Teil 19: Java-Bali/Indonesien II

Java, eine indonesische Insel mit 150 Millionen Einwohnern, islamisch geprägt, aber doch asiatisch locker, auf den Hauptstrassen im Verkehr erstickend, faszienierte mich ebenso wie Sumatra zuvor. Zeitweise fühlte ich mich einsam, weil ich lange kein westliches Gesicht mehr zu Gesicht bekam, aber die wilde Schönheit mit den Riesenwellen an der Südküste Javas (wo ich einen Surfversuch wagte...), die kulturellen Highlight rund um Yogyakarta (Borobudur und Prambanan), aber vor allem die Landschaften mit den unzählingen Vulkanen, von denen ich deren zwei näher kennenlernte (Gunung Bromo und Ijen) waren einfach zu faszinierend.

 

Und ein weiteres grosses Abenteuer war auch dabei, als ich in Bromos (der im Moment äusserst aktiv ist und nicht bestiegen werden kann) Krater bei Nacht und Nebel stecken blieb und im Zelt übernachten musste, nachdem ich meine Maschine im Schlamm gleich zweimal hinlegte...

 

Jetzt bin ich in Bali, aber meine abgefahrenen Pneus machen mir Sorgen. Ich habe kurzerhand einen Flug nach Singapore gebucht, um neue Reifen zu besorgen. Gleichzeitig werde ich zu einem neuen 30-d-Visum kommen, hoffentlich genug Zeit, um Osttimor zu erreichen, von wo aus es dann endlich nach Australien geht.

Do, 11.02.2016: ÖV ist (manchmal) doof – willkommen in Java!

Zuerst gilt es noch zu ergänzen, was sich gestern Abend am letzten Tag in Sumatra ereignet hatte. Freunde und Verwandte meines Hausmeisters hatten sich aus Neugier zu einem Besuch eingefunden. Nachdem ich endlich meinen Blog vervollständigt hatte, gesellte ich mich zur versammelten Gesellschaft. Immer wieder wundert man sich, wie man es schafft, alleine so lange unterwegs und nicht verheiratet zu sein. Die Lebensziele hier sind ganz anders gesetzt. Familie und Kinder zu haben dienen wohl der Altersversorgung. Aber ich wurde doch mit Fragen gelöchert aus Interesse an einer so unterschiedlichen Lebensweise. Weil ich kaum Indonesisch und die jungen Leute kaum Englisch sprachen, entwickelte sich eine ganz eigenartige Kommunikation. Beide Seiten gruben ihre wenigen Kenntnisse der Fremdsprache aus, nahmen aber immer wieder google translation zu Hilfe. Es entwickelte sich ein ziemlich schwerfälliges Gespräch, das Handy war in Dauerbeanspruchung. Aber diese Menschen waren unglaublich liebenswürdig und interessiert, schliesslich tauschten wir sogar Souvenirs aus, und ich half ihnen, einen Eintrag auf Trip Advisor zu machen. Ich wurde dauernd verpflegt, bis ich randvoll war. Ich gab ihnen Tipps, wie sie dieses eben entstandene Homestay zum Laufen bringen, würde zu gerne etwas Werbung machen, aber ich zweifle auch etwas, ob Kalianda wirklich der richtige Ort ist, wo ein Guesthouse wirklich gut rentiert.

Diese lieben Menschen wollten mich heute Morgen kaum gehen lassen und wollten gar nichts annehmen für das offerierte Essen. Aber das Wetter war recht gut, und ich wollte weiterreisen. Die kurvenreiche Strasse durch viele einfache Dörfer entlang der Küste hatte ich bald hinter mich gebracht. Die Fährüberfahrt nach Merak auf einer riesigen Fähre kostete 46‘000 IDR (gut 3 Fr.), aber wieder einmal von öffentlichem Verkehr abhängig zu sein, tat mir nicht gut. Aus unerfindlichen Gründen stand die Fähre nämlich zwei Kilometer vor der Hafeneinfahrt in Java zwei Stunden auf offenem Meer still. Also vier Stunden für 40 km Überfahrt war mir dann wirklich zu viel. Ich stellte mir schon vor, wenn das Schiff jetzt zu sinken anfangen würde…

Ab Merak genoss ich meine Freiheit wieder, aber diese wurde gleich auch etwas eingeschränkt, denn der Verkehr war gross. Je weiter ich gegen Süden fuhr, umso mehr nahm der Verkehr ab. Industrieanlagen sind durch touristische Einrichtungen ersetzt. Restaurant reihte sich an Restaurant und Hotel an Guesthouse. In Carita hatte ich mangels Touristen eine grosse Auswahl und konnte gut um den Preis verhandeln. 120‘000 IDR – good price für ein einfaches, sauberes Zimmer. Es wurde auch gleich gekocht für mich – natürlich wieder Fisch. Zudem trank ich zwei Bier. Aber mit dem Krakatau-Trip sieht’s auch hier nicht gut aus. Alleine ist diese Reise einfach zu teuer, zudem wegen des hohen Wellengangs nicht ungefährlich.

