Teil 22: Papua/Indonesien IV

Papua, die östlichste Provinz Indonesien und immer noch bemüht um Unabhängigkeit, hatte es in sich. Nach einem spannenden Trip in einem Hochtal Zentralpapuas mit Männern in "Nichtkostüms" misslang leider der geplante, 10-tägige Urwaldtrip quer über die Insel wegen Kämpfen in den Bergen (Opium, indonesisches Militär, Unabhängigkeitskämpfer - deshalb kidnapping-Gefahr!). Stattdessen begab ich mich nach Raja Ampat, einem wahren Paradies für Taucher und Schnorchler.

Aber es läuft im Moment beileibe nicht alles rund: Noch immer steckt der Töff in Dili fest, ich habe einen Flug verpasst und bin jetzt wegen des Wochenendes und einem zusätzlichen Feiertag auch in Jayapura blockiert. Hoffentlich kommt das Glück am Montag zurück, wenn ich ein Visum für Papua Neu Guinea zu erhaschen versuche.

Australien muss leider noch bis Juni warten, dafür gibt's jetzt Erlebnisse aus Papua Neu Guinea und den Salomon Inseln!

Di, 19.04.2016: Nochmals ein langer Reisetag, jetzt in Wamena (1650 m.ü.M.)

Recht pünktlich legte die Garuda-Boeing 737 in Denpasar ab, aber nicht etwa direkt nach Jayapura. Nach drei Stunden erreichte ich bei Dämmerlicht Timika auf der Südseite Papuas Gebirge. Jayapuras Flughafen liegt 36 km ausserhalb der Stadt in Sentani. Ich freute mich, wie freundlich ich von vielen Menschen hier begrüsst wurde. Es war ein wahrer Ameisenhaufen von Menschen, die sich auf dem Flughafengelände tummelte.

Obwohl ich kaum geschlafen hatte, entschloss ich mich, gleich noch weiter zu fliegen nach Wamena mitten ins Zentrum des papuaischen Gebirges. Hier stehen die höchsten Berge Indonesien, die tatsächlich mit Schnee bestanden sind und fast 5000 m.ü.M. hoch sind. Auch dieser Landesteil ist von vielen Indonesiern infiltriert, der Menschenschlag, den ich hier antraf, unterscheidet sich erheblich von normalen Indonesiern. Ich wähnte mich eher auf Fiji, der melanesische Einschlag der Menschen ist nicht zu übersehen. Auch diesen Landesteil hat Indonesien gewaltsam in Anspruch genommen, als die Holländer ihre Kolonie auflösten. Und auch hier wünschen sich die Einheimischen die Unabhängigkeit. Immer wieder kommt es zu Unruhen, aber das Militär versucht dann jeweils, mit Gewalt Ordnung zu schaffen.

Im Flughafengebäude erstand ich in einem kleinen Büro einen Weiterflug nach Wamena (Wings, 606‘000 IDR), aber auch hier musste ich lange warten. Schliesslich hatte das Flugzeug, von Wamena herkommend, vier Stunden Verspätung. Dies hätte jetzt definitiv nicht auch noch sein müssen. Dafür lernte ich ein maltesisches, überaus sympathisches Paar kennen, dessen Maschine schliesslich noch vor meiner abhob. Ich traf die beiden wieder auf Wamenas Strassen. Sie waren auf der Suche nach einem freien Zimmer. Ausgerechnet heute war eine grosse Regierungsdelegation angereist und besetzte fast sämtliche Zimmer der kleinen Stadt. Jetzt wohne ich in einer wahren Absteige, und der Zimmermangel hatte Auswirkungen auf den Preis: 400‘000 IDR (über 30 Fr.) für ein Zimmer ohne Licht und mit durchlöcherten Leintüchern…

Ich fühlte mich klebrig und schmutzig nach der langen Reise – ich war über 24 Stunden unterwegs, aber auch das indonesische Mandy mit seinem spürbar eisenhaltigen Wasser tat trotzdem seine guten Dienste. Bald war ich mit Jacky und Kenneth unterwegs zum Baliem Pilamo Hotel, dem wohl besten Hotel der Stadt. Es war ein reger Markt im Gange auf der Strasse. Viele Arten von Gemüse wurden angeboten, vor allem die klassische Süsskartoffel.

Im Hotel war bald ein Führer organisiert, der uns morgen für drei Tage in die umliegenden Dörfer bringen sollte, aber dieser war unverschämt teuer (3.5 Mio. IDR für einen Dreitagestrip pro Person). Es ist fast nicht möglich, eine solche Tour selber zu organisieren, weil in vielen Dörfern noch sehr ursprünglich gelebt wird. Noch vor wenigen Jahrzehnten war Kannibalismus an der Tagesordnung! Auf diesen teuren Handel gingen wir nicht ein. Dann kam Jonas Wenda, der schon seit 1986 Führungen anbietet und den wir dank hartem Handeln auf 2 Mio. pro Person hinunterdrückten, immer noch 140 Fr. für drei Tage, aber wenn man weiss, wie teuer die Unterkünfte hier sind, passt die Relation wieder. Ich wusste ja von Anfang an, dass mich dieser Aufenthalt nicht billig zu stehen kommen würde. Schon morgen starten wir mit diesem Dreitagestrip!

Jetzt bin ich aber todmüde – Nachschlafen ist dringend notwendig…

 

Mi, 20.04.2016: Baliem-Treck Tag 1: Ugem und die Holim-Männer

Ich war froh, aus diesem Loch von einem Zimmer herauszukommen. Gleichwohl schlief ich etwas zu lange und musste Gas geben beim Packen, denn Jacky und Kenneth erschienen schon vor acht Uhr vor meinem Zimmer. Einen Teil des Gepäcks lagerten wir im Baliem-Pilamo-Hotel, in dem wir gleich für die Nächte von Freitag bis Samstag buchten.

Die Strassen in Wamena sind voll von Becaks, den kleinen Velo-Taxis. Es ist in dieser abgelegenen Provinz nicht einfach, ausser in der Landwirtschaft eine Arbeit zu finden. Schnell waren drei dieser Gefährte organisiert. Wir beobachteten das bunte Treiben auf einem überaus ursprünglichen Markt, wo riesige Süsskartoffeln und frisches Gemüse angeboten wurden. Wir fuhren einige Kilometer südwärts zum Stadtausgang, von wo aus wir per Sammeltaxi zum Ausgangspunkt unseres Dreitages-Trecks fahren wollten. Aber da waren keine dieser Gefährte zu finden – offenbar war es am Morgen auf der Strecke zu fightings gekommen. Es ist gang und gäbe, dass Clans (wie schon seit Jahrhunderten) in tiefster Fehde stehen. Offenbar wurden zwei Männer von vergifteten Bambuspfeilen getroffen. Jonas, unser Führer meinte aber nur: „No worries!“ Schliesslich hatte Jonas drei Männer organisiert, die bereit waren, uns mit ihren alten, kleinen Töffs die 12 km Richtung Süden zu fahren. Eine Stelle war recht schwierig zu meistern, weil ein Wildbach etwa 200 Meter der Strecke verschüttet hatte. Diese Stelle war zu Fuss zurückzulegen.

Wenig später ging es aber nur noch zu Fuss weiter. Schnell hatten wir den wild schäumenden Fluss erreicht. Eine weite Hängebrücke verbindet die beiden Ufer, es wäre unmöglich gewesen, diesen Fluss zu Fuss zu überqueren. Während einer Stunde folgten wir diesem Fluss. Viele Einheimische waren auch unterwegs. In elastischen, handgefertigten, farbigen Netzen wurden Süsskartoffeln, Gemüse, sogar Kleinkinder transportiert. Wenn man eine solche Gruppe von Menschen kreuzte, war es unmöglich, ohne Gruss zu passieren. Da reichte dann aber nicht einfach nur ein Grüezi, sondern man schüttelte sich (meist) die rechte Hand, mit festem Händedruck und unglaublich lange. „Woa, woa, woa, woa!“, hiess es immer wieder. „Danke, danke, danke, danke!“, dass wir ihr faszinierendes und überaus uriges Land besuchten. Bald erreichten wir die ersten traditionellen Strohhäuser, das erste am wilden Fluss, bald aber auch kleine Dörfer. Das beste Gebäude eines Dorfes ist immer die Kirche. Das Baliem-Tal wurde in den letzten Jahrzehnten stark missioniert. Über Sinn und Unsinn kann man geteilter Meinung sein. Tatsache ist, dass viel Geld in den Bau dieser Kirchen gesteckt wurde. Ich finde, es wäre viel sinnvoller gewesen, etwas mehr in die medizinische Versorgung zu investieren. Beinahe in jedem Dorf wurden wir nach Medikamenten gefragt. Ein Junge hatte eine üble Ohrenentzündung, andere Menschen offene Wunden, Kopf- oder Kniebeschwerden. Jacky fungierte immer mehr als fliegende Ärztin oder Arznei-Verteilerin. Weil ich seit August ohne Medikamente unterwegs bin, konnte ich hier meinen Beitrag leider nicht leisten. Das aufdoktrinierte Christentum hat aber leider viele der jahrhundertealten Traditionen zum Verschwinden gebracht. Gleichwohl findet man hier noch immer eine Mischung von christlichem und animistischem Glauben, der logischerweise extrem naturverbunden gelebt wird. Da gibt es den Fluss-, Wetter-, Felsen-, Berg- und Baumgott, denen während grossen Festen Tiere geopfert wurden. Eine recht blutige Tradition war es auch, dass beim Tod eines Verwandten einer Frau eines Clans ein Finger abgehackt wurde. Tatsächlich begrüssten wir auf dem Weg auch einige ältere Frauen, denen entweder ein oder gleich mehrere Finger fehlten!

Das Leben in diesem Land hat eine paternale Tradition, also der Mann hat das Sagen in einem Clan. Dem Mann ist es auch erlaubt, (auch heute noch) mehrere Ehefrauen zu haben. Dabei wird darauf geachtet, dass es zu keiner Inzucht kommt, indem ein Clan-Mitglied der Wita nur eine Frau wählen kann, die Mitglied der Waya ist (und umgekehrt). Schweine haben eine grosse Bedeutung im Leben der Papuas, eine Mitgift von fünf Schweinen wird der Familie der Braut bezahlt. Das ist eine kostspielige Angelegenheit, denn ein ausgewachsenes Schwein kostet 25 Millionen indonesische Rupiahs (zwischen 1500 und 2000 Fr.)! Trotzdem ist es so, dass es Männer gibt, die weit mehr als nur eine oder zwei Ehefrauen hat. Jonas kennt einen wohlhabenden Mann, der 25-fach verheiratet und 150 Nachkommen in mehreren Häusern hat. Ich stelle mir vor, dass es noch schwierig ist zu organisieren, wann man welche Frau besucht. Aber Eifersucht ist offenbar kein Thema, das A und O in der hiesigen Gesellschaft ist, dass man gut versorgt ist und wenigstens ein Quäntchen bessere Lebensqualität bekommt.

