Teil 30: Chile - Argentinien I

Schon über einen Monat befinde ich mich in Südamerika. Nachdem ich sehr unkompliziert am Flughafen Santiago zu meinem Töff kam, reiste ich nach Valparaiso, der grössten Hafenstadt in Chile, wo ich auf Samuel traf, den ich noch von meinem Aufenthalt in Osttimor kannte. Wir warteten zwei Wochen lang auf seine Honda Transalp. Deshalb verzögerte sich die Abfahrt nach Patagonien in den äussersten Süden Südamerikas um zwei Wochen.

Nachdem wir lange Zeit von der angenehm warmen Nordströmung mit viel Rückenwind profitiert haben, kämpfen wir jetzt mit den Vorboten des Winters. Es ist kalt in El Calafate am Lago Argentino. Gestern fuhren wir zum grössten Gletscher Südamerikas, der unterste Teil nur auf 100 m.ü.M. gelegen. Die Landschaft in Patagonien ist wild und genau richtig für abenteuerliche Wochen. Nach fünf Tagen in der Wildnis mit Campieren an den entlegendsten Winkeln des Landes wurden wir zwar knapp vom Schnee verschont, aber es ist schon unangenehm, des Morgens den warmen Schlafsack zu verlassen und das regennasse Zelt zu verpacken und weiterzufahren.

Unterdessen sind wir auf dem Rückweg Richtung Norden, werden bald die Grenze nach Chile erneut überqueren, um 1000 km dem Carreterra Austral, einer ruppigen Schotterpiste in luscher Natur, zu folgen. Wir hoffen, bald wieder in wärmere Gefilde vorzustossen, aber dann warten ja die hohen Anden in Bolivien und Peru, wo es bestimmt auch nicht sehr warm ist.

Di, 31.01.2017: Erster Tag in Santiago in der Villa Wahnsinn…

Man kann sich vorstellen, wie man sich fühlt nach zwei kurzen Nächten im Flugzeug, denn nochmals habe ich heute drei Stunden Zeitverschiebung zu verarbeiten, zusammen seit Südkorea also zwölf Stunden, das Maximale, was überhaupt möglich ist. Die Einreise nach Chile war problemlos, ich fand hier glücklicherweise auch einen Hotspot für Wifi, sodass ich mit Samuel in Kontakt treten konnte, womit ich erfuhr, wie ich seine Bleibe erreichen kann.

Ich fuhr per Bus (1700 Peso) und U-Bahn (680 Peso) zur Station Salvador, und von hier führte mich maps me um sieben Ecken zu einem alten, typisch südamerikanischen Haus mit einem verwunschenen Innenhof. Ich war froh, meine dreissig Kilogramm Gewicht endlich abstellen zu können. Dieses Haus war vor wenigen Monaten noch eine Bleibe für Obdachlose und wird jetzt mit Hilfe von jungen Touristen sanft renoviert – für Kost und Logis. Es hat hier einen kleinen Garten, alles ist aber staubig, die Zimmer und WC-Anlagen sind schmutzig und marod. Schnell war das Begrüssungsbier geöffnet, und wir schwatzten den ganzen Nachmittag über die letzten Reiseabschnitte und unsere nächsten Pläne. Später schleppten wir eine schmuddelige Matratze in Samuels Zimmer, die ich mit einem bereits gebrauchten, einigermassen weissen Leintuch bezog. Ich fand den ganzen Nachmittag und Abend nicht einmal Zeit für eine Dusche, dafür für viele Biere, die hier in Literflaschen verkauft werden (für weniger als 2 Fr.) – und es ist nicht einmal schlecht. Mittels eines grossen Fassgrills gab es das erste Asado, südamerikanisches Grillfleisch. Die Stücke werden als Ganzes gut mariniert über der Glut grilliert und nachher in kleinen Stücken aufgeschnitten. Auch grosse Stücke von Kartoffeln und Zucchetti fanden heute auf dem Grill Platz.

Ich war erstaunt, wie ich trotz riesigen Schlafmankos mit den viel jüngeren Travellern bis tief in die Nacht stundenlang im Zentrum des Innenhofs zusammensass. Das kurze Schläfchen am späteren Nachmittag hatte Wunder bewirkt. Später erschien auch noch André, der Hausherr, begrüsste mich herzlich und machte sich noch spätabend an weitere Arbeiten der Renovation.

Vor allem aber bin ich von Eindrücken überflutet. Erst grad noch im kalten Soeul, dann in heftigster Anspannung in Houston und jetzt in Santiago mitten im Sommer. Es ist nicht übermässig heiss, eigentlich fühlt es sich an wie während des Sommers zu Hause, aber ich bin auch noch an einem ziemlich schrägen Ort gelandet, wo sich Samuel schon seit drei Wochen aufhält. Wie gut man sich während des Reisens so richtig spüren kann!

Mi, 01.02.2017: Töff ausgelöst und die Feier dazu…

Wir waren am Morgen schon recht früh unterwegs Richtung Flughafen, zuerst per U-Bahn, dann per Bus, um ausfindig zu machen, wo mein Töff lagert. Wir hatten von den Terminals nicht weit zu gehen bis zu den verschiedenen Cargo-Lagerschuppen. Dank Samuels passablem Spanisch fragten wir uns durch, bis wir die richtige Zollstation gefunden hatten. An sämtlichen anzulaufenden Stellen war man erstaunlich arbeitsbereit, wir wurden von einem zum nächsten Ort gewiesen. Zuerst zahlte ich irgendeine Lagergebühr über 45‘000 Peso (etwa 70 Fr.), später kriegte ich die verschiedenen Zollpapiere, wofür ich nochmals gut 100 Fr. loswurde.

Dann der grosse Moment: Fast Air lieferte uns das grosse Paket aus, das ich in Australien ja nicht mehr gesehen hatte. Die BMW-Verpackung mit Dachlatten und festem Karton war bald gelöst und das Motorrad wurde sichtbar. Das Vorderrad war nicht demontiert, dafür die Lenkstange in eine Position gestellt, dass der Töff in der Kiste gleich noch Platz hatte. Die Lenkstange wurde wieder gerichtet, vor allem aber die verschiedenen Spannsets gelöst. Der Töff schien einen Seufzer von Erleichterung auszustossen, als vor allem die Gabel zurück in die Höhe schnellte. Durch den Druck war der Vorderreifen beinahe platt, hatte aber gerade noch genug Luft, um fahren zu können. Dann kam die Prozedur der Tankentfernung, um meine neue Batterie wieder anzuschliessen. Wir stellten auch fest, dass der Tank zwar fast, aber nicht ganz leer war. Wir hätten also keine anderthalb Liter Benzin mitnehmen müssen, was gar nicht so einfach war, weil uns der Tankwart verboten hatte, das Benzin in eine Trinkflasche einzufüllen (was wir gleichwohl machten). Schliesslich war die Maschine fahrbereit, und sie lief problemlos an. Beim Ausgang hatte ich ein erstes der diversen, identischen Zollpapiere abzugeben, und schon war ich unterwegs in die Innenstadt Santiagos nach Providencia in die Rua Ramon Díaz in die Villa Wahnsinn. Hier galt es, meine Maschine in den Innenhof zu fahren, über eine steile, dreistufige Treppe. Zuerst wollte ich reinfahren, wollte schliesslich aber doch keinen Sturz riskieren, sodass wir ihn über ein Brett zu dritt hochschoben.

Das Tageswerk war also viel früher als erwartet vollbracht, hoffentlich geht es auch so gut und schnell mit Samuels Bike. Wir fanden jetzt Zeit für Bier und Gespräche, kauften 2.4 kg Rind für ein weiteres Asado. Unterdessen waren Julian, der Engländer, Simon, der Tscheche und ein neu angekommener Franzose fertig mit den Arbeiten am Haus. Es kam ein weiteres Mal zum grossen Fressen und Trinken, aber heute waren wir viel später dran und ich über alle Massen fit, sodass ich mit Simon bis morgens um fünf Uhr übers Reisen, Musik und Leben redete. Simons Ziel ist es, mich einmal mit seinem Vater zusammenzubringen, um ihm zu zeigen, was auch in meinem Alter reisemässig noch alles möglich ist… Lustige Vorstellung!

Km: 57‘979 (23)

Do, 02.02.2017: Von Fremdenlegionären in der Villa Kunterbunt

Es war wenig erstaunlich, dass ich erst nach dem Mittag erwachte. Ich fühlte mich ziemlich fix und foxi, im Moment tue ich alles, um die Rekord-Zeitverschiebung von zwölf Stunden gut zu verarbeiten, ich bin nicht sicher, ob die Methodik die richtige ist… Aber die Lebensgeister kamen schnell zurück. Ich fuhr die kleine Treppe aus unserer „Villa“ herunter aus dem Haus, wo ich begann, mein Motorrad zu beladen, wie ich es mich gewohnt bin. Etwa um drei Uhr ging es los, und ich fuhr in Santiagos Verkehrsdurcheinander. Zuerst hatte ich aber noch zu tanken. In Südamerika zahlt man immer vor dem Tanken oder muss irgendein ID-Dokument abgeben an der Zahlstelle. Dann verpasste ich im engen Strassengewirr der Stadt die Einfahrt auf die Stadtautobahn, versank im Stau vor Baustellen und Lichtsignalen, lernte aber schnell – und verfolgte einige Töfflifahrer Slalom fahrend vorbei an hupenden Autofahrern.

Die nächste Autobahneinfahrt verpasste ich nicht mehr. Aber das Gefühl auf diesen Strassen ist eigenartig. Plötzlich wieder rechts zu fahren ist ungewohnt und diese Umstellung wohl gefährlicher als jene von rechts auf links. Jetzt kam ich gut vorwärts Richtung Küste, durchquerte auf dem Weg zwei lange Tunnels unter zwei Bergkämmen hindurch. Je näher ich mich der Küste näherte, umso kühler wurde es. Valparaiso ist an steilen Berghängen gelegen. Ich hatte das Ziel Villa Kunterbunt, geführt von einer Deutschen, die schon 25 Jahre hier weilt. Dabei ging es an bunt gestrichenen, alten, chilenischen Häusern vorbei steil aufwärts. Dank maps me fand ich das illustre Haus problemlos, auch wenn es nicht angeschrieben ist. Als ich anklopfte, wäre ich nicht erstaunt gewesen, wenn mich Pippi Langstrumpf persönlich empfangen hätte. Genauso wie in deren Haus sieht es hier aus, ausser dass der enge Innenhof vollgepfercht war mit verschiedenen Motorrädern. An diesem Ort treffen sich die Motorrad-Reisenden Südamerikas irgendwann. Martina war überrascht von unserer etwas verfrühten Ankunft und offensichtlich etwas gestresst. Nach einiger Hin- und Her-Rangiererei unserer Motorräder beruhigte sie sich aber, und ich kam sofort in Kontakt mit einer Gruppe älterer polnisch-deutscher Motorradfahrer, aber auch zwei jungen Schweizern, von denen mich einer aufgrund der Zeitungsartikel 2015 tatsächlich kannte.

Unterdessen war auch Samuel per Bus in Valparaiso angekommen. Er war gleich unterwegs, um Bier und zusammen mit einem Deutsch-Polen Fleisch zu besorgen für ein weiteres Asado heute Abend. Natürlich war es äusserst interessant, von all den verschiedenen Reisen dieser Motorradfahrer die Topnews zu erfahren. Wir wissen jetzt auch, dass das Schiff mit Samuels Töff noch nicht im Hafen angekommen ist, weshalb wir wohl noch einige Tage in dieser Villa Kunterbunt hängen bleiben werden. Theo, der Martina seit einigen Monaten unterstützt, bereitete das viele Fleisch für zwölf Motorradfahrer. Und dann kam die Geschichte der zwei Deutsch-Polen, ganz verrückte Typen, die vor bald 30 Jahren in Marseille in einen Totschlag verwickelt waren und gleich in die französische Fremdenlegion eingezogen wurden, in Djibouti stationiert waren und schliesslich nach drei Jahren per Motorrad über Libyen-Algerien flohen, weil sie es satt hatten, gegen Tschads Kindersoldaten zu kämpfen. Während der ganzen rauen Geschichten wurde mir Rotwein aus dem Tetrapack eingeschenkt. Als sie dann begannen, die Gesellschaft über das Kaliber irgendwelcher deutscher Waffen während des Zweiten Weltkrieges zu informieren – ein Thema, bei dem ich definitiv nicht mitreden konnte, wurde es mir zu bunt, sodass ich mein Zimmer aufsuchte, übrigens ganz interessant gelegen. Weil alle Zimmer besetzt sind, bewohnen Samuel und ich einen „Schluff“, der nur über den Balkon, dessen Geländer und ein kleines Vordach erreichbar ist. Es hat gerade Platz für zwei Matratzen und etwas Gepäck. Ich schlief sofort ein, erwachte aber in der Nacht wegen voller Blase und konnte danach kaum mehr einschlafen, ich habe mich wegen der Zeitverschiebung schon etwas verrückt gemacht.Asado

Km: 58‘107 (128)

Fr, 03.02.2017: Die Spezies der Motorradfahrer

Ich habe hier einen besonderen Status unter den Motorradfahrern, ich bin wohl der einzige, der von diesen Gefährten eigentlich gar nichts versteht und es nur als Mittel zum Zweck sieht. Immer wieder wird über Erlebnisse, Pannen und Nuancen diskutiert, und manchmal frage ich mich, wie es überhaupt möglich war, es bis hierher geschafft zu haben. Die meisten Neuankömmlinge sind absolut perfekt ausgerüstet, keiner fährt mit einem grossen Rucksack, aber die Villa Kunterbunt ist halt der Treffpunkt aller Motorradreisenden Chiles oder vielleicht sogar ganz Südamerikas. Die Besitzer der Villa helfen dir beim Auslösen der Motorräder, die Unterkünfte sind einfach, aber zweckmässig, man trifft hier mit Sicherheit auf Gleichgesinnte, auch wenn die einen viel gröber unterwegs sind als ich wollte (mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Pannen) und die andern reine Strassenfahrer sind und nur auf geteerten Strassen unterwegs sind. Natürlich wird mit den Geschichten vermutlich zuweilen übertrieben, das Volk ist aber unkompliziert und freundlich, Neuankömmlingen gibt man die Hand und stellt sich vor – und dann kann man immer wieder dieselben Geschichten zum Besten geben – oder erfährt Tipps übers Routing, Grenz- oder Flussübergänge, Gravelpässe auf 5000 m.ü.M., Zugängen zu Benzin. Wir wissen auch jetzt schon, dass es eine Herausforderung sein wird, die Grenze nach Venezuela zu überschreiten, weil sich das Land zuweilen im Ausnahmezustand befindet.