Km: 37‘319

 

Fr, 12.02.2016: Wie dämlich – eigenes Handy ersäuft!

In Carita war es grau heute Morgen, schon am Morgen gab es einen kurzen Schauer; gleichwohl wollte ich heute die Südküste Javas erreichen. Vielleicht ist das Wetter doch genug gut, um meinen ersten Surf-Versuch zu wagen. Gleich mehrmals war ich froh um mein GPS auf meinem Handy, um die richtige Strasse ins knapp 200 km entfernte Cimaja zu finden. 150 Millionen Menschen leben auf dieser nicht allzu grossen Insel, dementsprechend war auch der Verkehr heute wieder ordentlich stark.

Der erste Schauer liess nicht lange auf sich warten. Schwarze Wolken kamen im Nu herangebraust und zwangen mich zu einer Pause unter dem Vordach eines kleinen Ladens. Der Töff blieb im Starkregen stehen, und es zeigte sich, dass der Reissack als Regenschutz für meinen grossen Rucksack nichts taugt. Die Einheimischen hatten grosse Freude an meinem Stopp. Eine dauernd munter lachende Dame hatte besondere Freude an meinen Haaren und machte mir eindeutig zweideutige Angebote, weil sie offensichtlich einen blonden Abkömmling produzieren wollte… Aber ich trank nur einen Kaffee und lehnte das nette Angebot ab und war nach mehreren Fotosessions froh, endlich weiterfahren zu können. Aber die jetzt dünnen Wolken wollten sich unbedingt noch ausregnen.

Bei einem grösseren Ort wollte ich wieder auf die Dienste meines Navigations-Apps zugreifen, als mir ein verhängnisvoller Fehler unterlief. Ich realisierte nicht, dass in meinem Täschchen an der Lenkstange, damals geerbt von Tobi, noch etwas Wasser lag. Ich fluchte schon, dass mein GPS wieder nicht richtig funktioniert, bis ich feststellte, dass sich I-Phone und Wasser nicht vertragen. Kaum dreissig Sekunden war nur der unterste Teil des Handys im Wasser – und die Wirkung war fatal. Weisser Bildschirm, dann schwarz, und nichts ging mehr! Ich versuchte, das eingetretene Wasser aus den unteren Buchsen herauszuschütteln, lagerte das Handy unter meinem linken Knieschutz, wo es vom Motor des Töffs immer sehr warm ist. Es wurde zwar warm und beinahe heiss, aber das Wasser verdunstete im Innern offenbar nicht wirklich. Es tat keinen Wank mehr.

Zudem begann es jetzt wieder heftiger zu regnen, sodass ich meinen Regenschutz zu montieren hatte. Für kurze Zeit folgte ich der Küste, dann stieg die jetzt üble Strasse stark an. Es war eine Schlammschlacht. Knöcheltiefer, schmierig-brauner Dreck verfärbten Töff, Schuhe und Hose, ich kam nur langsam vorwärts. Erst kurz vor Cimaja wurde es wieder besser. Ich hatte einige üppig grüne Hügel mit Reisterrassen überquert. Von hoch oben genoss ich die Aussicht auf die Cimaja-Bucht (so weit dies momentan wirklich möglich war). Ich fuhr die grössere Nachbarstadt Pelabuhan an. Vielleicht liesse sich hier ja jemand finden, der mein Handy öffnen und trocknen konnte. Aber niemand war fähig dazu. Ich fand die von einem Australier geführten Pondok Kencana (Ombak 7) ohne GPS mit einiger Mühe. Kleines, aber günstiges Zimmer. Dann gesellte ich mich zu Leo und seinen beiden australischen Freunden und trank einige Ärger-Bier. Das Handy legten wir in Reis, der die eingetretene Feuchtigkeit vielleicht aus dem Handy ziehen kann.

Aber ich war nicht gut drauf, denn ich wollte heute unbedingt meine Eltern anrufen, die heute ihren 85. und 80. Geburtstag feiern. Schliesslich konnte ich das Handy eines der beiden Australier ausleihen und den Anruf über Skype wirklich tätigen. Es geht ihnen gut. Mama meinte, sie seien wirklich allmählich wie Dinosaurier – so alt!

