Es ist Sonntagabend. Unterdessen bin ich weit weg von Australien. ich blicke vom dritten Stock der Rosenberg-Klinik in Heiden über den Bodensee. Meine Reise wurde von einem unerwarteten, aber dringend nötigen Unterbruch heimgesucht. Meine Beinverletzung hat sich als schlimmer herausgestellt, als ich das erwartet und erhofft habe.
Zufällig habe ich in Broome einen Schweizer Orthopäden kennengelernt, der mir dringend eine Operation empfohlen hat, um Spätfolgen in meinem Fussgelenk zu vermeiden (Arthrose). Am Montagmittag werde ich operiert. Der Wadenknochen wird fixiert, das Syndesmose- und Innenband am Fussgelenk wird mit einer neuartigen Methode (ohne Schrauben, aber mit einem gespannten Faden und zwei Knöpfen) operiert - hoffentlich mit gutem Erfolg.
Im Oktober habe ich nach dem Heilungsprozess vor, wieder zu meinem in Australien zurückgelassenen Töff zurückzureisen, um meine Reise fortzusetzen. Dann wird es wettertechnisch ideal sein, die Westküste Australiens zu erobern. Alles hat also immer sein Gutes. Die Wahrscheinlichkeit ist auch gestiegen, meine Reise später auch noch in Südamerika fortzusetzen. Noch habe ich aber den Transport in diesen Erdteil nicht organisiert. Aber ich habe ja bald alle Zeit der Welt, mich dieser Herausforderung zu stellen.
Die Blogeinträge werden erst dann fortgesetzt. Ich freue mich über Besuche im Böl, denn einige Zeit werde ich wohl flach liegen müssen. Und vielleicht weiss mir jemand eine Arbeit, um meine jetzt höheren Ausgaben in der Schweiz etwas ausgleichen zu können...
Ich hatte mir in den letzten Tagen alle Zeit der Welt genommen, Texte und Bilder zu bearbeiten, aber heute war es soweit, dass ich den vierundzwanzigsten Teil meines Blogs online stellte. Zudem schaltete ich auch ein Album auf Facebook hoch, und hier erhielt ich bald viele Mitteilungen und Anteilnahme. „Gute Besserung!“ – Dies tat zwar wohl, half aber doch nicht weiter. Ich blieb auch heute im beaches of Broome. Am Nachmittag sass ich am Swimmingpool und pflegte mein Bein etwas, las im dritten Teil Die Chroniken des Thomas Covenant.
Gegen Abend fuhr ich zum Woolworth, deckte mich mit einigen Spezialitäten ein, kaufte in einem Kleiderladen zwei kurze Hosen mit den nötigen, idealen Seitensäcken. Zu Hause begnügte ich mich mit einem grossen Salat und Brot. Es ist interessant, wie die Leute auf mich als Behinderter reagieren. Entweder wird mir ausgewichen, es wird mir geholfen beim Öffnen der Türe oder beim Tragen von Kleinigkeiten. Und natürlich ist man interessiert an immer derselben Story. Ich hing am Abend lange an meinem Handy, weil ich gespannt war auf die Reaktionen auf meinen neuen Blogteil.
Km: 45‘619, D17 (0)
Auf Facebook fragte ich nach einem Heilungbeschleuniger, in erster Linie wurde mir aber empfohlen, mir für die Heilung Zeit zu lassen. Moni empfahl ein homöopathisches Mittel, Symphytum C 200, aber wie soll ich dazu kommen, und bringt’s dann was? Ich halte mich da lieber einmal mehr an meine Selbstheilungskräfte, bewegen, so gut es geht, für Durchblutung sorgen und den Knochen mental bearbeiten.
Tatsächlich geht es mir etwas besser. Ich fühlte mich genug fit, meine Motorrad abzuspritzen, vor allem der Kühler hatte es nötig. Dann wurde der voll verstaubte Luftfilter ebenfalls mit Wasser gereinigt und zum Trocknen an die Sonne gelegt. In der Zwischenzeit gönnte ich mir ein Bad. Zaghaft versuchte ich beim Schwimmen auch mein linkes Bein zu bewegen. Es ist überhaupt sehr angenehm, raus aus der Schiene zu kommen und das Bein im erfrischenden Wasser zu kühlen. Es ist tatsächlich recht kalt, denn ich der Nacht lässt eine markante Süd-Brise die Temperatur deutlich absinken – ein Hauch von Winter ist auch hier spürbar.
Aber es war einmal mehr ein wenig Aufsehen erregender Tag. Am Abend stand ich in der Küche und kochte Nudeln mit Aubergine-Streifen, Schalotten und Knoblauch, ganz lecker. Dann leerte ich noch den Rest der Weissweinflasche, die ich noch von den Holländern bekommen hatte. Die Highlights fehlen. Ärger! Aber Geduld ist gefragt.