Die Bude war auch heute übervoll, hinter dem Haus stehen unterdessen sogar noch zwei Zelte. Es war eine ganz muntere Gesellschaft, wohl alle Motorradfahrer sind auch Biertrinker. Meist ist es aber eine Männergesellschaft, auch wenn heute auch zwei Frauen eingetroffen sind. Allerdings ging mir das Bären-Geschwätz der Légion etrangère irgendwann auf den Wecker, als einer nicht mehr aufhören wollte, von seiner Schnapsbrennerei zu erzählen, sodass ich es vorzog, mich zurückzuziehen…

Km: 58‘107 (0)

Sa, 04.02.2017: Rundgang in Valparaiso

Eigentlich wollte ich heute Morgen etwas früher aufstehen, um gleich mehrere Gruppen zu verabschieden. Die zwei jungen Schweizer fahren auf ihren KTMs für drei Wochen in Richtung Süden, die drei älteren Deutsch-Polen ebenfalls, allerdings haben sie viel mehr Zeit. Aber noch immer fällt es mir schwer, etwas früher aufzustehen. Nach einer Dusche gab’s Frühstück erst am Mittag, hier ist die halbleckere australische Chorizo (die ich verbotenerweise ins Land eingeführt habe) eigentlich wieder ganz gut.

Es hat unterdessen deutlich mehr Platz im Hof, weil alle Fahrzeuge abgefahren sind. Hier sassen wir lange am Tisch, bevor wir uns zu Fuss in die Stadt machten. Was für ein Unterschied zu den japanischen oder allgemein asiatischen Städten. Man riecht das mediterrane Flair, die längst vergangene Kultur, freut sich an der südeuropäischen, verschnörkelten Bauweise vieler alter Gebäude. Der Hafen in Valparaiso ist riesig, Container sind mehrschichtig aufeinandergestapelt, vielleicht ist in einem bereits Samuels Motorrad, die Hafengerüche mit einer Mischung zwischen Urin, Staub und Öl sind wohl auf der ganzen Welt dieselben.

Wir flanierten durch den samstagnachmittäglichen Verkehr und machten Halt bei einer Kreuzung, wo ein Clown mitten auf der Strasse seine Gags zum Besten gab, immer wieder auch Passanten, Autofahrer in deren Wagen miteinbezog. Er stieg auf Busse und wälzte sich zur Freude der vielen Zuschauer am Boden. Ich staunte über seine Mimik und Spontaneität, aber auch über die kleine Tribüne an dieser Kreuzung. Kein Mensch fand an dieser Übung keinen Gefallen, weder Polizisten noch Auto- oder Busfahrer. Wie wohltuend, in einem Land zu sein mit nicht mehr übertriebenem Sicherheitsdenken! Undenkbar, eine solch geniale Vorführung in Europa zu sehen. Erstens würden die Autofahrer ausrasten, wenn einer nett gezwungen würde auszusteigen, sodass der Clown seine Runden auf der Kreuzung dreht – die Polizei wäre innert Minuten zur Stelle und würde den Auswuchs unterbinden.

Wir waren einige Kilometer unterwegs auf diesen Hafenstrassen mit buntem Leben, kleinen Märkten und Bars, fliegenden Strassenhändlern. Wir tranken ein Bier und wurden gleich von einem Chile-Franzosen angesprochen, sodass ich mein Französisch auszupacken hatte – geht schon noch viel fliessender als mein Spanisch. Später assen wir in einer kleinen Pizzeria ein Pizza XL, die ich mit trockenem Chili nachwürzte und gingen zurück zu einem Platz mit einer OpenAir-Konzert. Allerdings sollte man von einem Singer- und Songwriter vor allem die Texte verstehen, was zu schwierig war, sodass wir uns auf den Rückweg machten und mit einer kleinen Standseilbahn à la Mühleggbahn die ersten Höhenmeter vom Hafen bergauf zurücklegten. Es war längst Nacht. Valparaiso ist gross, unzählige Lichter erhellten die Gebäude an den steilen Hängen dieser Stadt. Auf dem Heimweg kauften wir eine riesige Wassermelone, von der wir in der Villa wenigstens einen Viertel  assen.

Und dann noch dies: Nach drei Monaten Rauchstopp bin ich im Moment äusserst gefährdet, weil wieder viel mehr Menschen rauchen, weil die Zigaretten viel billiger sind. Ich schaffe es fast nicht zu widerstehen und habe heute auch bereits eine Zigarette geraucht. Ich weiss, wie gefährlich dies ist.

Km: 58‘107 (0)

So, 05.02.2017: Magen- und Darmgerumpel

Die vielen getrockneten Chilis, die ich gestern auf meine Pizza gestreut hatte, machten sich in der Nacht in unangenehmer Weise bemerkbar. Zuerst war das Völlegefühl schier nicht aushaltbar, und dann begann sich die Füllung meines Verdauungstraktes zu verflüssigen mit mehrmaligen Aufenthalten auf dem engen Klo. Das Chiligemisch schien zudem in noch schärferer Form einem meiner Ausgänge entweichen zu wollen – ein noch explosiveres Gefühl… So richtig Schlaf fand ich erst am Morgen, aber wenigstens stand ich heute einmal vor dem Mittag auf.

Jetzt fühle ich mich etwas grippig und versuche, meinen Flüssigkeitshaushalt mit Tee auszugleichen. Noch ist der Hunger nicht verschwunden – eigentlich ein gutes Zeichen. Und Zeit ist auch genügend vorhanden, auch wenn mir die Warterei hier schon etwas auf den Wecker geht. Mal schauen, wie lange ich dies noch aushalte. Aber jetzt gilt es erst mal, wieder vollständig fit zu werden – und natürlich auf Samuels Töff zu warten. Offensichtlich habe ich hier mit dem Essen wieder etwas sorgsamer umzugehen.

Gurken-Nudeln al pesto, eine Neukreation mangels anderer Zutaten, aber wenigstens mit Olivenöl gab es später, dazu einen Tee und Cola, aber jetzt versuche ich es doch schon wieder mit einem Bier. Es ist hier nicht heiss, aber sommerlich mild mit etwas Wind, an der Wand hängen alte Utensilien ehemaliger Motorradreisender, eine kleine Schweizer Kuhglocke, zwei staubige Helmvisiere, verschiedene Nummernschilder, ausgelatschte Motorradschuhe, vor sich hingärende Handschuhe. Die Hunde heulen in der Nachbarschaft, die Villa Kunterbunt ist im Moment ganz ruhig, ideal, sich zu erholen oder einfach Zeit verstreichen zu lassen.

Es ist nicht einfach, am Zentraltisch einer Arbeit nachzugehen, Tagebuch zu schreiben, weil die Ablenkung gross ist. Neuankömmlinge, neue Geschichten. Enzo, der Hausherr, übertraf sich am Abend mit dem Grillieren einer Unmenge von Fleisch- und Gemüsesspiesschen, aber irgendwann waren auch die gegessen, natürlich nicht ohne Wein und Bier getrunken zu haben.

Km: 58‘107 (0)

Mo, 06.02.2017: Noch ein ruhiger Tag

Auch nach einer Woche habe ich das Gefühl, dass mein Körper die Zeitverschiebung noch nicht wirklich akzeptiert hat; wiederum schlief ich fast bis Mittag. Stahlblauer Himmel begrüsste mich, die letzten Eier im Kühlschrank wurden verarbeitet, dann frönten wir dem Nichtstun. Ich begann den ersten Teil des dreissigsten Blogabschnitts zu bearbeiten, die Fotos zu bearbeiten.

Dann machten wir einen Spaziergang durchs Viertel, versorgten uns mit neuem Essen. Schinkenbrötli mit chilenischen Brie und einer Art frischen, kleinen Baguette, ganz gut. Aber ich fühle mich momentan einfach nicht 100% fit, machte ein Nachmittagsschläfchen. Dafür habe ich jetzt noch Zeit, denn wir werden wohl erst am Samstag hier wegkommen. Samuels Bike ist im Anflug, aber es lässt sich Zeit. Ich hoffe, wir werden diese Sommertage später dann nicht zu kurz haben. Ich versuchte auch mit Thomas Fritsche in Venezuela in Kontakt zu treten, aber noch erhielt ich keine Antwort. Im Moment scheint es, dass Venezuela ohne Hilfe nicht zu befahren sein wird.

Erst spät trat dann Thomas Fritsche junior mit mir per Facebook Messenger in Kontakt, der uns helfen wird, nach Venezuela zu reisen, wenn wir dann überhaupt so weit nördlich reisen.

Km: 58‘107 (0)

Di, 07.02.2017: Seelöwen-Geschlechterstudien mitten in der Stadt

Nach dem späten Frühstück flanierten Dieter, Samuel und ich hinunter zur Stadt, folgten dem Hafenkai und erreichten an einer eigentlich unscheinbaren Stelle eine ganze Horde von Seelöwen, die auf der alten Betonfläche lagen, wohl vor vielen Jahren einmal eine Anlegestelle von grossen Schiffen.

Es ist erstaunlich, wie die Tiere diese drei Meter hohe Plattform überhaupt erreichen können. Offensichtlich holen sie unter Wasser Anlauf und schiessen beinahe senkrecht aus dem Wasser, um auf einer schrägen Vorplattform zu landen, wo sie sich einen Moment ausruhen oder sich gleichsam die Taktik überlegen, wie sie auf die ebene Fläche ganz oben gelangen. Denn sehr schnell wurde ersichtlich, dass die massiven Männchen mit klassischem Mackergehabe diese Plattform um sich beissend verteidigen, sodass die kleineren Weibchen immer wieder zurückgedrängt werden und rückwärts ins Wasser fallen. Da gibt es aber auch einige, die sich hinter den Betonsäulen verstecken und im genau richtigen Moment den Angriff auf die Ebene wagen, um dann dort verbleiben zu können. Es gibt aber auch solche, welche überfallmässig von der ersten Stufe gleich direkt auf die oberste Stufe klettern und sich massiv gegen die Beissattacken wehren – meist mit Erfolg. Andere scheinen sich bei den Männchen einschmeicheln zu wollen, indem sie sich gleichsam „abküssen“ lassen, bis sie akzeptiert werden. Auf jeden Fall konnte ich viele menschliche Verhaltensweisen quasi wie in einem Spiegel bei diesen Tieren beobachten, ganz lustig…

Nicht weit entfernt entdeckten wir einen Jumbo Einkaufsmarkt, in dem bessere, westliche Produkte angeboten wurden. Ich deckte mich mit einigen Leckereien ein, die wir dann auf unserer Reise gebrauchen können. Dann spazierten wir durch die Strassenmärkte der Innenstadt, ich freute mich über die grünen Trolleybusse, die mich an jene in St.Gallen in den Siebzigerjahren erinnern. Wir erreichten einen kleinen Zentralplatz, auf dem südamerikanische Tangomusik lief. Ein bestimmt über siebzigjähriger, ehrwürdiger Sänger unterhielt die Zuschauermenge, und einige ältere Pärchen tanzten in piekfeinen, traditionellen Kleidern Tango in erstaunlicher Perfektion. Ich fühlte mich in eine alte Zeit zurückversetzt, erinnerte mich an Marquez eindrückliche Geschichten wie Die Liebe in den Zeiten der Cholera. Dazu war das abendliche Licht perfekt für einige schöne Schnappschüsse. Ganz in der Nähe stiegen wir in einem kleinen Restaurant für ein Fischessen und ein Bier ab, bevor wir per Bus wieder hoch nach Playa Ancha fuhren. Samuel löste das Problem ganz elegant, in dem er an einem Lichtsignal in einen (den richtigen) Bus hüpfte und gleich drei Ticket für 60 Rappen löste, wir hüpften nach, sodass wir sehr schnell gleich neben unserer Villa Kunterbunt wieder aussteigen konnten.

Es war recht kühl und windig am Abend, wir sassen noch einige Zeit bei einigen Bieren zusammen, ich zeigte meinen Film Teil 2. Die kleine, graue Katze war heute wieder ganz ruhig – ihre Rolligkeit hat sich unterdessen wieder gelegt, die verschiedenen Kater sind wieder verschwunden, es ist Ruhe eingekehrt, ausser das Hundekonzert setzt ein – mit Echos in der gesamten Nachbarschaft.

Km: 58‘107 (0)

Mi, 08.02.2017: Ein weiterer Tag des Wartens

Ein Tag ohne grosse Geschichte in der Villa Kunterbunt, die ich auch heute nur für kurze Zeit verliess. Eigentlich könnte ich die Zeit ja nutzen für einige Tagesausflüge, aber ich war noch nie der Mann für Töff-Tagestouren, und so ist es auch hier.

Am Nachmittag entdeckte ich im Hinterhof ein altes Schach. Ich fand hier tatsächlich eine Person, die Schach spielt – Dieter. Gleich drei Partien spielten wir, aber ich wurde wohl in meinem Leben noch nie so heruntergekantert wie in diesen drei Spielen, ich hatte schlicht keine Chance. Am Ende erfuhr ich, dass Dieter in Bischofszell (!) lange Zeit in einem Schachclub war und wohl deshalb in der Lage ist, einige Züge weiter vorauszudenken als ich. Was für schmachvolle Niederlagen! Vielleicht sollte ich auf www.schacharena.de doch auch einmal beginnen, etwas zu trainieren.

Später verkochte ich eine im Jumbo gekaufte Aubergine für ein gut gelungenes Nudelgericht, dann traf ein junges Schweizer Paar ein, das auf einen Seitenwagen wartet für eine Rundreise nach Argentinien. Es war ein munterer Abend mit vielen Reisegeschichten – erst um halb drei Uhr ging’s zu Bett.

Km: 58‘107 (0)

Do, 09.02.2017: Copacabana von Valparaiso

Ich schaffe es nicht, vor zehn oder elf Uhr aufzustehen. Bald war ich unterwegs in die Stadt, um erstens zu neuem Bargeld zu kommen und zweitens meine bereits gekaufte Sim-Karte endlich zu aktivieren. Ich war per Motorrad unterwegs, fand im Zentrum eine Bank, die unverschämt viele Spesen verrechnet (6000 P = fast 10 Fr.) für einen Bezug von 200‘000 Peso. Im nahen Moviestar-Telefonladen schaffte man es zwar, meine Karte zu aktivieren, aber das Internet funktionierte immer noch nicht.

