Der einunddreissigste Teil meiner Reise ist bestimmt einer der interessantesten und spannendsten. Denn neben grossartigen Naturerlebnissen mit einer Wildwasserfahrt und der Erklimmung eines aktiven Vulkans, der abenteuerlichen Umrunden eines anderen Vulkanriesen auf Fahrwegen, die eher Wandertracks glichen, hielt mich auch mein Gefährt dauernd auf Trab. Gleich mehrere Pannen hatte ich zu beklagen, aber immer konnte ich mich aus den teils schwierigen Situationen herauswinden. Und Samuel sei Dank, mein Privatmechaniker kam gleich mehrmals zum Einsatz. Ohne ihn wäre ich wohl noch nicht in Mendoza.
Krise. Weniger als 200 km von El Calafate, mehr als 400 km von Perito Moreno entfernt campieren wir im Middle of Nowhere direkt an der Hauptstrasse, auf der seit Stunden kein Auto mehr passiert hat. Es ist heute das passiert, wovor ich mich schon lange gefürchtet habe. Meine Maschine läuft nicht mehr. Angekündigt hat sich das Problem etwa vor vierzig Kilometern, als die orange Motoren-Warnlampe zu leuchten begonnen hat. Samuel vermutete, dass mit der Lichtanlage etwas nicht stimmen könnte und hängte meinen Scheinwerfer ab.
Aber meine Batterie war unterdessen so leer, dass ich den Töff nicht mehr anstellen konnte, sodass wir die beiden Motorräder miteinander per Spannset verbanden und Sam mich anzog. Just in dem Moment, als die Maschine wieder lief, fuhr ein Seitenwagengespann an uns vorbei und hielt sofort an – es waren Vicky und Luki, die wir von der Villa Kunterbunt noch kannten. Natürlich hatten wir uns einiges zu erzählen, tranken zur Feier des Tages gar einen Schluck Wein – und erfreulicherweise startete mein Töff nach diesem Intermezzo ohne Probleme – und die Warnlampe leuchtete nicht mehr.
Aber ich sollte nicht mehr weit kommen. Bald leuchtete das orange Lämpchen beim Cockpit erneut auf, und schliesslich stellte der Motor ab. Wir versuchten den Fehler zu finden, indem wir die verschiedenen Sicherungen entfernten und den Motor wieder zu starten versuchten. Zweimal liess ich ich nochmals anziehen. Ein Unglück kommt selten alleine. Ich fuhr auf das Abschleppseil, das sich im Vorderrad verhedderte – der Sturz war unvermeidlich. Wieder fiel ich auf die linke Seite, knickte mit meinem Problemfuss um, aber dies war nicht wirklich das Hauptproblem. Ich blutete stark aus meinem rechten Ringfinger und hatte mir das rechte Handgelenk ziemlich übel verstaucht. Eigentlich hoffte ich, dass mich ein Pickup Richtung Norden mitnehmen könnte, aber da war während Stunden nur eines, dessen Fahrer aber nicht auf unseren Wunsch einging.
So stellten wir die Zelte auf und suchten etwas Holz von den wenigen kargen Büschen. Dies reichte nicht für genügend Glut für unser grosses Stück Fleisch, das wir heute Morgen noch in El Calafate gekauft hatten. Deshalb sammelte ich ein Dutzend eingetrockneter Kuhfladen, die bestens brannten und die nötige, hervorragende Glut abgaben.
Die Frage ist jetzt natürlich, wer mir wo helfen kann. Eigentlich möchte ich der Kälte des Südens entfliehen und nach Norden reisen, aber die nächste gute Töffbude wäre in Rio Gallegos zu finden, 500 km südlich von hier. Samuel ist sich noch unsicher, wie er mit dieser Situation umgehen soll, alleine weiterzureisen oder mir beizustehen und zu helfen. Morgen wird wohl der Zufall entscheiden, ob ich Richtung Norden oder Süden von hier wegkomme.
Wir kamen heute erst am Mittag von El Calafate weg, füllten all unsere Benzintänke inklusive zweier 6-Liter-Wasserflaschen mit Benzin auf, um es ohne Tankstopp nach Perito Moreno zu schaffen. Wir kauften auch noch einige Vorräte ein, unter anderem ein grosses Stück Fleisch, das heute Abend auf der Glut bestens gegrillt wurde – zusammen mit Bratkartoffeln, die schliesslich mit Rotwein noch etwas abgeschmeckt wurden und dadurch endlich gar wurden. Das Problem bestand bestimmt nicht an den glühenden Kuhfladen…
Km: 62‘740 (176 + 16)
Es hatte geregnet in der Nacht, deshalb war es in dieser gottverlassenen Pampa wieder kein angenehmes Aufstehen. Ich war schon vor sieben Uhr daran, meine Sachen zusammenzupacken, aber es war eine mühselige Arbeit, denn mein linkes Handgelenk war angeschwollen, die Wunde beim Ringfinger doch tiefer als vermutet, sodass ich bei jedem Arbeitsgang behindert war. Irgendwann passierte ein leerer Lastwagen, aber in diesem Moment war ich noch nicht bereit, sodass ich ihn weiterziehen liess.
