- oder Seitenwindes äusserst unangenehm, wenn nicht sogar gefährlich, weil der Wind sehr böig war und uns immer wieder beinahe von der Strasse blasen wollte. Wir lagen im Wind wohl noch schräger in der Landschaft als damals in Patagonien, aber wir wollten nicht umkehren und erreichten ohne Sturz Geysir für einen Kaffee und ein leichtes Essen. Hier prüfte ich den Ölstand meines Töffs, der mir seit kurzer Zeit etwas eigenartige Geräusche von sich gibt. Tatsächlich schien der Öltank leer zu sein! Glücklicherweise verfügte Sam über einen Liter Öl, mit dem wir meine Tenere frisch versorgten. Wir beschlossen, die Reise fortzusetzen, machten einen kurzen Halt beim Gulfoss, den wir vor ein paar Tagen schon einmal besucht hatten, diesmal auf der anderen Flussseite. Die aufstiebende Gischt bildete einen Regenbogen. Was für ein Naturschauspiel!

Es waren jetzt nur noch wenige Kilometer zu fahren, bis wir aus unseren Pneus den Luftdruck verminderten, denn jetzt galt es wieder, auf Schotter zu fahren, und dies ging ganz gut. Aber der starke Wind blieb uns erhalten, dazu wurde es immer kälter, weil es etwas Höhendifferenz zu überwinden galt. Die Landschaft wurde immer karger und schien gleichsam ausgemergelt. Wir näherten uns einem weiteren Gletscher, der eingelullt von feuchtem Grau war. Dann überqueren wir einen Wildbach, den Ausfluss eines hellblauen Sees, der vom Wind wie mit Peitschen geschlagen wurde. Endlich erreichten wir einen verlassenen und abgelegenen, aber extrem windausgesetzten Platz, wo wir hätten zelten können. Trotz der starken Bewölkung im Norden wollten wir aber noch etwas weiterfahren. Sam und ich hielten Ausschau nach einer wilden Zeltgelegenheit, aber das Gelände ist hier weitsichtig, und wir wollten einen Platz finden, an dem wir nicht gesehen werden, weil wildes Campieren eigentlich nicht erlaubt ist.

Und dann kam die schwarze Wand immer näher. Hätten wir den letzten Zeltplatz doch nutzen sollen? Aber weit entfernt wurden zwei Häuser sichtbar, denen wir uns aber wieder zu entfernen schienen. Auf einer Anhöhe folgten wir einer Abzweigung und erreichten tatsächlich die bekannten zwei Häuser, die vollkommen verlassen dastanden. Kein Mensch war hier, und wir entdeckten einen nahen Pferdestall, dessen Türe offenstand. Wir fanden gleich zwei windgeschützte Holzverschläge vor, die sich bestens für einen Übernachtung eigneten. Wir richteten uns sofort ein und waren ziemlich froh, wieder einmal auf unser Glück verlassen zu können. Ein Auto und eine Gruppe Quads (!) störten uns zwar in unserer Ruhe, aber beide verschwanden nach kurzer Zeit wieder.

Ich begann mit dem Rüsten von Gemüse und bereitete eine Suppe zu, die ausgezeichnet gelang – das perfekte Menu an diesem kalten Abend – es hatte tatsächlich nur noch 2°C! Jetzt etwas aufgewärmt machten wir einen Spaziergang in der Umgebung, im Südwesten war es ganz hell. Was für eine Stimmung in dieser kargen Landschaft! Kleine Flüsschen schlängeln sind durch das Gelände, teils tief moosig, teils vulkanisch steinig. Jetzt fuhr nochmals ein Auto heran, und die Lenker fanden Zutritt zum Haus. Waren es die Besitzer? Sofort traten wir ins Gespräch mit dem isländischen Paar – und diese fanden, dass es kein Problem ist, im Pferdestall zu übernachten.

Jetzt liegen meine beiden Kollegen bereits im warmen Schlafsack, während ich mit klammen Fingern schreibe. Sam hat sein Zelt als Unterlage ausgebreitet. Ich bin ziemlich glücklich, diese Nacht geschützt in einem Verschlag verbringen zu können.