In einem kleinen Strassenrestaurant ass ich einen guten Pouletsalat und fuhr dann kurz entschlossen der Küste entlang Richtung Norden und entdeckte mitten in der Stadt riesige, weite Strände, wollte aber aus der Stadt herauskommen und fuhr weiter, bis sich die Sanddünen dem Strand entlang auftürmten. Aber naja, nichts unglaublich Sehenswertes, sodass ich mich auf den Rückweg machte und beim Renaca-Strand einen Halt einlegte und mich eine Zeitlang unters Strandvolk mischte. Natürlich hatte ich keine Badekleider dabei, aber meine roten Unterhosen gehen ja gut als Badehosen durch. Natürlich musste ich unbedingt dieses südpazifische Wasser testen. Aber der von Süden kommende Humboldt-Strom bringt antarktisches Kaltwasser nach Norden. Das Wasser hatte kaum 18°C, die vielen Menschen wagten sich deshalb höchstens hüfttief ins Wasser – mit gutem Grund, denn die Strömung ist so stark, wie ich es selten erlebt habe. Das Wasser ist erstaunlich sauber, trotz der Hochhäuser an der Küste, an der Sonne war es sommerlich warm, der Strand eigentlich wunderschön, fühlte sich ein bisschen an wie an der Copacobana, aber der Badespass hielt sich in Grenzen. Zum Trocknen legte ich mich in den feinen, weiss-gelben Sand und fuhr dann zurück nach Playa Ancha, wo wir uns in den nahen Läden sofort mit dem Nötigen für ein gutes Asado eindeckten.

Der Abend war deshalb ganz nett, Marktschreier Michael ist unterdessen abgehauen, dafür sind unterdessen die beiden jungen Schweizer Vicky und Lukas hier, dazu Dieter, der mir auch heute zwei bittere Schach-Niederlagen bescherte. Ich hatte keine Chance, die Schachclub-Klasse setzte sich klar durch. Das chilenische Fleisch ist günstig und gut, der Wein aus dem Tetrapack ebenfalls, perfekte Voraussetzungen, um erst weit nach Mitternacht unsere Hejas aufzusuchen.

Km: 58‘187 (80)

Fr, 10.02.2017: Schicksalgemeinschaft

Vicky und Tobias warten auf ihren Seitenwagen (!), Samuel und Dieter auf ihre Maschinen, die zwar unterdessen in irgendeinem Container im Hafen stehen, aber noch nicht ausgeladen werden, sodass wir weiterhin hier feststecken. Es wird wohl Montag werden, bis Samuel endlich zu seinem Töff kommt und wohl Dienstag, bis wir hier wegkommen. Ich ertrage das Warten eigentlich ganz gut, vielleicht auch weil ich gestern einen Ausflug machte. Ich habe ja Zeit, alles macht wohl Sinn, zur Ruhe zu kommen, einmal an einem Ort, der definitiv nicht der schlechteste ist, zu verweilen, auch wenn mein Zimmer ein miefiges Kleinzimmer ist und Samuel zuweilen schnarcht.

Ich bin heute in der Villa zurückgeblieben, während Samuel, Vicky und Dieter zum Strand fuhren. Ich beschäftige mich mit dem Erstellen eines Fotobuches für meine Eltern (von unseren sturzi-Expeditionen), die ja übermorgen Geburtstag haben. Wiederum war es sonnig und mild, aber der Wind frischte am Abend auf, sodass es kühl wurde. Aber ein weiteres Asado wärmte unsere Glieder auf. Es ist recht lustig in unserem Warteclub, nur Dieter scheint mit dem Schicksal zu hadern, dafür hat er das Schachspielen ziemlich gut im Griff – ich verlor eine weitere Partie, diesmal zwar knapp, aber ich bleibe chancenlos, Bilanz 0:6…

Km: 58‘187 (0)

 Ich sehe hier zu blöd aus, um euch dieses Bild vorzuenthalten...

Nur so viel: Die Scheibe war bei weitem nicht so gross wie es aussieht...

Sa, 11.02.2017: Ausflug nach Laguna Verde

Samuel war schon früh unterwegs, um irgendwo in der Stadt ein Auto zu mieten, aber er blieb erfolglos. So fuhren wir nach dem Mittag per Taxi ins 13 km entfernte Laguna Verde über einen Küstenzacken zu einem weiten Strand. Es hat tatsächlich eine Lagune hier, aber grün oder blau ist sie keineswegs, viel eher eine bessere Kloake mit schwarz-schlammigem Grund, aber das Wasser ist definitiv wärmer in diesem stehenden Gewässer als im nahen Meer, weshalb sich viele Einheimische darin tummelten.

Wir blieben lieber am Sandstrand, aber die Meeresbrise blies uns um die Ohren, und die war keineswegs warm. Es ist ein eigenartiges Meergefühl hier. Die Sonne brennt vom Himmel herunter und versucht unsere Haut zu verbrennen, aber das beinahe eiskalte Wasser des Meeres, wohl kaum 17 oder 18°C warm, kühlt die Luft dermassen aus, dass es sich am Strand trotz wolkenlosen Himmels kalt anfühlt. So legt man sich in den aufgewärmten Sand und versucht diese Wärme zu speichern. Natürlich konnte ich es nicht lassen, nochmals in dieses kalte Pazifikwasser zu springen, aber das Meer hier ist überaus tückisch, die Strömung so stark, dass sie sofort versucht, dich in den Ozean hinauszuziehen. Das Wasser ist aber so kalt, dass man es schnell wieder verlässt. Wir lagen lange Zeit am Strand und frönten erneut dem Nichtstun, ich fand Zeit, etwas zu lesen.

Schon als wir hierher gekommen waren, fiel mir ein einziges Restaurant auf, das einigermassen vielversprechend aussieht. Hier stiegen wir vor der Heimfahrt auch ab, assen ein gutes Fischmenu und tranken ein Bier. Zurück nach Playa Ancha kamen wir per Bus (540 Peso, weniger als 1 Fr.). Ich deckte mich bei einem recht grossen Supermarkt mit neuem Essen ein. Der Abend bestand dann aus Galgenhumor, mindestens zwei Nächte haben wir hier noch zu verbringen, bevor es dann endlich losgeht Richtung Süden. Alles macht Sinn – bestimmt wird dafür das Wetter im Süden dann ganz gut sein…

Km: 58‘187 (0)

So, 12.02.2017: Ein kühler Sonntag

 

Für einmal stand ich heute etwas früher auf, daran werde ich mich bald wieder gewöhnen müssen. Es war bedeckt heute Morgen und sehr kühl, sodass ich jetzt im Kunterbunt-Hof mit langen Hosen und zwei Pullovern sitze. Der kühle Meerwind zieht über die Hügel und kühlt den Sommer ab. Samuel liegt in der Hängematte und liest, wir haben lange über diversen Landkarten an unserem Südamerika-Trip gebastelt und einen Übergang von Peru nach Brasilien ins Amazonas-Gebiet gefunden und vielleicht nutzen werden, falls wir den Venezuela-Trip dann doch nicht angehen werden – die unsichere politische Situation mit der einhergehenden Unsicherheit auf den Strassen spricht unterdessen eigentlich gegen Venezuela, aber dies bedingt einen Doppelweg Peru – Ecuador – Kolumbien retour, aber die Anden sind ja gross, wir werden bestimmt Wege finden, um nicht zweimal dieselben Strecken befahren zu müssen.

 Ich arbeitete am Nachmittag etwas am Blog, holte über die Gasse eine Portion Sushi und fuhr am Abend zusammen mit Samuel nochmals Richtung Laguna Verde zu einem Aussichtspunkt an der Strasse hoch über dem Meer. Wir folgten einem der vielen Wege steil abwärts Richtung Küste, bis wir vor einem Absturz standen und dort beobachteten, wie die Sonne im entfernten Nebel und später im Meer versank. Zurück in der Villa war Vicky schon daran, eine Spaghettisauce zuzubereiten. Noch einmal sassen wir lange zusammen im Vorhof der Villa, vermutlich oder hoffentlich zum letzten Mal in dieser Besetzung. Schon vor Mitternacht suchte ich unser Minizimmer auf, aber ich sollte nicht gut schlafen, weil einige Mücken durch den offenen Eingang ins Zimmer eindrangen und sich an meinem Blut gütlich taten. Die Vieher waren zwar schwerfällig und leicht zu erschlagen, aber es dauerte einige Zeit, bis ich alle erwischt hatte – und dann war ich so wach, dass ich kaum mehr einschlafen konnte.

Km: 58‘206 (19)

Mo, 13.02.2017: Und endlich geht’s wieder los

Samuel war schon um halb elf Uhr unterwegs, um seinen Töff auszulösen, während ich Ordnung schaffte in meinem Chaos im Zimmer. Ich kaufte noch einige Vorräte zu und versuchte mein Movistar-Internet zum Laufen zu bringen, indem ich Geld auf mein Konto lud, aber das Internet funktioniert auch heute Abend noch nicht, obwohl das Konto aktiviert ist – mühsam.

Um halb drei Uhr erschien Samuel tatsächlich mitsamt Töff bei der Villa. Schnell waren die letzten Sachen gepackt. Und um halb vier Uhr ging es tatsächlich endlich los. Der Vorsatz, heute endlich aus Valparaiso wegzukommen, setzten wir in die Tat um. Aber wir kamen vorerst nur langsam vorwärts, weil ein überbreiter Schwertransport gleich zwei Spuren der Autobahn versperrte und wir zusätzlich von diversen, dieselstinkenden Lastwagen aufgehalten wurden. Erst ab Casablanca kamen wir etwas besser vorwärts. Aber die Landschaft war wenig interessant, furztrocken und an vielen Orten schwarz verbrannt, Zeugen der kürzlichen Waldbrände, die während dieses Sommer in ganz Chile gewütet haben. Erst nach San Antonio nahm der Verkehr etwas ab, aber wir fragten uns schon, wo wir nur übernachten sollten, denn man fühlt sich auf der Strasse wie eingesperrt, manchmal sind die Zäune doppelt gezogen, sodass man der Strasse gar nicht entfliehen kann. Es war schon sechs Uhr, als wir in einer Geländesenke tatsächlich ein kleines Weglein sahen, das in ein Wäldchen führte und für einmal nicht per Zaun gesperrt war. Wir folgten einem Erdweg entlang eines gepflügten Feldes und fand ein durch Bäume gut geschütztes Plätzchen, zwar noch mit schwarzen Brandspuren vergangener Feuer, aber immerhin hatten wir einen Platz zum Übernachten gefunden. Nach dem Zeltaufstellen und einem Bier machte ich Feuer und begann mit dem Kochen – Salami-Gemüse-Nudeln, während Samuel endlich Zeit fand, sein Material zu reorganisieren – über zwei Monate hatte er auf seinen Töff zu verzichten.

Es gilt jetzt, schnell Richtung Süden zu fahren, um den Herbst-Regenfällen auszuweichen – die Carreterra Austral lockt, die Lagos bei Puerto Montt, die Gletscher, die Fjorde. Es ist so cool, endlich wieder unterwegs zu sein – und diesmal sogar zu zweit zu sein.

Km: 58‘336 (130)

Di, 14.02.2017: Krabben-Fisch-Barbecue und die Gravel-Kurven um den Lago Vichuquén

Ich war etwas früher wach als Samuel, als erstes hatte ich nochmals anzufeuern für einen Kaffee und Spiegeleier. In der Zwischenzeit räumte ich mein Lager auf, Samuel hat es in dieser Hinsicht einfacher, denn seine riesigen 80-Liter-Seitenkoffer sind so gross, dass sie relativ unstrukturiert gefüllt werden können und dann sogar immer noch einiges an Platz frei bleibt. Es war neblig-grau-trüb heute Morgen, manchmal schien es sogar leicht zu nieseln.

Aber die Strassen blieben trocken, die Regenjacke nahm ich nach einiger Zeit trotzdem hervor, weil es recht kalt war. Die Fahrt war kurven- und abwechslungsreich, traurig stimmten einen einzig die vielen verbrannten Waldabschnitte mit schwarzem Boden und verdorrten, toten Laubbäumen. Die Waldbrände haben diesen Sommer besonders schlimm gewütet und wohl einen Viertel des Waldes in dieser Region vernichtet.

Schon in Pichilemu war es etwas heller, viele Einheimische standen mit Schildern am Strassenrand – „cabañas“, Zimmer zu vermieten, aber der wilde, wellenreiche Strand lockte kaum bei diesen Temperaturen. Wir versuchten auf Nebenstrassen eine kleine Seenregion zu erreichen, die Laguna Torca und den Lago Vichuquén. Ich war überrascht, als unser Weg plötzlich über eine tiefe Staubpiste steil bergauf führte – eine erste Herausforderung schon am zweiten Fahrtag in Südamerika. Auf halbem Weg blieb ich tatsächlich im Staub stecken, rutschte etwas rückwärts, konnte mich aber retten. Im zweiten Anlauf überwand ich diese kritische Stelle, nachher ging es zwar mit Schotter mit etwas Wellblech weiter, problemlos zu bewältigen, obwohl heimtückisch, weil man sich nie sicher sein konnte, ob eine Sandpartie folgt. Schliesslich erreichten wir den Lago Vichuquén, einen zwischen trockenen Hügeln gelegenen See, leider fast nicht direkt erreichbar, weil jeder Zugang privat ist. Überhaupt ist Chile ein Land der Zäune, jedes kleinste Landstück, aber auch der Wald ist mit Zäunen abgesperrt, weshalb es nicht leicht ist, die Strasse wirklich zu verlassen. Auf einem solchen privaten Landstück sassen wir schliesslich am See für eine kurze Mittagsrast. Jetzt führte die Strasse entlang diesem See, stets auf Schotter. Die Steilküste bedingte einiges an Höhendifferenz. In einem kleinen Dorf beobachteten wir, wie Salz aus den Seen gewonnen wird; wir kauften ein grosses Glas Honig und eine Tüte Quinoa, ich bin gespannt, wie schmackhaft diese kleinen, sehr gesunden Körnchen sind. Schliesslich erreichten wir vor Constitutión ein weites, fruchtbares Flusstal. Es war unterdessen mild und sonnig, erst in Meeresnähe frischte der Wind wieder auf. Vorbei an graubraunen Sanddünen folgten wir der gut ausgebauten Küstenstrasse und machten erst Halt in einem kleinen Fischerdörfchen, wo ich zwei Fische (die man gleich ausnahm) und sechs grosse Krabbenbeine kaufte für den abendlichen Schmaus.

Nicht viel weiter fanden wir erneut ein kleines, steiles Naturweglein, das in den Busch führte, wo wir unsere Zelte aufschlugen und uns gleich daran machten, die eben gekauften, frischen Leckereien über dem Feuer zu grillieren beziehungsweise zu kochen. Die Krabbenbeine waren wegen der harten Schale zwar nicht einfach zu essen – wir bedienten uns einer Zange aus dem Werkzeugtäschchen, waren aber überaus lecker, inklusive des Suds in der Pfanne, den wir mit Brot bis zum letzten Tropfen austunkten. Auch der Fisch war ein Gedicht, sodass wir jetzt frisch genährt und überaus zufrieden am Feuer sitzen und die letzten Tropfen unseres Rotweines schlürfen. Heute sieht man die Sterne, im Vordergrund werden die hohen, stacheligen Disteln vom Feuer orange beleuchtet. Es ist warm und friedlich – was für ein Leben!

