Teil 31: Chile - Argentinien II

Der einunddreissigste Teil meiner Reise ist bestimmt einer der interessantesten und spannendsten. Denn neben grossartigen Naturerlebnissen mit einer Wildwasserfahrt und der Erklimmung eines aktiven Vulkans, der abenteuerlichen Umrunden eines anderen Vulkanriesen auf Fahrwegen, die eher Wandertracks glichen, hielt mich auch mein Gefährt dauernd auf Trab. Gleich mehrere Pannen hatte ich zu beklagen, aber immer konnte ich mich aus den teils schwierigen Situationen herauswinden. Und Samuel sei Dank, mein Privatmechaniker kam gleich mehrmals zum Einsatz. Ohne ihn wäre ich wohl noch nicht in Mendoza.

Mo, 06.03.2017: Am Arsch (der Welt)

Krise. Weniger als 200 km von El Calafate, mehr als 400 km von Perito Moreno  entfernt campieren wir im Middle of Nowhere direkt an der Hauptstrasse, auf der seit Stunden kein Auto mehr passiert hat. Es ist heute das passiert, wovor ich mich schon lange gefürchtet habe. Meine Maschine läuft nicht mehr. Angekündigt hat sich das Problem etwa vor vierzig Kilometern, als die orange Motoren-Warnlampe zu leuchten begonnen hat. Samuel vermutete, dass mit der Lichtanlage etwas nicht stimmen könnte und hängte meinen Scheinwerfer ab.

Aber meine Batterie war unterdessen so leer, dass ich den Töff nicht mehr anstellen konnte, sodass wir die beiden Motorräder miteinander per Spannset verbanden und Sam mich anzog. Just in dem Moment, als die Maschine wieder lief, fuhr ein Seitenwagengespann an uns vorbei und hielt sofort an – es waren Vicky und Luki, die wir von der Villa Kunterbunt noch kannten. Natürlich hatten wir uns einiges zu erzählen, tranken zur Feier des Tages gar einen Schluck Wein – und erfreulicherweise startete mein Töff nach diesem Intermezzo ohne Probleme – und die Warnlampe leuchtete nicht mehr.

Aber ich sollte nicht mehr weit kommen. Bald leuchtete das orange Lämpchen beim Cockpit erneut auf, und schliesslich stellte der Motor ab. Wir versuchten den Fehler zu finden, indem wir die verschiedenen Sicherungen entfernten und den Motor wieder zu starten versuchten. Zweimal liess ich ich nochmals anziehen. Ein Unglück kommt selten alleine. Ich fuhr auf das Abschleppseil, das sich im Vorderrad verhedderte – der Sturz war unvermeidlich. Wieder fiel ich auf die linke Seite, knickte mit meinem Problemfuss um, aber dies war nicht wirklich das Hauptproblem. Ich blutete stark aus meinem rechten Ringfinger und hatte mir das rechte Handgelenk ziemlich übel verstaucht. Eigentlich hoffte ich, dass mich ein Pickup Richtung Norden mitnehmen könnte, aber da war während Stunden nur eines, dessen Fahrer aber nicht auf unseren Wunsch einging.

So stellten wir die Zelte auf und suchten etwas Holz von den wenigen kargen Büschen. Dies reichte nicht für genügend Glut für unser grosses Stück Fleisch, das wir heute Morgen noch in El Calafate gekauft hatten. Deshalb sammelte ich ein Dutzend eingetrockneter Kuhfladen, die bestens brannten und die nötige, hervorragende Glut abgaben.

Die Frage ist jetzt natürlich, wer mir wo helfen kann. Eigentlich möchte ich der Kälte des Südens entfliehen und nach Norden reisen, aber die nächste gute Töffbude wäre in Rio Gallegos zu finden, 500 km südlich von hier. Samuel ist sich noch unsicher, wie er mit dieser Situation umgehen soll, alleine weiterzureisen oder mir beizustehen und zu helfen. Morgen wird wohl der Zufall entscheiden, ob ich Richtung Norden oder Süden von hier wegkomme.

Wir kamen heute erst am Mittag von El Calafate weg, füllten all unsere Benzintänke inklusive zweier 6-Liter-Wasserflaschen mit Benzin auf, um es ohne Tankstopp nach Perito Moreno zu schaffen. Wir kauften auch noch einige Vorräte ein, unter anderem ein grosses Stück Fleisch, das heute Abend auf der Glut bestens gegrillt wurde – zusammen mit Bratkartoffeln, die schliesslich mit Rotwein noch etwas abgeschmeckt wurden und dadurch endlich gar wurden. Das Problem bestand bestimmt nicht an den glühenden Kuhfladen…

Km: 62‘740 (176 + 16)

Di, 07.03.2017: Aufgehängt am Anhänger des Schafwolle-Transporters

Es hatte geregnet in der Nacht, deshalb war es in dieser gottverlassenen Pampa wieder kein angenehmes Aufstehen. Ich war schon vor sieben Uhr daran, meine Sachen zusammenzupacken, aber es war eine mühselige Arbeit, denn mein linkes Handgelenk war angeschwollen, die Wunde beim Ringfinger doch tiefer als vermutet, sodass ich bei jedem Arbeitsgang behindert war. Irgendwann passierte ein leerer Lastwagen, aber in diesem Moment war ich noch nicht bereit, sodass ich ihn weiterziehen liess.

Dann wartete ich lange beim bereitgestellten Gepäck am Strassenrand, aber nur drei oder vier Personenauto passierten während dieser Zeit. Sam hatte dann die Idee, dass wir die Batterien unserer Maschinen tauschen könnten, vielleicht hatte ja meine Batterie einfach nur Schaden genommen. Wiederum hatten wir bei meiner Maschine die lästige Prozedur des Tankentfernens vorzunehmen und montierten seine viel kleinere Batterie. Meine zu grosse Batterie montierte er ausserhalb der Maschine an der Seite – Kabelbinder sei Dank. Während ich jetzt mein Material lud, passierte ein grosser Lastwagen mit Anhänger, dem ich schon etwas sehnsüchtig nachsah, und Sam schob seine Maschine fünfhundert Meter weiter an, wo die Strasse leicht abwärts ging. Und die Taktik schien zu funktionieren. Meine Maschine sprang problemlos an, und Sam kam auch schon dahergefahren, sodass es tatsächlich weitergehen konnte! O Wunder!

Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange. Nach 15 km begann das orange Lämpchen wieder zu leuchten, bald begann die Maschine zu ruckeln und stellte dann ganz ab. Immerhin 17 km weit war ich gekommen, gelandet auf einer ziemlich ruppigen Schotterpiste, die eben begonnen hatte. Ich hatte kaum angehalten, als der schon erwähnte und inzwischen überholte Lastwagen, schwer beladen mit roher Schafswolle, dahergeschlichen kam. Ich hatte eigentlich wenig Hoffnung, dass uns die beiden Fahrer helfen könnten, denn sowohl Lastwagen wie Anhänger waren bereits ziemlich überladen. Aber die beiden sahen unsere Not und fanden eine Lösung. Schnell war mein Gepäck demontiert, und dann wurde mein Töff gemeinsam auf die Deichsel zwischen den beiden Wagen gehoben (ich konnte wegen meiner verletzten Hände leider wenig helfen…). Jetzt wurde er mittels massiven Spanngurten von der Deichsel weg in die Höhe gehoben und hing schliesslich an der Front des Anhängers in der Luft.

Noch 50 km waren wir äusserst gemächlich auf der Schotterstrasse unterwegs, die beiden Argentinier waren überaus nett und liebenswürdig und versuchten mich zu unterhalten, aber mein Spanisch ist noch zu wenig gut, um ein wirkliches Gespräch zu führen. Der Beifahrer machte es sich auf der Liege hinter den beiden Sitzen bequem, sein extremer Fussschweiss hatte mich nicht zu stören. Bald wurde auf einem kleinen Gasherd in der Fahrerkabine Mate hergestellt, eine Art überzuckerten, extrem starken Schwarztee, getrunken aus einem Lederbecher, ich trug dazu einige Biscuits bei. Dann wurde mir die grosse Steinschleuder vorgeführt, mit der zuweilen auf der Fahrt Vögel gejagt werden (womit ich weiss, warum es hier so wenige Vögel hat…). Als wir endlich die asphaltierte Strasse erreichten, verdoppelte der Fahrer die Geschwindigkeit, sodass wir schon am frühen Nachmittag Gobernador Gregores erreichten.

Bei der Tankstelle wurde meine Maschine wieder von den Gurten befreit. Sam mietete uns wieder in der Hospedaje Mariel ein, während ich nachfragte, ob es in dieser kleinen Stadt eine Person gebe, der Motorräder reparieren kann. Schnell liefen die Drähte heiss, und in wenigen Minuten stand auch schon Gustavo hier, der mir gleich vor Ort helfen wollte, was natürlich nicht möglich war. So fuhren wir zu seinem Haus, wo Gustavo und sein Helfer, aber vor allem Samuel begann, mittels Multimeter herauszufinden, wo das Stromleck ist. Tatsache ist, dass die Batterie während des Fahrens entladen, aber nicht mehr geladen wird. Dies kann verschiedene Ursachen haben: Der Regulator oder Alternator können defekt sein, vielleicht ist auch nur ein Steckschalter spröd. Wir konnten heute die Ursache des Problems noch nicht herausfinden, Samuel investierte aber einiges an Zeit, um übers Internet weitere Zusammenhänge zu erkennen. Wir hoffen, dass nicht das komplizierte Teil des Alternators defekt ist, weil dies im Umkreis von 2000 km nicht zu finden ist. Das würde uns ziemlich katastrophal blockieren an diesem wenig interessanten Ort.

Natürlich bin ich jetzt überaus froh, über einen Begleiter zu verfügen, der mir vielleicht mit seinem technischen Geschick aus der Patsche helfen kann. Tausend Dank! Wir besuchten am Abend eine kleine Pizzeria und assen eine grosse Pizza – war zwar eher ein riesiger Tomatenbrot-Fladen. Dafür tranken wir ausgezeichnetes Iguana-Bier. Dann recherchierte Samuel noch lange im Internet, auch wegen eines Simmerings an seinem vorderen Stossdämpfer, der leckt, aber das Fahren noch lange nicht verunmöglicht. Ich schrieb Erik nach Chiang Mai, der mir hoffentlich bald hilfreiche Tipps geben kann.

Km: 62‘757 (17)

Mi, 08.03.2017: Überraschung in der Werkstatt

Es gab keinen Grund, früh aufzustehen, weil wir nicht wussten, wie lange wir in diesem Gregores stecken bleiben werden. Nach einem Telefon mit „Fernheiler“ Erik und dem Auftreiben diverser Infos aus dem Internet, wie zum Beispiel ein Alternator einer Ténéré aussieht, fuhren wir um drei Uhr zu Gustavos Haus, wo Samuel bald daran war, die Steckverbindungen und den Stromregler mit dem Multimeter zu prüfen.

Eigentlich vorerst bad news, denn hier wäre ein Fehler oder Kurzschluss relativ einfach zu beheben gewesen. Deshalb begann Sam jetzt, den Motor zu öffnen, um Zugang zur Lichtmaschine oder dem Alternator zu bekommen. Dazu musste zuerst das Öl abgelassen werden, weil die vielen Spulen überraschenderweise im Öl schwammen. Auch hier kam der Multimeter zum Einsatz, und zu unserem Erstaunen scheint auch dieses Teil ohne Probleme zu funktionieren. Wo aber liegt nur der Fehler? Nach dem Zusammenbauen des Motors wurden alle Steckverbindungen geölt und nochmals getestet – und erstaunlicherweise schien jetzt der ganze Strom richtig zu laufen, das heisst, Samuel arbeitete jetzt schon drei Stunden, ohne wirklich etwas zu verändern, und doch scheint die ganze Maschine jetzt wieder problemlos zu funktionieren. Bei einer Probefahrt (im Regen) konnte sich sogar die Batterie etwas aufladen – ein sehr gutes Zeichen, sodass jetzt sämtliche Teile wieder fertig verbaut wurden. Gustavo hatte vor allem den Narren gefressen an Samuel, dessen Spanisch genug gut ist, um sich mit ihm einigermassen gut unterhalten zu können.

Schliesslich sassen wir in der Werkstatt und tranken Bier, und ein Joint machte die Runde. Wir kamen schon fast nicht mehr los von Gustavos Bude. Schliesslich schafften wir es aber doch, denn wir waren hungrig. In der einzigen Bar mit schräg bunt gemischtem Publikum, in der des Abends etwas los ist, assen wir ein ziemlich ledriges Steak vom Rücken mit Pommes, genossen aber vor allem die Stimmung in dieser typisch argentinischen Kneipe mit dem schlafenden, älteren Herrn an der Bar, den jungen Girls, die konstant am Rauchen waren oder den Jungs mit den schlabbrigen Berrets, die ihre Freude an unserem Erscheinen mit erhobenem Daumen kundtaten.

Km: 62‘762 (5)

Do, 09.03.2017: Hexe oder Fee? Oder Magic Yamaha!

In der Nacht begann der grosse Regen, der auch noch des Morgens hörbar aufs Dach prasselte, weshalb es nicht wirklich einen Grund gab aufzustehen. Eigentlich war der Beschluss schnell gefasst, dass wir noch eine Nacht in Gregores bleiben wollten. Aber soweit sollte es nicht kommen. Zwar regnete es den ganzen Morgen weiterhin in Strömen, aber irgendwann stand die Dame des Hauses in unserer Tür und war entsetzt über meine Auslegeordnung auf dem abgewetzten Teppich. Irgendwo machte sie einen kleinen Ölfleck aus und der entstehende Grimm liess sie geradezu hexenartig erscheinen. Nur der Besen fehlte noch. Wenn wir Brotkrümel ausgestreut gehabt hätten, wären wir gleich selber freiwillig abgehauen auf der Suche nach unserem Zuhause, aber es war ganz anders: Die nette Dame jagte uns zum Teufel – wir hatten das Haus innert einer Stunde zu verlassen, argentinische Gastfreundschaft der anderen Art, die bei uns nicht besonders gut ankam, weil es nach wie vor heftig schüttete.

Aber wir waren folgsam und packten unsere Sachen, glücklicherweise hatte ich schon zuvor all die Verschalungsteile des Töffs fertig montiert. Und just als wir abfuhren, schien es allmählich aufzuhellen. Im Supermarkt kauften wir neun Biere für Gustavo, die wir ihm vor seine Werkstatt stellten. Glücklicherweise mussten wir nicht tanken, weil sich vor den Tanksäulen erneut eine lange Schlange von Autos staute. So fuhren wir die bekannte Strecke nach Perito Moreno los, die erwartungsgemäss sehr langweilig war, aber vor allem sehr kalt und feucht. Immer wieder durchfuhren wir einen Schauer. Wenigstens kam der Wind fast direkt von Süden, sodass uns der Rückenwind Richtung Wärme des Nordens trieb. 130 km vor dem Ziel machten wir in Caracoles einen kurzen Kaffehalt in einer herrlich geheizten Bar. Wir passierten die beiden Abzweigungen Richtung Las Cuevas de los Manos und erreichten Perito Morena um sieben Uhr, wo wir bei der Tankstelle auf ein peruanisches Paar trafen, er unterwegs auf einer 250-er Tenere, sie auf einem Roller.