Dann wartete ich lange beim bereitgestellten Gepäck am Strassenrand, aber nur drei oder vier Personenauto passierten während dieser Zeit. Sam hatte dann die Idee, dass wir die Batterien unserer Maschinen tauschen könnten, vielleicht hatte ja meine Batterie einfach nur Schaden genommen. Wiederum hatten wir bei meiner Maschine die lästige Prozedur des Tankentfernens vorzunehmen und montierten seine viel kleinere Batterie. Meine zu grosse Batterie montierte er ausserhalb der Maschine an der Seite – Kabelbinder sei Dank. Während ich jetzt mein Material lud, passierte ein grosser Lastwagen mit Anhänger, dem ich schon etwas sehnsüchtig nachsah, und Sam schob seine Maschine fünfhundert Meter weiter an, wo die Strasse leicht abwärts ging. Und die Taktik schien zu funktionieren. Meine Maschine sprang problemlos an, und Sam kam auch schon dahergefahren, sodass es tatsächlich weitergehen konnte! O Wunder!
Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange. Nach 15 km begann das orange Lämpchen wieder zu leuchten, bald begann die Maschine zu ruckeln und stellte dann ganz ab. Immerhin 17 km weit war ich gekommen, gelandet auf einer ziemlich ruppigen Schotterpiste, die eben begonnen hatte. Ich hatte kaum angehalten, als der schon erwähnte und inzwischen überholte Lastwagen, schwer beladen mit roher Schafswolle, dahergeschlichen kam. Ich hatte eigentlich wenig Hoffnung, dass uns die beiden Fahrer helfen könnten, denn sowohl Lastwagen wie Anhänger waren bereits ziemlich überladen. Aber die beiden sahen unsere Not und fanden eine Lösung. Schnell war mein Gepäck demontiert, und dann wurde mein Töff gemeinsam auf die Deichsel zwischen den beiden Wagen gehoben (ich konnte wegen meiner verletzten Hände leider wenig helfen…). Jetzt wurde er mittels massiven Spanngurten von der Deichsel weg in die Höhe gehoben und hing schliesslich an der Front des Anhängers in der Luft.
Noch 50 km waren wir äusserst gemächlich auf der Schotterstrasse unterwegs, die beiden Argentinier waren überaus nett und liebenswürdig und versuchten mich zu unterhalten, aber mein Spanisch ist noch zu wenig gut, um ein wirkliches Gespräch zu führen. Der Beifahrer machte es sich auf der Liege hinter den beiden Sitzen bequem, sein extremer Fussschweiss hatte mich nicht zu stören. Bald wurde auf einem kleinen Gasherd in der Fahrerkabine Mate hergestellt, eine Art überzuckerten, extrem starken Schwarztee, getrunken aus einem Lederbecher, ich trug dazu einige Biscuits bei. Dann wurde mir die grosse Steinschleuder vorgeführt, mit der zuweilen auf der Fahrt Vögel gejagt werden (womit ich weiss, warum es hier so wenige Vögel hat…). Als wir endlich die asphaltierte Strasse erreichten, verdoppelte der Fahrer die Geschwindigkeit, sodass wir schon am frühen Nachmittag Gobernador Gregores erreichten.
Bei der Tankstelle wurde meine Maschine wieder von den Gurten befreit. Sam mietete uns wieder in der Hospedaje Mariel ein, während ich nachfragte, ob es in dieser kleinen Stadt eine Person gebe, der Motorräder reparieren kann. Schnell liefen die Drähte heiss, und in wenigen Minuten stand auch schon Gustavo hier, der mir gleich vor Ort helfen wollte, was natürlich nicht möglich war. So fuhren wir zu seinem Haus, wo Gustavo und sein Helfer, aber vor allem Samuel begann, mittels Multimeter herauszufinden, wo das Stromleck ist. Tatsache ist, dass die Batterie während des Fahrens entladen, aber nicht mehr geladen wird. Dies kann verschiedene Ursachen haben: Der Regulator oder Alternator können defekt sein, vielleicht ist auch nur ein Steckschalter spröd. Wir konnten heute die Ursache des Problems noch nicht herausfinden, Samuel investierte aber einiges an Zeit, um übers Internet weitere Zusammenhänge zu erkennen. Wir hoffen, dass nicht das komplizierte Teil des Alternators defekt ist, weil dies im Umkreis von 2000 km nicht zu finden ist. Das würde uns ziemlich katastrophal blockieren an diesem wenig interessanten Ort.
Natürlich bin ich jetzt überaus froh, über einen Begleiter zu verfügen, der mir vielleicht mit seinem technischen Geschick aus der Patsche helfen kann. Tausend Dank! Wir besuchten am Abend eine kleine Pizzeria und assen eine grosse Pizza – war zwar eher ein riesiger Tomatenbrot-Fladen. Dafür tranken wir ausgezeichnetes Iguana-Bier. Dann recherchierte Samuel noch lange im Internet, auch wegen eines Simmerings an seinem vorderen Stossdämpfer, der leckt, aber das Fahren noch lange nicht verunmöglicht. Ich schrieb Erik nach Chiang Mai, der mir hoffentlich bald hilfreiche Tipps geben kann.
Km: 62‘757 (17)