Km: 58‘654 (318)

Mi, 15.02.2017: Wo sind die Vögel?

Zumindest zwei sind hier, an diesem idyllischen Platz in einer Schlucht mit einem kleinen Bächlein. Am gegenüber liegenden Hang haben ebenfalls Feuer gewütet, Zeugen sind die hellbraunen, verdorrten Blätter der Eukalytus-Bäume, von denen ich nicht einschätzen kann, ob sie überleben werden.

Samuel ist eben daran, zum ersten Mal sein Glück als Fischer zu versuchen, ich habe das Feuer angemacht und sammle herumliegende Abfälle, die ich im grossen Feuer verbrenne. An jedem Ort etwas Gutes tun, und die Welt wäre um ein Vielfaches besser. Das Wasser im Bächlein ist etwas trüb, aber wir brauchen für unseren Znacht keines, denn ein 800g-Rindsfilet (für weniger als 10 Fr.) wartet gut gewürzt in der Pfanne, bis die Glut perfekt ist. Als Apero kredenzen wir bereits das dritte Escudo-Bier und geniessen die aussergewöhnlich aromatischen Avocado, Peperoni und rote Zwiebeln an Olivenöl mit Salz. Die Körperpflege ist überstanden, das Wasser war recht kühl, aber umso frischer fühlen wir uns jetzt – ausgezeichnetes Körpergefühl, obwohl ich im Rauch des Feuers bereits wieder einen gewissen Naturgeruch angenommen habe.

Im Moment jagt ein Festessen das andere, das Filet war einfach genial gut, zudem habe ich heute einen etwas teureren Rotwein gekauft – Genuss pur in der Natur. Wir sassen danach lange am Feuer und diskutierten über unser Leben. Natürlich merke ich, dass Samuel an einem anderen Punkt des Lebens steht, sich vor der Reise getrennt hat von seiner Freundin, die so gerne Kinder gehabt hätte. Er möchte kinderlos bleiben und seine Freiheit geniessen. Ganz gut, als 28-Jähriger, auf diese Weise unterwegs zu sein und seine Spuren zu hinterlassen. Samuel ist Schlosser – ich habe also unterdessen gleichsam einen Mechaniker dabei, er hat auch schon bei der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft als Maschinenmechaniker gearbeitet. Die Ideen und die Art zu reisen decken sich bisher beinahe zu hundert Prozent mit meinen. Ich bin doppelt so alt wie Samuel, ich bin ja mal gespannt, ob wir dann tatsächlich gemeinsam die Schweiz erreichen – an Weihnachten, oder vielleicht auch erst im folgenden Frühling.

Chile ist ein extrem langgezogenes Land, in dem man entweder von Norden nach Süden oder umgekehrt reist. Dabei bleiben nicht viele Möglichkeiten. Wir versuchen, den Autobahnen auszuweichen, treffen aber trotzdem zuweilen auf eine Zahlstelle. Die Strassen sind gut. Traurig stimmen einen die verbrannten Landstriche mit Brandwunden bis an die Strasse, auch uralte Bäume sind den diesjährigen Bränden zum Opfer gefallen. Man betreibt hier Holzwirtschaft im grossen Stil, ganze Hügel sind mit Föhren bepflanzt. Manche Hügelzüge sind aber intakt und ganz schön zu durchfahren – kurvenreich und gut ausgebaut – ein Mekka für Motorradfahrer. Je näher wir heute zur Küste kamen, desto kühler wurde es, und schliesslich fuhren wir tatsächlich im Nebel, in derselben grauen Suppe, in der wir heute Morgen schon gestartet waren. Conception ist eine grosse Stadt an der Küste, von hier folgten wir glücklicherweise dem riesigen Biobio-Fluss in Richtung Inland, und schon innerhalb von dreissig Kilometern wurde es wieder sommerlich war, sodass eine Tenuerleichterung vonnöten war. Diesen Platz erreichten wir mit Hilfe eines Apps, auf iOverlander sind empfohlene Übernachtungsmöglichkeiten eingetragen, von kleinen Hotels zu offiziellen bis auch zu wilden Zeltplätzen. Das Smartphone ist wirklich klug und erleichtert einem das Reisen in so vielen Dingen.

Der grosse Unterschied zum Outback in Australien ist es, dass man am Morgen nicht von eigen- und fremdartigen Vogelgezwitscher aufgeweckt wird. Ich frage mich: Wo sind die Vögel – oder sind sie einfach fast stumm, aus Angst vor südamerikanischen, menschlichen Jägern?

Km: 59‘067 (413)

Do, 16.02.2017: Frontal in den Regensturm

Manchmal bemitleide ich Touristen, welche die Schweiz besuchen, wenn sich die Wolken eines Tiefdruckgebietes vor den Alpen stauen und nicht aufhören wollen, sich zu entleeren. Und jetzt geht es mir gleich in diesem Land. Wir sind heute frontal in einen Zyklon hineingefahren. Als ich am Morgen aufstand, dachte ich noch, dass das Meer erneut den bekannten Nebel übers Land bläst, der sich dank der Sonne bald auflöst, aber heute waren es Wolken, zuerst nur dünne, die aber immer dichter und schwärzer wurden. Und schliesslich begann es zu schütten, zuerst nur leicht, aber es sollte immer schlimmer werden.

Samuel wählte ein Routing, um Temuco zu umfahren, was sich rächen sollte, denn zusätzlich zu den sturmflutartigen Regenfällen landeten wir auf einer mit Schlaglöchern durchsetzten Schotterpiste, auf der wir nur noch langsam vorwärtskamen. Dazu wurde es kalt, die Feuchtigkeit versuchte die vermeintlich wasserdichten Regenkleider zu durchdringen. Jetzt galt es einfach, möglichst schnell das angepeilte Ziel zu erreichen. In Pucon gibt es ein Moto Camp, das als idealer Ausgangspunkt gilt, die an sich sehr reizvolle Gegend mit mehreren Seen umgeben von perfekt geformten Vulkanen zu erkunden. Aber jetzt erlebten wir eine weitere negative Überraschung. Zwar wurden wir von den braunen Bächen auf der Strasse nicht weggeschwemmt, aber der Verkehr auf der Strasse war so dicht, dass wir kaum vorwärtskamen und immer wieder in Staus steckenblieben. Wir überholten bei stärkstem Schauer Hunderte von Autos auf der rechten Seite, durchpflügten veritable braune Seen am Rande der Strasse, erreichten endlich Villarica, brauchten aber viel länger als erhofft, dabei wollten wir nichts lieber als aus unseren nassen Klamotten herauszukommen.

Als wir das Moto Camp erreichten, wurden wir vom gut Englisch sprechenden jungen Manager freundlich empfangen, aber der an sich schön angelegte Ort direkt an einem Fluss mit Strand (!) versank in der Nässe und im Schlamm. Wir verloren keinen Gedanken zu campen und mieteten uns ein in ein Dormitory (15‘000 Peso). Es wird wohl schwierig sein, all die durchnässten Kleider bei dieser Witterung zu trocknen. Die Wetteraussichten sind alles andere als viel versprechend – es soll die nächsten vier Tage durchregnen, wir werden die reizvolle Region also wohl kaum wirklich erleben können, alles ist nur grau und nass. Meinen dünnen Pullover versuchte ich auf meinem Körper zu trocken, was gelang, als ich draussen lange an einem Feuer stand, um mich wenigstens wieder etwas aufwärmen zu können.

Wir verwerteten die letzten Reste unserer Vorräte, Auberginen und Zucchetti an Quinoa, ganz lecker. Wir unterhielten uns lange mit einem australischen Paar, unterwegs auf einer BMW 800 GS, und dem freundlichen Manager. Es ist Ferienzeit hier, die Region ist dermassen voll mit Touristen, dass das Internet auch über Wifi nicht wirklich funktioniert, sodass wir uns nicht einmal schlau machen konnten, was das Wetter für die nächsten Tage wirklich verspricht.

Jetzt sitze ich im Bett auf nicht wirklich frischen Leintüchern, unter der warmen Wolldecke, wohl der einzige Ort in meiner nächsten Umgebung, wo es wirklich nett ist. Mal schauen, was der nächste Tag bringt, aber die Tendenz ist wohl, hier möglichst schnell wieder abzuhauen und weiter nach Süden vorzudringen – Puerto Montt ist die letzte grössere Stadt vor dem Carreterra Austral, der grossen Herausforderung Richtung Süden, 1200 km auf Gravel, Fjorde, Seen, Gletscher – aber ich weiss nicht, ob der jetzige Regensturm versucht, uns zu ersäufen. Vielleicht werden wir in der Stadt einige Tage ausharren müssen.

Km: 59‘330 (263)

Fr, 17.02.2017: Mit der ersten Andenüberquerung nach Argentinien

Eigentlich wollten wir uns heute Morgen über das Wetter informieren, um zu entscheiden, wie wir unsere Reise fortsetzen sollten, aber die Region ist dermassen vollgepfercht mit Touristen, dass das Internet sogar in der Nacht überlastet ist, sodass wir schliesslich ohne Wetterinformatioen beschlossen, ein erstes Mal die Anden zu überqueren, um auf der anderen Seite der Berge vom Lee-Effekt und vielleicht sogar von einer Art Föhn zu profitieren, um dem Regen zu entkommen. Zwar hätte ich einerseits gerne einen Augenschein genommen von dieser grünen Vulkanlandschaft mit seinen Seen, andrerseits hat es mir hier einfach zu viele Leute, und zudem ist neuer Niederschlag angesagt.

Es war noch immer kalt, aber erstaunlicherweise regnete es nicht, als ich mit beinahe maximaler Bekleidung Pucon verliess, Samuel machte erneut den Lead. Je weiter wir uns von der Zivilisation entfernten, umso reizvoller wurde die Landschaft. Wir durchfuhren dichte, grüne Wälder, waren plötzlich inmitten hoher Berge, und dann erschien der gewaltige, schneebedeckte Lanin-Vulkan, fast 3800 m.ü.M. hoch, von dem uns heute Morgen gesagt wurde, man solle ihn momentan meiden, weil er bald sehr aktiv sein könnte mit Steinauswürfen und so weiter. Gleichwohl wählten wir diesen nächsten Weg zur Grenze Argentiniens und dachten, dass wir dann schon gestoppt würden, wenn es wirklich gefährlich werden sollte. Beruhigend war, dass auch andere, wenn auch wenige Fahrzeuge unterwegs waren. Je höher wir aufstiegen, desto fremdartiger wurden die Pflanzen. Da standen grossstachlige, tannenförmige Gewächse, von denen ich nicht einmal wusste, dass es sie gibt. Bereits nach weniger als 80 km erreichten wir die Passhöhe auf 1200 m.ü.M. Es war ein Leichtes, aus Chile auszuchecken. Sobald die Grenze überquert war, verschlechterte sich die Strasse massiv. Nach einem Kilometer auf rauem Gravel erreichten wir Argentiniens Zollstelle, wo wir netterweise bevorzugt behandelt wurden. Schnell war unser Pass abgestempelt, an der Customs-Stelle wurde uns ein Einreisepapier für unser Fahrzeug ausgestellt, und schon waren wir unterwegs abwärts in eine grundlegend veränderte Landschaft, die wieder viel trockener und kaum besiedelt ist. Auf der Passhöhe regnete es noch leicht, aber jetzt zeigten sich bereits die ersten Sonnenstrahlen – das ist doch Töffwetter. Die Schotterpiste war recht gut zu befahren. In Junín de los Andes, dem ersten grösseren Ort,  machten wir Halt bei einer kleinen Pension. Ich fühlte mich müde und weiss auch jetzt noch nicht sicher, ob eine Grippe im Anzug ist. Hier übernachten wir heute für 12 Fr. in einem Dormitory. Das Guesthouse muss bekannt sein, denn immer mehr Gäste erschienen in diesem heimeligen, sehr einfachen Holzhaus. Eine Bulgarin, ein Argentino-Syrer, von dem ich von einer Möglichkeit erfuhr, per Boot in mehreren Tagen auf dem Amazonas Brasilien zu erreichen, zwei Neuseeländer, einige Einheimische, eine interessante bunte Mischung von Reisenden, mit denen man zusammensitzt, von den Reisen erzählt, aber vor allem immer wieder von Informationen profitiert, die einem in den nächsten Monaten nützlich sein können.

Wir brauchten heute unsere letzten Vorräte auf, die wir über die Grenze geschmuggelt hatten, sitzen jetzt bei Bier und Wein zusammen. Vor allem aber ist es hier trocken, beste Voraussetzung, unsere Reise morgen Richtung Süden fortzusetzen, auf der berühmten Ruta 40 (Quarenta). Wir sind in Patagonien angelangt, es wird zwar bald noch kälter werden, dafür werden auch die Landschafter fremder und noch interessanter. Morgen ist das Ziel San Carlos de Bariloche, notabene ein bekannter, argentinischer Skiort.

Km: 59‘474 (144)

Sa, 18.02.2017: Los siete Lagos mit Diana als Sozius

Aufgrund des Wetterberichtes lohnte es sich heute, San Carlos de Bariloche zu erreichen. Tatsächlich kündigte sich am Morgen ein schöner Tag an, aber wir waren spät dran, weil wir erneut zu lange in die Nacht zusammensassen. Zudem verlor Diana ihren Chauffeur, sodass ich sie fragte, ob sie uns nach Bariloche begleiten wolle. Nicht überraschend stimmte sie sofort zu, und wir waren schon mit dem Umorganisieren des Gepäcks beschäftigt, als die Frage nach dem Helm aufkam. Deshalb fuhren wir in die Stadt und fanden tatsächlich ein kleines Motorradgeschäft, in dem wir einen billigen Helm für 35 US$ kaufen konnten. Welch ein Glück für Diana!