Eigentlich wollte ich noch essen gehen, legte mich in meinem Zimmer ins Bett und schlief gleich ein. Erst um zwei Uhr erwachte ich wieder und machte einen Handy-Einschaltversuch. Und tatsächlich, das Handy schien zu starten, dann kam aber ein weisser, später grüner Bildschirm. Dieser herbe Verlust wird mich noch eine Zeitlang beschäftigen, denn das geplante Routing ist kompliziert und ohne GPS schwierig zu bewerkstelligen…

Km: 37‘528

 

Sa, 13.02.2016: Vergebliche Liebesmüh

Der nächtliche Versuch, mein Handy einzuschalten, gab ihm vermutlich den Rest. Auch am Morgen, als ich es erneut versuchte, erschien die rote Batterie-Anzeige. Aber nach dem x-ten Versuch erlosch sie langsam – für immer? Natürlich liess mir der Verlust keine Ruhe. Irgendwie musste ich es schaffen, das Gerät zu öffnen. Nach dem Frühstück, wieder mal mit Toast und Kaffee, fuhr ich nach Pelabuhan und fand tatsächlich eine Handy-Service-Stelle, wo ich den richtigen Schraubenzieher erhielt, um die beiden Schräubchen bei der Ladebuchse zu öffnen.

Mit aller Vorsicht hob ich mit einem Messerchen den Bildschirm ab, stellte im Gehäuse aber fest, dass kaum mehr sichtbare Flüssigkeit vorhanden war. Trotzdem reinigte ich mit Klo-Papier die vermutlich beschädigten Stellen. Ich fuhr zurück, liess die beiden Schrauben aber noch locker, sodass ich das Handy beim Hotel per Sackmesser nochmals auseinandernehmen konnte. Drei Stunden legte ich es an die Sonne (ja tatsächlich, sie kam heute wieder einmal zum Vorschein!). Die letzten Resten Feuchtigkeit mussten jetzt entwichen sein. Ich hoffte, dass der Ladevorgang jetzt funktioniert.

Unterdessen fuhr ich zu einem der vielen Strände. Die Wellen waren heute weniger gross als sonst, aber immer noch massiv. Lust zu surfen hatte ich nicht, ich war den ganzen Tag nicht besonders guter Laune. Es ist aber auch kein Schwimmstrand, sondern eher ein spassiger, aber nicht ganz ungefährlicher Kampf mit den Wellen. Je länger ich blieb, desto mehr Kinder tollten sich auch im Wasser, vor allem Knaben – die Mädchen sind nicht zu beneiden, die mit Vollausrüstung ins Wasser steigen. Als ich die Kinder zu fotografieren anfing, sass bald eine ganze Truppe um mich herum. Zudem unterhielt ich mich mit einem jungen Einheimischen, der gut Englisch sprach. Es ist unglaublich, wie offen die Leute hier auf einen zukommen.

Gegen Abend hatte ich Hunger, ass erneut einen grossen Fisch mit Reis und trank dazu Kokoswasser. Zurück beim Ombak 7 gab’s natürlich noch ein Bier. Aber die Diskussion der drei älteren, australischen Langzeitaufenthalter langweilte mich. Zudem wollte ich in mein Zimmer für den letzten Versuch, mein Handy einzuschalten.

Es blieb beim Versuch. Der Ärger ist gross, sehr gross. Manchmal sollte man wie beim Computer eine „Rückgängig-Taste“ drücken können…

Km: 37‘551

 

So, 14.02.2016: Fahrt ins Grüne – oder Verirrungsgefahr ohne GPS und eine ziemliche Überraschung

Ich hatte am Morgen grossen Respekt vor dem heutigen Tag, denn ich wollte auf verschlungenen Nebenstrassen den langen Weg nach Pangandaran in Angriff nehmen. Der Weg war noch leicht bis Pelabahun Ratu, das ich schon kannte wegen der versuchten Reparatur meines Handys. Aber jetzt wurde es schwierig. Gleich zwei Strassen bogen nach rechts ab. Wie anfangs meiner grossen Reise war das Nachfragen jetzt wieder gefragt. Und ich bekam die richtige Information! Die recht gut ausgebaute, kurvenreiche Strasse führte landeinwärts steil empor und gab bald hervorragende Aussichten auf die Pelabahunratu-Bay sowie zwei mächtige Vulkane im Norden frei (Gunung Pangrando). Ich war so hoch aufgestiegen, dass hier Tee angepflanzt wird. Auf der anderen Seite des zerklüfteten Hügelzuges senkt sich die Strasse jedoch nur allmählich ab, und es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder nahe der Meereshöhe war.