Bald führte unser Weg bergwärts, viele Menschen arbeiteten in ihren Kartoffelfeldern. In Seima machten wir Mittagsrast. Ich konnte endlich meinen laotischen Grüntee gebrauchen. Jonas, unser Führer und Natius, sein Neffe kochten für uns Nudeln, Gemüse und Reis. Letzteres wächst hier oben nicht und muss per Flugzeug eingeführt werden, wie überhaupt alles, deshalb ist alles teurer hier, für die Flasche Wasser zahlt man 20‘000 IDR. Jetzt wanderten wir vorbei an Pandanas recht steil bergauf bis zu einem Pass auf fast 2000 m.ü.M. Was mich von allem Anfang an überraschte, ist die Art der Landschaft. Es ist nichts von Urwald oder Dschungel zu sehen. Die Bergrücken sind mit Gras bewachsen, und jede nicht allzu steile Stelle wird dazu verwendet, Süsskartoffeln anzubauen, offensichtlich die Hauptnahrungsquelle der Menschen hier. Schliesslich erreichten wir Ugem, ein Dorf mit runden Strohhütten, aber auch einigen rechteckig gebauten Häusern. Seit Januar waren erst zwanzig Touristen in diesem Dorf. Wir wurden sehr herzlich empfangen, man freut sich offensichtlich über den Besuch von Touristen.

Wir wurden gleich zu einem einfachen Kartoffelessen eingeladen, die Erdäpfel werden auf heissen Steinen gegart, sind tatsächlich ziemlich süss und sehr nahrhaft. Das urige Dorf Ugem liegt etwas entfernt von unseren Strohhütten, in denen wir untergebracht sind. Hier trafen wir gleich auf zwei alte Männer in ihren traditionellen Trachten, wobei Trachten übertrieben klingt, denn Kleider hatten diese nicht an, nur der Penis wurde mit einem langen Holim, einer hohlen, langen, getrockneten Frucht, verdeckt. Alle Menschen hier sind extrem klein gewachsen, sodass ich neben einem dieser Männer beinahe aussah wie ein Riese oder Bodybuilder… Natürlich wurde eifrig fotografiert, vor allem Jacky amüsierte sich köstlich am Anblick dieser gedrungenen, ledern-häutigen Männer, die offensichtlich stolz auf das Erhalten ihrer Tradition sind. Aber es dauert wohl nicht mehr lange, bis auch diese Tradition ausgestorben ist. Die jungen Leute werden diese wohl kaum mehr fortsetzen. Mit Genuss rauchten die Männer reihenweise von unseren Zigaretten, und wir bezahlten ihm je 20‘000 IDR für die Erlaubnis zu fotografieren.

Wiederum zauberten unsere zwei Führer ein hervorragendes Menü hervor. Kenneth schenkte den vielen Kindern des Hauses einen Tennisball, der gleich stundenlang als Spielgerät verwendet wurde. Sonst spielen die Kinder mit Dingen, welche die Natur hergibt. Kindergarten ohne Spielgeräte – es funktioniert. Wir unterhielten uns noch lange im grössten Haus des Ortes, bevor wir uns in unseren Hütten niederlegten. Es war recht kalt auf dieser Höhe, und ich war froh um eine Decke, die mir herangebracht wurde. Jetzt vermisse ich einige Dinge, die ich in den Koffern in Dili im Container zurückgelassen hatte.

 

Do, 21.04.2016: Baliem-Treck Tag 2: Durchs Mugi-Valley nach Wuserem

Es war ein strahlender Tag heute. Die Strohhütten Ugems leuchteten im warmen Licht. Wir wurden am Morgen mit Toast (über dem Feuer goldbraun grilliert!) verpflegt. Eier gibt es hier kaum, die Dörfer sind hühner- und hähnekrählos, eigentlich erstaunlich, nur die Schweine werden gepriesen. Auch Ziegen, Schafe, Esel oder Pferde sucht man vergeblich, dies passt offenbar nicht in die Tradition der Menschen. Wir hatten unterdessen unsere ersten Anderthalb-Liter-Wasserflaschen getrunken, man bedankte sich tausendmal, als wir ihnen die leeren Plastikflaschen schenkten.

Wir waren bald talwärts Richtung Mugi-Valley unterwegs und machten in Usakasem bald einen Halt. Wiederum erregten wir viel Aufsehen, sofort waren wir umringt von neugierigen Menschen, unzählige Hände wurden geschüttelt, und wiederum erschien ein Holim-Mann in seiner Nichttracht, genoss es sichtlich, im Mittelpunkt zu stehen, unsere Zigaretten zu rauchen, mit Pfeil und Bogen zu posieren, natürlich wiederum gegen eine kleine Bezahlung. Wir trafen hier auch auf eine alte Frau, blind, ebenfalls gekleidet in Nichttracht, überaus liebenswürdig, wenn auch etwas schüchtern. Dann ging es vorbei an unzähligen, mit Steinmauern abgetrennten Kartoffelfeldern bis zum Mugi-River, einem wilden Bergbach und verbunden durch eine schmale Brücke mit Lianengeländer. Jacky musste ihre Höhenangst überwinden, es blieb ihr auch nichts anderes übrig, denn auch dieses Gewässer wäre ohne Brücke nicht lebend zu überqueren gewesen.

Auf der anderen Talseite ging es jetzt wieder steil bergauf. Wir liessen Syokasimo links liegen und machten unsere Mittagsrast in Tuke, einem kleineren Dörfchen an der Bergflanke und waren gleich wieder umringt von interessierten Menschen. Äusserlich sind die Menschen keine Augenweide, gedrungen klein und gezeichnet vom Leben auf diesen Höhen und der extremen Einfachheit, aber innerlich strahlen sie eine Wärme, Gelassenheit, Güte und Zufriedenheit aus, die man in Europa vielleicht noch am ehesten in Albanien findet. Jonas hatte vorgekocht, fried rice, das wir mit frischen Chilis verfeinerten, die gleich neben unserem Lagerplatz wachsen. Wiederum war Jackys medizinisches Geschick gefragt, wegen einiger kleiner offener Wunden. Jonas erklärte uns später, dass die Menschen sehr gerne an die westliche Medizin glauben, weil alle einheimischen Medikamente nichts bringen würden. Natürlich verfügen sie auch über Naturheilmittel, die aber auch nicht in jedem Fall nützlich sind.

Bald war tief unter uns der Mugi-River, einige sich im Fluss vergnügende Jungs erspähten uns jedoch rasch, schrien, winkten, und wir trafen sie bald darauf in einem weiteren kleinen Dorf. Wir wanderten um einen Bergrücken, staunten über wilde Orchideen und überhaupt die fremdartige Vegetation. Wuserems Wasserversorgung ist im Moment unterbrochen, der Aufenthalt im Klo wenig angenehm, weil sich die braun-schwarzen Massen türmten. Kenneth wurde zu einem Schweinegatter geführt, wo er sich seiner Exkremente entledigte – ein speziell aufregendes Erlebnis, weil gleich zwei Schweine immer näherkamen. Es fragte sich jetzt, wofür sie sich mehr interessierten – für Kenneth oder das Liegengelassene…

Es waren nur zehn Minuten weiterzugehen bis ins nächste Dorf, wiederum die klassischen, runden Strohhütten, wiederum inmitten von Kartoffelfeldern. An die grossartige Freundlichkeit der Menschen hatten wir uns schon beinahe gewöhnt. Kinder spielten auf einem ebenen Stück Land (als Helikopter-Landeplatz genutzt!) eine Art dynamisches Fangenspiel, wir wurden gleich mit heissem Wasser versorgt – jetzt fand sich endlich die Gelegenheit, meinen tibetanischen Schwarztee zu nutzen. Unterdessen waren schwarze Wolken aufgezogen, aber zu regnen fing es erst in der Nacht an. Es war wiederum ein äusserst vergnüglicher Abend mit Jacky und Kenneth aus Malta. Beide sprühen vor Witz, beide sind ebenfalls ziemlich reisesüchtig. Diesmal hatte es in meinem Zimmer sogar eine alte, schmuddelige Matratze, die von Schmutz strotzenden Kissen verwendete ich jedoch nicht, denn Läuse sind wohl weit verbreitet, immer wieder sieht man Menschen nahe beisammen, um diese lästigen Vieher vom dichten, gekrausten, schwarzen Haar zu befreien. Es war deutlich weniger kalt diese Nacht, wir hatten einiges an Höhe verloren. In meinem Zimmer fand ich noch etwas Zeit zu lesen, die Harry-Potter-Geschichte neigt sich definitiv seinem Ende entgegen.

 

Fr, 22.04.2016: Baliem-Treck Tag 3: Rückweg nach Wamena und das Rätseln über die Weiterreise

Weit unter uns brauste der Baliem-River, und diesen wollten wir nach dem einfachen Frühstück bald erreichen. Es ging steil bergab, es war glitschig und rutschig, weil es fast die ganze Nacht geregnet hatte. Aber die Restwolken verzogen sich bald, und es wurde auch auf dieser Höhe überaus warm. Wir passierten ein weiteres traditionelles Dorf, überquerten den Mugi-River auf einer recht neuen, schmalen Brücke. Jetzt ging es an der prallen Sonne steil bergauf Richtung weiterer Dörfer. Hoch über dem Tal wanderten wir jetzt Richtung Wamena. Eigentlich wäre geplant gewesen, den Baliem-River bald zu überqueren, aber Jonas fand (wie auch die meisten Einheimischen), dass die Brücke bei diesem hohen Wasserstand zu unsicher sei.

Wir folgten jetzt der steilen Bergflanke, der Weg war schmal, ein Stolpern wäre fatal gewesen. Als wir weitere Kartoffelfelder erreicht hatten, wussten wir, dass das Schlimmste überstanden war. Die Steinmauern der Kartoffelfelder mussten jeweils überklettert werden, aber immer wird ein grösseres Loch für die Schweine offengehalten. Auf dem Weg passierten wir weitere Menschengruppen, die riesige Mengen von Material in ihren elastischen, gestrickten Taschen transportierten. Wir waren heute recht schnell unterwegs – Jonas wusste noch nicht genau, wie wir schliesslich Wamena auf der Strasse erreichen würden. Es war der anstrengendste Teil unserer Wanderung, weil es dauernd auf und ab ging. Wir durchquerten eine kleine Schlucht, in deren Bach erfrischte ich mich mit einem Bad. Wenig später erreichten wir die Talsohle, die Runde war damit geschlossen. Ein Bach mündete in den wild brausenden Baliem-River ein. Viele Menschen widmeten sich hier der Körperpflege oder wuschen Kleider aus, einige Jungs vergnügten sich in der nahen Strohhütte, in dem sie wild um ein Feuer in der Mitte der Hütte rannten. Als ich dann selber ins strömende, kalte Wasser stieg, ging ein Raunen und Schreien durch die Menge, und als ich dann auch noch eine von Jonas gekaufte, lange Holim-Frucht vor meinen wichtigsten Körperteil setzte, hielten sich die Menschen die Bäuche vor Lachen…

Eine Schale voller Nudeln war unser Mittagessen, aber dies war zu viel für mich, sodass ich die Hälfte meines Essens den Jungs in der Hütte gab. Die Schale kam wie frisch abgewaschen aus der Hütte zurück, offenbar hatte es ihnen wohl geschmeckt. Ich hatte noch zwei Packungen voller Kekse im Rucksack, die ich jetzt den anderen Menschen verteilte. Dutzendfaches „Woa, woa, woa!“ und viele strahlende Gesichter.