Km: 137‘698 (189)

 

So, 19.07.2020: Ein heisses Bad und ein sich auflösendes Cockpit

Es hatte am Morgen kaum mehr als 0°C im Freien, weshalb es bestimmt angenehm war, in einer Hütte übernachtet zu haben. Die umliegenden Berge waren weiss überzuckert, es hatte bis fast auf unsere Höhe auf etwa 600 m.ü.M. heruntergeschneit. Wir waren bald bereit, diese karge, unwirtliche, aber doch atemberaubende Landschaft zu verlassen. Bald hatten wir einen Aussichtspunkt erreicht. Wir waren genau zwischen zwei gewaltigen Gletschern, der Wind hatte nachgelassen, aber es war noch immer sehr kalt.

Von ferne erkannte Clemens einige aus der Erde aufsteigende Räuchlein, und genau diese wollten wir jetzt erreichen. Wir stiessen auf ein geothermisch aktives Feld, das auch touristisch bewirtschaftet wird. Da standen Reihen von Quads, dessen Fahrer in einer geführten Tour unterwegs waren. Uns interessierte jedoch mehr das schön angelegte heisse Bad, dessen Temperatur mit einem Heiss- und Kaltwasserschlauch reguliert werden konnte. Das heisse Wasser war gegen 100°C heiss. Schnell genossen wir das warme Wasser, bis unsere Lebensgeister definitiv wieder geweckt waren. Auf dem Spaziergang durch dieses vulkanisch aktive Feld beobachteten wir aus dem Erdinnern sprudelnde Quellen und einen veritabel rauchenden Minivulkan, der vor sich hinqualmte. Der Wind trug den Rauch in östliche Richtung.

Im kleinen, warm geheizten Restaurant verzehrten wir einen guten Lammauflauf. Dann ging es weiter auf der gut zu befahrenen Schotterpiste Richtung Norden. Wir erreichten eine Ebene, die in Windeseile durchfahren wurde. Aber schon von weitem war ein grosser, hellblau leuchtender Stausee zu sehen, besonders gut sichtbar von einem Viewpoint auf einer Anhöhe. Wieder einmal blies der Wind mein Motorrad um (ein weiterer Punkt war mir gewiss…), diesmal mit Folgen – mein Cockpit wurde durch den Aufprall zerbrochen. Ärger! Nussgesicht! Mit einigen Kabelbindern wurden die Teile wieder verbunden – das Cockpit scheint besser zu halten als vorher.

Schliesslich erreichten wir die asphaltierte Strasse und damit bald die Nationalstrasse 1. Wir wollten noch einige Kilometer Richtung Westen zurücklegen und schlugen unsere Zelte an einem weiten Fjord auf. Auch hier hatte es ein Warmwasserbad. Nach einem Spaziergang entlang der Küste beobachtete ich lange einige isländische, weidende Pferde, von denen ich nicht wusste, wie angriffig sie sind, wenn man ihnen nahe kommt. Aber sie waren ganz friedlich und zutraulich, ausser jene hübsche Stute mit ihrem Jungen, die ich besonders gerne fotografiert hätte.

Später gesellte ich mich zu Sam, Clemens und Marleen, die im angelegten warmen Bad und sich über meinen letzten Whisky-Vorrat hermachte, der ziemlich bald zur Neige ging. Wir genossen das ewige Licht und einen goldenen Sonnenuntergang, der beinahe unendlich lange dauerte. Schliesslich stiegen wir ab zum mit Algen durchsetzten Meer und nahmen ein Bad im salzig-kalten Wasser. Was für ein Prickeln, wenn man sich nachher wieder im warmen Bad aufwärmen kann! Nach einer reinigenden Dusche (?) mit schwefligem Heisswasser ging’s erst weit nach eins Uhr in den warmen Schlafsack.

Km: 137‘916 (218)

 

Mo, 20.07.2020: Eine Schlucht, ein Schiffswrack, eine Schar Seelöwen und angriffige Möwen

Wir blieben etwas länger liegen als sonst, weil etwas Schlaf nachgeholt werden musste. Es war vergleichsweise mild diesen Morgen. Es wurde beinahe Mittag, bis wir endlich von diesem schönen Ort wegkamen. Wir umrundeten das Fjord beinahe gänzlich, bis eine Schotterpiste Richtung Westen führte. In Budardalur versorgten wir uns mit neuen Vorräten, bevor wir den Weg Richtung Snaefelljökull fortsetzten. Die Schotterpiste Richtung Westen war entlang schroffer Gebirgskämme besonders sehenswert. Und das Wetter spielte auch mit: Es war zwar nach wie vor frisch, aber sonnig mit wenig Wind.