Unterdessen hatte der Regen aufgehört, die klare, frische Luft, nicht mehr ganz so kalt, zauberte eine malerische Stimmung in die Landschaft, sodass wir uns kurzfristig beschlossen, beim Lago Buenos Aires doch zu campen.

Jetzt liege ich im Zelt und lausche der Brandung des grossen Sees, der Mond hellt die nächtliche Landschaft auf. Von weitem ist noch die Glut unseres grossen Feuers auszumachen, auf dem wir einmal mehr gut gelungene Nudeln mit Auberginen kochten. Es ist definitiv gut, dass wir von Gregores weggekommen sind, auch wenn die lange Fahrt sehr kalt war, sodass es nicht mehr sicher ist, ob jene nette Dame eher eine Fee denn eine Hexe war.

„Magic Yamaha“, schrieb mir Erik auf Facebook, als ich ihm die erstaunliche Heilung meines Töffs beschrieb. Tatsächlich war die heutige Fahrt deshalb sehr wundersam, denn die Maschine lief, als ob sie nie ein Problem gemacht hätte. Wir pflegten alle elektrischen Kontakte mit einem speziellen Reiniger in der Hoffnung, dass die Heilung auch dauerhaft bleiben wird.

Km: 63‘150 (388)

Fr, 10.03.2017: Am Zoll meiner Trophäe beraubt

Es war klar und mild heute Morgen, aber für ein Bad im nahen Lago Buenos Aires war es dann doch etwas zu kühl. Ich war schon beinahe fertig mit Zusammenräumen, als Nachtmensch Samuel erst aufstand, aber dank seiner riesigen Koffer sehr bald zusammengepackt hatte.

Wir machten uns heute auf den Weg zur berüchtigten Carretera Austral, übersetzt der „südlichen Landstrasse“ (Australien heisst also nichts anderes als das südliche Land), die durch unwirtliches, aber landschaftlich überaus reizvolles, küstennahes Land führt. Deshalb musste heute erneut die Grenze nach Chile überquert werden. Diesmal nahm man es auf der chilenischen Seite genauer als sonst. Erstens fand man in meinem Rucksack verschiedene versteckte Lebensmittel, die ich dort versteckt hatte. Man reagierte aber überhaupt nicht verärgert oder sprach eine Busse aus, wir hatten den Salami etc. einfach vor dem Zollgebäude sofort zu essen, sodass schliesslich nur eine Zwiebel, etwas Knoblauch und eine Drittel Tüte Quinoa zurückgelassen werden musste. Zweitens gab mein Schafsschädel am Gepäckträger meines Bikes zu Diskussionen Anlass, sodass noch eine Chefperson herbeigeholt werden musste, die dann zu meinem Ärger gar nicht in meinem Sinn entschied. Die Trophäe musste am Zoll zurückgelassen werden.

Der See änderte beim Grenzübertritt auch seinen Namen und hiess jetzt Lago General Carrera. In Chile Chico deckten wir uns mit neuen Vorräten ein und folgten dann der Südküste dieses riesigen Sees Richtung Südwesten. Grün gefärbte Felsen (Grünspan?) und ein Bergwerk zeigen den Abbau von Kupfer an. Die kurvenreiche Schotterstrasse führte durch gebirgiges Gelände und war gut zu befahren. Weit entfernt waren erneut die gewaltigen, weissen Eisfelder der patagonischen Gletscherplatte zu erkennen. Leider verschlechterte sich das Wetter zusehends, bis wir in einen heftigen Schauer gerieten. Die aufgewirbelte, braune Brühe der Strasse blieb sofort an Motorrädern, Regenschützen und geschütztem Gepäck kleben. Die Szenerie war so reizvoll, dass wir trotz des Regens die Zelte beinahe trotzdem aufgestellt hätten. Aber der Wetterbericht verheisst auch für morgen nicht besonders gutes Wetter, weshalb wir weiterfuhren bis Puerto Guadal, wo wir nach einigem Suchen eine günstige Unterkunft fanden (hospedaje Janita, 10‘000 Peso), wo man uns auch noch freundlich empfing und auch noch ein Menu mit einheimischem Lachs anbot. Sehr gut!

Jetzt sitzen in der Stube gleich mehrere Einheimische und schwatzen den Tag zu Ende. Immer wieder ertönt „Claro!“ im besonderen sonoren, südamerikanischen Tonfall. Sehr friedliche Stimmung in diesem einfachen Haus, in dem man etwas chilenischen Alltag mitbekommt. Wenn nur mein Spanisch etwas besser wäre!

Km: 63‘315 (165)

Sa, 11.03.2017: Wenn Patagonien zu leuchten beginnt

Überraschenderweise war es heute Morgen klar, das Frühstück mit frittierten Teigtaschen mit Hagebutten-Gelée und Eiern war aber so ausgiebig, dass wir doch nicht allzu früh wegkamen. Aber es war schon beinahe ein neues Gefühl und einfach grossartig, durch diese vom Regen wie heruntergewaschenen Landschaften mit schier unglaublicher Farbstärke zu fahren.

Die Schotterpisten waren meist sehr gut befahrbar, wenn man sich nicht allzu sehr auf die Landschaft und den intensivst hellblauen Lago General Carrera konzentrierte. Bald erreichten wir den südlichsten Punkt des Sees und erreichten endlich die Carretera Austral, folgten der Küste bei herrlichem Sonnenschein jetzt Richtung Norden. Wiederum erschien mir die Landschaft alpin, karge Felsen, immergrünes, stachliges Gebüsch und Bergriesen im Hintergrund mit weit herunterreichenden Gletschern. Notabene, wir befinden uns nicht viel höher als auf Meereshöhe.

Einen längeren Halt machten wir bei den Capillas de Marmol, verkalkten Felsen im See mit unzähligen Höhlen, die man per Boot in der Gruppe erreichen kann (9000 P./Person). Es hatte überraschend viele Touristen, die ebenfalls zu diesen bizarr geformten Felsformationen hinausfahren wollten – besser wären wir per Kajak unterwegs gewesen (was allerdings nicht gegangen wäre, ausser wir hätten einen unbeliebten Führer dabei gehabt). Nur schon die intensive Farbe des ultramarinen Sees war die Fahrt auf den See hinaus wert.

In Puerto Rio Tranquilo verliessen wir die Carretera Austral bereits wieder und beschlossen, einen Seitentrip durch das Val Rio Tranquilo zu einem Fjord zu machen. Die Fahrstrasse war auch hier erstaunlich gut, wenn sie auch nicht geteert war, aber viel wilder kann man nicht unterwegs sein. Wir folgten dem Fluss talabwärts, der in azurblaue Seen mündete, durchfuhren dichten, alpinen Urwald, passierten riesige Wasserfälle und konnten schon beinahe nicht mehr aufhören zu fahren, weil auch das Fahrerlebnis genial war. Wir erreichten einen weiteren, tiefreichenden Gletscher, den wir aber nicht besuchten, weil ein Regenschauer im Anzug war, machten kehrt und suchten nach einer geeigneten Möglichkeit zu zelten.

Aber es kam ganz anders. Zwar versuchten wir auf einem verwachsenen, seitlichen Fahrweg wie üblich den idealen Platz zu finden – und ja, ideal war er dann ja auch. Wir entdeckten eine verlassene, sich im Bau befindliche, glasverschalte (!) Hütte, nur erreichbar per Floss, das mittels Metallseil gesichert war. Diese Möglichkeit wollten wir uns nicht entgehen lassen. Das Haus stand wegen des nahen Flusses auf Stelzen und war nicht verschlossen, sodass wir Zugang zu einem grossen Raum mit bester Aussicht bekamen. Ich werde die Nacht auf einer allerdings etwas durchgewetzten Matratze verbringen, aber die Aussicht morgen früh auf das weite Tal mit dem Fluss und seinen hellbraunen Sandbänken wird wunderbar sein.

Während Sämi seinen defekten Kilometerzähler reparierte, setzte ich das obligate Feuer in Gang, auf dem wir zwei Steaks vom Rücken, leider etwas zäh und durchzogen und mit viel zu vielen Knochen garte, dafür gelangen die Bratkartoffeln auf dem Feuer extraprima. Jetzt sitze ich im grossen Raum des Obergeschosses dieses Holzhauses, um das der starke Wind pfeift. Samuel liegt bereits auf seiner Matte und schläft wohl schon, mein Zelt ruht im Koffer, die Matratze wartet auf Besuch…

Km: 63‘453 (138)

So, 12.03.2017: Zauberwald und Regenland

Die Aussicht von meinem Bett wäre eigentlich beinahe unschlagbar gewesen heute Morgen, denn es stand in einer Ecke des offenen Raumes mit riesigen Scheiben auf beiden Seiten. Stattdessen prasselte der Regen waagrecht gegen die Scheibe, der Sturm versuchte in unablässiger Geduld, dieser den Garaus zu machen. Immer wieder öffnete ich die Augen, drehte mich in meiner wärmenden Hülle genüsslich um, um noch weitere Minuten in dieser Stellung zu verharren.

Aber dann kam er, der erste blaue Flecken am Himmel, der sich im Nu von dieser angenehmen Seuche anstecken liess. Bald war ein Feuer gemacht für einen ausgedehnten Brunch mit Eiern, kleinen, fettigen, aber wohl schmeckenden Würstchen, Käse und frischem Brot, den wir im windstillen Inneren des Hauses genüsslich verzehrten. Samuel war nicht begeistert, dass ich nochmals zum Glaciar Exploradores fahren wollte, denn talabwärts sah es so grau aus, als ob ein neuerlicher Regensturm uns definitiv verschlingen wollte. Aber ich setzte mich durch. Wiederum mittels Floss überquerten wir den jetzt welligen Fluss ohne Probleme, und tatsächlich setzte sich die Aufhellung hinter der nächsten Felsnase fort.

Der Spaziergang durch den moosig-moorigen Zauberwald war faszinierend, ich hätte mich nicht gewundert, wenn uns die Äste eingelullt und gefangen hätten. Gefesselt wurden wir tatsächlich, aber mehr von der mystisch-düsteren Stimmung als von verzauberten Zweigen. Bald stiegen wir steil auf, bis wir den Grat einer alten Gletschermoräne erklommen hatten und die Ausläufer des San-Raphael-Gletschers in nächster Nähe entdeckten, die unteren Teile unter einer dicken Kies- und Geröllschicht versteckt. Der höchste Berg der südlichen Anden, der Monte San Valentin, 4058 m.ü.M., blieb leider hinter den Wolken versteckt.

Der Rückweg zum Lago General Carrera gedieh zum Spiessrutenlaufen, weil immer wieder leichte Schauer über die  nördlichen Bergrücken zogen, die Sonne sich meist aber doch durchsetzen konnte. Am Carrera-See staunte ich nochmals über das beinahe chemisch-kitschige Blau des Wassers, das im Farbton überhaupt nicht zum Himmel passte. Sobald wir den See hinter uns gelassen hatten und die Strasse immer weiter anstieg, war es nicht verwunderlich, dass sich die Wolken aus Staufreude erneut zu unserem Unbehagen zu entleeren begannen. Wieder einmal goss es wie aus Kübeln. Erst vor Cerro Castillo auf der anderen Seite des Passes hörte es auf zu schütten, dafür war der trockene Fallwind so stark und bedrohlich, dass er mich schier von meinem Fahrzeug warf.

Es war eine Wohltat, nach der ganzen Palette von angenehmem bis üblem Schotter wieder einmal auf einer Teerstrasse zu fahren, jetzt über einen Pass zwischen vulkanartig geformten, braun-grauen Felsriesen. Samuels Kupplungskabel riss, aber kein Problem für den versierten Schlosser und Mechaniker, den Schaden innert zwanzig Minuten zu beheben.

Wiederum campieren wir an einem überaus gediegenen und idyllischen Platz an einem wilden Bach in einem Buchenwäldchen, dessen massenhaft herumliegendes Holz für ein währschaftes Feuer genutzt wurde, das wiederum als Wärmequelle für ein gediegenes Outback-Menu verwendet wurde.

Jetzt staune ich, wie der Vollmond die Hänge und Wälder des Cerro Castillo Reservates bescheint, es ist beinahe wieder Tag, aber die heutige Gravelfahrt war anstrengend, weil man sich wegen der wechselnden Verhältnisse viel mehr als sonst zu konzentrieren hat.

Km: 63‘669 (216)

Mo, 13.03.2017: Vom Jura in die Leventina

Unser Lagerplatz im engen Bergtal ennet des Castillo-Passes war mit über 800 m.ü.M. überraschend hoch gelegen, weshalb es in der Nacht sehr kalt war und mich wenig zum Aufstehen motivierte. Natürlich war ich wieder als Erster wach, machte das Feuer, reinigte die Kette meines Motorrades und schmierte sie. Das Frühstück mit Eiern, Käse und frischem Brot war erneut sehr ausgedehnt, sodass wir erst nach dem Mittag wegkamen, vor allem auch wegen mir, weil ich fürs Packen immer deutlich mehr Zeit benötige als Samuel. Ein leichter Ärger seinerseits war unverkennbar.

Nachdem wir auf kurvenreicher Strasse die gelblich-braunen Castillo-Berge verlassen hatten, von denen beinahe jeder einzelne Lust aufs Besteigen machte, änderte sich die Landschaft schlagartig. Die sanft geformten Hügel mit saftigen Weiden für Kühe und ihre Kälber, Föhren- und Buchenwäldern (jene mit den kleinen Blättchen) erinnerten mich an den Jura. In Coyhaique, einer grösseren Stadt, deckten wir uns wieder mit Vorräten ein, besuchten ein Yamaha-Geschäft für einen Simmering für Sams Honda (den wir leider nicht fanden). Dann führte die mittlerweile asphaltierte Carretera Austral durch ein Tal, das mich mit seinen steilen Hängen, Wasserfällen und Wäldern an die Leventina erinnerten. In Puerto Aisén erreichten wir den Pazifik zum ersten Mal seit einiger Zeit. Am Fjord wollten wir zu frischem Lachs kommen, fanden ihn aber erst, als wir zurück in der Kleinstadt waren. Es war zwar schon sechs Uhr, aber wir wollten bei diesem guten Fahrwetter noch einige weitere Kilometer Richtung Norden fahren. Mit jedem Meter nordwärts scheint es wieder wärmer zu werden. Heute schwitzten wir in Coyhaique tatsächlich zum ersten Mal seit langem.

Heute Abend packte ich wieder einmal die kurzen Hosen aus und präparierte die 800 Gramm feinsten Lachses, der sorgsam auf dem Grill gegart wurde. Dazu gab es grillierte Auberginen. Was für ein Essen – und was für eine Stimmung! Denn Lagerplatz, Feuer und exakt im richtigen Zeitpunkt aufgehender Mond schienen wie inszeniert für das perfekte Foto. Tatsächlich ist der Lagerplatz am Fluss wild, abgelegen und idyllisch, einfach typisch Patagonien. Eigentlich stelle ich mir Kanada so vor, ausser dass hier die Berge steiler und die Landschaften abwechslungsreicher sind.