Es war jetzt nicht mehr weit bis zur Brücke, die über den reissenden Strom führte, und schnell hatten wir auch die Strasse Richtung Wamena erreicht. Erstaunlicherweise warteten wir kaum eine halbe Stunde, bis der Landcruiser endlich abfuhr. Der Fahrer hatte aber die Fahrerfahrung eines Lernfahrers. Immer wieder verschaltete er sich bei unebenen Stellen, aber schliesslich hatten wir sogar jene 200 Meter breite Stelle überquert, die während der Regenzeit wohl so sehr von den Wassermassen des Bergbaches überschwemmt ist, dass die Stelle vermutlich unpassierbar ist. Im Wamena kehrten wir per Becak ins Zentrum der Stadt zurück, wo wir im Hotel Baliem Palimo eincheckten, wohl der beste Platz der Stadt. Ich konnte sogar per Kreditkarte bezahlen, aber die Unterkunft ist erneut sehr teuer (456‘000 IDR für das einfachste, aber sehr saubere Zimmer). Es war ein herrliches Duschen mit warmem Wasser, und ich fühlte mich danach wie frisch geboren. Zuerst hatte ich mir neue, billige Rasierer besorgt, die sogar mein graues Viertagesgestrüpp einigermassen gut wegbrachten. Meinen Rasierer habe ich in Dili liegen lassen, aber Samuel wird ihn mir nach Darwin bringen.

Noch bin ich extrem unentschlossen, wie die Reise weitergehen soll. Drei Möglichkeiten stehen zur Auswahl. Raja Ampat mit seinen Trauminseln im Westen Papuas und seinen sensationellen Tauchgründen, Papua Neu Guinea (für das man jetzt sogar innert 24 h zu einem Visum kommt), das aber noch teurer wie Papua sein soll – oder dann wäre da noch ein mehrtägiger Trip über ganz Papua Richtung Süden, allerdings eine wohl sehr teure Angelegenheit.

Lassen wir mal morgen kommen, ich werde dann schon eine Entscheidung finden. Nach dem Ausgang in ein nahes, einfaches Restaurant vergnügte ich mich im Zimmer mit den letzten zwei Kapiteln Harry Potters VII.. Und die faszinierende Geschichte fand hier und heute ihr Ende – schade, ich würde noch weitere Teile vertragen.

 

Sa, 23.04.2016: Wasema-Markt und Vorbereitungen auf den grossen Dschungeltrip

Weiterhin unentschlossen und deshalb etwas missmutig erwachte ich am Morgen. Auch nach dem Frühstück mit einem recht guten Buffet wusste ich noch nicht mehr. Ich wollte einmal Jonas‘ Besuch abwarten, der kurz nach neun Uhr auch erschien. Wir diskutierten lange über Routing und Dauer eines Trecks über Papuas Berge Richtung Süden. Gegen zehn Tage dürfte der Trip dauern. Schliesslich gab vielleicht mein Zeitmanagement und vor allem auch der zuverlässige Jonas den Ausschlag, dass ich mich auf diesen hirnrissigen Trip wage, die Lust auf Meer ist noch nicht genug gross. Dies wird mit Abstand der längste Trip sein, den ich je unternommen habe auf einer Route, die von Touristen nur sehr selten begangen wird. Natürlich waren die Kosten ein Knackpunkt. Um die 17 Millionen IDR kommt mich der bestimmt unvergessliche Trip zu stehen (etwa 1300 Fr.). Darin sind Führung, zwei Porter, Essen, Unterkünfte, Rückflug zweier Begleiter inbegriffen. Schliesslich war ich doch recht schnell entschlossen. Trip of a lifetime, wann sollte ich je wieder die Chance erhalten, mich auf ein solches Abenteuer einzulassen? Natürlich wurden Routing und viele Einzelheiten genau besprochen. Am Nachmittag schaute Jonas nochmals vorbei. Leider klappt es morgen mit dem Transport zum Habbema-See nicht, weil sonntags keine Pick-ups fahren, sodass ich noch einen weiteren Tag in Wamena bleiben werde.

Nach diesem zeitraubenden Handel besuchte ich zusammen mit Jacky und Kenneth einen Markt, wie es solche vor hundert Jahren vielleicht in ganz Asien gegeben hat. Es war ein Riesengewusel in und vor der einfachen Markthalle. Kartoffelblätter (für Gemüse), natürlich Süsskartoffeln, allerlei Gemüse, aber auch Fische und diverse Alltagsartikel wurden verkauft. Es war ein Kommen und Gehen. Frauen brachten in ihren Kopfnetzen immer wieder neues Gemüse oder zogen voll bepackt wieder von dannen. Männer mit Federschmuck versuchten Souvenirs zu verkaufen, aber wir waren auch heute weit und breit die einzigen Touristen, die in Wamena zu sein scheinen, viel wurde deshalb wohl nicht verkauft. Eigentlich würde ich gerne einige dieser urigen Gegenstände nach Hause bringen, aber die Tatsachen sind klar: Ich kann mich unmöglich mit weiterem Material belasten, auch wenn man die Dinge zu Hause wohl für ein Mehrfaches verkaufen könnte. Wir blieben häufig einfach nur stehen, um zu beobachten und staunen und fanden natürlich auch Zeit, viele Bilder zu schiessen. Per Pick-up kamen wir zurück zum Hotel. Ich hatte ich einiges an Tagebuch nachzuschreiben, begab mich am Nachmittag aber auch in die Innenstadt, wo ich versuchte, mich medizinisch wenigstens ein bisschen einzudecken. Panadol, Pfläschterli, etwas zum Desinfizieren, Verband, halt nur das absolut Wichtigste.

Am Abend waren wir zum letzten Mal zu dritt unterwegs. In einem kleinen Restaurant ass ich einen Haufen voll frittiertes Huhn und trank einen Avocado-Saft dazu. Alkohol gibt es in diesem Tal nicht (!, die Bevölkerung soll geschützt werden…), das heisst ich werde zwei Wochen ohne Bier auskommen müssen. Im Restaurant gab es doppelten interessanten Besuch. Einige Piloten waren am Essen, von denen ich erfuhr, dass es im Land auch zu kleinen Dörfern viele Flugverbindungen gibt. Und dann erschien ein rekordgrosses Insekt, das Jacky ängstigte und sich schliesslich auf einer Pflanze im Restaurant niedersetzte und sich nicht mehr bewegen wollte… Dann fand ich einen Bankomaten, der mir Millionen von Rupiahs ausschüttete für den kommenden Trip.

Sicher ist, dass die nächsten Tage überaus spannend sein werden. Es nimmt mich auch wunder, wie gut ich die acht bis zehn Stunden Wanderzeit pro Tag aushalten werde. Ich sollte einige endemische Tiere zu Gesicht bekommen und Menschen, die wohl noch nie in ihrem Leben einen Touristen gesehen haben. Aber ich fühle mich sicher, ich vertraue Jonas vollständig.

 

So, 24.04.2016: Ein Tag des Wartens in Wamena

 Ich zerriss keine Stricke heute, bearbeitete die vielen Bilder des Trecks und arbeitete etwas am Blog Teil 22. Ich fühle mich nicht ganz wohl. Hoffentlich ist keine Grippe im Anzug. Wenigstens habe ich einen Fiebermesser dabei, und (noch) habe ich kein Fieber. Ich studierte auch lange google maps und kann jetzt wenigstens mutmassen, wo die Wege mich hinbringen werden. Es wird wohl einiges an Höhendifferenz zu überwinden sein.

Am Abend bereitete ich mich vor für den grossen Trecking-Trip. Die Wäsche ist wieder sauber, der Preis dafür war unverschämt teuer (173‘000 IDR). Ich werde mit dem kleinen Rucksack unterwegs sein, für das grosse Gewicht sind dann die Porter zuständig…

Im Restaurant schräg vis-à-vis bekam ich am Abend gleich vier frittierte Fische serviert. Dazu trank ich einen Saft von roten, tomatenförmigen Früchten, die ich nicht kenne. Dann erschien Jonas nochmals im Hotel. Er sagte mir, dass es sehr schwierig sei, einen Transport für morgen früh zu organisieren. Da bliebe dann nur, einen Jeep zu chartern – für 3.5 Millionen Rupiahs, definitiv viel zu teuer. Im schlimmsten Fall bleibe ich halt noch einen weiteren Tag in Wamena.

Und dann wird Guido morgen 50 Jahre alt. Die nächsten Tage werde ich weder über Telefon- noch Internetverbindung verfügen, deshalb wurde Guido schon heute mit einem Anruf geehrt. Dieser dauerte aber nur Sekunden – und später fiel das Internet in Wamena zusammen…

 

Mo, 25.04.2016: Grosser Urwald-Treck Tag 1: Mbua: Ein Tag voller Überraschungen

Heute bin ich wirklich am Ende der Welt angelangt, in Mbua, einem verschlafenen Nest bereits jenseits der hohen Berge. Es ist klamm-kalt, ich sitze auf dem harten Bretterboden der sehr einfachen Lehrer-Wohnungen (!). Lehrern in Indonesien wird ein Arbeitsplatz zugewiesen, und dies ist definitiv nicht der Traumarbeitsort. Mbua liegt auf über 2000 m.ü.M. auf einem etwas flacheren Abschnitt eines mächtigen Tales mitten im Regenwald. Unterdessen sind die steilen Hänge nebelverhangen, es regnet leicht. Eben sind wir von einem Spaziergang durch dieses urtümliche Dorf zurückgekehrt. Es hat hier einige bessere Holzhäuser, wenn man aber etwas an den Hängen hochsteigt, findet man sie wieder, die runden Strohhütten, die Wände verstärkt mit vom Regen verwirkten, dunkelbraun-grauen Holzbrettern. Aber alles ist triefend nass, alle Wege sumpfig und tief. Die grösseren Hütten werden von Männern und Knaben bewohnt, die kleineren von Frauen und Mädchen. In der Mitte der Häuser ist eine einfache Feuerstelle eingerichtet. Wenn die Menschen kochen, dringt der Rauch aus den teils mit Grün bewachsenen Grasdächern, ein gespenstisches Bild mit dem Nebel im Hintergrund. Aber es ist ein trostloses, hartes Leben hier oben. Die Menschen, die dem Duka-Stamm angehören, leben ebenfalls vorwiegend von Süsskartoffeln, die aber nicht terrassenartig angebaut werden. Auf runden Erdhügeln mit zwei Meter Durchmesser werden sie hier gepflanzt und geerntet. Schweine hat es ebenfalls viele, aber sie laufen nicht frei herum, sondern sind an einem Bein mit einem fünf Meter langen Seil festgebunden. Zudem habe ich einige Hühner und Hä(h)ne gesehen.

Der Menschenauflauf, als wir Mbua nach knapp fünf Stunden Fahrt endlich erreicht hatten, war noch viel grösser als in den Dörfern im Baliem-Valley. Ich wurde förmlich von Blicken durchbohrt, die Menschen sind aber schüchterner hier, nur einige Männer und ganz mutige ältere Frauen schüttelten mir unendlich lange die Hand. Manchmal hängt man sich gegenseitig die Zeigefinger auch ein, um diese dann gleichsam spicken zu lassen, eine ganz besondere Begrüssung in diesem Stamm. Wir wurden zwar sehr freundlich empfangen, erlebten aber gleichwohl eine negative Überraschung, denn bald waren die Dorf-Obersten zur Stelle, welche sagten, dass sie es uns verbieten würden, talabwärts Richtung Südküste zu wandern. Offenbar wird in einigen Dörfern Opium angepflanzt, die Kriminalität ist gewachsen. Es wurden auch schon Menschen gekidnappt. Sogar Einheimische sind von diesen üblen Machenschaften geflohen und leben jetzt neu in Mbua. Ein klarer Wink, um morgen vielleicht wirklich nicht mit unserer Wanderung zu beginnen. Zudem fühle ich mich immer noch nicht ganz wohl, ich friere etwas und weiss nicht, ob ich doch bald etwas fiebrig werde. Aber noch ist nichts definitiv entschieden, denn Jonas ist eben weggegangen, um die Situation nochmals zu besprechen.

