Die direkte Durchquerung des australischen Inlandes durch diverve Wüsten auf der Great Central Road wurde wie erwartet zu einem grossen Abenteuer mit vielen Tagen in absoluter Einsamkeit, Übernachtungen im Zelt im entferntesten Outback, einem veritablen Unwetter in der Wüste, zweier Pannen mit einer halbwegs gerissenen Kette und einem Kühlersystem, das meine Maschine heiss laufen liess, einem Sturz von einem Felsen, bei dem ich mir mehrere eiternde Wunden holte, einer unendlichen Reise durch Prärieland, wo nur die Wölfe oder Winnetou fehlten.
Unterbrochen wurde die Reise durch einen sehr angenehmen Aufenthalt bei einer deutsch-australischen Familie in Alice Springs. Anschliessend war ich wieder fit für den Plenty Highway, auf dem ich bei bis zu 46°C wegen Wellblechs und schlechter Schotterpiste nur langsam vorwärtskam.
Vor allem aber bewältigte ich enorme Distanzen. Ich habe unterdessen in Australien schon 13'500 km zurückgelegt, das entspricht meiner Strecke von der Schweiz bis Tadschikistan. Die letzten 2000 km in Australien dürften ein Spiessrutenlaufen werden, denn unterdessen wurde ich von der Polizei aufgehalten, die feststellte, dass ich ohne Registration und Versicherung unterwegs bin. Ich werde Queensland in zehn Tagen in einem Strich verlassen, um nach New South Wales zu gelangen, denn die Polizei dort ist nicht darüber informiert, was in Queensland aufgenommen wurde... Für Spannung wird gesorgt sein.
Jetzt aber geniesse ich die Gastfreundschaft Josés, den ich schon vor 26 Jahren in Sydney kennengelernt hatte. Bei ihm werde ich Weihnachten verbringen und wohl auch Silvester feiern.
Schöne Weihnachten und einen spannenden Rutsch ins 2017 wünsche ich allen meinen Lesern!
Eigentlich war heute nur geplant, einen ersten grossen Schritt Richtung Laverton zu machen, wo die Great Central im absoluten Outback beginnt. Tatsächlich setzte ich dieses Vorhaben um, aber die Idylle, die ich gerade jetzt erlebe, ist beinahe nicht zu überbieten.
Ich sitze mausalleine an einem Holztisch, der Supermond taucht die Landschaft in beinahe unnatürliches Licht, ich werde an Lars von Triers gleissendes Planetenlicht erinnert, das in Melancholia beinahe unwirklich die Erdendzeit anzeigt. Aber so melancholisch und depressiv fühle ich mich dann aber doch nicht, im Gegenteil. Als ich in Sandstone nach über 500 km heisser Fahrt mit seitlichem Gegenwind ankam und in dieser alten, kleinen Goldgräberstadt in einem verlassenen Pub ein Bier trank, erfuhr ich von einer speziellen Felsformation ganz in der Nähe – der Bridge of London. Ich fuhr im warmen Abendlicht einige Kilometer zu einer orange-rot leuchtenden Felsformation und staunte über dem tunnelartigen Durchgang, der in Millionen von Jahren durch Erosion hier entstanden ist. Die Szenerie war einfach atemberaubend und vor allem vollkommen unerwartet, denn in keinem Reiseführer ist von irgendeiner Sehenswürdigkeit in Sandstone zu lesen. Dementsprechend war niemand hier, weil ich mich im Moment wirklich weg von einer touristischen Durchgangsroute befinde, sodass es leicht war, einen Lagerplatz für die Nacht zu finden. Ich hatte grosse Auswahl und richtete mich an der windgeschützten Westseite und einem überhängenden Felsen ein, womit ich nicht einmal das Zelt aufstellen musste. Ich konnte vorerst einmal nicht genug von dieser Landschaft bekommen, etwas erhöht gelegen, deshalb mit fast unendlicher Sicht auf den australischen Busch. Nachdem ich genügend Holz für mein Kochfeuer gesammelt hatte, setzte ich mich auf den Brückenübergang und beobachtete die Sonne, die in den aufkommenden Wolken immer wieder verschwand, aber dann doch wieder zum Vorschein kam und den Felsen eine beinahe unnatürliche rot-orange Farbe verlieh.
Dieser Felsbogen erwies sich aber weiterhin als sehr fotogen, den beim Sonnenuntergang verfärbte sich der Himmel zwischen orange, grün bis violett. Ich war einfach nur begeistert. Dann fand ich endlich Zeit, das Feuer zu entfachen und meine in Mount Magnet gekauften Rumbsteaks zu würzen und später über dem Feuer zu braten. Dazu gab es grosse grillierte Kartoffelscheiben. Ich hatte auch schon längst meine Flasche Wein Jakob’s Creek geöffnet und genoss Stimmung und Essen.
Ich war heute Morgen schon früh wach, packte meine Siebensachen zusammen und war schon um acht Uhr bereit für den ersten Schritt Richtung Osten. Zuerst führte die Fahrt erneut durch weite, gelb-beige, ausgetrocknete Kornfelder; leider bin ich etwas zu spät für die vielen Wildblumen, die unterdessen bereits verblüht sind. Je weiter ich fuhr, desto trockener wurde das Land, der silbrig graugrüne Busch hatte die Felder längst wieder abgelöst. Mir kamen diverse Roadtrains entgegen – Westaustralien ist reich an Bodenschätzen, die auch heute noch in Minen intensiv abgebaut werden. Vor hundert Jahren war die Region etwas dichter besiedelt, weil sich die Menschen Gold suchend das grosse Glück erhofften. Auch Sandstone ist eine dieser kleinen Orte, die damals einige tausend Einwohner hatte und welche die Bridge of London schon damals als Picknick-Platz verwendet hatten und sich mit Ross und Wagen hier hinaus chauffieren liessen.