Was ich vermisse: Eine Dusche oder etwas wärmeres Flusswasser, ich fühle mich klebrig, stinkig und feuerverraucht – eine Körperreinigung und wieder einmal frische Kleider wären Luxus, aber dafür muss ich wohl noch bis morgen warten…

Km: 63‘919 (250)

Di, 14.03.2017: Fjord, Wald, Berg – und fast kein Regen

Als ich am Morgen schon um halb acht Uhr aufstand, kroch Nebel durchs Flusstal und verhüllte die Berghänge, einige Tropfen hatten leichtes Spiel, meine Zelt-Aussenhülle zu befeuchten. Aber dann focht die aufgehende Sonne einen veritablen Kampf gegen die Feuchtigkeit und versuchte mit pinkfarbener Munition den Morgenhimmel klarzufegen, was zwischenzeitlich gelang.

Wie immer geniesse ich es am Morgen die Stimmung und die Zeit, indem ich zuerst ein Feuer entfache, Kaffeewasser koche, Eier zubereite und das gestern gekaufte Weichbrot knusprig aufzubacken. Ich benötige viel mehr Zeit als Samuel, den ich erst um Viertel nach neun Uhr weckte. Er gab sich mit zwei Nutella-Brötchen zufrieden, seine Riesenkisten waren bald gepackt, sodass wir schon um zehn Uhr unterwegs waren Richtung Norden. Lange Zeit hatten wir riesiges Glück, weil sich die Schauer schon vor oder erst nach unserer Durchfahrt zu entleeren begannen. Chile ist hier ein sehr niederschlagsreiches und kaum besiedeltes Land, schier unendliche Wälder ziehen sich entlang der Bergrücken oder hoch zu den kleinen Passübergängen Richtung Küste. Bosque Encantada ist ein Übergang auf steilen Schotterpisten, ein Land für Berggeister, denn die Nebel wallten um die moosbewachsenen Mikrobuchen. Kein Wunder, dass es hier oben regnete. Schnell hatten wir aber das Cisnes-Fjord erreicht. Wir waren glücklicherweise genug früh hier, weil die Strasse zwischen eins und fünf Uhr nachmittags wegen Sprengarbeiten gesperrt ist.

In Puyuhuapi, das wegen der Bauarbeiten im Schlamm zu ertrinken drohte, assen wir am Fjord einen kurzen Lunch, dann führte die Strasse direkt nach Norden, wiederum durch unendliche Wälder, aber auch durch ein langes Flusstal dem Rio Palena entlang, dessen ruhiges Wasser mit nicht zu viel Höhendifferenz sich bestens zum Flossfahren eignen würde. Wir kamen auf meist geteerten Strassen angenehm gut vorwärts, dies sollte sich ab Santa Lucia grundlegend verändern, als wir auf eine Seitenstrasse Richtung Futaleufu abbogen mit sehr rauhem Schotter und lästigem Wellblech. Erstaunlichweise führte die Strasse abwärts, bis wir den den ultramarin-blauen Rio Azul überquerten, der weltberühmt fürs Riverrafting ist.

Acht Kilometer vor Futaleufu hatte ich erneut Glück, als mir zu wiederholten Male die Kette vom Kranz sprang. Instinktiv bremste ich scharf und kam ohne Sturz zum Stillstand. Diesmal scheinen wir die Ursache des Übels gefunden zu haben. Das Radlager ist lose, sodass sich der Kranz unregelmässig abgenutzt hat. Improvisation ist gefragt – oder eine baldige grössere Reparatur. Wir stiegen in einem überaus gut gelegenen Hostal ab, am Ortsrand gelegen mit herrlicher Rundsicht auf die Bergwelt. Leider wurde die Dusche zu einem Fiasko, als neben dem warmen schliesslich auch noch das kalte Wasser abstellte und ich wie ein eingeseifter Depp wasserlos in der kalten Duschkabine stand.

Ich bin müde von den vielen gefahrenen Kilometern, es ist wohl an der Zeit, wieder einmal etwas zu verweilen und die vielen Eindrücke zu verarbeiten.

Km: 64‘249 (330)

Mi, 15.03.2017: Ruhetag und ein übel zugerichtetes Radlager

Es war ganz angenehm, am Morgen wieder einmal liegen bleiben zu können, und dazu noch in einem Bett. Ich fand Zeit, mich um meine Wäsche zu kümmern – und für eine weitere Dusche, um die gestern klebengebliebenen Seiferesten von meinem Körper zu rubbeln.

Unterdessen machte sich Sam sofort an meinem Motorrad zu schaffen, um das Radlager zu überprüfen, das in einem dermassen erbärmlichen Zustand war, dass es beim Herausschlagen in seine Einzelteile zerfiel. Glücklicherweise habe ich dieses Ersatzteil damals in Chiang Mai doppelt gekauft, sodass Sam es gleich einbaute. Die Gummiverstärkungen wurden so sehr erweitert, dass wir das Rad fast nicht mehr montieren konnten, dafür jetzt aber mehr Stabilität bringt. Schliesslich gelang es unter Hängen und Würgen tatsächlich. Das hintere Ritzel ist aber durch die Instabilität des Hinterrades dermassen verfressen, dass ich wohl bald wieder für ein neues Kettenkitt schauen muss. Vielleicht werde ich auch das ganze Teil inklusive Lager ersetzen lassen. Es erstaunt jetzt nicht mehr, dass es mir gestern bereits das sechste Mal die Kette herausgeschlagen hat.

Ansonsten genossen wir den milden Herbsttag. Es war fast windstill, der Rasen war warm und lud zum Herumliegen ein. Es hat sich also bereits gelohnt, wieder viele Kilometer nach Norden gefahren zu sein.

Am Abend wollte ich eigentlich Rösti mit Geschnetzeltem kochen, aber die Fleischauswahl in diesem Nest war so schlecht, dass ich mich auf die Rösti beschränkte. Wenigstens fand ich noch frischen Speck. Aber keine Pfanne eignete sich wirklich für Rösti, sodass es schwierig war, eine goldbraune Kruste hinzukriegen. Wir sassen lange mit einer Kolumbianerin und einem Amerikaner am Tisch. Wir haben heute eine Wildwater-Rafting-Tour gebucht, morgen ist also wieder etwas Action angesagt.

Km: 64‘252 (3)

Do,16.03.2017: Action auf dem Fluss

Um zehn Uhr fuhren wir von Las Natalias‘ ins Dorf, wo wir per Minibus zum Start unseres Rafting-Abenteuers gebracht wurden. Zwei stabile Schlauchboote standen für zwei Gruppen von sechs beziehungsweise vier Personen bereit. Das glasklare Wasser des türkisblauen Flusses ist kalt, deshalb rüsteten wir uns mit Neopren-Anzügen aus. Nach kurzer Instruktion über Kommandos und  Verhalten auf dem Fluss ging es auch schon los.

Schnell hatten wir auf einem Nebenfluss den Futaleufú erreicht, wo das Abenteuer erst richtig beginnen sollte. Nach einigen Stromschnellen zum Angewöhnen stand die erste wirkliche Herausforderung an, eine Class-5-Stelle namens Terminator. „Forward!“, rief uns Natchi-Natchi, unser etwas erhöht sitzender Bootsführer mit den beiden grossen Rudern zu. Just wenn die meterhohen Wildwasserwellen am höchsten waren, versuchten wir mit aller Kraft, uns aus diesen Stromschnellen zu befreien. Allerdings schlugen wir zuweilen Luftlöcher per Ruder, weil wir uns gerade auf dem Top einer riesigen Flusswelle befanden. Logischerweise wirbelte diese Wellenfahrt soviel Wasser auf, dass wir sehr bald klitschnass waren. Und dies sollte im Fünfminutentakt immer wieder geschehen. Dank des Sonnenscheins an diesem herrlichen Herbsttag hielt sich das Frieren einigermassen in Grenzen, obwohl das Wasser kaum mehr als 16°C hatte.

Bei der ersten Brücke machten wir einen Stopp, wo wir verpflegt wurden. Auf dem zweiten Teil zwischen den beiden Brücken folgte Stromschnelle auf Stromschnelle, konstante Aktivität war also gefragt. Wir waren schliesslich über drei Stunden auf dem Fluss unterwegs – 25 km, das doppelte des Flossrennens, das ich so gut kenne. Neben der Action auf dem Fluss war die Szenerie mit einigen schneebedeckten Bergen, dem dichten, unberührten Wald einfach grossartig, Natur pur, wir passierten keine einzige Siedlung. Der Trip war ausserordentlich gut organisiert mit gleich mehreren Kajakfahrern und zwei grossen Schlauch-Auslegerbooten als Sicherheit. Tatsächlich mussten die Rettungskräfte auch einmal aktiv werden, als vom zweiten Boot eine Passagierin aus dem Boot katapultiert wurde und erst nach wildem Schwumm durch die reissenden Wellen an Bord unseres Bootes gebracht werden konnte. Der ganze Tag an diesem Weltklasse-Riverrafting-Ort war ein ganz besonderes Highlight, obschon der Spass nicht billig war – 140 Fr. plus 12 Fr. für eine mehr oder weniger gelungene Fotoserie.

Den späteren Nachmittag genossen wir Bier trinkend an der warmen Sonne unseres sympathischen Hostals. Jetzt sitzen wir zu zwölft am Tisch, diskutieren, Food wird aufgetischt, ganz friedlich. Ein Flecken Erde, an dem man auch noch etwas länger verweilen könnte.

Km: 64‘254 (2)

Fr,17.03.2017: Das Kind im Manne

Wenn ich alleine unterwegs gewesen wäre, hätte ich an diesem friedlichen Ort und den überaus netten Gastgebern bei diesem strahlenden Wetter mindestens noch einen weiteren Ruhetag eingelegt. Samuel hatte aber bereits wieder das Reissen, und ich passte mich an – es ist ja auch nicht schlecht, bei schönem Wetter Motorrad zu fahren. Wiederum waren um die achtzig Kilometer auf Schotter zurückzulegen, bis wir in Santa Lucia  wieder die Hauptstrasse erreichten. Ich hatte den Eindruck, mit neuem Radlager problemloser und sicherer über den holprigen Gravel fahren zu können, das Rad schien wieder an Stabilität gewonnen zu haben.

Beim Lago Yelcho überquerten wir den riesigen, blau strahlenden Fluss auf einer gewaltigen Hängebrücke. Die Brücke an sich mit den gletscherbestandenen Bergen im Hintergrund und dem knorrigen Urwald rund um den See war schon genug Fotomotiv, aber die Stahlseile forderten uns schon beinahe auf, in Richtung 25 m hohe Brückenpfeiler hochzukraxeln. Diese Art der Erklimmung erschien uns dann doch etwas zu riskant, was nicht heisst, dass wir gleich aufgegeben hätten. Das Kind im Manne war voll am Wirken, und wir entdeckten bei den Pfeilern selber eine Metallleiter, die allerdings erst in drei Metern Höhe über dem Brückenniveau begann. Die Idee mit den Spannsets gedieh schon jetzt, Sam machte bereits die ersten Versuche, als ich entdeckte, dass die Leiter beim vorderen Pfeiler etwas näher und deshalb besser erreichbar war. Sam hatte schnell vier Zurrfix montiert und war bereits am Klettern, während ich meine Maschine noch umparkierte. Natürlich folgte auch ich ihm, die 25 oder 30 Meter Höhendifferenz waren ganz schön anstrengend, zudem brachte die immer grössere Höhe ein mulmiges Gefühl in meinen Magen, aber schliesslich standen wir beide auf einem der beiden riesigen Brückenpfeiler und konnten die Seilkonstruktion von oben bestaunen. Die Aussicht hier oben war natürlich hervorragend, auch wenn man sich besser nicht am rostigen Geländer abstützte, das einen wenig vertrauenserweckenden Eindruck machte. Unterdessen hatten uns Passanten auf dem Pfeiler entdeckt und dachten wohl das Ihrige zu unserer Aktion. Der Abstieg war dann etwas leichter und doch furchteinflössend, weil ich entdeckte, dass einige Schrauben der Leiter fehlten oder die Abstände der Sprossen manchmal unregelmässig waren – wohl ein Montagefehler… Aber wir kamen wohl behalten wieder unten an, setzten uns an den See und nahmen einen leichten Lunch ein. Zuerst spülte ich aber den Angstschweiss in diesem blauen Zuckerwasser mit einem kurzen Schwumm vom Körper – Wassertemperatur wohl kaum 16°C, aber herrlich erfrischend.

Wir erreichten Chaitén am Nachmittag, deckten uns mit neuen Vorräten ein und kauften zwei Fährtickets für übermorgen. Dann machten wir uns auf die Suche nach einem Lagerplatz, befinden uns jetzt unweit des Meeres auf einer Schafweide unmittelbar neben einem grossen Fluss. In der Ferne sieht man den Chaitén Volcan rauchen, und in derselben Bergkette strahlt ein riesiger Gletscher in Abendlicht orange. Wir sitzen am Feuer, das wir erneut für ein Pasta-Menu genutzt haben. Es ist sehr angenehm, dass der Herbst seine goldige Seite zeigt. Es ist des Tags recht warm, aber in der Nacht kühlt es empfindlich ab. Die Lust, weiter nach Norden zu reisen, ist nach wie vor gross. Morgen werden wir aber noch in der wunderschönen Region verbleiben und versuchen, den 2008 überraschend ausgebrochenen Vulkan zu besteigen.

Km: 64‘443 (189)

Sa, 18.03.2017: Schwimmende Steine, ungesunde Dämpfe, Farn und Gletscher

Es war noch dunkel, als ich aus dem Schlafsack kroch und alles Wichtige zusammenpackte für eine weitere Vulkanexpedition, die erste in Südamerika. Natürlich durfte auch heute ein gutes Frühstück mit Eiern, Käse und aufgebackenem Brot nicht fehlen, deshalb war der erste Morgenakt wie immer ein Feuer zu bereiten. Zelt und Wiese waren so taunass, dass das Entfachen gar nicht so einfach war. Samuel weckte ich erst ein Stunde später, der sich mit dem letzten Resten Nutella zufriedengab. Unser Lager ist so versteckt, dass wir unsere Zelte stehen liessen.

Fünfundzwanzig Kilometer waren zu fahren bis zum Ausgangpunkt zum Kraterweg, wenig angenehm, weil der aufkommende Nebel klitsch-feucht und die im Bau befindliche Strasse teils schlammig-tief war. Am 2. Mai 2008 brach der Chaitén Volcan überraschend aus – bis dahin wusste man nicht einmal, dass dieser Berg ein Vulkan ist. Die Wirkung des heftigen Ausbruchs war apokalyptisch. Heisse Gase zerstörten Wälder und Natur in einem weiten Umkreis. Auf ganzen Hängen auch von benachbarten Bergen stehen nur mehr verkohlte und morsche Baumriesenstämme, die wie vor Erschrecken gekrümmte Skulpturen zu Tausenden ein Mahnmal bilden. Nach neun Jahren holt sich die Natur überraschend schnell ihr Gelände zurück, und dies scheint mit nur noch grösserer Kraft und Schönheit zu geschehen. Die Pflanzengerüche sind stark, Kolibris wandern von Blüte zu Blüte und tun sich am Nektar gütlich, Farne und riesige, haarige Tellerblätter mit fremdartigen Kolbenblüten sind schon so gross, als ob sie nicht verschwunden gewesen wären.