Obwohl ich am Morgen nicht wirklich wusste, was heute wirklich abgeht, stand ich schon um halb sechs Uhr auf. Ich duschte, vielleicht das letzte Mal für über eine Woche, und verpflegte mich am Frühstücksbuffet mit Nudeln, Ei und Toast. Dann holte ich beim Mandiri-Bancomaten zusätzliche zwei Millionen Rupiahs, damit das Geld auch wirklich reicht – hätte ich wohl besser nicht gemacht…

Um Viertel vor acht Uhr erschien Jonas mit einer positiven Überraschung. Es hatte ein Auto organisiert – für eine Million Rupiah, 200‘000 unter Budget! Ein alter Mann hatte das Auto gebucht, und wir konnten ebenfalls zusteigen. Aber dieser Mann hatte so eine brutale Ausdünstung, dass ich froh war, dass ich durch Natius, den Porter von ihm getrennt war. Der Typ hat sich wohl seit Jahren nicht mehr gewaschen und stank in einer Mischung aus Urin und Schweinestall fürchterlich…

Bald waren wir auf kurvenreicher, geteerter Strasse unterwegs Richtung Habbema-See. Ich wurde ein weiteres Mal überrascht, denn wir stiegen höher und höher. Die tropische Vegetation veränderte sich mit jedem Höhenmeter. Knorrige, mit Moos bewachsene Bäume kleben an den steilen Hängen. Gedrungene kleine Palmen (!) wachsen auf sumpfigem Boden in diesem Hochmoor. Auf über 3400 m.ü.M. bekamen wir den See in einem weiten Tal zu Gesicht. Weit und breit keine Siedlung, manchmal aufgegebene, unbewohnte Hütten. In diesem grossen Gebirgssee spiegelte sich der blaue Himmel. Was für ein Bild!

Aber jetzt ging’s noch viel weiter ins Gebirge. Der mächtige, über 4700 m.ü.M. hohe Gunung Trikora war zum Greifen nah, aber leider wolkenverhangen. Unterdessen war der Fahrweg äusserst rauh geworden. Ich stellte mir vor, mit meinem Töff hier durchzufahren, ich hätte wohl an einigen Stellen keine Chance gehabt, denn einzelne Abschnitte waren extrem steil und mit grossen Felsbrocken durchsetzt, und noch immer ging es aufwärts. Unterdessen wallten Nebel um die mächtigen Felsen, und endlich auf über 3700 m.ü.M. erreichten wir die Passhöhe, folgten jetzt einem Grat, ein dauerndes, steiles Auf und Ab. Und dann ging’s plötzlich extrem steil abwärts ins Mbua-Tal. Die Strasse ist hier noch im Bau. Mächtige Baumaschinen versuchten, Wasserrinnen freizusetzen, damit die dauernden Niederschläge die Strasse im Rohbau nicht gleich wieder wegspülen. Wir fuhren über mit grossen Steinen befestigte Abschnitte, auch überflutete, sumpfige Stellen. Aber der Fahrer hatte sein Fahrzeug diesmal im Griff. Schliesslich wurde es etwas flacher und in der Ferne erkannte man Mbua.

Es ist kalt hier oben auf über 2000 m.ü.M. Ich sitze ausserhalb der mehrteiligen Lehrerwohnungen in einem mit Heu belegten Küchenräumchen und beobachte Natius, wie er kocht. Das Feuer gibt angenehm warm. Nachdem der Reis perfekt gegart wurde, wurde Dosenfleischkäse in halbe Scheibe geschnitten und im Öl angebraten. Das Restöl wurde dazu verwendet, Süsskartoffelblätter wie Spinat zuzubereiten und mit Knoblauch und Salz zu würzen. Wir sassen einige Zeit an diesem Feuer, aber der Tag endet hier früh. Ich wünschte mir meine Liegematte und den Schlafsack, beide unterwegs nach Australien, denn ich musste mit einer ultradünnen Matte mit einem etwas schmuddeligen Schlafsack vorlieb nehmen. Der Boden ist hart, aber gleichwohl schlief ich schnell ein.

 

Di, 26.04.2016: Grosser Papua-Treck Tag 2: Hilfe, holt mich hier raus!

Schon gestern Abend war Jonas nochmals bei den Dorfoberen, um vielleicht doch noch eine Möglichkeit herauszufinden, wie wir Richtung Süden trecken könnten. Aber offenbar geht es wirklich nicht, es besteht eine grosse Gefahr, gekidnappt zu werden, und diesem Risiko will nicht einmal ich mich aussetzen. Es besteht momentan eine mehrschichtige Problematik in den Bergen. Offenbar geht das indonesische Militär wirklich gegen Opium-Anbauer vor, aber gleichzeitig möchte man die Widerstandsbewegung für die Unabhängigkeit Papuas bekämpfen. Erstaunlicherweise wusste auch der sonst gut informierte Jonas nichts von diesen Problemen. Für mich war Mbua definitiv nicht das Ziel, sondern ich wollte vor allem den Urwald und die darin lebenden endemischen Tiere (unter anderem eine kleine Art Känguru, Beuteltiere - Cuscus, Wildschweine, Paradiesvögel, Schlangen…) sehen und dann per Schiff auf einem Fluss die Küste erreichen. Aber ich landete in einer Sackgasse, dies ärgerte mich etwas, denn ich fühlte mich heute Morgen wieder recht fit. Zudem war strahlendes Wetter, und ich schaute etwas wehmütig talabwärts, zu gern hätte ich erlebt, wie es nach der Talbiegung weitergegangen wäre.

Ich hatte heute wenig Lust, mich erneut auf Gaffertour zu begeben. Die Menschen hier oben sind ebenfalls sehr freundlich, aber viel schüchterner, und ich komme mir allmählich blöd vor, die Menschen wie Affen im Käfig zu fotografieren. Zudem war heute Morgen ausnahmsweise kein Ford-Jeep erschienen, und wir laufen Gefahr, hier festzustecken. Genau dies möchte ich nicht. Es fühlt sich allmählich beklemmend an, mich mit Menschen zu beschäftigen, die dermassen anders leben. Zu Hause würde man denken, dass man mit dieser Lebensweise gar nicht überleben kann, denn noch am Morgen war es sehr kalt, und vom nächtlichen Dauerregen waren die Wiesen und Wege plitschnass, sumpfig, schmutzig.

Allmählich strömten aus allen Richtungen des weitläufigen Dorfes die Kinder zur Schule. In Reih und Glied besammelten sie sich auf einem einigermassen ebenen Platz, die Kinder waren mucksmäuschenstill, gleichwohl schien ihnen der Vorsteher der Schule die Leviten zu lesen. Einen wirklichen Schulbetrieb bekam ich nicht zu Gesicht. Namen der Kinder wurden verlesen, es wurde ihnen mit einem Stock ein Platz zugewiesen, aber bald war die ganze Schule am Reinigen des halbwegs fertigen, steilen Flugplatzes (!), liegengebliebene Abfälle wurden aufgelesen, das hohe Gras mit Macheten gemäht. Dann beobachtete ich unter Leitung einiger Militärs das Exerzieren einer Schülergruppe, aber keine Minute des wesentlichen Unterrichtes bekam ich zu Gesicht.

Die Zeit rann vor sich hin, an der Sonne war es unterdessen zu warm geworden, in den schattigen Räumen begann man zu schlottern, sodass ich immer wieder meinen Aufenthaltsort änderte. Ich begann in Zafons „Im Schatten des Windes“ zu lesen.

Und dann musste es plötzlich schnell gehen: Zwei Fords waren kurz nach Mittag eingetroffen, und wir mussten uns beeilen, einen der freien Plätze zu ergattern. Ich war froh, aus diesem Nest wegzukommen, aber ich kannte die Strecke, die jetzt zurückzulegen war. Und die hatte es erneut in sich. Diesmal war das schwierigste Stück aufwärts zu meistern. Lange Zeit gelang dies trotz der extremen Steilheit und der riesigen Steinbrocken und ausgewaschenen Abschnitte recht gut. Am schwierigsten Stück wurde auch heute gearbeitet. Der nächtliche Regen und die Geschiebe und Dreck bewegenden Bagger verwandelten den Fahrweg in einen Sumpf, und tatsächlich blieben wir fast radhoch im Schlamm stecken. Es war einer der Bagger, der uns aus der Patsche half und uns mit Hilfe eines Metallseiles aus dem Dreckloch zog! Viele Passagiere auf der Ladefläche hatten dieses Stück zu Fuss zurückzulegen und erschienen weiter oben von den Knien her abwärts wie gepflastert. Schliesslich hatten wir die über 1700 Meter Höhendifferenz mit Ach und Krach geschafft. Aber jetzt kam der Regen. Die felsigen Berge waren in Nebel gehüllt, die mit Moos bewachsenen, kleinen Bäume schienen sich wie gewaltige Dünnriesen aus der Trübe zu bewegen und näher zu kommen. Bald regnete es so stark, dass sich die sieben Passagiere auf der Ladefläche mit einer Blache schützten. Es war arschkalt hier oben auf 3700 m.ü.M., ungerne hätte ich meinen Platz im Auto hergegeben…

Schliesslich erreichten wir wieder den Habbema-See. In einem Unterstand hätten wir hier eine weitere Nacht bleiben können, um morgen früh Vögel zu beobachten. Aber es war mir schlicht zu kalt auf 3200 m.ü.M., dafür bin ich zu schlecht ausgerüstet. Ich wollte nur noch runter nach Wamena. Aber auch dies brauchte seine Zeit, denn der Fahrer fuhr in Schneckentempo, politisierte mit den beiden Militärs im Auto und hörte dazu noch zuckersüsse indonesische Schnulzen, die mir eher die Haare zu Berge stehen als mich schmelzen liessen. Zudem wusste ich noch nicht, wie einfach ich wieder zu meinen vielen bereits bezahlten Millionen Rupien kommen würde. Wir brauchten für die Rückfahrt über eine Stunde länger als für die Hinfahrt!