Sogleich ging es los in Richtung Süden auf der Ruta 40. Auf der gut ausgebauten, kurvenreichen Strasse spürte ich Diana kaum, gute Mitfahrerin! Vorerst blieb die Landschaft recht trocken, weit entfernte Berge waren am Gipfel bereits weiss eingeschneit, aber es war heute nicht wirklich kalt, zum Glück für Diana, die zwar in meinem Windschatten recht gut geschützt war, aber trotzdem kaum genug gut gekleidet war für die 240 km lange Fahrt in den argentinischen Winterkurort. Je mehr wir uns San Martin de los Andes näherten, desto näher kamen wir wieder der chilenischen Grenze und umso grüner wurde die Landschaft mit Föhren- und Fichtenwäldern und im Hintergrund recht felsigen Bergen. Sie gleicht hier durchaus den europäischen Alpen, allerdings erreichten wir heute nie die Grenze von 1000 m.ü.M. San Martin ist ein touristischer Sommer- und Winterkurort mit vielen Gästen und einer belebten Ladenstrasse. Wir machten einen Halt am Lago Lacar, wo wir vom kalten Wind beinahe weggeblasen wurden. Ich parkierte meine Yamaha so ungeschickt, dass es der Sturm schaffte, sie über den Ständer umzustossen. Welch ein Ärger, denn der damals in den Kimberleys von Mona so gut reparierte Spiegel brach erneut, sodass ich danach ohne linken Aussenspiegel unterwegs war, ziemlich lästig, wenn man sich an ihn gewohnt ist. Der Wind blies jetzt lange Zeit äusserst angriffig, aber wir waren genug schwer, um uns nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Die Landschaft war stupend schön. Immer wieder wurden wir aufgehalten an sogenannten Miradors, um die verschiedenen türkisgrünen Seen zu bestaunen. Am Lago Falkner war die Szenerie so reizvoll, dass wir einen Moment überlegten zu campieren. Wir beschlossen, noch weitere 60 km zu fahren bis Villa La Angostura. Wir hatten noch immer kein Bargeld, zudem waren die Vorräte fast vollständig aufgebraucht. Hier zog sich aber der nächste Schauer zusammen, die ersten Tropfen fielen bereits, aber wir entkamen dem Regen auf dem Weg entlang dem Lago Nahuel Huapi. Die Landschaft wurde Richtung Osten plötzlich wieder trockener, der beinahe gewalttätige Rückenwind blies uns förmlich aus dem Regen. Vor San Carlos de Bariloche hatten wir den See zu umkurven und fuhren jetzt gegen den Wind und erreichten diesen Winterkurort um 18 Uhr. Es war nicht einfach, eine Unterkunft zu finden, jetzt logieren wir aber für je 25 Fr. in einer Art gelben Hexenhäuschen mitten in der Stadt, La paleta del Pintor ist sein Name. Tatsächlich ziert in unserem Zimmer eine Art Gemälde eine Wand, das kaum kitschiger sein könnte. Das Zimmer ist zwar etwas klein für drei Personen, dafür ist der gedeckte Innenhof umso schmucker.

Nach der Dusche waren wir bald unterwegs in die Innenstadt, assen in einem mexikanischen Restaurant einen prima Znacht und verhockten in einer Bar noch bis tief in die Nacht mit Live-Musik, Red Hot Chili Pepper, netter Cover, manchmal ganz gut, manchmal etwas schräg. Zusammen mit Diana begab ich mich noch etwas vor Samuel auf den Heimweg. Schliesslich fanden wir unser Hexenhäuschen tatsächlich…

Km: 59‘716 (242)

So, 19.02.2017: Regen in Bariloche

Ich schlief aussergewöhnlich schlecht, mein Magen fühlte sich wie ein Ballon an, die beiden grossen Margheritas von gestern bekamen mir offenbar nicht so gut. Erst um halb zehn Uhr stand ich auf. Der Regen prasselte aufs Dach des Innenhofs. Klugerweise ist geplant, zwei Nächte hier zu verweilen. Töfffahren und Nässe vertragen sich einfach nicht. Und tatsächlich regnete es den ganzen Tag fast unaufhörlich, auch wenn die Sonne immer wieder durchdrückte.

Ich schrieb, sortierte Fotos, diskutierte lange mit Diana aus Bulgarien, die 15 Jahre in Dubai gearbeitet hat – eine ganz interessante, aber etwas geschwätzige Dame. Eine Wäsche war nötig, und dabei stellte ich fest, dass mein neues Superdry-T-Shirt fehlt – muss mir in Valparaiso weggekommen sein. Ich habe im Moment wieder eine Phase der Verluste – die Regenblache für mein Gepäck verlor ich schon kurz nach dem Grenzübergang zwischen Chile und Argentinien, es fehlen mir auch die Wäscheschnur und ein Klebeband – ärgerlich, aber zum Glück leicht ersetzbar. Neuer Gepäck-Regenschutz wird mangels Alternativen ein Duschvorhang sein (!), diesmal ganz nett farbig. Dann flickte ich einmal mehr um meine alte Schlafsackhülle herum, die bald mehr Nähte als Stoff hat.

Am Abend besuchten wir das Alpina-Restaurant. Das Stroganoff mit Spätzle war aber nur mittelmässig, vielleicht wäre das Fondue besser gewesen... Auf dem Heimweg kauften wir für die nächsten Tage ein, dann sassen wir noch lange im gedeckten Innenhof, das viele Geschwätz ging mir aber allmählich auf den Geist, und ich verzog mich ins Bett.

Km: 59‘716 (0)

Mo, 20.02.2017: Der „never ending“ Ofenpass

Diana hätte uns noch so gerne weiter begleitet auf unserem Weg Richtung Süden. Sie war richtiggehend vernarrt in uns. Die Kombination war schon schon speziell, Sam ist 28-jährig, ich bald 56 und Diana 42, im Alter exakt zwischen uns gelegen. Aber ihre cholerischen Krankengeschichten oder überhaupt ihr dauerndes Geschwätz begann uns bereits auf den Wecker zu gehen, sodass schon gestern klar war, dass wir ab heute wieder nur zu zweit unterwegs sein werden. Aber ich hatte schon beinahe ein schlechtes Gewissen, als Diana beim Abschied die Tränen zuvorderst waren.

Schliesslich waren wir froh, endlich weg zu sein. Zudem zeigte sich das Wetter wieder von seiner besten Seite. Zwar zogen noch einige Wolken- oder Nebelfetzen um die scharfkantige und spitzförmige Cerro Catedral, aber es war nicht nur trocken, sondern auch recht mild. Die Strasse führte sanft bergauf und vorbei an weiteren „Voralpenseen“ und eine wilde, baumreiche Landschaft. Immer wieder wähnte ich mich auf der Fahrt über den Ofenpass, mit dem Unterschied, dass dieser gar nicht mehr aufhören wollte. Auch heute kamen wir nie höher als 1000 m.ü.M., die Berge an den Flanken des Tales sind hier baumlos und felsig, vielleicht 2000 m hoch, aber die Landschaft kommt einem durchaus alpin vor. Ferne Berggipfel sind gar weiss verschneit oder mit grossen Gletschern bestanden. Die Fahrt war einfach fantastisch schön und abwechslungsreich auf der Ruta Quarenta. Am Nachmittag verliessen wir diese und fuhren auf gut zu befahrenem Gravel zum Parque Nacional Los Alerces. In einem riesigen Wald liegen einige in der Landschaft verschachtelte Bergseen, 400 m hoch gelegen, aber einen hochalpinen Eindruck machend. Der Zufluss zum Lago Futalaufquen, türkis grün-blau hätte sich eigentlich als den perfekten Camping-Spot (oder Flossfahrfluss…) angeboten, aber es hatte uns zu viele Leute, sodass wir bis zum See weiterfuhren und über eine verbotene Waldstrasse einen Kiesstrand am See erreichten. Nonplus ultra – dieser Zeltplatz! Eigentlich hätte sich jetzt ein Bad im See angeboten, aber unterdessen zogen dichte Wolken auf, und sofort war es weniger warm.

Ich reparierte meinen linken Seitenspiegel, Sam seinen Vorderreifen, der etwas Luft verliert. Es hat hier Haufen von Schwemmholz, perfekt geeignet für ein weiteres Lagerfeuer, über dem ich wieder einmal Nudeln kochte, diesmal an einer Tomatensauce. Wir sassen am Feuer, als leichter Regen einsetzte und uns in unsere Zelte vertrieb. Jetzt tropft es ganz leicht auf die Zelthülle, Regen des Nachts ist ja okay, wenn sich morgen die Sonne wieder zeigt.

Km: 59‘977 (261)

Di, 21.02.2017: Verstepptes Südtirol

Gestern wähnte ich mich ja ein bisschen auf dem Ofenpass, was heisst, dass ich dann bald im Südtirol ankommen würde. Es war ein zauberhaftes Aufstehen heute Morgen, neblige Schleier zogen um die orangen Bergrücken ennet des Sees. Die Sonne drückte durch die Wolken und tauchte die gegenüberliegenden Wald- und Buschpartien in grell leuchtendes Grün. Einen Moment lang überlegte ich, mich im frischen, glasklaren Seewasser zu erfrischen, aber ich verwarf diese Idee, denn zuerst musste das Feuer wieder entfacht werden, und dies war gar nicht so einfach, denn alles Holz in der nächsten Umgebung war vom nächtlichen Regen noch tropfnass. Aber schliesslich entstand aus einem Mini- ein Grossfeuer, woraus eine perfekte Glut entstand, um den gestern vorbereiteten Brotteig in frische Brötchen zu verwandeln. Herrlich lecker!

Sam blieb lange liegen, sodass ich schon weit fortgeschritten war mit der Packerei, aber schliesslich verzögerte sich die Abfahrt doch wegen mir, weil der Ziehknopf des Reissverschlusses meiner Jacke fehlte. Irgendwie musste ich ihn gestern abgerissen haben, womit ich die Jacke nicht mehr vollständig verschliessen kann. Weil es heute sehr mild war wegen des starken Nordwindes, reichten aber die Druckknöpfe, mich genügend warm zu halten. Ich habe auch schon eine Reparaturidee. Der Reissverschluss für die Verbindung zu den Hosen wird als neuer schliessender Reissverschluss bei der Jacke verwendet werden.

Just als wir den Lago Futalaufquen verliessen, begann ein leichter Schauer, dem wir aber über die gut zu befahrene Schotterpiste bald entkamen. Wenn Schneewittchens im Südtirol beheimatete Stiefmutter mittels Spiegelorakel hätte herausfinden wollen, welcher See jetzt der schönere sei, der Kalterer- oder der Futalaufquen-See, wäre ich jetzt wohl mit einem roten Apfel vergiftet worden. Es reichten kaum 50 km nach Osten bis Esquel, dass sich die Landschaft grundlegend veränderte. Das hiesige „Südtirol“ ist furztrocken, einer Steppenlandschaft gleich.

In Esquen machten wir Halt bei einer Carneria, wo wir drei so richtig fette, einheimische Grillwürste und etwas Gemüse kauften. Dann folgten wir der Ruta 40 Richtung Südosten auf meist geraden, unendlich scheinenden Strassen. Erstaunlicherweise blieb es meist stark bewölkt, aber es sollte den ganzen Tag nicht mehr regnen. Die Landschaft blieb den ganzen Tag überaus karg, manchmal passierte man kleine Weiler in lichten Weidenwäldchen. Nach 240 km hätte sich ein solcher Ort eigentlich als Lager empfohlen, aber wir wollten doch noch etwas weiter fahren, überquerten nach 350 km erneut den Rio Senguer, aber der Weg zu einem Wäldchen durch eine Lücke im Zaun führte zu einer kleinen Siedlung, und eine heruntergekommene, verlassene Raststätte passte uns als Nachtlager ebenfalls nicht, denn er wäre eine ideale Stätte für irgendwelche Gauner, uns bis auf die Unterhosen auszunehmen, weshalb wir uns entschlossen, weitere 80 km zu fahren, wo der Rio Senguer erneut zu überqueren ist. Der empfohlene, hellgrün eingezeichnete iOverlander Zeltplatz (ein iPhoneApp) in einem Weidenhain direkt am kleinen Fluss ist sehr idyllisch, aber unterdessen war es bereits acht Uhr abends. Zuerst suchten wir Holz für ein Feuer, dann stellten wir die Zelte auf. Die Würste auf meinem kleinen Grill waren ausgezeichnet.

Jetzt lehne ich an einer dicken, alten Weide und schreibe. Die vielen kleinen Insekten vergnügen sich auf meinem Bildschirm, obwohl sie nichts von meinem Geschriebenen lesen können. Es ist mucksmäuschenstill, weit entfernt hört man das leise Plätschern des Baches. Ich bin unterdessen soweit südlich wie noch nie auf meiner Reise, die Tage werden länger, die Nächte kürzer wegen der südlichen Lage. Ich habe heute meinen 60‘000. Kilometer zurückgelegt.

Und noch etwas: Mein reparierter Seitenspiegel war mir nicht lange nützlich – schon nach 20 km verlor ich ihn. Ich weiss noch nicht, ob er wirklich noch zu retten ist.

Km: 60‘432 (455)

Mi, 22.02.2017: In den Jagdgründen der Aonikenk-Indianer

Gegen Abend nahmen wir einen kleinen Umweg in Kauf zu den Cuevas de los Manos. Dabei war die Schotterpiste vor allem beim Ab- und Aufstieg in einen tiefen Canyon sehr rau, sodass ich anhielt und die Hälfte der Luft in beiden Reifen abliess. Sogleich war das Fahren viel ruhiger und einfacher, die Räder wollten nicht bei jedem grösseren Kieselstein nach links oder rechts ausbrechen. Die Cuevas de los manos sind ein touristischer Hotspot und UNESCO-Weltkulturerbe. In dieser Region und vor allen den gut jagdbaren Schluchten lebten vor Tausenden von Jahren die Aonikenk-Indianer (heute Tehuelche), die an den Felswänden fast gleich wie die Aborigines in Australien Jagd- und Alltagsszenen, aber auch viele Hände in Form von Negativabdrücken hinterlassen haben. Es ist absolut erstaunlich, wie ähnlich diese Felsmalereien hier im Vergleich zu jenen im Carnarvon Nationalpark in Australien sind. Es muss fast vermutet werden, dass es schon damals Verbindungen auf dem Pazifik zwischen Australien und Südamerika gegeben hat, so ähnlich sind die Zeichnungen. Es ist auch nicht erstaunlich, dass die Aonikenk sich genau hier sehr häufig aufhielten, weil Guanacos, eine kräftige und windschnelle Lama-Art sich in die Schlucht wagen, um Wasser zu trinken. Die Jäger mussten nur zuwarten, bis die Tiere genug durstig waren. Aufgrund der Wandzeichnungen kann man erkennen, dass die Tiere zusammengetrieben wurden, bis sie in Seitenschluchten abstürzten, oder man schwang an einer Art Seil befestigte Steine, um die Tiere schlicht zu erschlagen.