Der erste Tag meiner Ostexpedition ist vollauf gelungen, das Abenteuer hat mich, das Outback ebenfalls und dazu ein aussergewöhnlich grosser (Fast-)Vollmond, der die Nacht beinahe zum Tag werden lässt.
Km : 49'956 (515)
Es zeichnete sich schon seit einigen Tagen ab, dass am Mittwoch eine starke Front aus Westen das Land mit Regen überschüttet, nicht ganz selbstverständlich für eine Region, in der es wohl seit Wochen oder Monaten nicht mehr geregnet hat. Die Nacht unter dem Felsvorsprung war unangenehm heiss, denn das Gestein gab die ganze Nacht seine gespeicherte Wärme ab. Erst als sich gegen Morgen der Wind wieder bemerkbar machte und die Wolken ins Land trieb, wurde es etwas kühler. Kaum war es hell, wollten mir Unmengen von Fliegen ihre Liebe bezeugen und setzten sich an die unmöglichsten Orte im Gesicht, sodass ich mich erneut mit dem gestern gekauften Gesichtsfliegennetz schützte und versuchte, noch etwas weiterzuschlafen.
Als es leicht zu regnen begann, überlegte ich mir schon, was für Alternativen mir hier blieben, wenn ich nicht weiterfahren wollte. So liess ich mir viel Zeit, kochte über dem Feuer Kaffee, briet drei Spiegeleier, toastete drei Scheiben Brot, bis ich allmählich mit dem Zusammenräumen begann. Im Westen schien es zwar stärker zu regnen, aber ich wollte ja Richtung Osten fahren, und da war es einigermassen hell. Ich passierte eine erst 1982 stillgelegte Mine, wo tatsächlich Gold gefunden wurde. Geräte und Maschinen hat man liegen lassen und werden dem Zahn der Zeit überlassen. Auf dem Weg nach Leinster machte ich weitere Halte bei stillgelegten Minen, bei einer fand ein Aborigine ein veritables Goldnugget, worauf das wahre Goldfieber ausbrach, allerdings wurde danach nicht mehr viel gefunden. An anderen Orten wird das Land im grossen Stil durchsucht, aber nicht nur nach Gold, sondern beispielsweise auch nach Cobalt oder Nickel. Vom Regen wurde ich weitgehend verschont. Ich umfuhr die Regenzellen elegant-zufällig. Zwar tröpfelte es immer mal wieder, aber die wenige Feuchtigkeit verdunstete noch auf meinen Töffkleidern. Wiederum musste ich heute vor allem viel Strecke durch meist flaches Buschland zurücklegen. Heute sah ich wieder einmal zwei lebende Kängurus, die schnell im Busch verschwanden. Sonst bieten diese Tiere am Strassenrand oder auch mitten auf der Strasse ein trauriges Bild. Zermalmt und überfahren liegen sie da, heute war der Anblick besonders bitter, als eine Kängurumutter wohl eben überfahren wurde und tot dalag – und gleich daneben ihr grosses Junges – ebenfalls regungslos.
Ich erreichte Leonora schon vor zwei Uhr, womit es nur noch 130 km bis Laverton waren. Hier musste es eben noch stark geregnet haben, denn auf der Strasse hatten sich Pfützen gebildet, ebenso in den Gräben neben der Strasse. Die Natur scheint hier unglaublich schnell auf Niederschlag zu reagieren. Neongrüne Grasbüschel standen am Strassenrand, überhaupt kamen mir die Büsche grüner vor als auch schon, aber das Beeindruckende waren vor allem die feuchten Gerüche, die mir in die Nase stiegen – ein Sammelsurium von mediterranen Gewürzen durchmischt mit Staub, Feuchtigkeit. Der grosse Schauer sollte mich auch diesmal nicht erwischen, sodass ich Laverton, das Eingangstor zur Great Central Road trocken erreichte. Ich fuhr gleich den Caravan Park an, denn ich wollte noch einmal duschen, vielleicht das letzte Mal für einige Tage. Da deckte ich mich nochmals mit einigen Vorräten ein, kaufte im Bottle Shop eine weitere Flasche Wein, trank dort ein Cooper’s Sparkling Beer. Überrascht wurde ich von einigen mich nett grüssenden, einheimischen Aborigines, aber dies war offenbar nur eine Masche – bald fragten sie nach Geld oder einer Flasche Cola, worauf ich nicht einging.
Jetzt sitze ich vor der gut eingerichteten Camper’s Kitchen, habe Nudeln mit Broccoli gegessen, noch ein Bier getrunken. Ich studiere eine im Visitor’s Centre erhaltene Karte der ganzen 2200 km dieses Outback-Tracks. Ich freue mich, dass es morgen endlich losgeht. Mal schauen, wie ich den Gravel vertrage…
Und: Heute habe ich den fünfzigtausendsten Kilometer hinter mich gebracht. Werde ich wohl auf hunderttausend kommen?!
Km : 50’388 (432)