Der Wanderweg hoch zum äusseren Krater ist mit vielen Treppenstufen sehr gut ausgebaut und die Veränderung der Vegetation überaus eindrücklich, je höher man aufsteigt. Den Kraterrand erreichten wir problemlos und versuchten herauszufinden, wo und wie die Caldera am einfachsten zu erreichen ist, denn der offizielle Wanderweg endet hier, es ist gar verboten, sich dem Vulkan weiter zu nähern. Aber dies ist ja gerade der Reiz von solchen Unternehmungen, eine Möglichkeit zu finden, auf eigene Faust einen Weg zu finden – diesmal zu den viel höher gelegenen Quellen der austretenden heissen Rauchdämpfe. Der Abstieg in den äusseren Krater war wie erwartet ziemlich schwierig. Auf kein Fels und keine Wurzel war Verlass, manchmal boten junge Triebe von neu gewachenen, kleinen Büschen etwas Halt. Es war so steil und rutschig, dass ein Sturz verhängnisvoll gewesen wäre. Ich folgte einem kleinen Grätchen, um von dort in eine kleine Schlucht abzusteigen. Schliesslich hatten wir die Talsohle erreicht und fanden uns in einer veritalen Mondlandschaft wieder mit ausgewaschenen Sandbänken, schwarzem Pyritgestein und hellbraun-orange-schwarz-weiss gefärbtem, scheinbar eben erst erstarrten Riesenbrocken mit Schlitzen, als ob ein Käser noch sein Finger im Spiel zur Formgebung gehabt hätte.

Das nächste Hindernis war ein ungesund braun gefärbter See, der uns den Durchgang scheinbar versperrte. Eine harte Geröllhalde führte direkt in den See, und wir hatten jeden Moment achtzugeben, nicht abzurutschen und in dieser giftigen Brühe zu versinken, als wir uns auf diese Gratwanderung einliessen. Lustigerweise fanden wir hier heraus, dass Steine schwimmen können, zumindest Bimsstein, der auch in Kopfgrösse munter genug Auftrieb erhält, um wie ein Eisberg zum Teil über die Wasseroberfläche zu ragen.

Dank google maps war aufgrund der Höhenkurven leicht zu erkennen, wo der Aufstieg zur Vulkanspitze am einfachsten zu bewerkstelligen ist. Wir versuchten, dem kleinen Geröll und dem Sand möglichst auszuweichen, stiegen auf einem Grat auf, der jedoch immer steiler wurde und sich schliesslich im Hang verlor. Es war überaus schwierig, irgendwo wirklich Halt zu finden, ich versuchte deshalb über möglichst grosse, eingegrabene Felsstücke aufzusteigen, aber immer wieder musste ich Abschnitte mit rutschigem Geröll queren, immer mit akuter Absturzgefahr. Irgendwann hatten wir diese Steilstufe überwunden, folgten einem weiteren vergerölltem Grat. Scheinbar noch ein Hang trennte uns jetzt vom inneren Krater, aber dorthin war es sehr anstrengend aufzusteigen, weil man mit drei Schritten jeweils zwei zurückrutschte und immer wieder Steinschläge auslöste. Deshalb stiegen wir auch nie hintereinander auf. Die Vielseitigkeit der Farben dieser eben von diesem Vulkanungetüm ausgestossenen Gesteinsarten war unglaublich faszinierend und liess mich immer wieder verwundert den Kopf schütteln. Wir erreichten eine grauweiss-marmorige Partie, und hier drang aus unzähligen Felsritzen dämpfender Qualm, typisch vulkanisch nach Schwefel stinkend, aber auch sehr feucht, sodass die Haare beinahe im Nu nass werden.

Wir stärkten uns hier mit einem Lunch, um später bis zum Gipfel vorzustossen. Überraschenderweise schienen sich jetzt all die Ritzen und Spalten zu erweitern, denn plötzlich war der Rauch so stark, dass man die grün-blau gefärbten Stellen nicht mehr sichtbar waren. Stand etwa gar ein Ausbruch bevor?! Gleichwohl versuchten wir, auf der Seite, von welcher der Wind kommt, weiter hochzukraxeln, aber der Rauchdampf war zu dicht und unangehm, sodass wir dieses Vorhaben abbrechen mussten. Wir stellten fest, dass die google-maps-Karte ziemlich veraltet ist (womit der Aufstiegsort wohl auch nicht der beste war), denn wir stellten fest, dass wir auf 1070 m.ü.M. waren, zweihundert Meter höher als unsere bisherigen Informationen – der Vulkan musste also beim Ausbruch um zweihundert Meter gewachsen sein! Noch nie stand ich auf einem Vulkan mit einem Gletscher im Hintergrund, was für ein Bild! Zudem wurden gleich mehrere verschiedenfarbige Kraterseen sichtbar. Erinnerungen an Kelimutu/Flores!

Es war bereits halb vier Uhr und das Wetter schien sich zu verschlechtern, sodass wir an die Rückkehr zu denken hatten. Wir nahmen das Risiko auf uns, für den Rückweg ein anderes Routing zu nehmen, folgten dem Kraterrand bergabwärts, immer noch ein sehr anstrengendes Unterfangen, weil man mit jedem Schritt eine Steinlawine lostreten konnte. Mehr als einmal gab ein Felsbrocken nach, aber nur einmal war mein linker Fuss für kurze Zeit eingeklemmt, aber nichts war verletzt. Mein Fussgelenk wurde heute einer wahren Prüfung unterzogen, die Muskulatur hatte das Gelenk zusammenzuhalten – ein perfektes Training. Mehr Sorgen machen mir momentan meine Knie – die Menisken scheinen sich wieder zu melden. Es erforderte ausserordentlich viel Konzentration, von Stein zu Stein zu hüpfen und trotzdem nicht abzustürzen. Ich war deshalb langsam unterwegs. Wieder einmal: „Safety first!“, denn es wäre fatal gewesen, sich hier in dieser unwirtlichen Umgebung zu verletzen. Und natürlich ist es von den rein körperlichen Voraussetzungen nicht einfach, mit einem halb so alten, jungen Mann unterwegs zu sein…

Ausserordentlich schnell begann es jetzt zuzuziehen, Ziel war jetzt also der äussere Krater. Wir waren auf der Suche nach sandigen oder kleingerölligen Hängen, um quasi surfend talabwärts zu driften. Aber leider fanden wir nur kürzere Abschnitte mit angenehm lockerem Gestein. Immer wieder schlug es mich rückwärts auf den Hosenboden meiner billigen australischen, kurzen Hose, die schliesslich aus mehr Löchern als Stoff bestand (und heute Abend endlich verbrannt wurden – genug des Flickens…). Die Stürze waren natürlich auch kein Balsam für mein Handgelenk, das mich von meinem Sturz vor zehn Tagen noch immer behindert.

Aber wir schafften es und erreichten den Grund der Caldera. Wir stiegen durch einen Sandcanyon auf zu der Stelle, wo die Kraterwand am wenigsten hoch ist. Aber auch dort war der Aufstieg keinesfalls einfach, eine weitere heikle Kletterpartie behinderte uns im schnellen Vorwärtskommen. Aber auch diese Klippe war schliesslich gemeistert, und wir standen wieder auf dem offiziellen Aussichtspunkt. Der Berg war jetzt im Nebel verhangen, wir hatten gerade noch im richtigen Moment den Absprung geschafft. Jetzt war nur noch der normale Abstieg zu bewerkstelligen, der allerdings grausam in die Beine ging. Muskeln, Gelenke, Sehnen schienen förmlich zu rebellieren, wurden aber zur Weiterarbeit gezwungen. Zudem ging uns allmählich das Wasser aus. Wasser aus Bächen vom Vulkan – wie gesund das ist?! Aber wir kosteten gleichwohl davon, mit keiner direkten Auswirkung.

Der Rückweg auf dem ziemlich üblen Gravel war noch der Dessert eines ereignisreichen, wundervollen, spannenden, aber überaus anstrengenden Tages. Über zehn Stunden waren wir zu Fuss unterwegs. Mücken und anderes Ge-Insekt versuchten auf der Rückfahrt krampfhaft, meine Sicht zu behindern. X Insektenleichen kratzte ich aus meinen Augäpfeln.

Samuel klagte schon den ganzen Tag über einen rebellierenden Magen, schliesslich fühlte er sich so krank, dass ich im Lager die Küchenarbeiten übernahm. Die Pfefferdose war nicht nett mit mir, öffnete sich ungewollt vollständig, sodass Dutzende Pfefferkörner in der Tomaten-Oliven-Sauce schwammen. Natürlich war es unmöglich, sämtliche wieder herauszufischen mit dem Ergebnis, dass das Essen heute eine etwas überschärfte Angelegenheit war.

Während Samuel längst schlief, war ich noch am Brotteigkneten. Es ist viel milder als letzte Nacht, viel weniger Tau ist gefallen, eine Herde Kühe reagierte ziemlich verwirrt über unser Erscheinen – und schliesslich entdeckte uns auch noch der Landbesitzer, freute sich aber mehr über unsere Anwesenheit auf seinem Land, als dass er uns vertrieben hätte.

Km: 64‘496 (53)

So, 19.03.2017: Ein Stück wirkliche Carretera

Samuel fühlte sich auch heute Morgen noch keinesfalls fit, aber wir wollten heute unbedingt von hier wegkommen, denn wir hatten ja schon die beiden Fährtickets über zwei Fjorde gebucht. Das Morgen-Fress-Ritual mit frischem Brot dauerte wieder einigermassen lange, sodass es zu spät war, die uralten Riesenbäume bei Alerce in einem kurzen Spaziergang zu besuchen.

Wir erlebten heute die wahre Carretera mit einigen tiefen, in Bau befindlichen Strassenabschnitten, beinahe von Farn eingewachsenen Stücken mit tiefen Schlaglöchern und Wellblech. Eigentlich hatte ich viel mehr solche Abschnitte auf der Carretera Austral erwartet, aber man ist offenbar daran, den Zugang in diese wilde und abgelegene Natur zu erleichtern. Das touristische Potenzial ist hier gewaltig, vor allem bei schönem Wetter!

Wir waren länger unterwegs als erwartet und erschienen in Caleta Gonzalo eine halbe Stunde zu spät, warteten gleichwohl noch eine Stunde hier (ich hätte also durchaus noch Zeit für die Riesenbäume gehabt). Dann überquerten wir auf einer Fähre ein Fjord, und man sah jetzt, warum es hier keine Strasse gibt. Die bewaldeten Berghänge stürzen fast senkrecht ins Wasser ab. Das war sogar Pinochet zu viel Aufwand, der immerhin verantwortlich ist, dass die heute verfügbare Strasse überhaupt existiert. In Rampa Fjordo Largo fuhren wir quasi im Konvoi weitere zehn Kilometer bis Leptepú, wo eine weitere Fähre schon bereitstand, die uns jetzt in drei Stunden nach Hornopirén bringt.

Ich war auf der recht neuen Fähre beschäftigt mit dem Schreiben des gestrigen, langen Tagesberichtes. Leider waren die Berge, welche das Fjord umschlossen, wolkenverhangen. Wir erreichten Hornopirén am Nordende des Fjordes gegen sieben Uhr, checkten ein in einem der vielen hospedajes (Tierras del Sur). Samuel fühlt sich noch immer kränklich und legte sich gleich ins Bett. Vor allem leidet er unter Appetitlosigkeit und Durchfall. Meinen eigenen Appetit konnte ich leider ebenfalls nicht zufriedenstellend stillen, denn als ich nach acht Uhr im kleinen Städtchen nach einem offenen Restaurant suchte, fand ich keines, sodass ich in einem Supermarkt die Zutaten für ein Schinkenbrötli einkaufte – plus natürlich ein Sixpack Becker-Bier.

Km: 64‘593 (97)

Mo, 20.03.2017: Pausentag „dank“ Sams Durchfall

Sämi fühlte sich heute Morgen nicht wirklich besser, hatte keinen Appetit und vor allem Lust auf weitere Ruhe. Ich fuhr nochmals zum Supermarkt, um drei (wenn auch ziemlich alte) Bananen zu kaufen. Ich fand Zeit, den Entwurf des Blogteils 31 zu bearbeiten, bearbeitete viele Fotos. Ich muss lernen, wieder mehr auszusortieren. Allerdings waren die letzten Tage sehr ereignisreich und fotogen, sodass es wirklich schwierig war, eine Auswahl zu treffen. Ich fand auch Zeit für eine weitere Wäsche.

Am Abend fühlte sich Sam etwas besser, sodass wir uns diesmal gemeinsam auf die Suche nach einem Restaurant machten. Dies war erneut keine einfache Aufgabe. Schliesslich fanden wir wenigstens ein Café, wo wir einen Lachssalat und einen Fruchtsaft bestellten.

Jetzt sitzen wir in der Stube des Hauses, Sam diskutiert lebhaft mit dem Vater des Hauses über Chile und seine Probleme – es scheint ihm definitiv wieder besser zu gehen.

Km: 64‘577 (4)

Di, 21.03.2017: Zur Wassermühle und im Blumengarten – in Rorschach?

Die Verschiedenartigkeit Chiles ist wegen seiner Lage und Form kaum zu überbieten, dabei haben wir bis jetzt erst den Süden bereist. Heute erreichten wir eine Art Landschaft, wie wir sie (scheinbar) noch nie gesehen hatten. Das Klima und der Landschaftstyp erinnerten mich so sehr an die Heimat, dass ich mich schon beinahe in Rorschach am Bodensee wähnte. Der Lago Llanquihue ist zwar etwas kleiner und runder als der Bodensee, seine Ufer sind deutlich weniger verbaut, aber die hügelige Landschaft mit den vielen Bauerngehöften und weidenden Kühen und sogar die Namen von Gasthöfen passt tatsächlich so sehr zu meiner nächsten Heimat. Wo gibt es sonst schon Gasthöfe „Zur Wassermühle“ oder „Im Blumengarten“?

Es verwunderte mich nicht, dass es in Puerto Varras eine überaus zahlreiche, deutsche Gemeinde mit einer grossen deutschen Schule gibt. Man sagt, dass in dieser offensichtlich besonders wohlhabenden Stadt mehr Deutsch als Spanisch gesprochen wird. Eigentlich wäre es durchaus interessant gewesen, den Friedhof zu besuchen, um die deutschen Namen zu studieren, die vielleicht mit einem düsteren Kapitel der deutschen Geschichte hätten in Verbindung gebracht werden können. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Nazis nach Südamerika geflohen sind.

Eigentlich hätte es mich gereizt, etwas „deutsches Gefühl“ mitzubekommen, vielleicht ein Kunstmann Bier zu trinken, aber wir fuhren weiter bis an die Küste nach Puerto Montt, der ersten grossen Stadt seit langem, auf den ersten Blick eher unsympathisch, mit einer grossen Agglomeration mit vielen gleichförmigen, kleinen Reihenhäusern, aber vor allen unzähligen alten, etwas heruntergekommenen, dünnwändigen Kleinhäusern, in denen ich keinen Winter erleben möchte. Wir hoffen hier morgen, zu einigen Ersatzteilen für unsere Motorräder zu kommen.