Guanacos gibt es auch heute noch in grosser Anzahl, sie begleiteten uns den ganzen Tag durch die karge Prärie-Landschaft. Die Fauna Patagoniens meinte es aber auch sonst gut mit uns. Schon am Morgen sah ich ein Pichi patagonico oder ein Peludo über den staubigen Boden davoneilen. Wenig später sahen wir ein Exemplar dieser Art Gürteltier als Opfer des Verkehrs auf der Strasse liegen, das sich jetzt wenigstens gut fotografieren liess. Immer wieder flohen auch Choiques, riesige Laufvögel ähnlich Emus, vor unseren Motorrädern. Einmal jagten wir eine ganze Herde von erhabenen, aber vielleicht auch etwas dümmlichen Guanacos, die eigentlich problemlos über die ewigen Zäune springen können, aber diesmal wegen diesen gleichsam im Stress gefangen waren. Bei den Cuevas sah ich zudem ein Chinchilla zwischen den Büschen davoneilen, und dann war da schliesslich auf dem Weg zurück in die Schlucht auch noch ein Wüstenfuchs, der sich aus dem Staub machte.

Die Führung zu den Felsmalereien dauerte anderthalb Stunden, sodass wir uns erst um halb acht Uhr auf die Suche nach einem Lagerplatz machten. Die Abendstimmung in dieser felsig-vulkanischen Landschaft war fantastisch, aber das ultimative Abenteuer sollte erst noch folgen. Als wir die Talsohle der Schlucht erreicht hatten, folgten wir einem kleinen Fahrweg zwischen hohen orange-braunen Felsabstürzen, erreichten verräterische, kleine, weiss scheinende Salzseen, bei denen man acht geben musste, nicht einzusinken. Aus dem Fahrweg wurde eine Kuh- oder Pferdespur, wir wähnten uns als erste menschliche Wesen seit langer Zeit in dieser Schlucht. Immer weiter fuhren wir, bis uns die Dämmerung auf einer offenen Wiese zwang anzuhalten und unser Lager einzurichten. Zuerst machten wir uns auf die Suche nach Holz und wurden tatsächlich in uralten Büschen fündig. Dann sassen wir lange am wegen des speziellen, alten Holzes aromatisch riechenden Feuer und freuten uns über diesen genialen Platz. Erst um halb elf Uhr nutzten wir die Glut für ein schmackhaftes Gemüse-Quinoa-Essen. Unterdessen hatten sich auch die letzten Wolken verzogen. Es war herrlich still, das Feuer knisterte und gab genau so wenig Licht, um zum ersten Mal den grandiosen Sternenhimmel Südamerikas zu geniessen.

Schon der Morgen begann viel versprechend. Eigentlich verliessen wir diesen schönen Lagerplatz ungern. Nach einem Erfrischungs- und Reinigungsbad im nahen Flüsschen wurden Brot gebacken und Spiegeleier gebraten, dann wollten wir einen weiteren Schritt gegen Süden tun. Wir fuhren lange gegen einen blaugrünen wolkenfreien Streifen Himmel im Südwesten des Landes, erreichten die sonnigen Abschnitte aber erst am Nachmittag. Die unbesiedelte Prärie-Landschaft war eindrücklich, lange Zeit flach, in der Ferne wurden aber bereit die bekannten, Gletscher bestandenen Bergriesen sichtbar.

In Perito Moreno machten wir einen Halt bei einem Automechaniker, der mir meinen Spiegel aufsägte und dann per Schraube mit dem metallenen Halter verband – die Spiegelrückseite wird dann wieder zusammengeleimt. Wir besorgten Brot und Mehl, assen ausgangs Ort auf einem Aussichtspunkt einen kleinen Lunch und liessen uns dann vom milden Rückenwind weiter Richtung Süden schieben. Die Region hier ist windverwunschen, wir wurden vor den starken Seitenwinden gewarnt – bei uns kommt er aber perfekt von hinten und ist erst noch mild – Nordströmung, besser kann es nicht sein. Glück muss man haben…

Km: 60‘768 (366)

Do, 23.02.2017: Safari im Canyon des Rio Blanco

Die Sonne drückte im Zelt schon früh den Lichtschalter, sodass wir die enge Zeltbettstatt bald verliessen. Beinahe ohne Worte war es klar, dass wir eine weitere Nacht in diesem wilden, verlassenen Tal bleiben wollten. Wir machten uns einzig leichte Sorgen wegen des etwas knapp bemessenen Wassers.

Das sonnige, wechselnd bewölkte Wetter lud förmlich zu Aktivitäten ein. Nach dem Frühstück wollten wir die eine Seite des Canyons erklimmen. Meist folgten wir Pferde- oder Guanaco-Weglein, hatten die gut zweihundert Höhenmeter bald überwunden. Tief unter uns lag unser Zeltplatz auf einer grünen Wiese, wir besassen jetzt eine grandiose Aussicht auf beiden Seiten des Canyons mit seinen orange-braunen, scharfzackigen Felsen. Wir sassen lange am Rand der Schlucht und beobachteten drei immer wieder kreisende Wüstenadler (?), die mit Sperberaugen kleine Nager an den Hängen zu entdecken versuchten. Der Abstieg hinunter ins Tal zu einem ausgetrockneten Salzsee war auf der kieselreichen Geröllhalde einfach und spassig, weil einem mit jedem Schritt noch ein weiterer geschenkt wurde. Wir erreichten das Tal bei einer Höhle, die offenbar als Schutz für Wildtiere dient. Exkremente und Skelettteile von Tieren lagen zahlreich verstreut umher. Offenbar wird die Höhle auch von den Adlern benutzt, denn wir fanden viele Nagerkopfskelette. Zwei gut erhaltene Schafschädel (?) nahmen wir mit zurück zu unserem Lagerplatz und montierten sie auf unsere Schutzbleche – sieht ganz nett aus!

Nach einem leichten Mittagessen sattelten wir unsere gepäcklosen Maschinen und folgten dem Tal des Rio Blanco flussabwärts. Von Fluss ist allerdings momentan nichts zu sehen. Natürlich war die Fahrt durch die stacheligen Büsche und die Flächen der ausgetrockneten Seen sehr spassig. Wir wurden dabei immer mutiger und schneller. Irgendwann überholte ich einige Choique-Vögel und vertrieb zwei grosse Gruppen Guanacos, die sich natürlich vor dem plötzlich auftretenden Lärm fürchteten. Behende erklommen sie sofort die steilen Hänge der Schlucht und waren schliesslich zu weit weg für ein gutes Foto. Wir wussten, dass wir sieben Kilometer zu fahren hatten bis zu dem Fluss, den wir gestern bei den Cuevas de los manos schon gesehen hatten – und dieses langsam fliessende Gewässer voller grüner Schlingpflanzen erreichten wir auch. Trotz der verräterischen Schlingelei um die Beine  genossen wir ein kühles, erfrischendes Bad und freuten uns über die einmalige Szenerie. Dieses Tal haben bestimmt noch nicht viele Touristenseelen besucht. Dafür konnten wir jetzt den Zehnliter-Container mit Wasser füllen.

Nachdem ich schon auf dem Hinweg durch eine sumpfige Pfütze gefahren war und von den Knien abwärts wie gemauert aussah, passierte mir auf dem Rückweg dasselbe Missgeschick, nachdem ich mich im Fluss gewaschen hatte. Zu dumm! Dafür fand ich einen ganz besonderen Schafsschädel mit gebogenen Hörnern (Merino?), den ich mitnahm und zurück beim Lager gleich hinter dem Gepäckträger mit Kabelbindern befestigte.

Schon am Morgen verleimte Sam meinen Spiegel, ich war jetzt am Abend damit beschäftigt, den neuen Reissverschluss an den defekten anzunähen, von Hand eine ziemlich aufwändige Angelegenheit. Dann wurde gekocht, wieder einmal gab es Nudeln. Zudem waren wir schon die ganze Zeit daran, das gefundene Wasser abzukochen, das bestimmt nicht quellrein ist. Gegen Abend ist etwas Wind aufgekommen, aber die Stimmung im Tal war zu szenisch mit dem rosa gefärbten Himmel und den orangen, kantigen Felsen im Vordergrund.

Ich bin definitiv in Südamerika angekommen – Erlebnisse wie diese machen das Reisen so interessant und abenteuerlich.

Km: 60‘790 (22)

Fr, 24.02.2017: No hay benzina!

Heute Morgen vergass die Sonne, den Lichtschalter zu drücken, sodass ich viel länger als gewollt im Zelt liegen blieb und erst nach neun Uhr aufstand – natürlich war der Nachtmensch Sam auch heute nicht vor mir wach… Bald brannte das Morgenfeuer und der gestern vorbereitete Teig wurde ich frische Brötchen verwandelt, die diesmal allerdings etwas teigig waren, weil das Backpulver oder die Hefe im Teig fehlten.

Bald hatten sich die letzten Morgenwolken verzogen, und erneut inszenierte die Sonne mit ihrem warmen Licht ein Farben-Spektakel. Bald waren wir mit Vollpackung unterwegs über die ausgetrockneten Salzseen zur Schotterpiste. Ich war schon viel mutiger, über die weich-sandige Unterlage zu brettern. Auf halbem Weg stiessen wir auf eine grosse Herde Guanacos. Diesmal hielt ich frühzeitig an und näherte mich den Tieren langsamen Schrittes, und endlich gelangen mir einige annehmbare Bilder.

Nochmals fuhren wir jetzt steil hoch aus diesem Canyon Richtung Cuevas de los manos, bogen bei der Abzweigung jetzt aber nach rechts ab. Die Landschaft ist hier enorm karg, aber gleichwohl eindrücklich. Wir erreichten die asphaltierte Hauptstrasse Richtung Süden nach rasanter Gravel-Fahrt bald. In Bajo Caracoles wollten wir eigentlich nachtanken, um direkt nach El Calafate fahren zu können. Aber die Benzintänke hier waren beinahe leer – wenigstens fünf Liter bekam Sam, um zum nächsten grösseren Ort zu gelangen. Hier trafen wir auf Viktor, einen jungen Deutschen, der mit seiner 125-er den Carretera Austral befahren hat und jetzt nach einer Möglichkeit suchte, das Loch im Hinterreifen zu reparieren. Das Problem war, den schlauchlosen Reifen luftdicht an die Felge zu bringen. Schliesslich schafften wir dies, indem wir die Felge mit Benzin versetzten und durch das Ventil eine kleine Explosion verursachten, die genug stark war, um den Reifen perfekt an die Felge zu setzen.

Die Fahrt mit dem Umweg nach Gobernador Gregores war lang und langweilig. Ewige gerade Strecken, manchmal Seitenwind, wenigstens einmal ein Flusstal mit einem Wasser führenden Gewässer. Es war nach sechs Uhr, als wir die grössere Ortschaft erreicht hatten, trafen auf eine verlassene Tankstelle, wo man uns mitteilte, dass es kein Benzin mehr gebe – erst morgen Abend käme die nächste Lieferung. Auch ich fuhr unterdessen auf Reserve, womit klar war, dass wir in diesem Kaff feststecken würden.

Wir suchten nach einer günstigen Hospedaje, waren aber erst nach dem vierten Versuch erfolgreich. Wir bewohnen ein dunkles Doppelzimmer bei Mariel, genossen vor allem die Dusche, um uns vom Canyon-Dreck zu befreien. Im wohl einzigen Restaurant des Ortes assen wir zwei riesige, zarte Stücke Rindsbraten, ähnlich wie Siedfleisch, aber raffiniert gewürzt mit Pommes. Das Bier fehlte natürlich auch nicht…

Km: 61‘068 (278)

Sa, 25.02.2017: Ein Ruhe- und Organisationstag in Gobernador Gregores

Ein Blockierung, wie sie uns gestern Abend ergangen ist, hat immer auch ihr Gutes, denn so fanden wir Zeit, die nächsten Tage vorzubereiten und uns vor allem über den Torres de Paine Nationalpark ganz im Süden Chiles zu informieren. Wir beschlossen auch, morgen wenn möglich nach El Chalten zum Lago Viedma zu fahren, um eventuellen Niederschlägen im Süden auszuweichen.

Samuel war am Mittag unterwegs, um die hiesigen Bancomaten zu testen, ob sie vielleicht einige Pesos ausschütten (was nicht gelang), dafür erfuhr er, dass die Tankstelle bereits wieder über Benzin verfügt. Schnell waren wir nach einer Wäsche unterwegs zu YPF, wo sich die Autos stauten, um zu den wertvollen Tropfen zu kommen. Tatsächlich reichte das vorhandene Benzin auch für uns, diesmal füllten wir auch alle verfügbaren Zusatzkarnister. In einer etwas heruntergekommenen, nahen Bar assen wir eine Pizza beziehungsweise einen Hamburguesa und widmeten uns in der Folge unseren vielen neuen Fotos und vor allem den Filmen, aus denen wir einige Screenshot herstellten. Dann deckten wir uns im erstaunlich vielfältigen Supermarkt mit neuen Vorräten ein, es durften aber nicht zu viele sein, denn man darf keine Nahrungsmittel über die Grenze nach Chile mitnehmen.

Jetzt sitzen wir im Wohnzimmer des kleinen Hotels und arbeiten an unseren Computern, Bilderbearbeitung, Hochladen et cetera…

Km: 61‘072 (4)

So, 26.02.2017: Gletscher auf 400 m.ü.M. und ein erneuter herber Verlust

In Sichtweite liegt ein Gletscher an einem steilen Fels in diesem Flusstal nahe El Chaltén. Erneut haben wir nahe des Electrico-Flusses einen idyllischen Lagerplatz gefunden, so abgelegen, dass wir morgen in diesem Wäldchen unser Zelt inklusive unseres Materials werden stehen lassen, um uns morgen in diese unglaublich faszinierenden Berge zu begeben, die schon bei der Anfahrt auf El Chaltén unglaublichen Eindruck auf uns gemacht haben, denn obwohl wir uns auf nur gut 400 m.ü.M. befinden, reichen die Gletscher des Los Glaciares-Nationalparks bis fast hinunter zum azur- bis türkis-blaugrünen Lago Viedma. Was für eine unglaubliche Szenerie im Trekking-Mekka Argentiniens!

Der Tag wurde aber getrübt durch eine unglaubliche ärgerliche Unachtsamkeit. Fünfzig Kilometer vor El Chaltén wollte ich die Anfahrt zu diesem Nationalpark filmisch per GoPro festhalten und liess einmal mehr den Reissverschluss meines Rucksackes offen, sodass ich meine Kamera auf offener Strasse verlor. Das Missgeschick bemerkte ich erst, als ich einige Kilometer vor El Chaltén ein neues Bild von den gewaltigen, nadelförmigen Bergen schiessen wollte. Sofort machten wir kehrt und hofften, die Kamera auf den zurückgelegten beinahe 40 km zu finden, hatten aber leider keinen Erfolg. Jemand musste die Kamera in der auffälligen orangen Hülle mitgenommen haben. Leider wurde sie weder auf dem Tourismus-Office noch auf der Polizei abgegeben. Was für ein Ärger! Dasselbe Missgeschick ist mir jetzt bereits zum zweiten Mal passiert, aber diesmal fand ich meine Nikon 1 nicht mehr. Zu dämlich! Jetzt kommt halt meine ebenfalls havarierte Zweitkamera zum Einsatz, aber ich habe keine Ahnung, wie lange diese wirklich funktionieren wird, denn sie hat bereits in Australien so deftige Schläge beim selben Missgeschick abgekriegt.