Jetzt sitze ich in einem einfachen, nicht wirklich sauberen Zimmer in Jonas‘ Haus. Eben haben wir einen Kaffee getrunken am Feuer, gleich daneben abgegittert, aber im selben Raum, säugt eine Schweinemutter ihre sieben Jungen. Diese Tiere werden hier wirklich vergöttert, werden hier auch sauber gehalten und scheinen zufrieden zu sein, auch wenn sie nur selten nach draussen dürfen. In diesem grösseren Holzhaus wohnt eine ganze Grossfamilie mit beinahe Dutzenden von Kindern, die am Boden vor einem kleinen Fernseher sitzen. Ich habe eben ein vom Morgen vorgekochtes fried rice gegessen. Die Finanzen wurden problemlos geklärt. Jonas hat mir voll vertraut – Rechnen scheint nicht sein Steckenpferd zu sein. 6.3 Millionen Rupiahs habe ich zurückerhalten. Meine Hunderttausenderscheine stapeln sich jetzt: Ich bin 18-facher Millionär (etwa 1300 Fr.), und ich weiss beileibe noch nicht, wie ich dieses Geld in diesem Land noch verbrauchen werde. Dabei achte ich immer peinlichst genau darauf, dass ich keine Fremdwährung in ein nächstes Land mitnehmen muss. Aber diesmal ist es wohl anders: Ich werde wohl zurückwechseln müssen.

Wie es weitergeht, wurde heute auch klar: Ich muss hier raus, versuche morgen früh auf dem Flughafen ein Ticket nach Jayapura zu erhaschen und möchte dann gleich weiterfliegen nach Sorong. Raja Ampat lockt!

 

Mi, 27.04.2016: Flüge nach Sorong/Westpapua

Jonas begleitete mich am Morgen zum Flughafen. Nichts Gutes liess sich allerdings erahnen, denn es hatte kaum Leute hier. Aber eine Wings-Maschine stand noch auf dem Startfeld, die bereits um 6.10 Uhr hätte abheben sollen. Und diesmal kam mir die Verspätung zu Gute. Schnell war ein Ticket gekauft (800‘000 IDR), ich huschte durch die Kontrollen und sass schon im kleinen Flugzeug, das mit drei Viertelstunden Verspätung abhob Richtung Jayapura. Nach 45 min erreichte ich Jayapura. Ich war von den letzten Tagen und auch der Nacht noch so durchgefroren, dass ich die tropische Hitze in Sentani richtig geniessen konnte.

Es ist, als ob ich Zug fahren würde. Ich prüfte die Tafeln, auf denen die nächsten abgehenden Flüge aufgeführt sind, und tatsächlich fand ich ein Garuda-Flugzeug, das um 11.30 Uhr über Sorong nach Makassar/Sulawesi fliegt. Für relativ teuer 1.8 Mio. IDR löste ich ein Ticket nach Sorong. Wenn ich Glück hätte, würde ich dort gerade noch die 2-Uhr-Fähre nach Waigeo, einer zwei Stunden entfernten Insel erreichen. Ich setzte mich auf dem Flughafen in ein Café, trank einen Papua-Kaffee und benutzte über das Handy das Internet. Ich schrieb einige Mail, eines davon an Lenor in Dili, die mir bald wenig Positives zurückschrieb. Mein Töff sitzt noch immer in Dili im Container fest, das Schiff, das am 24. April noch im Hafen war, ist längst weg. Es wurde mir berichtet, dass der Container nicht geladen wurde, weil wir nur 8 statt der erforderlichen 10 cm3 besetzt hätten und auf weitere zu transportierende Güter gewartet würde… Und dies wurde mir jetzt mitgeteilt! Ärger! Wir hätten ja leicht noch einen weiteren Kubikmeter kaufen können, wenn nur der Töff endlich unterwegs nach Australien wäre. So warte ich auf das nächste Schiff, das am 5. Mai ablegt, und der Container dürfte bis dann (hoffentlich) gefüllt sein, denn ich hatte auch Kontakt mit Bjarne und Mona aus Deutschland, die unterdessen auch in Dili angekommen sind und jetzt wohl denselben Container benutzen können.

Für mich bedeutet dies, dass ich noch weitere Zeit in Indonesien ausharren muss, bis mindestens 22. Mai. Allerdings läuft mein 30-d-Visum am 17. Mai ab, und allmählich habe ich eigentlich genug von Indonesien gesehen. Ich werde weitere Tage in diesem Land verbringen (müssen), denn das Warten ist hier sehr viel kostengünstiger als in Darwin. Dafür erhielt ich von David aus Darwin die Mitteilung, dass mein neues Carnet bereits angekommen ist.

Die Maschine nach Sorong hatte etwas Verspätung, sodass ich zwanzig Minuten zu spät in dieser kleinen, wenig sehenswerten Stadt ankam. Das Leben hier ist wieder viel „indonesischer“ als noch im Osten, es hat viel weniger Melanesier, aber auch hier wurde ich sehr freundlich empfangen. Ich fuhr mit zwei gelben Sammelbüschen zum Hafen, natürlich um festzustellen, dass mein Schiff vor wenigen Minuten abgelegt hat. Ein etwas Englisch sprechender Einheimischer führte mich dafür zu einem nahen, kleinen Homestay, wo ich mich für 150‘000 IDR in ein sauberes, kleines Zimmer einmietete. Dann führte mich John in die Stadt zum Pelni-Office. Es gibt von hier aus immer wieder grosse Fähren, die nach Sulawesi oder die Molukken ablegen – dies könnte dann mein nächstes Ziel nach Raja Ampat sein. Zu gerne würde ich einige Tage vorhüpfen. Aber immerhin weiss ich das nächste Ziel – Kri, eine kleine Insel im Raja-Ampat-Gebiet mit Weltklasse-Schnorchel- und Tauchspots.

In einem Supermarkt deckte ich mich auch wieder einmal mit einigen Bieren ein. Das Essen am Hafen war basic, kalter Padang-Food für 15‘000 IDR (1 €). Ich sass noch lange auf der Terrasse meines Guesthouses, las im Zafon.

Die Nacht war heiss, aber der Fan sorgte für die benötigte Kühlung. Meine Sorgen sind relativ – ich habe erfahren, dass es zu Hause auch Ende April noch schneit, dieses Hudelwetter brauche ich ja schon auch nicht. Ich wurde heute in Sorong zwar mit einem heftigen Regenschauer begrüsst, der aber gleich nachliess, als ich mich zu den gelben Sammeltaxis ausserhalb des Flughafens begab. Mit diesem Transport habe ich erneut gespart und nur 5000 statt 100‘000 IDR bezahlt…

 

Do, 28.04.2016: Raja Ampat

Neue Planung war angesagt heute Morgen. Zuerst suchte ich nach Pelni-Schiffen, die vor Sorong ablegen und fand im Internet tatsächlich eines, das am 4. Mai Richtung Bau Bau – Makassar/Sulawesi ablegt. Dann wurde mir bewusst, dass ich damals von Dili herkommend doch besser ein verlängerbares, zu bezahlendes Indonesien-Visum besorgt hätte, denn mit meinem Gratis-Visum bin ich gezwungen, am 17. Mai das Land zu verlassen. Pro Tag Überzeit würde ich 30 $ bezahlen! So buchte ich einen Flug von Denpasar nach Darwin für den 17. Mai, Jetstar, Abflug 2.30 Uhr nachts für gerade mal 70 $! Kurze Zeit später bemerkte ich, dass ich noch einen Tag länger hätte bleiben können, weil der Flug frühmorgens ablegt. Egal! Denn ich nahm auch wieder Kontakt mit David in Darwin auf, und so wie es aussieht, wird er mich beherbergen, bis mein Töff dann endlich in Darwin ankommt! Ich werde also vermutlich gute zehn Tage Zeit haben, um auch Sulawesi, wenigstens den südlichen Teil davon, etwas kennenzulernen.

Am Mittag stand ich schon am Hafen, etwas zu früh, sodass ich Zeit hatte, in einem kleinen Restaurant eine ausgezeichnete Fischsuppe mit Reis zu essen (10‘000 IDR!, für nicht mal einen Franken). Dann besorgte ich das Ticket nach Waisai (125‘000 IDR), und das rote Schnellboot legte fast pünktlich nach 14 Uhr ab. Ich setzte mich auf das offene Hinterdeck, las etwas. In Waisai wurde ich gleich von einem Offiziellen empfangen, der mich in die grosse Empfangshalle führte. Ich wusste schon von Jackie, dass ich hier ein Million Rupiahs Eintritt zu bezahlen hatte (70 Fr.!). Ich hatte hier einige Zeit zu warten, holte das Geburtstagstelefon mit Guido nach. Dann wurde ich in einem Privattransport mit einem kleinen, aber überaus schnellen Boot nach Kri gefahren. Es war nicht mehr weit zu gehen bis zu meinem Mombreton Homestay, wo ich einen kleinen Bungalow direkt am Strand bezog. Ich traf hier auf ein schweizerisch-ungarisches Paar und eine junge russische Familie. Nach dem schmackhaften Abendessen spielten wir ein russisches, mathematisches Kartenspiel – Vica, der russische, aufgeweckte Junge gewann! Das Meer ist flach und ruhig, aber schon bei der Einfahrt auf die Insel sah ich beim grossen Steg unzählige Fische, die ich dann morgen genauer unter die Lupe nehmen werde. Kri ist eine kleine Insel, jetzt noch verschlafen mit wenigen kleinen Resorts, aber der Tourismus wird hier wohl bald gross aufkommen, denn auf Waigeo wurde eben ein kleiner Flughafen eröffnet. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die ersten Direktflüge von Denpasar hier ankommen. Raja Ampat, gesegnet mit vielen traumhaften, karstigen Inseln mit grossartigen Tauchgründen, vergleichbar mit Krabi in Thailand, ist jetzt noch ruhig, aber (leider) wohl auf dem Sprung zu einer grossen Touristen-Destination.

Es war eine extrem ruhige Nacht, fremdartige Vogelstimmen weckten mich am Morgen, und die Ratten, die irgendwo im Dach Fangen spielten, hatten sich auch verzogen. Wohlweislich hatte ich meine Guetzli an Schnüren aufgehängt, damit sie ihnen nicht zum Opfer fallen.

 

Fr, 29.04.2016: Schnorchel- und Tauchparadies Kri

Eigentlich wollte ich heute bereits auf einen noch gestern abgemachten Tauch- und Schorcheltrip begeben. Als wir um 7.30 Uhr aber bei der kleinen Tauchstation eintrafen, wurde das Programm kurzfristig geändert. Der besuchte Ort eignet sich besser zum Tauchen als zum Schnorcheln. Und das (Ohr-)Risiko des Tauchens wollte ich nicht eingehen.

So wanderte ich mit Vica und seinem Vater raus zum Steg, wo einige Riffhaie ihre Runden zogen. Es war mir ganz recht, hier gleich vor Ort mit Schnorcheln zu beginnen. Die Sicht war zwar nicht sensationell, aber die Unmengen von Fischen waren absolut begeisternd. Skorpion-, Anemonen-Fische, aber auch ganze dichte Schwärme von unbekannten Fischen durchschwamm ich Richtung Osten. Die leichte Strömung trieb mich zu einem weiteren, kleineren Steg, von wo aus ich wieder zurückspazierte zum grossen Steg. Eine Papua-Frau entschuppte hier grosse Fische für das Mittagessen, die Fischköpfe landeten im Wasser, die im Nu von den mächtigen Riffhaien gepackt, weggeschleppt und mit Wonne verzehrt wurden.