Wir fanden ein etwas schräges Backpacker’s, das House Rocco, mit den beiden etwas ältlichen, verwirrt scheinenden Besitzern, aber die Zimmer sind sauber und die Hausregeln streng. Unterdessen hat sich im Haus automatisch das Licht abgeschaltet – ich schreibe also im Dunkeln…

Zum Tagesstart: Sam fühlte sich heute Morgen deutlich besser, sodass einer Weiterreise nichts im Wege stand. Bald hatten wir Puelche erreicht, von wo aus wir eine Abkürzung mit der Fähre Richtung Puerto Montt hätten nehmen können. Wir zogen es jedoch vor, dem östlichen Rand des Petrohue-Fjordes zu folgen. Ich muss dringend einen Kurs nehmen, um die verschiedenen Blautöne der hiesigen Seen oder Fjorde unterscheiden zu können. Auch das Blau dieses Meeresarms schien mir so unwirklich mit den vergletscherten und dicht bewaldeten Bergen im Hintergrund, dass ich bezweifle, dass es überhaupt eine Farbbezeichnung gibt für so viel Kitsch. Die Fahrt auf der zum Teil engen Schotterstrasse war recht anstrengend, einmal war ich etwas zu weit links unterwegs, dass ich eine Kollision mit einem weissen Auto gerade noch knapp vermeiden konnte. Erst nach Cochamó, einem idyllisch an einem Taleingang gelegenen Dorf, wurde die Strasse allmählich besser, bis wir durch dichten, unglaublich kräftigen Urwald fuhren. Ich erschrak schon beinahe, als ich zwischen den Bäumen plötzlich einen kegelförmigen, schneebedeckten Riesengipfel entdeckte. Erst jetzt sahen wir, dass zu diesem Berg mindestens zum Teil eine Strasse hochführt – zu einem kleinen Skigebiet auf einem Vulkan (!) mit drei Skiliften – dem Volcán Osorno auf 2652 m.ü.M.

Es war ein landschaftliches Riesenerlebnis, sich diesem gewaltigen, an der Spitze vergletscherten (!) Vulkan immer weiter anzunähern. Auf 1200 m.ü.M. mitten in karger Vulkanlandschaft hörte die Strasse auf. Mit einem altertümlichen Sessellift hätten wir noch etwas höher fahren können, worauf wir aber verzichteten. Aber die Aussicht auf den alleine stehenden Berg der patagonischen Cordilleren sowie den Lago Llanquihue waren schon grossartig genug. Es hätte mich gereizt, der Bergspitze kraxelnd etwas näher zu kommen, aber dafür war es zu spät – oder die Planung anders, sodass wir uns auf den Weg zur Küste machten. Und je näher wir dieser kamen, desto kälter wurde es, altbekannter Effekt des kalten Meeres…

Jetzt freue ich mich auf das wärmende Bett, wieder einmal mit einer grossen Daunendecke (!).

Km: 64‘847 (270)

Mi, 22.03.2017: Fast ein ganzer Tag bei Moto Sur

Zuerst wurden wir von unseren etwas schrägen Gastgebern mit ausgezeichneten, kleinen Pancakes und besonders gutem (?!) Kaffee verwöhnt, der, wie sich herausstellte, von McDonalds stammt… Nur zwanzig Meter entfernt fanden wir einen Kleberladen, der uns die je hundert Sticker bis zum Abend druckt.  Dann waren wir schon bald unterwegs zu einem Motorradshop für alle Marken – Moto Sur. Tatsächlich liess sich einen Dichtung für die Hondagabel auftreiben.

Das Finden einer vollständigen Zahnkranznabe inklusive Gummis und Lager und neuen Schrauben gestaltete sich schwieriger. Katastrophal teuer ist ein neues Kettenkit, vor allem die Kette, die mich im Original ganze 300 Franken gekostet hätte. So stiegen wir auf ein Ersatzmodell um, das seine Dienste auch gut erfüllen sollte. Vor allem aber erhielten wir sämtliche Teile, die dann igendwann von Sam montiert werden.

Gegen Abend fuhren wir in die Stadt zu einem Einkaufszentrum, aber wir fanden weder ein geeignetes Zelt für Sam noch eine neue Kamera für mich. Zu Hause montierte Sam das vordere Ritzel seiner Honda neu (das er noch dabei hatte), denn die Zähne waren schon beinahe flach vor Abrieb.

Ich fuhr am Abend nochmals in die Stadt auf der Suche nach einem Fischrestaurant. Aber viele sind auch hier schon geschlossen, weil die Saison vorbei ist. Ich folgte lange der Küstenstrasse und fand ein gutes Restaurant, indem die Spezialität aber Fleisch war. Ein 300-g-Steak, Avocadosalat, ein Glas ausgezeichneten Roten – wieder einmal ein perfektes Essen. Der Rückweg wurde allerdings zur Irrfahrt, weil die Küstenstrasse momentan nur einspurig befahrbar ist, sodass ich einen Umweg zu nehmen hatte. Jetzt sitze ich in der Küche dieses Hostels, Sam ist am Ausschneiden seiner neuen Sticker, ich lasse mir diese Arbeit abnehmen, notabene gratis von derselben Bude, von der wir sie bezogen haben. Endlich kann ich auch etwas Werbung in eigener Sache machen.

Km: 64‘871 (24)

Do, 23.03.2017: Kalt-graue Stadt

Die kalten Wasser des Fjordmeeres produzieren momentan so viel Feuchtigkeit, dass Puerto Montt fast den ganzen Tag unter einem dichten Nebeldeckel zu erfrieren scheint. Die Menschen hüllen sich in dicke Mäntel, die Menschen auf den Märkten sitzen griesgrämig da und versuchen frische Heidel-, Erd- oder Himbeeren zu verkaufen. Es ist beileibe nicht der Ort, länger zu verweilen, aber noch warten wir auf einige Ersatzteile, die morgen bei Sur Moto hoffentlich ankommen werden.

Während sich Sam um das Ersetzen seines Sattelleders und das Beschaffen eines neuen Ritzels bemühte, fuhr ich am Morgen in die Stadt, um endlich die Kosten für die abgeschlossene Mini-Töff-Versicherung für vier Monate bei Chile Express per Western Union zu begleichen. Weil die über 200 Fr. für zwei Motorräder nach Argentinien überwiesen werden sollten, war diese Anlegenheit nicht so einfach. Zudem vergass ich den nötigen Pass, sodass ich nochmals zurück zum Guesthouse fahren musste, wo ich vor verschlossenen Türen stand und eine Stunde zu warten hatte, weil die Hausmeister ausgegangen waren. Ärger!

Beim zweiten Gang zu Chile Express klappte die Überweisung schliesslich nach langer Arbeit. Ich fuhr jetzt zum alten Hafen Angelmó, heute umfunktioniert in eine Touristenattraktion mit vielen Souvenirläden und mehreren kleinen Fischrestaurants, gebaut auf Stelzen. Gleich mehrere weibliche Schlepper wollten mich in ihr Restaurant locken. Im nebligen Herbst hat es hier offensichtlich nicht mehr viele Leute, frischen Fisch gibt’s zwar nach wie vor, aber die Nachfrage ist im Sommer natürlich grösser. Das Menu war dafür ausgezeichnet. Ich beobachte einige Seelöwen, die sich mit Hunden um Lachsabfälle stritten. Wenn ich Hund wäre, würde ich den kräftigen Meerestieren ausweichen, ein Schlag wäre mindestens schmerzhaft.

Gegen Abend zeigte sich für eine Weile die Sonne, sodass es nicht zu kalt war, die Kette meines Töffs zu schmieren und die Risse in meiner Sattelverschalung zu leimen. Jetzt ist es aber erneut klamm – ich sitze in der Küche und versuche meine Apps zu aktualisieren, aber das Internet ist schwach, die Arbeit ein Geduldsspiel…

Km: 64‘886 (15)

Fr, 24.03.2017:  Nochmals mitteleuropäische Beschaulichkeit

Wiederum war es grau heute Morgen in Puerto Montt, höchste Zeit, hier wegzukommen. Wir waren optimistisch, dass wir heute all die bestellten Ersatzteile bekommen würden und packten unsere Siebensachen zusammen. Schon gestern hatte ich Kontakt mit Grimaldi, der Schifffahrtsgesellschaft, die uns hilfreich sein könnte, um per Ro/Ro-Schiff nach Afrika überzusetzen. Gleich zwei Firmen wurden mir empfohlen, um den Trip vollständig zu organisieren, und heute Morgen erhielt ich gleich zwei positive Antworten. Grundsätzlich sollten wir nach Dakar/Senegal reisen können. Über zwei Wochen dürften wir auf einem Frachter unterwegs sein von Montevideo nach Afrika, um unsere letzte grosse Herausforderung in Angriff zu nehmen, nämlich der Küste über Mauretanien nach Marokko zu folgen.

Am Mittag verliessen wir Roccos Haus, wurden herzlich verabschiedet, kauften frische Vorräte ein und fuhren nochmals nach Anselmó, wo wir in einem kleinen Fischrestaurant ein gutes Mittagessen genossen, nachdem wir den Seelöwen einen weiteren Besuch abgestattet hatten. Erst jetzt merkte ich, dass mein Kupplungskabel nur noch an einem Faden hängt und wohl nächstens den Geist ganz aufgibt. Wir fuhren zu Moto Sur, wo wir noch auf die Ersatzteile zu warten hatten, sodass wir Zeit hatten, mein Kupplungskabel zu reparieren – besser gesagt, Sam kam zu einem weiteren Dienst. Da wir keinen genauen Ersatz hatten (den hatte ich damals im Iran im verlorenen Koffer gelassen…), verbanden wir das neue Kabel mittels Kabelverbinder aus Metall. Scheint zu funktionieren. Als mein Material endlich ankam, war der Ärger gross, weil ein Paar Gummistücke und sechs Muttern fehlten. Südamerikanische Genauigkeit…

Gleichwohl fuhren wir jetzt los, zuerst zurück nach Puerto Varras, von wo aus wir dem Llanquehue-See an der nordwestlichen Seite folgten. Der riesige Osorno Volcán schien eben aus dem See entstiegen zu sein. Wiederum wurde ich an die deutsch-schweizerisch beschauliche Landschaft erinnert. Wir hätten gut und gerne auch im Thurgau oder in Süddeutschland unterwegs gewesen sein. Grüne, saftige Weiden mit unzähligen Kühen, grosse Bauernhöfe, Maisfelder, ein wunderschöner See, Gasthöfe, fast wie zu Hause.

Am Lago Rupanco machten wir uns auf die Suche nach einem ruhigen Übernachtungsplatz, die Ufer waren jedoch voll mit Fischern. Auf einem schmalen Fussweg erreichten wir hoch über der Strasse eine Lichtung, perfekt, um unsere Zelte aufzustellen, ein Feuer zu machen, auf dem wir unsere Canneloni kochten.

Km: 65‘032 (146)

Sa, 25.03.2017: Brombeer und Bambus – und ein Kilogramm Entrecôte

Kannst du dir vorstellen, dass sich Brombeerstauden mit ihren stachligen Trieben an kräftigen und hohen Bambuspflanzen quasi festkrallen und in eigenartiger Symbiose leben? Zumindest konnte ich heute gleich beide Pflanzen sinnvoll nutzen. Bambus brennt ausserordentlich gut und eignet sich hervorragend, um ein Feuer zu entfachen. Als wir heute Abend bei einem erneut sehr idyllischen, abgelegenen Lagerplatz an einem Fluss ankamen, war ich zuerst einmal lange damit beschäftigt, mich mir dunkelvioletten Früchten vollzufressen…

Dasselbe machte ich schon am Morgen, nämlich mich mit Dutzenden von Brombeeren zu verköstigen, bevor ich wie gewohnt das Feuer wieder anfachte und mich ans Verpacken meiner Utensilien machte. Es war stark bewölkt, und es war nicht absehbar, auf welche Seite die Wetterfront kippen würde, aber ich blieb optimistisch und rüstete mich nicht gegen Regen aus.

Eigentlich war geplant, einige bei der Fahrt Richtung Süden verpassten Seen der Los-Lagos-Region zu besichtigen, aber die von Westen kommenden Wolken waren zu schwarz, um Umwege in Kauf zu nehmen. Wir versuchten, die Autobahn Ruta 5 zu vermeiden, verzichteten auf eine Rundfahrt um den Lago Ranco. Eine ziemlich üble Schotterpiste führte uns weiter Richtung Norden. Noch immer wurden wir vom Regen verschont, trafen vor Panguipulli auf den Deutschen, den wir vor vier Wochen schon in Argentinien getroffen und dem wir geholfen hatten, einen platten Reifen zu reparieren. Wir erreichten nach einer ruppigen Passfahrt Villarica, wo wir ein riesiges Stück Entrecôte und zwei Bier kauften. Bald suchten wir nach einem Lagerplatz, wurden auf der überraschend schlechten Strasse nach Cunca jedoch vorerst nicht fündig. Schliesslich fanden wir am Rio Curaco einen idyllischen Platz direkt am Fluss. Sam begann sofort, eine Dichtung der Gabel seiner Honda zu ersetzen, derweil ich mich auf die Suche nach Holz machte – und wurde ziemlich abgelenkt durch Brombeerstauden, die Hunderte von süssen Früchten trugen, auf die ich natürlich nicht verzichten wollte.

Der Hunger blieb aber glücklicherweise fast gleich gross, denn heute stand wieder einmal ein Festessen an. Ein Kilogramm Rind am Stück wurde zusammen mit vier halben, grossen Kartoffeln über perfekter Glut gegrillt. Was für ein Schmaus! Wir sassen noch einige Zeit am munter flackernden Feuer. Jetzt liege ich im Zelt und lausche dem Rauschen des Flusses. Ich hoffe auf gutes Wetter morgen, denn es steht eine sehr interessante Etappe über die südlichen Anden an.

Km: 65‘361 (329)

So, 26.03.2017: Flucht nach Argentinien

Noch in der Nacht war es sternenklar, am Morgen wurde ich jedoch von einem unangenehmen Geräusch geweckt, denn Tausende Regentropfen schienen wie ein zu stark eingestelltes Schlagzeug in mein Hirn zu hämmern. Natürlich waren es eher die Umstände, welche mir zuwider waren, denn es gibt kaum etwas Unangenehmeres, als ein Camplager bei Regen zusammenzupacken. Dank der dürren Bambuspflanzen schaffte ich es wenigstens schnell, ein Feuer anzufachen, denn auch heute sollte Petrus‘ Feuchtigkeit mich nicht von einem reichhaltigen Frühstück mit Eiern, Käse, Nutella und Brötchen abhalten.