Die Fahrt heute Richtung Südwesten zum Gletschergebirge war wenig interessant, aber teils recht anstrengend, weil unerwartet viel Schotterpisten zu bewältigen waren. Je näher wir uns den Bergen näherten, umso spannender wurde die Landschaft. Schon lange freute ich mich auf diese Berglandschaft mit seinen unnatürlich schroffen, spitzen Felsformationen und den Gletschern.

Km: 61‘467 (395)

Mo, 27.02.2017: Bonsai-Buchen und Schwabbelhaut

Für einmal stand ich schon um halb sechs Uhr auf, bereitete das Feuer für Kaffee, Brot und Ei. Das klare Wetter lud ein, die grandiose Berglandschaft um El Chaltén zu erkunden. Wir überquerten den reissenden Fluss auf der ratternden Holzbrücke und folgten dem Weg exakt in Richtung des Mt. Electrico, der aber eigentlich auf einem Weg nicht zu erreichen ist.

Tatsächlich waren wir bald querfeldein unterwegs durch dichtes Gebüsch, überquerten zweimal einen Bergbach. Je höher wir aufstiegen, desto steiler wurde es. Gleich drei kleine Felseinschnitte schienen geeignet, die nächste Höhenstufe zu erreichen. Es stellte sich später heraus, dass der Aufstieg nur in einem der drei ohne Probleme machbar ist – instinktiv entschieden wir uns für die richtige Route. Bei den engsten Partien fanden wir uns plötzlich auf einem verwachsenen Weg wieder, Steinmännchen zeigten uns an, dass hier vor langer Zeit einmal ein Wanderweg existiert haben muss. Der Weg erleichterte uns den Aufstieg zwischen den knorrigen Buchenbüschen, die so klein und verwachsen wie Bonsais aufsehen. Auf 1200 m.ü.M. erreichten die Waldgrenze und waren jetzt nicht mehr fern des Electrico-Gletschers. Wir überschritten zwei geröllreiche Moränen und erreichten einen kleinen Gletschersee.

Das Wetter ist heimtückisch in Patagonien. Innert Kürze hatte es jetzt zugezogen, und es begann gar zu regnen. Unter einem überhängenden Felsen suchten wir Schutz vor der Feuchtigkeit. Eigentlich hätte sich dafür auch das nahe, imposante Gletschertor angeboten, aber der See dehnt sich bis ins Gletschertor aus. Wir nutzten eine kurze Aufhellung, um doch noch weiter aufzusteigen, denn wir wollten unbedingt die Nadelfelsen auf der anderen Seite des angepeilten Grates sehen. Über orange-braune Felsen stiegen wir sehr steil am Rande des Gletschers immer weiter auf, bis wir den Grat tatsächlich erreicht hatten. Tief unter uns türmten sich die Gletschermassen, die Felsnadeln verschwammen leider in den Nebelschwaden, die schnell wechselnd immer mehr der steilen Felszacken einhüllten.

Der Wind hier oben war sehr frisch, dabei hatten wir erst 1650 m.ü.M. erreicht, 1200 Meter waren wir aufgestiegen, durchaus lohnenswert, auch wenn die Aussicht besser hätte sein können. Aber wir hatten Glück, denn während des Abstiegs verhüllten sich immer mehr der Felsen in Nebel, immer wieder regnete es, dabei frischte der Wind so sehr auf, dass man achtgeben musste, dass man nicht davongeblasen wurde. Ich war ausserordentlich vorsichtig unterwegs, auch weil ich mich nicht wirklich fit fühle. Noch immer spüre ich den linken Fuss, zudem beginnen sich die beiden Menisken in den Knies wieder zu regen. Die schlimmste Erfahrung war jedoch der stürmische Wind, der die allmählich schlaffe Haut eines fast 56-Jährigen in den Partien der Augenbrauen, des Halses und der Backen zum Schwaddern brachte! Nur mühselig kämpfte ich mich Schritt für Schritt zu Tal. Elf Stunden waren wir schliesslich unterwegs, bis wir wieder in unserem Lager waren.

Hier wurde erneut gekocht. Lange blieben wir am Lagerfeuer hocken, ein junger Amerikaner leistete uns Gesellschaft – mit einer Flasche Whisky und selbst gedrehten Zigaretten…

Km: 61‘467(0)

Di, 28.02.2017: In der Gerade in die Kurve liegen

Es ist längst stockdunkel und beinahe eiskalt, es hat wohl kaum 7°C. Ich liege quer im Zelt, lehne auf meinem Gepäck und beginne noch um Viertel vor zwölf Uhr, mein Tagebuch zu schreiben. Allmählich tauen im Schlafsack meine Füsse auf, nachdem sie vor anderthalb Stunden beinahe gebrannt hatten. Wir befinden uns etwas ausserhalb La Esperanzas auf einen wilden iOverlander Camping.

Von den wenigen Bäumen konnte ich immerhin genug Holz sammeln für ein Feuer. Auf einem verdorrten Grasbüschel liess sich ganz gut ein Feuer entfachen, und im Nu brannte das dürre Holz. Das Feuer liess ich nur für eine kurze Weile unbeaufsichtigt, weil ich mit dem Aufstellen des Zeltes beschäftigt war, als ich einen grossflächigen Lichtschein aus der Richtung des Feuers bemerkte. Der starke Wind war verantwortlich, dass in kurzer Zeit weitere Grasbüschel in Brand gerieten. 20 m2 brannten bereits, und der stürmische Wind brachte immer weitere Büschel zum Brennen. Da hatte ich doch tatsächlich Patagonien angezündet! In blindem Aktionismus versuchte ich, die brennenden Büschel wild um mich tretend zu löschen. Aber immer neue konnten sich entzünden, oder die schwelende Glut reichte, dass sich das Feuer weiter ausbreiten konnte. Erst eine kurze Phase mit etwas weniger Wind konnte ich nutzen, um dem Feuer den Meister zu zeigen. Zwar glühte es weiterhin in verschiedenen Büscheln, aber eine weitere Ausbreitung war gebannt. Unterdessen kam Sam mit neuem Holz, erschrak natürlich über den angerichteten Schaden. Während ich jetzt endlich das Zelt aufstellte, kümmerte er sich jetzt um das Feuer, aber nicht wirklich in meinem Sinn – ohne mich zu fragen, löschte er nicht nur weitere Glutherde, sondern das gesamte Feuer – gar nicht nett, denn die Gefahr wäre ja jetzt gebannt gewesen.

Er übernahm jetzt auch das Kochen per Benzinkocher – Quinoa mit Auberginen und Peperoni. Kurzfristig bekamen wir Besuch, und unglaublicherweise kannte mich die Töfffahrerin – Katrin Luginbühl-Dobesberger stammt aus Hauptwil und kam eben aus der Primarschule, als ich 1992 dort mit meiner Arbeit begann.

Es war heute Morgen ein lästiges Aufstehen, denn der Regen prasselte auf die Zelthülle. Auf dem Plastikschutz auf dem Boden hatte sich eine Wasserlache gebildet und nässte den Zeltboden mit dem Ergebnis, dass der Schlafsack feucht wurde. Das Feuermachen stellte sich als schwierig heraus. Erst als Sam unter seinen riesigen Motorradkoffern etwas trockenes Holz fand, brachten wir das Holz zum Brennen. Wiederum hatte Sam zu warten, bis ich alles fertig gepackt hatte. Erst um die Mittagszeit fuhren wir bei strömendem Regen über den mit Wasserpfützen übersähten Schotter zurück nach El Chaltén.

Hier versuchten wir, zu Benzin zu kommen. Tatsächlich war die Tankstelle offen, aber Dutzende von Autos stauten sich vor den beiden Zapfsäulen, sodass wir anderthalb Stunden zu warten hatten. In dieser Zeit besuchte ich die Polizei sowie die beiden Tourist-Informationen. Leider musste ich feststellen und akzeptieren lernen, dass meine vorgestern verlorene Kamera nicht abgegeben wurde. Was für ein ärgerlicher Verlust!

Erst nach drei Uhr waren wir unterwegs entlang des Lago Viedmas (wo ich nochmals Ausschau nach meiner verlorenen Kamera hielt – leider ohne Erfolg), erreichten die Ruta 40 und fuhren in Richtung El Calafate am Lago Argentina. Der Westwind war ausserordentlich stark, und blies uns beinahe von der Strasse. Wir beschlossen, noch weiter nach Süden zu fahren entlang türkis-grün-blauen grossen Flüssen (Rio Leona), absolut unwirklich aussehend in der ausgetrockneten Landschaft, die hier immer wüstenähnlicher wird. Ja tatsächlich, innerhalb von wenigen Kilometern änderte sich das Wetter schlagartig, nur der Wind blieb bestehen, der uns immer mehr behinderte und das Steuern erschwerte. Der Töff musste schräg auf der Strasse gehalten werden, als ob man in eine Kurve liegt, ein gerades Fahren war wegen des seitlichen Windes beinahe unmöglich. Dafür erlebten wir auf der Strasse einen  aussergewöhnlich farbigen Sonnenuntergang, Kitsch pur. Es schien mit jedem weiteren Kilometer in Richtung Süden noch kälter zu werden.

Km: 61‘817 (350)

Mi, 01.03.2017:  Im Angesicht der Torres del Paine

Am Morgen diskutierten wir in La Esperanza noch einen Moment, ob es sich lohnt, nochmals in den Westen in regenanfällige Küstennähe zu fahren, Kälte zu erdulden, vielleicht sogar Schnee zu erfahren. La Esperanza liegt im Wüstenteil des südlichen Südamerika, weshalb es hier sehr selten regnet, es darum keine Überraschung war, dass heute Morgen die Sonne schien. Wir tankten hier auf, fanden ein annehmbares Wifi, um uns klug zu machen über die Wetterprognosen für die nächsten Tage.

Weil es meist freundlich sein sollte, beschlossen wir, gegen den starken Wind nach Westen zu fahren und bei Rio Don Guillermo die Grenze nach Chile zu überqueren, um die bekannten und viel besuchten Torres del Paine zu anzufahren. Wir fuhren geradewegs in eine schwarze Wand, und schnell begann es zu regnen, aber nur für kurze Zeit. Dann war es zwar weiterhin sehr kalt und windig, aber freundlich. Kurz vor der Grenze assen wir die letzten Pfirsiche, die übrig gebliebene Zwiebel und wieder einmal eine Büchse Thon. Die restlichen Lebensmittel hatte ich wohlweislich zu unterst im Rucksack versteckt, weil man keine Frischartikel über die Grenze mitnehmen darf.

Wir waren die einzigen an diesem kleinen Grenzübergang, die Formalitäten sowohl auf der argentinischen wie auch auf der chilenischen Seite waren innert einer Stunde problemlos erledigt, ich durfte sogar meine beiden Schafsschädel mit über die Grenze nehmen. In Cerro Castillo versuchten wir einen Plan zu machen, was wir in dieser kalten Region überhaupt unternehmen wollen. Es war mit 71 km weiter als vermutet bis zum Lago Pehoe, aber so weit sollten wir gar nicht kommen, denn die gewaltige, hochalpine Landschaft (auf 300 m.ü.M.) hielt uns vorher gefangen. Wir passierten den kitschig hellblauen Lago Sarmiento de Gamboa mit den gewaltigen Torres del Paine im Hintergrund. Netterweise stand beim Eingang zum Nationalpark ein grosser Bus, sodass wir den teuren Eintritt in den Nationalpark (21‘000 Peso = 35 Fr.) nicht bezahlten und stattdessen gleich eine Abzweigung mit Schotter Richtung der Torres nahmen. Auf einem kleinen Weglein fuhren wir in ein niederes, offenes Wäldchen – perfekter Zeltplatz mit genialer Aussicht. Wir bauten die Zelte auf, dann sammelte ich Holz für ein Feuer, bereitete die Feuerstelle diesmal sauber vor, um nicht auch noch Chile anzuzünden – und: schliesslich befinden wir uns in einem Nationalpark, und da sollte man keine Feuer machen. Die kleinen chilenischen Würste und die Nudeln aglio-olio waren ausgezeichnet.

Jetzt sitze ich an der letzten Glut des ausgehenden Feuers. Ich liebe die Stille Patagoniens. Es ist fast wolkenlos – oder die Wolken haben sich zu den Torres zurückgezogen. Es ist kalt, ich werde mich zusätzlich zu den beiden Schlafsäcken mit meinen Jacken zu wärmen versuchen, indem ich sie über mich lege. Ich befinde mich am südlichsten Punkt meiner Reise – bald geht es auf den Heimweg…

Km: 62‘024 (207)

Do, 02.03.2017: Klamm-feuchter Geburtstag bei gefühlten null Grad

Ich sitze in einem teuren Hotel am Lago Grey, trinke an der Bar einen Geburtstags-Pinacolada (Wert 10 Fr.). Ich fühle mich stinkig und klebrig, die nächsten Duschen wären eigentlich nah, aber ich mag mir kein Hotelzimmer für 300 Fr. die Nacht leisten, obwohl das Zelt im Koffer noch vom morgendlichen Regen nass ist. Wir werden auch heute unser Lager irgendwo draussen in der Wildnis aufstellen – noch keine Ahnung wo. Mein ganzer Luxus ist es, über langsames Internet und eben meinen Drink zu verfügen, um all die lieben Geburtstagswünsche zu beantworten.

Wir erleben momentan Patagonien pur, an sechs von sieben Tagen regnet es, zumindest wenn man sich von der Wüste entfernt und Richtung Küste fährt, dann sind die Berge verhangen, es ist kalt – wie jetzt. Mitunter kommt es zu einer kurzen Aufhellung, dreihundert Meter entfernt ragen aus dem See blau-weiss schimmernde Gletscherteile, auf der anderen Seite des eisigen Gewässers reicht der Gletscher bis zum See, dabei befinden wir uns momentan auf gerade einmal 49 m.ü.M.