Den Nachmittag verbrachte ich mit dem achtjährigen, cleveren Vica, dessen Eltern wegen Zahnbeschwerden der Mutter per Boot nach Waisai gefahren waren, mit dem ich Schach und Memory spielte. Schliesslich forderte er mich auch noch in einem russischen Kartenspiel heraus, aber meine Russisch-Kenntnisse waren nicht genügend, um das Spiel auch wirklich zu verstehen. Dann las ich etwas, bevor ich mich aufmachte zu einem weiteren Schnorcheltrip im Westen der Insel. Ich sah zwei Meeresschildkröten und erneut eine grossartige Unterwasserwelt. Auf dem Rückweg beobachtete ich drei Kinder, wie sie mit einfachsten Mitteln versuchten, kleine Fische aus dem seichten Wasser zu fangen. Am Abend zog ein Gewitter auf. Sogar im Bungalow wurde alles klamm-feucht. Ich hatte keine Lust, den Kilometer zum besser besetzten Resort zu gehen, um für morgen einen Ausflug zu organisieren. Deshalb schlief ich schon früh ein.

 

Sa, 30.04.2016: Weiterhin an Ort

Am Morgen schien wieder die Sonne, ideal für einen weiteren Schnorchelausflug. Diesmal startete ich direkt vor meinem Bungalow und schwamm gegen drei Stunden dem Riff der Insel entlang Richtung Osten. Wiederum konnte ich Tausende von vielfarbigen Fischen beobachten, darunter auch zwei elegant vorüberziehende Riffhaie. Auf dem Rückweg erschrak ich, als plötzlich eine riesige grün-schwarze gefleckte, anderthalb Meter grosse Echse im Weg stand, aber schnell auf einen Baum kletterte, als ich näher trat.

Nach dem Mittagessen wollte ich meine vielen neuen Fotos und Filme sichten und verbrachte einen weiteren faulen Nachmittag mit Lesen. Am späteren Nachmittag schwamm ich von unserem Strand schnorchelnd zum Westrand der Insel, aber gegen die Gegenströmung war nicht anzukommen, sodass ich nochmals Richtung Osten schwamm, begleitet von unzähligen Fischen. Leider hatte ich wiederum nicht den richtigen Moment erwischt, um die draussen immer wieder springenden Mantas zu sehen. Am Abend las ich den ersten Zafon beinahe fertig. Einzuschlafen war heute nicht so einfach, weil eine Rattenmutter mit ihren Jungen im Bungalow-Dach Fangen spielten.

 

So, 01.05.2015: Unterwasser-Wunderwelt

Unter Wasser befindet man sich wie in einer anderen Welt. Die Formenvielfalt und der Farbenreichtum sind beinahe nicht zu beschreiben. Ich würde mich gerne für kurze Zeit in einen kleinen Mandarinen-Fisch verwandeln. Zwischen den steil aufragenden, festen oder weichen Korallen würde man sich wie in einem gewaltigen Gebirgsmassiv mit runden, senkrechten Wänden befinden. Man könnte sich in den vielen Schlupflöchern verstecken, in Höhlen eindringen und wäre erst noch geschützt vor herumschwimmenden Räubern. Vor allem die Mandarinen-Fische machten sich einen Spass daraus, in den weichen, in der Strömung wie wehenden dicken, olivgrünen Fäden zu verschwinden, just wenn meine Kamera schussbereit war. Riesige Beete von zackigen, rauhen Korallen, gleichsam besetzt mit Saugnäpfen glitten wie in Zeitlupe an mir vorbei. Ganze Teppiche von hellbraunen Flächen, deren Ausstülpungen wie Pilze aussehen, werden von neonfarbigen Fischen als Nahrungsquelle benutzt. Eigentlich wundere ich mich, dass die meisten Fische so farbenreich sind, denn so sind sie schon von weit als leichte Beute zu erkennen. Einige grössere Exemplare sind aber so gut getarnt, dass man sie auf dem Boden des seichten Meeres fast nicht erkennen kann. Andere schützen sich damit, dass sie sich gleich Synchron-Schwimmerinnen in schierer Perfektion in riesigen Schwärmen fortbewegen. Die grösste Freude machten mir auch heute zwei Schildkröten, die aber leider immer tiefer abtauchten, vor allem als ich ihnen zu folgen versuchte. Beinahe immer an derselben Stelle beobachtete ich die dicken Breitkopffische, die mich mit ihren riesigen Augen neugierig in Augenschein nahmen; netterweise verhalten sie sich, wie sie aussehen: Erst wenn man ihnen wirklich nah ist, entschliessen sie sich doch noch für die Flucht.

Ich war erneut gegen drei Stunden im Wasser, schwamm vom Westende der Insel bis zum ersten Steg des französischen, kleinen Resorts. Schon am Morgen hatte ich meinen ersten Zafon fertiggelesen. Allmählich kommt das Kribbeln zurück, ich habe mich genug ausgeruht, weshalb ich mich am Nachmittag auf die Suche nach einem Trip auf eine andere Insel machte. Beim Franzosen diskutierte ich lange mit einer Zürcherin und einem Deutschen, beide Taucher. Dieses Tauchrisiko gehe ich nicht mehr ein, ich bin nur schon zufrieden, wenn ich schnorcheln kann. Die Ohrpfropfen sind offenbar doch mehr wert, als ich dachte, ich verspüre nach mehreren Schnorchelgängen keinerlei Schmerzen.

Zum erstenmal seit langem klage ich über einige Mückenstiche, seit dem vorgestrigen Regen haben sie sich offenbar mehr als erwünscht vermehrt. Ich befinde mich in einem Malaria-Risiko-Gebiet. Ich schütze mich des Nachts immerhin mit einem Moskitonetz, derweil andere die Umgebung mit meiner Meinung nach unnützen Hautsprays verpesten… Je mehr man sich ängstigt, umso eher holt man sich was, wie jene junge Schweizerin, die seit fünf Monaten Malaria-Prophylaxe-Tabletten einnimmt, schliesslich aber an Dengue-Fieber erkrankt ist…

 

Mo, 02.05.2016: Ratteninvasion und sich rar machende Mantas

Sobald es eindunkelt, beginnt es im trockenen Grasdach zu rascheln, und dann erscheinen sie stinkfrech, werfen einen kurzen Blick auf mich und wandern den dünnen, runden Hausbalken entlang und verschwinden in meinem Schlafraum. Das Treiben war diese Nacht besonders bunt, ganze Scharen dieser etwas zwielichtigen, eigentlich putzig aussehenden Tiere trieben sich in meinem Zimmer herum. Offenbar hatten sie meinen an einer Wäscheleine aufgehängten Sack mit Guetzli gewittert, der für sich zwar nicht leicht, aber doch zu erreichen war. Dem Rumpeln nach zu urteilen, stürzten einige Tiere zu Boden, während sie sich am Plastik zu schaffen machen. Die Geräusche weckten mich auf. Tatsächlich hatten sie sich schon beinahe bis zu den Erdnüssen vorgearbeitet, sodass ich die Tüte mitten im Zimmer an einer Schnur aufhängte, ein wohl definitiv sicherer Ort. Interesse weckte offenbar auch mein Necessaire, vor allem die Imodium-Tabletten, dessen Kartonverpackung zur Hälfte aufgefressen war. Die zwei fehlenden Tabletten dürften zu einer deftigen Verstopfung der Tiere geführt haben…

Am Morgen war ich schon um halb acht Uhr bei Cédric, dem Franzosen. Zu viert fuhren wir auf einem Schnellboot raus zu einer eine halbe Stunde entfernten, seichten, türkisgrünen Stelle nach der kleinen Insel Arborek. Hier lassen sich Manta Rays, die eleganten Meeresgiganten gerne von kleineren Fischen säubern. Aber wir hatten kein Glück – die Tiere hielten sich heute woanders auf. So fuhren wir nach Arborek, einer touristisch etwas weiter entwickelten Insel, um dort etwas zu schnorcheln und zu tauchen. Aber erstens sind Teile des Riffs zerstört, zweitens war die Sicht heute überaus schlecht. Aber der Trip vorbei an verschiedenen, bewaldeten, grösseren und kleineren Insel war gleichwohl ein Ausflug wert.

Den Nachmittag verbrachte ich mit Lesen, dann war ich beim Hausriff Richtung Osten nochmals am Schnorcheln; auch hier war die Sicht nicht gut, zudem musste ich gegen die leichte Strömung schwimmen. Nach einem Bier und einem Gespräch mit einem Amerikaner und einer Deutschen und einem einfachen Abendessen mit Fisch, Gemüse und Reis fragte mich Thina, ob ich morgen eine Gruppe von indonesischen Touristen nach Fam begleiten wolle. Ich sagte freudig zu, denn diese entfernte Inselgruppe ist recht schwer oder zu hohem Preis zu erreichen. Den kleinen Trip mit Cédric auf die Westseite der Mansoura-Insel sagte ich ab.

Und dann noch dies: Bjarne, obwohl schon seit einer Woche in Dili, schrieb mir heute, dass sie unseren Container für das Schiff am 5. Mai (noch) nicht benützen würden – bad news, denn somit ist es einmal mehr unsicher, ob der Container mit dem nächsten Schiff auch wirklich mitgeht. Warten wir einmal ab, wie Lenor reagiert. Tatsächlich überlege ich mir, nach Dili zurückzufliegen, dann mit dem Töff nach Denpasar zu fahren und den Töff per Flugzeug nach Australien zu schaffen…

 

Di, 03.05.2016: Reisen auf Indonesisch: Heute auf Fam

Ich kam heute ganz günstig (500‘000 IDR) zu einem ganztägigen Ausflug per Schnellboot, und kurz nach sieben Uhr war ich wie gestern Abend auch abgemacht schon bereit für die Abfahrt. Aber die illustre indonesische Reisegruppe aus Jakarta, eine exaltierte, neureiche Dame mit krummen, schwarzen Zähnen und ihre hübsche, junge Tochter, die auf dem Weg mehrmals die Kleider wechselte und ihr Gesicht puderte, zwei verschleierte, eher fester gebaute Damen mit ihren Ehemännern und eine junge, etwas verbreiterte, aber gut Englisch sprechende, junge,nette Frau brauchten schliesslich eine Stunde länger, bis sie bereit waren. Ich wurde freundlich auf das Boot aufgenommen, war aber nicht erstaunt, dass von allem Anfang an eine Flut von Fotos, vor allem Selfies geschossen wurden. Dies störte weiter nicht, weil wir bald in einem Affenzahn über das spiegelglatte Meer Richtung Fam-Islands unterwegs waren.

Hinter uns türmten sich schwarze Wolken, aber wir waren in entgegengesetzter Richtung nach Westen unterwegs. Tatsächlich waren wir den Wolken entkommen, als wir die vielen Karstinseln Fams erreicht hatten. Der Ausflug hatte wenig mit Abenteuer zu tun. Zwar sind die Inseln so abgelegen, dass sich nur wenige Touristen hierher verirren. Wir steuerten gleichwohl die mit Steg vorbereiteten Touristenspots an. Ohne vernünftige Schuhe wären die steilen, scharfkantigen Felsinseln nicht besteigbar gewesen, aber da führte einmal eine Holztreppe zum Aussichtspunkt. Ich erinnerte mich sofort an die Karstfelsen von El Nido auf den Philippinen 1990 oder Krabi 2015. Mehrere rauhe Inseln ragen steil aus dem türkisfarbenen Meer. Durchaus schöne Aussicht! Natürlich liess ich es mir nicht nehmen, in diesem Zuckerwasser eine Runde zu schwimmen, die Indonesier sind eher wasserscheu und kamen keinesfalls auf die Idee, es mir gleichzutun. Der zweite Aussichtspunkt war erreichbar über betonierte Treppenstufen. Das Theater war gross, bis die ganze Gesellschaft den Hügel erklommen hatte. Aus allen Positionen wurde fotografiert, posiert, gelacht und unaufhörlich geredet. Die Stimmung in Ruhe geniessen war unmöglich. Die Vegetation auf diesen Inseln ist sehr eigen, denn das Wasser der Niederschläge fliesst gleich direkt in den Karst, den Pflanzen bleibt kaum Zeit, die Flüssigkeit aufzunehmen, deshalb ist die Landschaft erstaunlich trocken.