Die Hoffnung, dass sich die Regenwolken mit der Zeit verziehen, war sinnlos. Triefend nass stopfte ich mein Zelt in meinen silbernen Koffer, Kleider waren klammfeucht. Wir starteten die Fahrt mit voller Regenausrüstung. Bald war Cunco in einem weiten Tal Richtung Paso Icalma erreicht. Tatsächlich hellte es auf, aber es hatte schon eine Stunde so intensiv geregnet, dass die Feuchtigkeit irgendeinen Weg durch den vermeintlich wasserdichten Regenschutz gefunden hatte. In Melipeuco wollte ich eigentlich um den vor wenigen Jahren überaus aktiven Llaima Volcán nach Norden fahren, aber Sam legte sein Veto ein. Er hatte die Schnauze voll von Kälte und Regen und wollte möglichst schnell Argentinien erreichen. Aber auch die Fahrt zur Grenze sollte es in sich habe. Die Schotterstrasse war äusserst ruppig und uneben, voll mit Wellblech-Abschnitten. Wir hatten die südlichen Anden ein weiteres Mal zu überqueren und fuhren durch fremdartige Wälder mit eigenartigen Bäumen und Schluchten voller vermoosten Altholzes. Kurz nach dem Lago Icalma erreichten wir die beiden Zollstationen, und erneut waren die Formalitäten äusserst speditiv abgewickelt. Es ging jetzt steil abwärts, wir erreichten den Lago Aluminé, aber die Ruta 23, der wir jetzt folgten, sollte es in sich haben. Sie führte zuerst auf übler Piste durch ein trockenes, gottverlassenes Tal, die Wolken schienen uns zu verfolgen versuchen, um uns erneut einzunetzen, aber diesmal gelang es ihnen nicht. Wir erreichten einen Pass auf fast 1800 m.ü.M. Nicht wächst mehr hier oben ausser Gras! Was für eine karge Landschaft und was für ein krasser Gegensatz zu den vergangenen Tagen!

Wir waren ganz glücklich, dass wir jetzt auf die geteerte RN242 kamen, passierten steile, felsige Partien, fanden uns bald wieder im altbekannten Argentinien mit vielen geraden Strassenabschnitten in äusserst karger Landschaft. Nur Gauchos auf ihren Pferden, die ihre Kühe vor sich hertrieben, liess uns das recht hohe Tempo drosseln. Bald folgten wir der RN21 und befinden uns nahe Longopue an einem Fluss, wo wir unser Lager aufgestellt haben. Das Wasser im nahen Gewässer ist zwar kalt und etwas schlammig, aber die Lust, das speckige Feeling loszuwerden und sich im kalten Fluss zu waschen, war grösser. Natürlich musste auch das ganze Material getrocknet werden, und dies gelang sehr gut, denn der Fallwind ähnlich des Föhns in der Schweiz ist trocken und mild, und im Nu waren Zelt und feuchte Utensilien trocken. Bald kochten wir über dem Feuer Pasta mit Auberginen. Unsere Vorräte (die wir über die Grenze geschmuggelt hatten) gehen allmählich zur Neige, ausserdem sollten wir bald tanken. Hoffentlich finden wir morgen bald so etwas wie ein bisschen Zivilisation.

Zum zweiten Mal sind wir dem chilenischen Regen entkommen, indem wir die Anden überquert haben, und erneut hat sich die Landschaft innert weniger Kilometer grundlegend verändert – überaus eindrücklich!

Km: 65‘624 (263)

Mo, 27.03.2017: Wilde Andenfahrt in Längsrichtung

Es war noch so viel Holz übrig vom Abend, dass ich schon relativ früh am Morgen an einem übermässig grossen Feuer sass, um mich aufzuwärmen, denn die Nacht war erstaunlich kalt, allerdings nicht ganz überraschend, denn vergleichsweise nähern wir uns verdächtig dem Oktober. Ich hatte so viel Glut produziert, dass die Brötchen, die aus dem gestern Abend produzierten Teig entstanden, heute besonders lecker waren.

Allerdings gingen die Vorräte allmählich zur Neige, weshalb wir nach dreissig Kilometern Fahrt in Loncopue uns mit frischen Vorräten eindeckten und glücklicherweise auch tanken konnten. Wiederum war es vollkommen unmöglich, an Bancomaten zu Bargeld zu kommen. Dies war glücklicher- und überraschenderweise in der einzigen Bank dieses kleinen Örtchens möglich, aber man akzeptierte nur beinahe druckfrische US-Dollars, aber sicher nicht jene Scheine, die ich aus dem Notvorrat auch meinem Gürtel hervorzauberte und erstens etwas zerknüllt und zweitens etwas feuchte Abenteuerfarbe angenommen hatten.

Kurz nach Loncopue war es mit der Herrlichkeit der geteerten Strassen vorbei. Anfänglich war der Schotter aber sehr angenehm zu befahren, und wir kamen gut vorwärts. Aber dann sprang erneut meine Kette vom Kranz, und wieder konnte ich problemlos am Strassenrand ausrollen. Diesmal trug ich wohl die Schuld dieses erneuten Malheurs, denn beim Kettenspannen richtete ich das Rad mit der Gegenschraube falsch aus, sodass die angeschlagene Kette wieder herausspringen musste. Da half alles Schmieren nichts.

In der Folge genossen wir das milde und klare Wetter, vor allem aber die kargen, trockenen Landschaften mitten in den Anden, die wir heute in Längsrichtung befahren wollten. Ein Vulkan im Norden lockt, über 4700 m.ü.M. gelegen, um den es eine kleine Strasse geben soll. Schon heute war die abwechslungsreiche Fahrt mit einigem Gefälle, äusserst ruppigem, grobsteinigem Gravel, aber auch wieder gut zu befahrenen Abschnitten ein Riesenerlebnis, vielleicht auch darum, weil wir uns so weit entfernt haben vom normalen Touristenstrom. Immer wieder begegneten wir stolzen Gauchos auf ihren Pferden, manche mit Familien, welche grosse Rinder-, Schaf- oder Pferdeherden vor sich hertrieben oder Halt machten an einer Wasserstelle, wo die Tiere endlich wieder zu etwas Flüssigkeit kamen. Denn die Landschaft ist überaus trocken, wüsten- oder zumindest steppengleich – und genau das gefällt uns momentan so gut, weil diese Landschaften für uns ungewohnt sind.

Schon nach hundertdreissig Kilometern schlugen wir in einem Flusstal unser neues Lager auf. Sam genoss die Zeit liegend in der Hängematte, ich liess mich etwas flussabwärts treiben, allerdings nicht für lange, denn das Wasser ist herbstlich frisch, wohl kaum 17°C. Dann kam es zu einer Betätigung, wie ich sie seit 1991 nie mehr gemacht habe – ich schnitt Sam die Haare, der einen Kurz-Haarschnitt wünschte.

Dann begannen wir mit dem Verfeuern des Holzes, das Sam Bäume erklimmend besorgt hatte. Noch immer liegt jetzt ein Teil eines Baumstammes auf der Feuerstelle, rot glühend. Glut ist wohl die idealste Wärmequelle zu kochen, und wir hatten heute reichlich davon – im Nu war unser Abendmenu gerichet, wieder einmal Pasta mit argentinischen Minikürbissen an Tomatensauce

Was mir nach wie vor Sorgen macht, ist mein Handgelenk, das mir vor allem während des Fahrens Beschwerden macht. Ich habe den Verdacht, dass ein kleiner Knochen der Mittelhand gebrochen ist. Wäre dann der dritte Knochenbruch meiner Reise… Aber so lange Fahren möglich ist – who cares?

Km: 65‘754 (130)

Di, 28.03.2017: Andenpamir

Es ist stockdunkle Nacht. Das lupenreine Firmament mit beinahe grell leuchtender Lichtstärke mit seinen Millionen von Sternen wird in seiner Helligkeit einzig übertroffen durch ein glühend loderndes Feuer, in der Tat vor allem glühend, weil es nur mit vielen Kuhfladen aus der Umgebung gefüttert wurde. Ich befinde mich auf beinahe 2000 m.ü.M. am Fusse des Dumoyo Volcáns 4750 m.ü.M.. Dass wenigstens ein paar Sträucher wachsen, deren verkrüppeltes und abenteuerlich geformtes Holz zum Anfeuern gebraucht wurde, ist wohl den Geysiren zu verdanken, die kaum zweihundert Meter oberhalb unseres Lagerplatzes ihr Unwesen treiben. Momentan verhalten sie sich zwar ruhig, ausser dass sie konstant 90°C heisses Wasser an die Erdoberfläche rülpsen. Dieses schweflige Wasser plätschert als dampfendes Rinnsal zu Tal und gibt den Sträuchern wohl genügend Nahrung und Wasser, hier oben überhaupt existieren zu können. Dieses heisse Wasser scheint zwar klar und rein zu sein, ist aber auch Nährboden für giftig grüne und braune bis gelbe Algen, die sich am Rande des Bächleins absetzen.

Wir haben uns heute auf ein ganz besonderes Abenteuer eingelassen, sind weiterhin den immer grösser und karger, aber umso eindrücklicher werdenden Andenbergen von Süden nach Norden gefolgt und befinden uns momentan in Las Oletas, nur wenige Kilometer von Agua Calientes entfernt, einer winzigen touristischen Lokalität mit drei Bungalows, die uns weniger interessierten als die heissen Quellen, die hier in einem kleinen Felsenpool gefasst wurden. Man kam zwar rot gescheckt wieder aus diesem vulkanischen Wasser, denn es hatte gut und gerne 45°C. Weil offenbar schon länger niemand mehr in diesem Pool sass, wirbelten wir die am Boden sitzenden grünen Algen auf. Aber gleichwohl war der Aufenthalt in diesem wirklich heissen Wasser nach einem anstrengenden Fahrtag in der abendlichen Sonne eine Wohltat. Leider durften wir hier nicht zelten und fuhren deshalb hoch nach Las Oletas, wo natürlich ebenso keine Menschenseele anzutreffen war.

Die Fahrt heute war geradezu dramatisch schön und eindrücklich. Nach einem gemütlichen Frühstück mit frisch gebackenem Brot verliessen wir unseren Lagerplatz am Fluss bei bewölktem Himmel um halb elf Uhr. Die Strasse führte durch eine karge Felslandschaft steil bergauf, bis wir ein Plateau erreichten, sodass wir in der Ferne zum ersten Mal den erhabenen und gletscher- und schneebestandenen Dumoyo Volcán erblickten. Nach recht rauher Fahrt über scharfen Schotter erreichten wir ein kleines, sympathisches Dörfchen, Andacollo, mit seiner Patria-Skulptur auf einem Aussichtspunkt. In einem kleinen Laden versorgten wir uns mit weiteren Vorräten und vor allem (leider chloriertem (!)) Wasser und stiegen durch ein Flusstal auf schmalem, kurvenreichem Weg hoch nach Valvarco. Von hier führte die RN43 vorbei an schroff aus den Hängen stehenden Basaltfelsen immer höher bergauf. Wir passierten eine tiefe Schlucht auf erstaunlich guter Piste. Ich wähne mich momentan im Pamir Argentiniens. Ein brauner Fluss schlängelt sich durch das Tal, an den sich die Strasse immer wieder hält. Je höher wir aufstiegen, umso genialer wurde die Rundsicht.

Morgen wird sich zeigen, ob wir unseren etwas frechen Plan, durch dieses Tal die RN54 zu erreichen, auch wirklich umsetzen können. Flussdurchquerungen und Hangrutsche werden zu bewältigen sein, zudem erwartet uns ein Pass auf über 2800 m.ü.M. Die Yamaha läuft, die Honda funktioniert, hoffentlich noch lange. Keine Selbstverständlichkeit, denn die Strapazen für unsere Maschinen auf derartigen Strecken sind enorm.

Jetzt freue ich mich auf eine ruhige Nacht in den Bergen und hoffe, dass der Vulkan oder die nahen Geysire keine Dummheiten im Sinn haben. Das Piece de resitance folgt morgen. Ich bin ja mal gespannt…

Km: 65‘926 (172)

Mi, 29.03.2017: Schwefeleier, Scheissbrot und der erwartete wilde Ritt

Die morgendliche Szenerie mit dem mächtigen Dumoyo, der zuerst noch in Wolken verhüllt war, den dampfenden heissen Quellen gleich in der Nachbarschaft, der Blick auf die gegenüberliegenden, bereits sonnenbeschienenen Hänge war einfach grossartig. Sobald die Sonne auch unseren Platz beschien, wurde es entscheidend wärmer. Schnell brannte mit weiteren Kuhfladen ein grosses Feuer, auf dem später knusprig braune Brötchen gebacken wurden – glücklicherweise wurde der Geruch des vor einiger Zeit geschissenen Materials keinesfalls angenommen. Dafür wurden die Eier auf ganz besondere Weise zubereitet. Die nahen heissen Quellen waren so siedend heiss, dass darin problemlos zwei Eier dick gekocht werden konnten. Es war nicht ganz klar, ob das leicht schweflige Aroma vom Kochwasser stammt oder die argentinischen Eier grundsätzlich so schmecken…

Unser Zeltplatz befand sich unterhalb der Geysir-Quellen, sodass bei Abfahrt gleich eine erste Herausforderung anstand, nämlich auf dem brüchigen, verkarsteten, steilen und sehr unwegsamen Untergrund zurück zum Fahrweg hochzufahren.  Dies gelang problemlos. Bald erreichten wir wieder die Hauptstrasse. In froher und gespannter Erwartung nahmen wir die jetzt folgende grosse Herausforderung an. Die Strasse führte uns durch dieses Flusstal immer höher. Zuerst hatten wir zwei Bergkämme zu überqueren, dann folgten wir dem Fluss rechtsseitig. Eigentlich erwartete ich bald eine Überquerung dieses Flusses, aber der Fahrweg blieb erstaunlich gut befahrbar, und als der Fluss endlich zu überqueren war, stand da eine Brücke. Über weite Alpweiden und vorbei an einer verlassenen Hütte erreichten wir den kitschig blauen Lago Varvarco, an dem ich zwei grossen Scharen Wildgänsen (?) mit meiner Kamera so nahe trat, dass sie plötzlich wie auf ein Kommando losflogen. Erst jetzt wurden die schwarz-weiss gefärbten Flügel und der farbige Kopf richtig sichtbar. Etwas erstaunt hatten wir ohne grosse Schwierigkeiten die RP53 erreicht, staunten hier über den tiefblauen See auf über 2000 m.ü.M.

Aber das Abenteuer sollte jetzt erst richtig beginnen. Dabei verpassten wir zuerst die richtige Abzweigung. Der eingeschlagene Alpweg wurde immer unwegsamer, sodass ich anhielt nach der Überquerung eines veritablen Felsblockes. Sam stellte schnell fest, dass wir den unteren Weg entlang des Sees hätten nehmen sollen. Das Wenden bereitete bei der Steilheit des Weges mit all unserem Gepäck einige Mühe. aber auch auf dem neu eingeschlagenen Weg fühlte ich mich nicht sonderlich wohl, denn genau eine alte Fahrspur eines anderen Fahrzeuges war zu erkennen. War dieser Pass tatsächlich überhaupt überquerbar mit Fahrzeugen? Der Weg war überaus holperig und mit grossen, runden Steinen besetzt, aber laut maps me waren wir richtig. Die Wildheit des Tales, das wir jetzt durchfuhren, war kaum zu überbieten, mehr argentinisches Outback ist nicht möglich.