Die Torres del Paine waren heute Morgen wolkenverhangen, dazu hatte es die ganze Nacht leicht geregnet. Kein Wunder, dass das Zelt erneut nass verpackt werden musste. Nochmals umfuhren wir den Parkeintritt, aber es war zu schade, dass diese Grimselpass-Landschaft auf Meereshöhe von den Wolken so versteckt war. Wir passierten See um See, die sogar bei diesem grauen Licht in besonderen blaugrünen Farben leuchten. Immer wieder hielten wir an aus Faszination über diese alpine und doch fremdartige Landschaft. Der Nationalpark ist touristisch recht gut erschlossen, wenn auch nur über teils schlechte Schotterstrassen, es hat denn auch viele Besucher, die meisten Unterkünfte sind ausgebucht, obwohl sie sehr teuer sind, Campingplätze auf den Trekkingrouten müssen Wochen zuvor gebucht werden. Eigentlich wäre auch ich gerne einige Tage zu Fuss in diesen Bergen unterwegs gewesen, aber das Wetter ist momentan zu schlecht für lustbetonte Expeditionen, zudem hält sich Sams Lust zu wandern in Grenzen. Wir hätten auch schon eine Möglichkeit gefunden, ohne Reservation in den Park zu kommen, nämlich als „Climber“ mit extra Zeltplätzen, für die nicht vorgebucht werden muss…

Allmählich beschäftigt uns auch das Benzinproblem, denn Treibstoff ist erst im 90 km entfernten, südlich gelegenen Puerto Natales erhältlich. Wir hoffen noch immer, El Calafate im Norden zu erreichen, ohne zusätzlich tanken zu müssen.

Gegen Abend verliessen wir die touristische Zivilisation des Hotels und fuhren nur dreieinhalb Kilometer, bis ein verwachsenes Weglein hinunter zum Rio Grey führte. Ich hatte heute Nachmittag während der Fahrt von einem Leiter einer Reisegruppe zwei Spezli geschenkt bekommen, die wir jetzt auf dem nahen, felsigen Berg kredenzten. Der Aufstieg war steiler als erwartet und dauerte in voller Töffmontur zwanzig Minuten, dafür bekamen wir während einer Aufhellung Sicht auf den Lago Grey und vor allem zwei blau schimmernde Eisberge, die im See schwammen, aber noch zu gross waren, um vom Fluss mitgenommen zu werden. Nach dem Abstieg sassen wir am grossen Feuer und assen die Oliven-Tomaten-Pasta mit grossem Genuss, bevor es erneut zu regnen begann – Zeit fürs trockene Innenzelt…

Km: 62‘093 (69)

Fr, 03.03.2017: Beinahe Schnee auf dem Zelt

Als mich um sechs Uhr mein Handy-Wecker aufforderte aufzustehen, tropfte es wie schon die ganze Nacht millionenfach aufs Zeltdach. Wiederum drückte an den Zeltecken Feuchtigkeit ins Innere meiner improvisierten Behausung, nicht wirklich perfekte Voraussetzungen für ein angenehmes Aufstehen, vor allem wenn es noch dunkel ist.

Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich verliess tatsächlich meinen warmen Schlafsack und liess mich von der kalten Graubrühe draussen beträufeln, denn ich wollte mir alle Optionen offen halten, doch noch am geplanten Bootsausflug zu den grossen Paine-Gletschern teilzunehmen. Ich fand wärmenden Trost am bald lodernden Feuer. Tatsächlich konnte ich am Osten eine Aufhellung ausmachen, aber die Wolken hingen tief herunter, und bei der Wolkengrenze zeichnete sich ein weisser Streifen ab. Es war tatsächlich Schnee gefallen. Wohl nur hundert Meter Höhe fehlten, um das Morgenfeeling noch garstiger zu machen und den Schnee von der Zelthülle zu kratzen. Die Idee, am Acht-Uhr-Ausflug teilzunehmen, verwarf ich bald, denn ohne Sicht lohnte es sich nicht, 100 Fr. für diesen Trip auszugeben. Ich liess Samuel noch schlafen und beschäftigte mich mit dem Feuer, das wenigstens Licht und Wärme spendete. Unterdessen begann es wieder stärker zu regnen, die Kappe war bald so nass, dass die Feuchtigkeit ins Hirn einzudringen versuchte.

Die Nässe hockte an diesem Morgen unerbittlich und erbarmungslos in dieses Tal, sodass wir uns entschlossen, diesen Ort der Traurigkeit so schnell wie möglich zu verlassen. Das Packen war jedoch sehr mühselig, weil der Regen versuchte, sämtliche Habseligkeiten mit seiner Feuchtigkeit zu vergiften. Sam versuchte, den kurzen Abhang auf dem Direktweg zu befahren – ohne Erfolg, das lehmige Weglein hatte sich in eine Rutschbahn verwandelt. Wir fuhren also über Stock und Stein, hohe Grasbüschel und sumpfige Stellen mit aller Vorsicht in Richtung Strasse und erreichten diese tatsächlich ohne Probleme. Dem Regen waren wir aber noch nicht entkommen, obwohl wir zur Grenze die Südroute wählten und hier den südlichsten Punkt unserer Reise erreichten.

Dafür war man am Zoll nett mit uns. Die Formalitäten waren in Rekordzeit erledigt. Wir kamen in Kontakt mit einer Motorrad-Reisegruppe, die sogar ein Begleitfahrzeug dabeihatte. Nette Gespräche, aber für uns auch etwas lächerlich, auf diese Weise unterwegs zu sein. Unser Problem war heute das Benzin, weil wir nicht ganz sicher sein konnten, ob es wirklich reicht. Auch auf der argentinischen Gebirgsseite blieb es lange Zeit noch trüb und regnerisch. Erstaunlicherweise fanden bei einer Tankstelle im Middle of Nowhere etwas Benzin und füllten zur Vorsorge zehn Liter in einen Ersatzkarnister. Von hier führte die Strasse über eine ziemlich üble Schotterpiste mit vielen Schlaglöchern direkt nach Norden in Richtung El Calafate. Bei einem seichten See hellte es tatsächlich auf, und wir konnten eine grosse Gruppe oranger Flamingos beobachten.

Die Strasse war so ruppig, dass es mir bei einer schweren Erschütterung wieder einmal die Kette vom Kranz schlug. Der Schaden war diesmal weniger gross als letztes Mal – aber das Kettenschloss hatte sich gelöst und war verbogen. Samuel konnte aber bestens aushelfen und hatte sogar einen Ersatz dabei. Ich bin froh um mein Begleitfahrzeug… Wenigstens war es jetzt endlich trocken geworden, aber es blieb sehr kalt, sodass ich froh war, endlich El Calafate erreicht zu haben – ohne das Ersatzbenzin zu gebrauchen.

Wir befinden uns jetzt in einer Hospedaje in einem Doppelzimmer (250 P., 17 Fr./Person). Fünf Tage ununterbrochen in der feuchten Wildnis schien an sämtlichen Körperstellen eine dicke Schmutz- und Fettschicht hinterlassen zu haben, deshalb war die heisse Dusche überaus oberpornophytisch – und das argentinische Steak in einem nahen Restaurant danach einfach ein Gedicht. Das ist das Reizvolle an dieser Art des Reisens. Nach Abenteuer, Staub (oder diesmal Regen) und Entbehrung schätzt man die angenehmen Seiten der Ziviliation umso mehr. Da ist es einem sogar egal, dass El Calafate ein sehr touristischer Ort ist, der mich an Davos erinnert – mit dem Unterschied, dass hier kein einziger Bancomat funktioniert – ausser mit spesenreichen Kreditkarten. Ich wechsle momentan meine Notdollars und fahre damit viel besser.

Km: 62‘407 (314)

Sa, 04.03.2017: Hiello y aventura

Eigentlich wäre heute ein Ruhetag angesagt gewesen. Ich schlief denn auch bis nach neun Uhr, wieder einmal in einem weichen Bett – was für ein Luxus! Ein Blick auf die aktuellen Wetterkarten bewog uns, nach etwas innerem Dienst doch einen Ausflug zu machen. Zuerst wollte ich aber noch die Kette des Töffs schmieren und erschrak, dass mein Vorderpneu praktisch platt war. Deshalb füllten wir diesen bei der nahen Tankstelle, in der Hoffnung, dass ich gestern vor der langen Gravel-Passage etwas gar viel Luft aus meinem Reifen abgelassen hatte.

77 km fuhren wir bei kalter, aber trockener Witterung Richtung Westen zum Perito Moreno Nationalpark. Bei der Rangerstation hätten wir besser nicht gehalten, denn hier wurden uns je 500 Peso abgeluchst (32 Fr.). Aber der Besuch eines weiteren Ortes mit der Auszeichnung „UNESCO-Weltkulturerbe“ lohnte sich fürwahr, denn obwohl wir uns kaum hundert Meter über Meer befanden, stürzt sich hier ein gewaltiger, bläulich-weiss schimmernder, kantiger Gletscher in den Lago Argentino, der an seiner dicksten Stelle 700 Meter dick ist und bis 200 Meter unter den Meeresspiegel (!) reicht. Natürlich ist ein solcher Ort nicht touristenfrei. Die meisten kamen in „Hiello-y-Aventura“-Bussen zum Gletscher, für viele ist es wohl nur schon ein Abenteuer, sich so nahe bei einem Gletscher zu befinden… Wunderschöne Metallgitter-Weglein mit Holzgeländern wurden auf Hunderten von Metern ins Gelände gebaut, die man natürlich nicht verlassen darf – und wir hielten uns sogar daran, denn ein Heruntersteigen zum See hier könnte wahrlich lebensgefährlich sein. Wenn ein grosses Stück Gletscher in den See abbricht, können sich innert Sekunden meterhohe Wellen bilden, die auch einen sturzi mit sich reissen oder erschlagen würden. Und der Gletscher bewegt sich fürwahr: Immer wieder brechen kleinere und auch grössere Stück ab und prallen unter grossem Getöse ins blaugraue Gletscherwasser. Diesmal reichte die Aussicht, die in der Tat schon atemberaubend war. Auf der Rückfahrt genossen wir wie echte Motorradfahrer die kurvenreiche Strecke entlang des Sees, waren aber erneut froh, El Calafate erreicht zu haben, denn wiederum war es sehr kalt – der Herbst hat hier Einzug gehalten.

Am Abend assen wir eine mittelmässige Pizza, die uns sämtliche Wasserreserven zu entziehen scheint, denn der Durst ist unerschöpflich, und das Völlegefühl ist auch nach Mitternacht noch nicht verschwunden.

Km : 62’564 (157)

So, 05.03.2017: Blog- und Ruhetag in der Kühlschrank-Küche

Der Höhepunkt des Tages ist eben Geschichte. Alleine verliess ich unsere hospedaje und kam erneut nicht weiter als bis Mi Rancho, das ausgezeichnete argentinische Restaurant, das wir schon vorgestern besucht hatten. Hier war es erstens wohlig warm, und zweitens war das Essen erneut exzellent und der Service perfekt. Ich bekam eine übergrosse Lachsforelle serviert, hervorragend abgeschmeckt und mit wunderschönen Beilagen. Ich bestellte ein Glas Rotwein und hatte Glück, denn die nette Serviererin leerte gleich die Flasche, sodass ich in den Genuss einer doppelten Portion Weines aus der Mendoza-Region kam.

 

Erst jetzt habe ich mich aufgewärmt, zum ersten Mal seit Stunden, denn ich war den ganzen Tag damit beschäftigt, den Blog Teil 30 abzuschliessen, die vielen Fotos zu bearbeiten. Die Küche war ein wahrer Kühlschrank, eigentlich mit perfektem Klima, sich eine derbe Erkältung zu holen. Immerhin schaffte ich es, die ganzen Pflichten zu erledigen. Die Hörner des Merino-Schädels wurden am Abend auch noch geleimt und ein Stück Schlauch auf meinem Gepäckträger montiert, in der Hoffnung, dass mir dieses besondere Souvenir etwas länger erhalten bleibt.

 

Morgen geht’s weiter Richtung Norden. Leider scheint sich das Wetter ab Mittwoch wieder massiv zu verschlechtern. Der Carretera Austral dürfte zu einer Herausforderung werden…

Km: 62‘564 (0)

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Kommentare: 4
  • #1

    Fiona Rossi (Montag, 06 März 2017 00:26)

    Hey Sturzi, demfall simo glichzitig, ohnis zwüsse, im gliche chline Dorf in Südamerika (el chalten) festgsesse. Wünsch der witerhin e tolli Reis! LG Fiona

  • #2

    iso. (Montag, 06 März 2017 22:53)

    "Wenn Schneewittchens im Südtirol beheimatete Stiefmutter mittels Spiegelorakel hätte herausfinden wollen, welcher See jetzt der schönere sei, der Kalterer- oder der Futalaufquen-See, wäre ich jetzt wohl mit einem roten Apfel vergiftet worden." Also, Sturzi: Achtung, du solltest beim Kiffen nicht überborden....:-D
    Aber wow! Jetzt geht wieder richtig was. Die Bilder von diesen wilden, unwirtlichen Landschaften sind ein neuer Höhepunkt der Rondomm-Reise. Fantastisch, das Kopfkino läuft auf Hochtouren. Mehr davon, bitte!
    Und schön mitzulesen, wie du in Gesellschaft Sams allmählich zum echten Macho-Proll-Biker mutierst. Mitfahrende Frau wegen Geschwätzigkeit abgeworfen, mordende Fremdenlegionäre als neue Kumpels, Totenschädel auf dem Schutzblech – was kommt als nächstes? Ein Trump-Sticker auf dem Tank? :-)
    Im Ernst: Sehr cooler Reiseabschnitt, spannende Erzählungen, umwerfende Bilderwelt. Ich freue mich sehr auf viel mehr Südamerika! Buen viaje y mucha suerte, companeros!

  • #3

    Ruth und Eugen (Sonntag, 12 März 2017 19:20)

    Hallo Urs, nachträglich noch herzliche Glückwünsche zu Deinem Geburtstag. Wir wünschen Dir vom Besten nur das Allerbeste. Eine gesunde und pannenfreie Weiterreise und noch viele beglückende Erlebnisse und Begegnungen.
    Deine Berichte sind so spannend und die Bilder einmalig sodass wir nicht genug davon bekommen. Oft glaubt man sich tatsächlich in der Schweiz was Du ja auch so siehst. Lass es Dir und Deinem Begleiter weiter gut gehen!
    Viele ganz liebe Grüsse aus der frühlingshaften Schweiz von Ruth und Eugen

  • #4

    Joseole (Sonntag, 26 März 2017 08:42)

    Belated happy birdsday Urs,
    While mounting the merino skull on your bike reminds me on the horned bull skull which has been mounted on the bull bar of my old Landcruiser back in the late 80’s early 90’s.
    All the best on your way up north,
    Take care and cheers
    José olé alias Charlie and for the old timers (who know me from childhood) Carlos