Auf dem Rückweg machten wir im schon bekannten Arborek Halt. Nach einem Lunch mit Reis, Fisch und Gemüse war ich bald schnorchelnd unterwegs und kämpfte gegen die Strömung aus verschiedenen Richtungen. Die Sicht unter Wasser scheint jeden Tag schlechter zu werden, trotzdem entdeckte ich eine noch nie gesehene schwarz-weiss gefleckte Wasserschlange! Als ich nach einem Kilometer Schwimmen wieder beim Boot eintraf, versuchten sich auch die anderen mit Schnorcheln. Deren Radius war aber kaum zehn Meter rund um das Boot…, ein Schauspiel! Dann erwartete ich eigentlich, dass wir nach Kri zurückkehren, aber wir fuhren noch etwas weiter bis zu einer weissen Sandbank mitten im Meer, nahe Kri, umgeben von kristallklarem, türkisgrünen Meer. Dazu schien die Sonne, ein absolut perfektes Schwimmerlebnis und ein sich mir definitiv einprägendes Bild, wenn ich weiss, dass zu Hause wegen des vielen Schnees über Auffahrt die Chäserugg-Bahnen nochmals geöffnet sind!

Dann ging’s wirklich zurück. Ich wusch gegen Abend einige Kleider aus, die jetzt vor meinem Bungalow hängen. Zur Belohnung legte ich mich in die Hängematte, trank ein Bier und las im zweiten Zafon „Der Gefangene des Himmels“, den ich heute bereits fertiglas und nicht von gleicher Qualität wie das Erstlingswerk ist. Von Lenor aus Dili las ich leider keine Antwort, kein gutes Zeichen…

 

Mi, 04.05.2016: Das Ohr meldet sich zurück und lästige News aus Dili

Über Nacht hat sich mein linkes Ohr erneut leicht entzündet. Sobald ich etwa tiefer tauche (wie gestern), vermag offenbar Salzwasser in heikle Regionen meines Ohrs vorzudringen und eine neue Entzündung hervorrufen. Dies bedeutete für mich heute Wasserverbot, ich weiss mittlerweile, wie ich damit umzugehen habe.

Schon gestern deutete sich an, dass der Container in Dili wohl auch am 5. Mai stehen bleibt. Bjarne und Mona haben sich offenbar ärgerlicherweise entschlossen, ihre Motorräder erst das nächste Schiff zu laden, wodurch ich weiterhin in Asien blockiert bleibe. Ich zog sogar in Betracht, zurück nach Dili zu reisen, um den Töff selber auszulösen und zurück nach Denpasar zu fahren, um ihn dort per Flugzeug nach Australien transportieren zu lassen, verwarf die Idee aber schliesslich wieder.

Allerdings hält mich auch nichts mehr hier, weil ich das herrliche Wasser nicht mehr benutzen darf, womit ich morgen abreisen werde. Wahrscheinlich nehme ich jetzt doch noch Papua New Guinea in Angriff, zusätzlich vielleicht die Solomon-Inseln, was bedeutet, dass ich den bereits gebuchten Flug von Denpasar nach Darwin wohl verfallen lasse. Da war ich dann doch zu optimistisch, dass ich mit Australien gegen Ende Mai endlich beginnen kann – es wird bestimmt Juni werden. Tatsächlich bin ich etwas Asien-müde geworden, aber was bleibt mir anderes übrig, als hier noch zu verbleiben. Aber Indonesien kann es nicht sein, weil das nicht verlängerbare Visum am 17. Mai ausläuft, sodass ich ziemlich sicher die Grenze nach Papua New Guinea überqueren werde und dort entweder dieses bekanntlich sehr teure Land in Angriff nehme oder dort erneut ein indonesisches Visum beantrage.

Ich verbrachte einen faulen Tag im Mambetron und begann in einem neuen Buch zu lesen: Mikkel Birkegaards Die Bibliothek der Schatten. Am Nachmittag machte einen Spaziergang zum Franzosen, trank ein Bier und unterhielt mich mit einigen neu angekommenen Touristen aus Dänemark und Frankreich. Aber es bleibt nicht viel zu tun hier, vor allem am Abend. Früh legte ich mich zu Bett, die Ratten haben unterdessen eingesehen, dass es in diesem Raum nichts zu holen gibt – seit ich alles Essbare entweder aufgegessen oder so aufgehängt habe, dass sie keine Chance mehr auf einen Zugang haben.

 

Do, 05.05.2016: Raja Ampat ade!

Wiederum war ich recht früh wach, packte meine Sachen zusammen und machte mich reisefertig. Ich sortierte meine kürzlich geschossenen Fotos und war überrascht, als Thina mir zurief, dass das Boot nach Waisai überraschend früh ablegen würde. Wir nahmen bei einem nahen Resort eine französische Familie mit ihren beiden Kindern auf. Es hatte leichte, giftige Wellen auf See, die dafür sorgten, dass ich wegen der feinen Spritzer bald ziemlich durchnässt war, wenigstens auf der rechten Seite.

Wir erreichten Waisai schon vor dem Mittag (diesmal nur 200‘000 IDR), wo ich ein Ticket für die grosse Fähre nach Sorong besorgte (125‘000 IDR). Dann war Warten angesagt, denn um 14 Uhr war noch weit und breit keine Fähre in Sicht. Mit zweieinhalb Stunden Verspätung erschien das rote Boot. Die Idee, auf einer nahen Wiese unter einem Baum zu lesen, erwies sich als nicht so angenehm. Angriffige Ameisen hatten meinen ganzen Rucksack verseucht, Hunderte von diesen Tieren hatten einen Weg in diesen gefunden und taten sich gütlich an den süssen Biscuits, die ich eben noch gekauft hatte.

Erst kurz vor fünf Uhr ging es wirklich los. Das Boot war vollgepfercht mit Passagieren und bestimmt mehr als überladen, aber den Bolehs (den Ausländern) war Vortritt gelassen worden beim Zustieg auf das Schiff, sodass ich problemlos einen freien Platz auf dem offenen Deck fand. Hier beobachtete ich während der Fahrt zwei Stunden lang einige ältere Herren, darunter den Schiffspolizisten, wie sie Domino spielten. Es war schon dunkel, als wir Sorong erreichten. Wiederum stieg ich im bekannten Penginapan ab, wo mir eine einfache Nudelsuppe mit Ei serviert wurde.

Dann versuchte ich einen Flug nach Jayapura zu buchen, aber dies war eine zeitraubende Angelegenheit, weil zuerst meine Kreditkarte nicht akzeptiert wurde und dann das Internet ausstieg. Meine 3.5 GB Internet waren offenbar schon wieder aufgebraucht, sodass ich mich auf die Suche nach einem Laden machte, wo meine indonesische Nummer nochmals mit derselben Menge geladen wurde (7 Fr.). Jetzt schaffte ich es, über Momondo tatsächlich den Flug für morgen zu buchen, aber wiederum erst im zweiten Anlauf, weil die billigsten Plätze unterdessen verkauft waren. Für 660‘000 IDR (50 $) fliege ich morgen nach Jayapura…

 

Fr, 06.05.2016: Eine unruhige Nacht mit bösem Erwachen

Ich war noch nach Mitternacht hellwach und hatte tatsächlich Mühe mit Einschlafen. Erstens ist es wohl das Reisefieber, zweitens die grosse Hitze und drittens die vielen lästigen Moskitos, die mich erst um zwei Uhr einschliefen liessen. Und dies sollte Folgen haben: Denn als ich erwachte, war es schon hell. Halb sieben Uhr! Und um 6.50 Uhr flog meine Maschine! Verschlafen! Zu dämlich!

Im Nu hatte ich meine Sachen zusammengepackt und erreichte den nahen Flughafen just um 6.50 Uhr, aber diesmal hatte die Maschine keine Verspätung, sie hob mehr oder weniger pünktlich ab, sodass ich den gestern mühselig erkauften Flug tatsächlich verpasste! So ein Ärger!

Wenigstens hatte ich Glück, dass um neun Uhr per Garuda noch eine zweite Maschine nach Jayapura ablegte. Schnell war ein Ticket gekauft (825‘000 IDR, 60 Fr., die Hälfte des Hinfluges!). Ich fand jetzt dafür Zeit, die nötigen, vorbereiteten Unterlagen für den Visumsantrag für Papua Neu Guinea in Jayapura in einem nahen Hotel ausdrucken zu lassen. Aber ich fühlte mich verständlicherweise müde. Ich war aber gleichwohl zufrieden, dass diese Maschine ebenfalls pünktlich ablegte und ich Jayapura um elf Uhr erreichte. Hier fuhr ich per Flughafenbus (36 km, 50‘000 IDR) in die Stadt. Ich wollte direkt zum Konsulat Papua Neu Guineas fahren gleich neben dem Hotel Le Premiere. Als ich hier nach zwölf Uhr ankam, ahnte ich es schon – die Botschaft war geschlossen, öffnete auch nach eins Uhr nicht, wie sie es nach meinen Informationen hätte tun sollen. Indonesischer Feiertag! Über den ich natürlich nicht informiert war. Zudem war das Hotel voll besetzt, aber nicht weit entfernt fand ich ein weiteres Hotel, das Horyzon, zwar nicht billig (350‘000 IDR), aber mit geräumigem, sauberem, klimatisiertem Zimmer.

Aber es läuft momentan nicht wirklich rund, denn ich stecke jetzt in dieser wenig sehenswerten Stadt erneut mindestens über das Wochenende fest, und zudem bin ich nicht einmal sicher, ob ich die 55 km entfernte Grenze nach Papua Neu Guinea auch wirklich überschreiten kann, denn die Infos im Internet sind widersprüchlich, manchmal scheint eine Reise nach Vanimo/PNG möglich zu sein, manchmal aber auch nicht. Es scheint in der Region immer mal wieder zu Unruhen zu kommen wegen der Unabhängigkeitsbemühungen der Menschen in Papua. Ich entschloss mich aber trotzdem, hier auszuharren und werde halt erst am Montag versuchen, zu einem Visum nach Papua Neu Guinea zu kommen.

Ich machte mich am Nachmittag auf einen Spaziergang durch die heissen, staubigen Strassen dieser Stadt, steuerte ein auf google maps eingezeichnetes Restaurant an – 10derloin. Ich war der einzige Gast in diesem Lokal, aber ich hatte grosse Lust auf ein Steak – natürlich ein Tenderloin, überaus zart und von guter Qualität, aber es ist mir schleierhaft, wie der Koch es geschafft hat, dieses anzubraten, ohne dass es dabei heiss wurde. Auch in dieser Stadt wird kein Bier verkauft (!), sodass ich mit einem Fruchtsaft vorlieb nehmen musste. 400‘000 IDR der saftige Preis, westliche Verhältnisse.