Und dann kam sie, die erste Flussdurchquerung, noch nicht besonders tief, aber grüne, algenbewachsene Steine machten eine Durchfahrt nicht einfach, zumindest für mich. Ich wollte vermeiden, dass es mich hinlegt, denn im Rucksack war mein wasserempfindlicher Computer versorgt. Aber ich schaffte diese erste Überfahrt. Und weitere sollten folgen... Was mir mehr Sorgen bereitete, war die Steigung, die wir noch zu bewältigen hatten, noch fehlten achthundert Meter Höhendifferenz. Und tatsächlich begann die Strasse jetzt anzusteigen, und zwar in ruppigster Art und Weise. Es wurde erstens sehr steil, und zweitens bestand die Unterlage aus grossen, runden Steinen, die ich irgendwie versuchte zu umfahren – ein Ding der Unmöglichkeit, sodass ich begann, rücksichtslos darüber hinweg zu brettern. Weil die Kupplung zu stinken begann, versuchte ich auf Anraten Sams all die Klippen im ersten Gang mit mehr Tempo zu meistern. Immer wieder versuchten Fahrrinnen, das Vorderrad gefangen zu nehmen und mich zu Fall zu bringen. Dies zu vermeiden war überaus anstrengend, sodass ich nach einer Pause verlangte.

Nach der Mittagsrast erreichten wir eine weitere Höhenstufe, und ich kam recht gut vorwärts. Aber die nächste Steigung folgte sogleich. Unterdessen bewegten wir uns in einer wahren Mondlandschaft, eine Vegetation hatte aufgehört zu existieren. Und noch immer quälten wir unsere Maschinen weiter bergauf, aber klaglos und ohne Probleme liessen sie all die Torturen über sich ergehen.

 

Dann erreichten wir endlich die Passhöhe auf 2850 m.ü.M. Wir wurden belohnt mit traumhaften Aussichten auf Bergseen, tiefer gelegene Steinwüsten und viele namenlose Bergriesen. Es war kalt und windig hier oben auf dem Paso Cochico, den wohl noch nicht viele Touristenseelen gesehen haben. Jetzt galt es, möglichst schnell talabwärts zu fahren, denn in einem benachbarten Tal zog sich ein Gewitter zusammen. Wir fahren froh, dass wir den wohl am übelsten zu befahrenen Abschnitt talabwärts bewältigen konnten. Mit aller Kraft in meinen Oberarmen wiederstand ich den Ausbruchsversuchen des Vorderrades meines Fahrzeuges. Und je tiefer wir kamen, desto einfacher wurde es – wenn da nicht jener grün leuchtende See gewesen wäre, dem wir einen kurzen Besuch abstatten wollten. Eine Fahrspur führte über wilden Schotter immer steiler bergauf. Mit Vollgaracho kämpfte ich mich bis fast zum Ziel voran, aber dann blieb ich mitten im Gravel im Steilhang stecken, versuchte in einem zweiten Versuch wegzukommen, vergrub aber vielmehr mein Hinterrad im Schotter. Erst im dritten Versuch schaffte Sam diese knifflige Stelle. Dann half er mir, meine Maschine aus diesem Loch zu befreien. Aber wo nur um Gottes Willen war denn mein Helm hingekommen? Er lag zweihundert Meter tiefer auf dem Schotter – ohne Visier, das irgendwo weiter oben lag – natürlich mit weiteren Kratzern. Der Wind hatte etwas dagegen, dass er auf meinem Spiegel sitzen blieb.

Es galt jetzt, dem drohenden Gewitter zu entkommen. Aber da warteten weitere Flussdurchquerungen, aber zauberhaft schöne Landschaften, immer wieder scheinbar verlassene Kuh-, Schaf- oder Ziegenherden – oder dann stolze, kräftige Pferde in verschiedenen Farben, die sich perfekt an die warmen, gelben, hellbraunen Herbsttöne der Umgebung anpassten.

Schliesslich versuchten wir, einen Schlafplatz zu finden, der Fahrweg führte uns auf weitere Anhöhen mit sandig tiefen Wegen, um gleich darauf in vielen Kehren wieder steil zum mäanderartigen Fluss abzustürzen. Schliesslich war der Lago Barrancas in Sichtweite, aber die Strasse führte scheinbar weit oberhalb des Seeufers Richtung Südosten, sodass wir eine freie Stelle unterhalb eines rauen, roten Felsens ganz nahe an der Strasse nutzten, um unser Lager einzurichten. Wir waren beide sehr müde geworden von dieser wilden Fahrt, kochten über dem Feuer eine weitere Nudelvariation. Auch heute fanden wir dazu das nötige Holz, diesmal knorrig verwachsenes, wohl uraltes Buschholz, das beim Verbrennen schon beinahe einen weihrauchähnlichen Geruch verbreitete.

Wir befinden uns jetzt exakt auf der gegenüberliegenden Seite des Domuyo Volcáns, wir haben ihn unterdessen beinahe umrundet. Motorradreisen leben von Tagen wie diesen. In keinem Moment weiss man, ob die Strecke überhaupt zu bewältigen ist oder ob die Maschinen den ganzen Stress durchhalten werden. Aber auch heute ist alles gut gegangen, die Reise ist um eine abenteuerliche Geschichte reicher. Es ist kalt im Zelt, die Batterien meines Computers sind leer. Als Notlösung muss Sams Pad herhalten.

Km: 66‘058 (132)

Do, 30.03.2017: Die Rache des Gequälten

Die Nacht war sehr kalt in diesem Bergtal, und die Sonne liess am Morgen lange auf sich warten, bis sie endlich hinter dem gegenüberliegenden Hang aufging und unsere klammen Glieder aufwärmte. Schon vorher hatte ich all das Knorrholz entzündet und versuchte damit, Wärme zu produzieren für einen heissen Kaffee und aufgebackenes Brot. Beim Eiermachen passierte mir in meiner Schläfrigkeit das Missgeschick, einen kleinen Teil des Eis in die Kaffeetasse aufzuschlagen. Als ich das heisse Wasser in die Tasse schüttete, entstand ein eigenartiger Kaffee-Eiweissbrei auf der Flüssigkeitsoberfläche, der sich prima abschöpfen liess und der Qualität des Kaffee keinen Abbruch tat.

Zweiundsiebzig Kilometer Richtung Süden sollten wir noch zurücklegen im Tal des Rio Barrancas, und die Szenerie blieb atemberaubend und abwechslungsreich. Die Sonne glitzerte in den Mäandern des Flusses und in der anschliessenden Laguna Cari Lauquen. Immer wieder führte die Strasse imposant fast senkrechten, zerfurchten Felsen entlang, einmal in mehreren Kehren steil aufwärts auf eine Hochebene, wo die Piste plötzlich ziemlich sandig war. Tief unten in den engen Tälern waren mitunter hellgrün leuchtende Oasen zu erkennen, gefüttert von kleinen Bergbächen, die von Einheimischen für eine einfache Existenz genutzt werden. Das Leben hier tickt so anders als zu Hause. Kein Kontakt zur Aussenwelt, es zählt die Qualität, Zeit zu haben für den Aufbau eines Daseins, die nicht zu gebrauchen ist für die vielen sinnlosen Beschäftigungen der vermeintlich fortschrittlichen, entwickelten, westlichen Welt. Auch ich könnte mir ein solches „langweiliges“ oder „eintöniges“ Leben kaum vorstellen, weil ich nicht in diese Welt hineingeboren wurde. Aber die Gauchos mit ihren Familien und Tieren scheinen zufrieden zu sein mit dieser Zeitlosigkeit, kennen nichts anderes und hängen deshalb vielleicht auch nicht mehr Besitz nach.

Je weiter wir fuhren, desto runder und auch trockener wurden die Berge. Hoch über Barrancas genossen wir die Weite und die Sicht über die trockenen Hügel und einen entfernten, über 4000 m.ü.M. hohen Riesenvulkan. Wir erreichten Barrancas am frühen Nachmittag, hatten es also geschafft, die ganze Domuyo-Runde ohne grössere Probleme zu bewältigen. Die Spannung fiel von mir ab, ich fühlte mich müde. Aber wir wollten noch einen weiteren Schritt Richtung Norden machen. Ausserhalb dieses kleinen Ortes tankten wir Benzin und Wasser und machten uns auf geteerter Strasse, der alt bekannten Quarenta (RN40) auf nach Bardas Blancas. Je weiter wir fuhren, umso mondähnlicher wurde die Landschaft. Die umliegenden Vulkane hatten die Gegend in eine faszinierende Öde verwandelt mit herumliegenden, schwarzen Riesen-Lava-Brocken. Als dann wie aus dem Nichts ein grüner Fluss zum Vorschein kam mit zwei Minikapellen am Strassenrand und auf einem Kraterhügel, unabdingbar für weitere Bilder, war die Szenerie zwar fremd, aber vor allem faszinierend. Wenig später ein weiteres Mal.

Aber hier sollten wir für die nächsten Stunden stecken bleiben, denn als wir wieder losfahren wollten, bemerkte ich, dass mein Hinterpneu ohne Luft war – ich hatte einen Nagel gefangen – eigentlich unmöglich in dieser verlassenen, wenig befahrenen Gegend. Zum ersten Mal wollte ich jetzt alleine versuchen, dieses Problem zu beheben – unter Anleitung Sams. Allerdings klebte der Pneu so sehr an der Felge, dass wir ihn mittels Sams Seitenständer zuerst einmal gewaltsam davon lösen mussten. Dies gelang, und überraschend leicht schaffte ich es mit meinen drei Schlüsseln, den Schlauch unter dem Reifen hervorzuklauben. Das Loch war leicht zu lokalisieren und wurde mittels Flick repariert. Dann würgte ich den Schlauch und Pneu wieder an die Felge und begann von Hand zu pumpen, aber die Luft schien nicht im Pneu, sondern im Nichts zu verschwinden. Als ich den Pneu wieder von der Felge würgte, sah ich, dass ich beim Montieren dessen den Schlauch wieder verletzt hatte. Jetzt packte ich den Ersatzschlauch aus und montierte diesen, und diesmal brachte das Pumpen den gewünschten Nutzen, aber der Pneu wollte sich an die Felge anpassen

Unterdessen hielt Martin, ein Motorradfahrer aus Homburg, der die ganze Panamericana befahren hat und leistete uns Gesellschaft, lieh uns aber vor allem seinen Minikompressor, mit dem ich den Pneu weiter aufpumpte. Der Reifen sprang aber erst bei einer Probefahrt auf die Felge, aber das Fahrgefühl war eigenartig. Das Steuern war irgendwie anstrengend – und siehe da! Martin bemerkte als Erster, dass auch der Vorderpneu flach war. Auf der Probefahrt musste ich auch den Vorderschlauch so weit verletzt haben, dass die Luft entwich! Zwei platte Reifen am selben Tag am selben Töff – unglaublich! Das letzte Mal war mir die Hälfte des Schadens im August 2015 passiert!

Jetzt war keine Zeit mehr für Lehrstunden. Sam nahm sich meines Vorderrades an, aber auch ihn passierte dasselbe Missgeschick wie mir. Beim etwas zu schnellen Montieren des Reifens verletzte er den neuen Ersatzschlauch, den ich zwar flicken konnte. Aus Zeitgründen nahmen wir jetzt aber den gebrauchten, netterweise passenden Ersatzreifen Sams. Die zauberhafte Abendstimmung in dieser vulkanischen Wüste war nur angenehmer Nebeneffekt in einem ganz besonderen Erlebnis, das noch um eine weitere Episode reicher wurde. Es war schon beinahe stockdunkel, als wir zu dritt endlich wieder starten konnten, aber ich sollte die wohl längsten 67 km meiner gesamten Reise erleben, denn schon nach wenigen Kilometern sprang mir die Kette erneut vom hinteren Ritzel. Sie war zwar schnell wieder montiert, aber nur wenige Kilometer sprang sie erneut heraus. Jetzt spannten wir die Kette noch etwas enger. Dafür wurden wir jetzt geärgert von einer wechselnden Schotterpiste verschiedener Qualität. Überaus holprige Stücke wechselten mit geteerten Abschnitten, dann kam unerwartet ein Sandloch, höllisch gefährlich, unberechenbar. Und dann war da eine Gruppe Rinder, die wir spät erblickten, aber an ihnen grad noch knapp vorbeikamen. Immer wieder ergriffen Chinchillas die Flucht vor unseren ratternden Maschinen. Kilometer für Kilometer näherten wir uns Bardas Blancas, aber zum wiederholten Male sprang meine Kette vom Kranz, jedes Mal eine überaus gefährliche Angelegenheit, weil man nie weiss, ob es einem die gerissene Kette um das Bein schlingt und es schwer verletzt oder das Rad vollständig blockiert und einen zu Fall bringt. Die letzten sieben Kilometer vor dem „rettenden“ Dorf fuhr ich nur noch mit 40 km/h, und viel weiter wäre ich wohl nicht mehr gekommen.

Wir waren froh, schon am Eingang des Dorfes eine hell beleuchtete Herberge zu sehen und fragten um Einlass. Wir sind glücklich, die Nacht in einem einfachen Dorm zu verbringen, wurden sogar noch um zehn Uhr nachts mit Cotelettes, Pommes und Salat verköstigt – und natürlich, das Bier rann wie Engelsbrunz unsere Kehlen hinunter – und das warme Wasser der Dusche reinigte all die Strapazen der letzten Tage von unseren Körpern.

Die Yamaha hatte sich heute für die ihr angetanen Strapazen heftig gerächt. Morgen werden wir Kette und Ritzel wechseln müssen. Glücklicherweise haben wir all die Ersatzteile dabei.

Km: 66‘284 (226)

Fr, 31.03.2017: Streicheleinheiten – und zu dritt unterwegs

Es war angenehm, wieder einmal in einem Bett schlafen zu können. Während Sam sich meinen diversen Teilen des Hinterrads annahm, beschrieb ich nach dem einfachen Frühstück den gestrigen Tag. Es war in der Tat erstaunlich, dass ich gestern Bardas Blancas, dieses kleine Nest, überhaupt erreicht hatte, denn die Kette war auf einer Seite erneut gerissen, zusätzlich aber auch noch verbogen, also vollkommen zerschlissen. Das vor kurzem neu montierte Lager war bereits wieder beschädigt und dessen Alu-Gegenstück von der Kette angefressen worden. Gute zwei Stunden war Sam an der Arbeit, all die neuen Teile zu montieren. Ein Gummiteil musste aus alten zusammengeleimt werden. Schönheitsfehler an der Arbeit war, dass Sam das vordere Ritzel nicht lösen konnte, sodass ich mit dem alten weiterfahren musste, das hoffentlich meine neuen Teile nicht zu sehr in Mitleidenschaft zieht.

Nach diesen Streicheleinheiten für mein Bike starteten wir zu dritt um 13.24 Uhr. Nach kurzer Zeit mussten wir uns mit einer weiteren Kleiderschicht wärmen, denn es war herbstlich frisch, obwohl zumeist die Sonne schien. Erstaunlicherweise befanden wir uns immer noch auf 1600 m.ü.M. Martin begleitete uns in Richtung Malargüe, wo wir uns in einem Café mit einer Jause-Platte verwöhnen liessen. Ja tatsächlich, ein Plättchen mit Käse, Speck, Oliven, regionalen Spezialitäten, herrlich! Dann nahmen wir die Strecke Richtung San Rafael unter die Räder, steckengerade und flach. Kurz bevor wir in eine bedrohlich schwarze Wolkenwand einfuhren, bogen wir nach Süden ab und erreichten El Nihuil, wo wir ein grosses Stück Fleisch kauften und jetzt am Ufer des Lagos Atuel campieren, an einem Feuer sitzen, nicht selbstverständlich, weil es in der Region kaum Bäume gibt. Aber erstaunlicherweise hatten wir am Schluss doch einen Haufen knorriges Buschholz gefunden, auf dem Sam das 800-Gramm-Steak bestens grillierte.