Km: 45‘619, D18 (0)
Der Ort könnte definitiv schlechter sein, eine Verletzung ausheilen zu lassen. Ich bin in einem gut organisierten Backpacker’s gelandet. Ich zähle unterdessen zu den alteingesessenen Gästen. Im Hintergrund läuft angenehme Musik aus den Achtzigerjahren, die Bierbar liegt gleich hinter mir. Und doch ist es nicht der Ort, wo ich mich wirklich wohlfühle. Heute Morgen habe ich mich informiert, was in Broome und Umgebung anzuschauen wäre. Broome ist die Perlenstadt, und eine solche Perlenfarm werde ich wohl bald einmal anschauen gehen. Aber Australien ist sehr teuer, ein Flug über die Kimberleys kommt mich vierstellig zu stehen, dies will ich mir einfach nicht leisten.
So verweile ich hier im alten Dilemma. Dem Bein geht es allmählich besser, ich komme längst ohne Schmerztabletten aus, im Swimmingpool versuche ich mich in einer Art Bewegungstherapie, ich werde immer unruhiger, aber eine gute Woche werde ich wohl schon noch hier ausharren müssen. Cape Leveque mit seiner pinken Felsküste lockt, aber die zeitweilige Sandpiste hält mich noch davon ab. Unterdessen hatte ich auch nochmals Kontakt mit Samuel, der ebenfalls auf der Gibb River Road unterwegs war und Richtung Alice Springs fährt (Tanami Road?) – wäre genau mein Routing gewesen – schaaade! Überhaupt weiss ich noch nicht wirklich, ob es mich doch noch etwas weiter Richtung Süden zieht (Karijini Nationalpark), wobei dann die Great Central Road nicht mehr weit wäre. Aber bin ich schon fähig, Hunderte von Kilometern auf Gravel zu fahren? Oder bleibe ich auf der sicheren Seite und folge brav dem Northern Highway zurück nach Katherine mit dem Bungle Bungle Nationalpark auf dem Weg? Ich weiss es noch nicht, vorerst wird auf jeden Fall nochmals geschont… Und dann werde ich wohl in ein Zeitproblem schlittern, denn mein Visum läuft in drei Monaten ab, worauf ich das Land zu verlassen hätte. Ich könnte dann mit demselben Visum gleich wieder einreisen und würde weitere drei Monate bekommen.
Aber für einen ersten kleinen Ausflug fühlte ich mich heute durchaus fit genug. Es war nicht weit zu fahren bis zum Gantheaume Point (Minyirr), wunderschön an der Küste gelegen. Es war zwar ziemlich anstrengend, mit den Stöcken die 500 m bis zur Küste zurückzulegen. Verwitterte Pindan-Cliffs, eisenhaltig und extrem rot gefärbt, verlocken einen, einige Felsen zu erklimmen, und ich liess es mir nicht nehmen, wenigstens zwei dieser Felsbrocken zu erklimmen. Aber alles geht langsamer und ist sehr ermüdend, pures Training für die Oberarme. Man könnte hier Fussspuren von Dinosauriern sehen, aber dazu war ich zu Fuss zu wenig beweglich, zudem braucht man tiefste Ebbe, um etwas sehen zu können. Auf dem Rückweg versorgte ich mich mit zwei roten Cooper’s und fuhr zur Cable-Beach, fand einen guten Parkplatz auf einem abgeschliffenen Felsen ganz nahe des Meeres. Mit den Stöcken humpelte ich zum Wasser, legte die Stöcke auf einen Felsen und kroch förmlich ins Meer, das ich mir kälter vorgestellt hatte. Ich versuchte, ganz sachte zu gehen im Wasser. Das liebliche Umspülen der Gelenke schien mir förmlich gut zu tun. Ich lag nachher lange am Strand und hörte Musik. Den Sonnenuntergang genoss ich im Sunset Bar & Grill, ein sehr betriebsamer Ort mit der Einfahrt der Autos oder dem Zugang der Kamele zum Strand. Sehen und gesehen werden… Am Abend fuhr ich nochmals in die Stadt ins Café d’Amore, einer guten Pizzeria mit riesigen, ovalförmigen Pizzas. Es war ein Vorteil, alleine unterwegs zu sein, die Plätze waren restlos ausgebucht, im Salon fand ich in einem weichen Sessel noch einen Platz.
Dann hatte ich einen ausführlichen Kontakt mit Conny, die mit dem Cheforthopäden des Spital Rorschachs gesprochen hatte, der offenbar dringend eine OP mit zwei Schrauben empfiehlt, weil der Knochen schräg gebrochen ist. Es gilt jetzt herauszufinden, wie gut der Knochen unterdessen schon verheilt ist. Deshalb werde ich wohl erneut das Spital aufsuchen müssen. Zudem empfahlen mir die Ärzte in Derby ohnehin, in Broome einen Thrombose-Test machen zu lassen.
Übrigens ist es umso härter, während solchen „leeren“ Tagen weiterhin aufs Rauchen zu verzichten, aber bald habe ich die zweite Grenze erreicht, drei Wochen! Ich sollte jetzt wirklich nicht aufgeben.
Km: 45‘640, D19 (0)