Ein Schläfchen danach im klimatisierten Zimmer tat gut, aber ich zerriss keine Stricke mehr, las im Birkegaard. Gleich hinter dem Hotel schien des Nachts die Post abzugehen, ich wohne wohl gleich neben dem Puff… Was für ein eigenartiger Groove in dieser Stadt. Zwar wird überall gebaut, einige Menschen scheinen zu Geld gekommen zu sein, aber das Gros lebt in ärmlichen Verhältnissen, gleich hinter dem vermuteten Bordell kriecht ein grauer, stinkender Fluss Richtung naher Küste.

 

Sa, 07.05.2016: Das Feststecken im Feststecken

Es ist unerträglich heiss in Jayapura. Ich wage mich kaum von meiner Insel zu entfernen. Die Insel besteht aus einem etwas düsteren, aber geräumigen und vor allem per Air-Condition heruntergekühlten Zimmer, in dem ich mich heute die meiste Zeit aufhielt und wenigstens nicht allmählich verdampfe. Es galt heute, Zeit verstreichen zu lassen, denn Jayapura bietet nichts wirklich Sehenswertes. Erst nach dem Mittag verliess ich das Zimmer, weil ich Hunger hatte. Das Horyzon liegt etwas abseits der Hauptstrasse und ist nur erreichbar über eine staubige, mit Abfall übersäte Strasse. Die Ebbe hatte dafür gesorgt, dass die Kloake von einem Fluss nahe dieser Staubstrasse wasserfrei war. Grauschwarzer Schlamm gärt vor sich hin und sendet üble Gerüche in die Umgebung. An diesem Schlamm stehen auf Stelzen stehende Häuser, die Menschen befinden sich auf den einfachen Terrassen und haben sich an den Gestank wohl gewöhnt.

Wenn ich das Haus verlasse und der Staubstrasse folge, werde ich von neugierigen, einheimischen Menschen freundlich begrüsst. „Hello misteeer!“ „Good night!“ – obwohl die Nacht noch lange nicht hereingebrochen ist. „How are you?“ von den vielen Kindern, die mich strahlend mustern. Die Englischkenntnisse sind hier minimal. Der Spaziergang dauerte nicht lange, ich stieg in einem kleinen Restaurant ab, wo ein Grill voller glühender Kohle stand. In einem grossen, aquariumähnlichen Gefäss schwammen Fische. Einen solchen bestellte ich, natürlich frisch, hervorragend gewürzt, begleitet mit Reis, je zwei Gurkenscheiben und Salatblättern und einem zähen dunkelgrünen Spinatgemüse. Lecker!

Ich fand heute genügend Zeit für das Schreiben des Blogs Teil 22, stellte fest, dass ich damit schon wieder das ganze Internetguthaben aufgebraucht hatte, sodass ich am Abend mein Handy mit weiteren 3.5 GB auflud (105‘000 IDR). Ich schaltete den Fernseher ein, aber der Schrott, der hier läuft, ist noch unerträglicher als derjenige zu Hause. So fand ich Zeit zum Lesen. Ich bin erneut grausam blockiert hier. Natürlich könnte ich zu einem vier Kilometer entfernten Strand fahren, aber auch dazu habe ich keine Lust. Wie gerne würde ich jetzt mit Freunden einen Jass klopfen!

Ich besorgte mir heute die aktuelle lonely-planet-Ausgabe für Papua Neu Guinea und die Solomon Inseln und hatte viel Zeit für die Planung der nächsten Wochen. Ich stellte fest, dass das Reisen dort erstens sehr anstrengend wird, weil es kaum Strassen gibt, und zweitens sehr teuer wird. Zudem weiss ich noch immer nicht, ob es überhaupt möglich ist, von hier die Grenze nach PNG zu überqueren.

Ich hasse diese neuerliche Blockade, die Reisemotivation ist auf einem Tiefpunkt.

 

So, 08.05.2016: Ein Jahr unterwegs!

Vor einem Jahr hätte ich nicht gedacht, dass ich an diesem Tag Australien noch nicht erreicht habe. Natürlich dauert meine Reiseblockade auch heute noch an, fühlt noch schlimmer an. Genau ein Jahr lang bin ich heute unterwegs. Dieses Jahr kommt mir vor wie ein Traum, ich kann kaum glauben, dass ich tatsächlich schon ein Jahr lang unterwegs bin. Dank des Schreibens und der vielen Fotos und Filme sind mir noch so viele riesige Erlebnisse und Erfahrungen präsent. Ziel ist und bleibt Australien, aber im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass es danach tatsächlich noch weitergeht. Tage wie diese nagen extrem an der Reisemotivation. In PNG wären Wahnsinnstrips möglich, aber bringe ich die Energie dafür noch auf? Natürlich weiss ich ganz genau, dass sich diese etwas depressive Stimmung auch wieder verändern kann. Der fahrbare Untersatz fehlt gewaltig. Er ist so gut geeignet, in Stimmungsphasen wie dieser von einer Minute auf die andere ausbrechen zu können. Ich sehne mich wirklich nach dem Tag, an dem ich meinen Töff in Darwin in Empfang nehmen kann.

Aber noch habe ich in Jayapura einen weiteren Tag zu warten, um herauszufinden, wie meine Reise wirklich weitergeht. Es ist wenig erstaunlich, dass ich hier noch keinen westlichen Touristen getroffen habe. Ich habe aber auch keine grosse Lust, mich an sülzigen Karaoke-Veranstaltungen wie heute Sonntagmorgen im Hotel zu beteiligen, auch wenn ich dort wohl noch so willkommen wäre. Ich möchte weg von hier, aber ich habe zu warten…

Am Nachmittag fuhr ich per Sammeltaxi von Entrop nach Jayapura City, die Stadt ist hier kaum sehenswerter. Auf dem Markt kaufte ich mir eine Kokosnuss, aber ich war bald zu Fuss auf dem Rückweg, machte einen Halt beim 10derloin, wo ich eine mittelprächtige, kleine Pizza ass und mich dann zurück zum Hotel Hotel begab. Es war heute Flossrennen und Muttertag, weshalb ich meinen Eltern anrief, den es glücklicherweise gut geht.

 

Mo, 09.05.2016: PNG-Visa-Antrag und die überraschende Wende

Ich war froh heute Morgen, wenigstens für kurze Zeit sinnvoll aktiv zu sein, war schon vor neun Uhr beim PNG-Konsulat. Mein Rückflugticket von Denpasar wurde akzeptiert, ebenso mein Bewerbungsschreiben für einen Besuch des Landes, aber der Wermutstropfen kam sogleich. Fünf Tage werden benötigt, um mir dieses Visum auszustellen. Da kann ich nur hoffen, dass es dann in Wirklichkeit nicht so lange geht. Ich machte mich jetzt auf die Suche nach einem kleinen Roller, den ich mieten wollte, aber das Abklappern diverser Töff-Geschäfte brachte nichts. Entweder verstand man mich nicht, oder man wusste keinen Rat. Ich sei halt nicht in Bali, meinte eine wenigstens einigermassen gut Englisch sprechende Dame… Auch die vielen an der Strasse stehenden Ojek-Fahrer (Rollertaxis) wollten mir ihre Maschine nicht ausleihen. Ich werde also definitiv weiterhin auf die Probe gestellt und befürchte, hier wegen des Nichtstuns anzufaulen.

Unterdessen kennen mich Leute und vor allem Kinder auf der Staubstrasse, die Richtung Hauptstrasse führt. Sobald sie mich erblicken, eilen sie her, um meine Hand abzuklatschen. Ich bin einmal mehr die grosse Attraktion hier.

Ich wusch im Hotelzimmer einen Berg schmutzige Kleider aus, und jetzt warte ich erneut. Es ist strahlendes Wetter, aber ich bin weiterhin blockiert.

Aber nur bis 15.30 Uhr! Da rief mich der Konsular höchst per persönlich an und teilte mir mit, dass ich schnell zum Konsulat kommen solle, weil wir die Angelegenheit gleich sofort erledigen können! Das liess ich mir nicht zweimal sagen, und tatsächlich: Ich bekam den begehrten Sticker in meinen Pass und werde morgen die Grenze nach Papua Neu Guinea überqueren. Wie ich die 55 km bis dorthin allerdings zurücklegen werde, ist noch unklar. Offenbar gibt es keine Busverbindungen. Nicht erstaunlich, denn ich bin seit vier Monaten der erste westliche Tourist, der über Land in dieses Land einreist. Ich schaute noch hurtig bei Indonesiens Immigrationsbehörde vorbei, denn laut lonely planet sollte mein Pass noch in der Stadt abgestempelt werden. Aber dem war nicht so, dies sollte wie normal an der Grenze zu erledigen sein. Es ist klar, dass sich meine Stimmungslage augenblicklich extrem verbessert hat. Ich bin so froh, dass es morgen endlich weitergehen kann! Yeeep!

 

Besucherzaehler

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Hildegard (Montag, 09 Mai 2016 23:48)

    Danke für den Bericht von der anderen Seite der Welt! Ich war dafür wieder einmal am Flossrennen bei sehr schönem Wetter. Nicht alle Flosse erreichten das Ziel unversehrt, eher abgetakelt ... Hättest du einen Lastwagenpneuschlauch zur Verfügung gehabt, wärst du sicher auf einem der beschriebenen Flüsse unterwegs gewesen in Papua (so wie man dich kennt :-)). Aber verliere nicht die Geduld, die 'langweilige Zeit' hat vielleicht auch ihr Gutes. Laut Sprichwort ist Ungeduld an manchem Unglück schuld.
    Tolle Erlebnisse in PNG und hoffentlich schaukelt dei fahrbarer Untersatz bald nach Darwin! - Das wünsch ich dir.

  • #2

    iso (Dienstag, 10 Mai 2016 23:47)

    Vom Ende der Welt ins Paradies und dort gefangen - ist ja auch eine Geschichte. Zum Glück ist da noch dieses letzte Bild der fröhlichen Kinder; Blogteil 22 hätte sonst einen etwas gar depressiven Nachgeschmack hinterlassen. Bin froh, dass es nun klappt mit der Einreise nach Papua Neuguinea, dann ist Asien allmählich hoffentlich Geschichte. Da gehts mir wie dir. Wobei auch dieser Bericht nicht ohne Highlights ist. Die Ratten, die dein Immodium fressen oder das Swoangshütchen sind schon ein wenig der Brüller. Leider ist hier in der alten Schweiz mittlerweile auch so etwas wie der Sommer im Anmarsch, man kann dir also nicht einmal mit den Vorzügen des Wetters am anderen Ende der Welt Mut zusprechen. Im Moment wünsche ich dir und deinen Leser-Fans, dass es mit der unsäglichen Töff-Verschiffung-Geschichte doch noch ein gutes Ende nimmt. Es zieht mich nämlich in Gedanken richtig nach Australien, auch wenn Papua Neuguinea wohl schon noch das eine oder andere Schmankerl bereithalten dürfte. Übrigens bin ich beruhigt, dass du nach der Harry Potter Welle nun doch auch noch richtige Literatur angehst. Hab mich schon gewundert... Rowling statt Zafon???
    Ich schick dir dann per Mail nächstens noch einen Zwischenbericht über die Dinge, die uns hier so umtreiben. Gib bis dahin gut Acht bei den Pygmäen!