Eben ist die Mondsichel, rötlich gelb verfärbt, ennet des Sees untergegangen. Ich werde das Zelt mit Martin teilen, dem dieses auf seiner Reise gestohlen wurde. Es ist ein erneut idyllischer Abend mit Bier, Wein, wir sitzen auf dem Sand am See am Feuer, aber es ist herbstlich kühl – heute habe ich tatsächlich Bäume mit gelb verfärbten Blättern gesehen.

Km: 66‘524 (240)

Sa, 01.04.2017: Atuel Canyon ganz grau

Just bevor es zu dämmern begann, wurde ich vom Geräusch aufs Zelt tropfender Flüssigkeit geweckt, nicht wirklich motivierend aufzustehen. Aber ich war doch als Erster auf den Beinen und versuchte ein Feuer anzufachen, um den vorbereiteten Teig in wohl duftende, knusprige Brötchen zu verwandeln, aber sämtliches vorbereitetes Kleinholz war so durchnässt, dass diesmal die Geduld nicht reichte, das Holz zum Brennen zu bringen, sodass Samuel mit Benzin etwas nachhalf.

Aber die Motivation war klein, noch lange an diesem Ort zu bleiben, alles musste schnell vor sich gehen, denn weitere graue Wolken drohten mit neuen Niederschlägen. Noch gestern war geplant, den Atuel Canyon, der mit Arizonas Grand Canyon verglichen wird, zu durchfahren, aber bei diesem grauen Wetter war die Motivation dafür deutlich kleiner. Wir entschlossen uns erst bei der Einfahrt, den vermeintlich nicht einfachen Schotterweg unter die Räder zu nehmen. Schon nach zwei Kilometer war die geplante Strecke mittels eines Bandes gesperrt worden. Martin entschloss sich, direkt auf der Hauptstrasse nach San Rafael zu fahren, aber genau dieses Verbot war für Sam und mich Motivation genug, uns trotzdem auf diesen Weg zu machen. Sofort führte die Strasse in die Schlucht. Leider regnete es noch immer, weshalb die verschiedenfarbigen Sandsteinfelsen nicht zum Leuchten kamen. Aber die Fahrt war problemlos zu bewältigen. Wir passierten gleich mehrere Staudämme mit damit verbundenen Hochspannungsleitungen – nicht wirklich schön. Kurz vor der Hälfte des Weges bekamen wir eine gute Aussicht auf einen weiteren Stausee mit einer U-Boot-förmigen Insel, und kurz danach war die Strasse geteert, womit der perfekte Zugang für leichten, aber vollkommen übertriebenen Tourismus geschafft war. Wir rasten jetzt förmlich durch den Canyon, um bald San Rafael zu erreichen, wo wir Martin wieder trafen.

Wir entschlossen uns, noch heute Mendoza zu erreichen. Diese Strecke war mehrheitlich langweilig, die Strassen meist steckengerade. Erst etwa hundert Kilometer vor der Stadt wurde die Landschaft immer grüner mit Quadratkilometern von Reben – kein Wunder ist Mendoza das Zentrum der argentinischen Weinwirtschaft. Wir erreichten diese florierende Stadt am frühen Abend, fanden ein Zimmer im Mendoza Inn mit gemütlichem Innenhof und einem kleinen Swimmingpool. Am Abend gingen wir ein erstes Mal aus – im Johnny B. Good assen wir ein eher mittelmässiges Menu. Mendoza ist zu dieser herbstlichen Zeit mit wenigen Touristen bevölkert, das Hostel ist nur zu einem kleinen Teil besetzt. Aber vor allem ist es unterdessen endlich wärmer geworden, der Weg nach Norden hat sich gelohnt.

Km: 66‘857 (333)

So, 02.04.2017: So viele Fotos! So viele Erlebnisse! Muss man zuerst mal verarbeiten!

Sonntagmorgen, eigentlich der Tag zum Ausschlafen, und so hielt ich es heute auch. Ich bin froh, einfach wieder einmal etwas Zeit für mich und mein Material zu haben, räumte alle Koffer aus, um sie zu reinigen und begann, all die vielen Fotos der vergangenen Tage zu sichten, die Filme anzuschauen und viele Screenshots zu produzieren. Dies ist immer in zweierlei Hinsicht gut. Erstens brauche ich die Bilder für den Blog Teil 31, zweitens erlebt man die bewegten, vergangenen Tage ein zweites Mal. So gelingt eine Verarbeitung der Reiseerlebnisse einigermassen, auch wenn man schon beinahe zwei Jahre unterwegs ist.

Wie ein Vergifteter bearbeitete ich weitere 400 Bilder und brachte sie in die richtige Reihenfolge. Erst am Abend ging ich mit Sam und Martin aus. Ich wollte eine argentinische Spezialität ausprobieren – Milanesa. Es stellte sich heraus, dass dies nichts anderes als ein riesiges Schnitzel ist. Wir befinden uns hier im touristischen Zentrum Mendozas mit sehr vielen geschmackvoll eingerichteten Restaurants und Bars, aber zu dieser Jahreszeit hat es nicht viele Leute, der Sommer ist vorbei, der Winter ist auch hier im Anzug, auch wenn es momentan noch angenehm mild ist. Im Garten des Guesthouses wachsen sogar Bananenbäume! Lange nicht mehr gesehen. Als wir uns auf den Heimweg machten, begannen sich die Restaurants allmählich zu füllen. Der Lebensrhythmus in Südamerika ist anders als zu Hause. Das Nachtleben beginnt um zehn Uhr, auch am Sonntag.

Km: 66‘857 (0)

Mo, 03.04.2017: Diensttag am Montag

Am Morgen machte ich mich auf den Weg zu einer Wäscherei mit zwei Koffern voll schmutziger und stinkender Kleider von uns dreien. Nicht weit entfernt fand ich einen Yamaha-Shop, wo ich das Ritzel montieren lassen wollte und hoffte, zu den Gummiteilen zu kommen, die mir in Puerto Montt nicht geliefert worden waren.

Ich wurde sofort freundlich bedient, aber man hatte nicht sofort Zeit, und ich bekam einen Termin am Nachmittag um halb vier Uhr. Im Mendoza Inn wollte ich meinen Blog inklusive Bilder hochladen, dies klappte zwar mit den Texten noch recht gut, aber mit den vielen Bildern war das schwache Internet hier definitiv überfordert.

Bei Panella Yamaha verfolgte ich am Nachmittag die überaus effektiven Arbeitsgänge der Mitarbeiter, die vor allem aus Schwatzen bestanden. Natürlich hatte ich somit auch zu warten und wurde gar angestellt, im nahen Café Kaffee und Kuchen zu besorgen, welche wohl vor allem deshalb bestellt wurden, weil die junge Dame, welche die Waren persönlich vorbeibrachte, eine aussergewöhnliche wohl geformte und hübsche Zeitgenossin war. Irgendwann stellte man fest, dass das Ritzel, das ich von Puerto Montt mitgebrachte hatte, nicht auf meine Yamaha passt, aber tatsächlich konnte man einen passenden Ersatz inklusive den verlangten Gummiteilen auftreiben. Die neuen Teile wurden mit Hängen und Würgen montiert, die Mechaniker scheinen sich nicht an so grosse Maschinen gewohnt zu sein. Aber schliesslich war mein Fahrzeug wieder fahrbereit, sodass ich zurück zur Unterkunft fahren konnte.

 

Das Wifi war jetzt noch schlechter, sodass ich ein nahes Restaurant aufsuchte, wo ich all die Arbeiten zu meiner Zufriedenheit erledigen konnte. Meine beiden Kollegen erschienen später für ein schön zubereitetes Abenessen, der Lachs war noch warm und saftig und genau richtig lange gegart. Im Zimmer sah es noch immer ziemlich nach Chaos aus. Ich begann mit Packen, denn morgen wollen wir Mendoza  verlassen – Richtung Chile und über die höchsten Berge und Pässe der Anden.

Km: 66‘886 (29)

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Kommentare: 4
  • #1

    Joseole (Mittwoch, 12 April 2017 10:09)

    Hi Ursinus,

    I read, you are still having Nutella for breakfast - seems like customs have not taken it off you yet ;-)))) While I am surprised after carrying it from Australia that you still got some left. How is it after all this time/miles driven?

    Sad to read that they have taken away your sheep skull - as I wrote previously and as you are aware we had a bull skull on my Landcruiser back in the late 80's/early 90's. I drove regularly through big cities with it and police did not stopped me - not even in Sydney. Should have some photos/slides about those good old days.

    Good that you got somebody (Sam) who is a little bit of a whizzkid when it comes to electrical/mechanical challenges.

    I noted you have extended your ETA to Switzerland - to 2018 and thank you for your longish email which I shall respond to you in due course.

    Have fun and cheers

    José olé alias Charlie and for the old timers (who know me from childhood) Carlos

  • #2

    iso. (Donnerstag, 13 April 2017 13:14)

    Dass du ein Wahnsinniger bist, haben wir ja eh alle längst gewusst. Aber dass du mit Sam einen ebenso Durchgeknallten gefunden hast, ist eine schier unglaubliche Fügung des Schicksals. Wanderungen auf aktive Vulkane, Kletterübungen auf rostige Brückenpfeiler, Fahrten durch verbotene Täler – ihr lasst nix aus. Ich frage mich allerdings immer mehr, was du ohne die Mechanikertalente von Sam anstellen würdest. Deine Yamaha scheint den Anstrengungen doch mehr und mehr Tribut zu zollen. Bin gespannt, ob das olle Ding die Schweiz am Ende wieder erreicht – irgendwann.
    Dafür ist Teil 31 deiner Reise einer der absolut faszinierendsten. Die Bilder und Berichte haben mich seit der Durchquerung des Irans und der zentralasiatischen Staaten nie mehr derart gefesselt. Der 29. März 2017 ist bis jetzt mein absoluter Lieblingstag deines Trips. Mehr Abenteuer geht nicht, denke ich.
    Ein kleiner Trost für uns: Während ihr mühsam der Kälte zu entfliehen versucht, kommt bei uns statt des Frühlings anscheinend bald direkt der Sommer. Und dann gehts für uns nach Kuba und Jamaika – aber immer schön in Casas particolares und Hotels. Für euere Art Abenteuer bin ich definitiv nicht geschaffen...
    Freue mich schon sehr auf die höchsten Andenpässe und viele weitere Torheiten, die euch unterwegs so einfallen. Gute Weiterreise!

  • #3

    Ruth und Eugen ( Mittwoch , 19. April 2017 ) (Mittwoch, 19 April 2017 11:01)

    Hallo Urs,
    mit grossem Interesse und viel Freude verfolgen wir Deine Reise. Es ist unglaublich was Du und Dein Gefährte so alles
    erleben. Euer Wagemut lässt unseren Atem stocken und ich schicke Euch ein ganzes Heer von Schutzengeln damit ihr
    wohlbehalten wieder in die Schweiz zurück kommt. Die Abenteuerlust ist bei Euch ja kaum zu überbieten. Dank Deinen
    ausführlichen Berichten und den wunderschönen Bildern können wir in Gedanken teilhaben an Euren Abenteuern.
    In Deinen Beschreibungen und den stimmungsvollen Photos schwingt auch immer etwas von Deiner empfindsamen Seele mit! Schön! Natürlich hoffen wir dass Dein Mechaniker nicht mehr zu oft arbeiten muss, Eure Motorräder die Strapazen gut überstehen und das Wetter sich nach Euren Wünschen entwickelt. Bei uns schneit es zur Zeit und die Dächer sind weiss.
    Am 31. März haben wir den 30.Geburtstag von Christian gefeiert mit einem grossen Fest. Ich habe ihm ein Gedicht geschrieben und darin unsere Australienzeit Revue passieren lassen. Darin kommst auch Du vor mit unserem Familienausflug. Somit warst Du ebenfalls dabei. Die Leute waren zu Tränen gerührt und es hat Ihnen gefallen.
    Australien liegt für Dich schon soweit zurück aber Eugen hat bereits unsere nächste Australienreise fertig vorbereitet.
    Im Oktober fliegen wir nach Darwin und fahren mit einem 4x4 nach Alice Springs.
    Da werden wir dann auch an Dich denken wenn wir bei den Olgas sind. Später fliegen wir nach Neuseeland und bereisen während 4 Wochen die Nord- und Südinsel. Wie Du siehst ist auch unsere Reiselust noch nicht gestillt, aber ganz so wagemutig wie Du sind wir dann doch nicht.
    Nun wünschen wir Dir und Sam weiter eine unfallfreie!! tolle Reise und freuen uns auf die weiteren News.
    Mit ganz herzlichen Grüssen
    Ruth und Eugen

  • #4

    regula (Freitag, 21 April 2017 01:03)

    hey sturzi
    während des lesens gibt es dauernd stellen, wo ich direkt etwas kommentieren möchte, doch bis ich nach 4 tagen häppchenweise lesen hier unten beim kommentarfeld angelangt bin, weiss ich natürlich nicht mehr, was das alles genau war. eins war sicher, dass ich mich ab und zu fragte, ob du samuel jeweils als ausgleich bekochst, bzw. ihm das zelt aufstellst, die füsse massierst oder weiss ich was. hast du ein glück, einen derart versierten privatmech an deiner seite zu haben! vielleicht wärst du ohne ihn irgenwo in den anden oben unterwegs verdurstet? sympathisch, dass er kein morgenmensch ist (ich freue mich jedes mal, wenn ich irgendwo vernehme, dass es noch mehr von meiner sorte gibt) und ihr trotzdem irgendwie derart den rank miteinander findet, dass ihr nun schon eine geraume weile als eingeschworenes team unterwegs seid.
    lecker, dass es zu den pasta endlich auch mal tomatensauce gab. nichts gegen auberginen, aber irgendwann sind mir die beim lesen schon ein wenig verleidet ;-) dass du hingegen von nutella zu erzählen anfängst, finde ich leicht grenzwertig. von mir ist das glas mit dem braunen geschmier immer 100%ig sicher.
    für meine geschmack gab es in diesem abschnitt etwas allzuviele strapazen. da leide ich ja fast mir und denke jeweils: der sturzi ist ja noch ein stück älter als ich und was der sich alles antut! ich hoffe, du spürst deine grenzen, nicht dass du irgendwann plötzlich auseinanderbröselst.
    ach ja, dank deines berichtes weiss ich jetzt endlich, warum mein chilenischer nachbar so wetterfest ist und bei jedem wetter mit seinen kiddies draussen spielt. naiv wie ich war (südamerika = warm) hatte ich mich gewundert, wie er sich mit dem kaltnassen schweizer wetter arrangiert, aber nun wundert mich nichts mehr.
    alles gute für die nächsten abenteuer und take it auch mal easy :-)
    regula