Den ersten Halt machten wir bei einer kleinen Schlucht, durch die ein Wildbach mit glasklarem Wasser führte. Vor allem Marleen und Clemens hatten den Narren gefressen am kalten Wasser und durchschwammen das von steilen Felsen durchsäumte Gewässer. Den Mittagshalt versüssten wir uns durch ein herrlich zartes, mit Dill gewürztes Lachsstück. Bald darauf machten wir einen weiteren Halt mit Sicht auf unzählige kleine Inseln in mehrblaufarbenem Meer – ein Hauch der norwegischen Lofoten. Wenig später besuchten wir nach kurzem Spaziergang ein Schiffswrack, das noch nicht so alt sein kann, weil noch der weisse Radarschirm zu erkennen war. Das Fischerschiff war auf einer Insel auf ein Riff aufgelaufen und liegt nun auf einem kleinen Sandstrand, für uns leider nicht direkt erreichbar ohne Boot. Aber die Wanderung durch eine moorige Landschaft mit der typisch isländischen Vegetation mit Flechten, kleinsten Blüten und den weiss-flauschigen Blüten war grossartig.

Wir folgten einem Fjord landeinwärts, gesäumt von schroffen Felsen und bevölkert von Flamingos (?) oder weissen Wildgänsen, die zu Hunderten im Wasser schwammen, aber von uns nur wenig gestört wurden, weil wir genug zu geniessen hatten an der stupenden Landschaft. Dann wurde es wieder etwas ebener auf dieser gut zu befahrenen Schotterpiste. Wir überquerten die Halbinsel, vorbei an einem tief liegenden Vulkan mit Kratersee und den typischen moosbewachsenen Lavaleichen.

Jetzt wurde zum ersten Mal der Snaefelljökull, das nächste Ziel unserer Träume, sichtbar. Aber wir waren noch weiter entfernt als erwartet. Wir folgten kilometerweit in Richtung dieses lange erloschenen oder schlafenden Vulkans, der erhalben gletscherbeladen die Landschaft dominiert. Den letzten Halt machten wir einige Kilometer vor Amarstapi, wo sich im Meer viele Robben oder Seehunde tummelten. Einer fläzte auf einem grossen Stein in der Sonne, halb im Wasser, vor sich hin, andere tauchten immer wieder auf, um nach Luft zu schnappen. Zu schön wäre es gewesen, mit ihnen zu schwimmen oder ihren Spieltrieb wie damals auf Galapagos zu testen.

Die Sonne war gerade untergegangen – und es war gleich einige Grade kälter, als wir den Zeltplatz erreichten, wo wir gleich für zwei Nächte buchten (je 1000 ISK, Sonderrabatt für Motorradfahrer). Dom und ich waren sofort unterwegs zu Go West, wo wir für morgen Abend einen Trip auf den Snaefelljökull buchten (je 18‘700 ISK). Wir probierten Bergschuhe und liessen uns von George, einem sympathischen, schottischen Führer über den Trip informieren, der ganz speziell werden dürfte, weil wir den Berg in der (hellen) Nacht erklimmen werden. Etwas lästig sind hier die angriffigen kleinen Arctic Terns, die einen attackieren, sich vor allem aber gerne exakt über uns entleeren – mit weisser, hässlicher Schmiere. Trotzdem sehr interessante Tiere, weil sie weltweit jährlich den längsten Migrationsflug bewältigen – von der Antarktis bis nach Island. Lustigerweise wählten sie am liebsten Doms Zelt für ihr Geschäft aus, der heute auch mit einem gefundenen Nuggi beehrt wurde, den ich bei den Robben gefunden hatte. Jetzt schmückt das Ding die Frontseite seines Motorrades.

Wir kochten in der Kälte Älpermagronen, aber es war zu kalt, noch lange wach zu bleiben, sodass wir uns bald in die warmen Schlafsäcke verzogen.

Km: 138‘144 (228)