Es stellte sich heraus, dass Surade der Schlüsselpunkt für die Strasse Richtung Osten ist. Gleich zweimal verpasste ich nämlich die richtige Abzweigung. Zuerst fuhr ich viel zu weit Richtung Genteng und dann noch ein zweitesmal Richtung Cikaret. Dieses Unterfangen kostete mich bestimmt eine Stunde. Meine vorhandene Karte, die ich noch in der Schweiz gekauft hatte und jetzt zum Einsatz kam, aber auch die fotografierte Karte im Hotel Ombak 7, waren ziemlich unbrauchbar, weil weder die eingezeichneten Strassen noch die Orte mit der Wirklichkeit übereinstimmten. Gleich dreimal musste ich nachfragen, fuhr zurück in Surades Zentrum und fand endlich die richtige Abzweigung nach Cikaso. In Cikaso wurde ich überrascht von einem Canyon. Der mächtige Fluss hatten einen tiefen Graben in die Landschaft gefressen, die Wassermassen stürzten sich via Wasserfall ins Tal. Es war noch immer ein mühseliges Vorwärtskommen, weil die Strasse in unzähligen Kurven durch eine eigenartig gefaltete Landschaft führte. Ich war froh, dass ich in Tegalbuleud endlich die Küste erreichte. Aber auch jetzt war es ein ständiges Auf und Ab. Erst vor Sindangparang konnte ich auf einigen geraden Strecken einmal etwas Gas geben.

Hier passierte mir das nächste Missgeschick. Ich liess nämlich meine Karte liegen und realisierte dies erst 20 km später weit ausserhalb Sindangparangs. Ich ärgerte mich grün und blau, machte kehrt und fand sie tatsächlich durch den Wind weit aufgefaltet auf den Baumstämmen liegend, auf die ich mich hingesetzt hatte. Ich machte einen kurzen Halt für ein einfaches indonesisches Gericht – Mie ayam, Nudeln mit Huhn, wobei das Huhn unmöglich Huhn war, das Fleisch hatte eine eigenartige Konsistenz, und ich war mir nicht sicher, ob ich vielleicht sogar Hund oder Katze gegessen hatte.

Unterdessen passte ich aus Zeitgründen mein Tagesziel an. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, in Cipatujah Meeres-Schildkröten in der Nacht zu beobachten. Als die Strasse aber nochmals steil aufwärts Richtung Landesinnere führte, wo sich schon seit dem frühen Nachmittag dichte, schwarze Wolken türmten, fragte ich zur Sicherheit nach, aber ich war auf der richtigen Strasse, die bald wieder Richtung Küste führte. Ich kam jetzt einige Kilometer recht zügig voran, die Szenerie war sehr interessant: Landwirtschaftliche Arbeiten aller Art, Trocknen des Maises und Kakaos am Strassenrand, abenteuerliche Töfffahrer mit insgesamt vier geladenen Personen, inklusive eines Säuglings, fliegende Mie Bakso- oder Glace-Verkäufer mit ihren Bimmel-Einrichtungen, natürlich auch auf dem kleinen Töff, exorbitant überladene kleine Lastwagen mit Baumstämmen oder Maispflanzen, manchmal wurde wurden die Stämme gar per Töffli transportiert, beidseits die gleiche Menge geladen, damit man auch im Gleichgewicht blieb. Und immer wieder durchstreifte man riesige, teils terrassierte Reisfelder, im Hintergrund das wild tobende Meer. Ich hatte heute aber Glück mit dem Wetter, kein Regentropfen fiel – im Gegenteil, die Sonne wärmte die Luft schnell auf tropische Temperaturen – Schwitzen war angesagt, unangenehm, weil mein Töffkittel zu riechen beginnt…

Erstaunlich schnell erreichte ich Pameunpeuk, eine grössere Stadt. Die Karte zeigt ab hier eigentlich keine Strasse mehr, aber die vielen Flussübergänge sind heute alle dank guter Brücken problemlos passierbar. In Cipatujah erwartete ich nahe der turtles-Station eigentlich einige Unterkünfte. Aber hier gab es nur einfache Häuser, sodass ich noch etwas weiterfuhr zum nächstgrösseren Ort, dessen Name mir unbekannt ist. Auf einer Brücke traf ich auf einige rauchende und trinkende Jungs. Ich staunte über die riesigen, fix montierten Fischernetze am Flussrand. Was für eine Stimmung, denn der Abendhimmel hatte sich orange-violett-tiefblaugrau verfärbt. Zwei dieser Jungs führten mich zu einem Hotel, aber der Preis schien mir trotz AC zu hoch. Als ich abfahren wollte, ging die Hausdame dann doch noch etwas mit ihrem Preis herunter (150‘000 IDR).

Die Überraschung des Tages erlebte ich im kühlen Zimmer, als ich einen Blick auf mein Handy warf, das tatsächlich lief, als ob es nie ein Problem gehabt hätte. Freude herrscht, dachte ich. Als ich aber die Mails abrief und die Ansicht des Desktops wechseln wollte, merkte ich, dass der weisse Knopf nicht mehr reagiert. Und überhaupt war die ganze Herrlichkeit bald zu Ende, weil sich das Handy plötzlich von selbst ausschaltete, aber wieder aufstartete, gleich mehrmals, und wieder verfärbte ich der Bildschirm giftig-ungesund-grün. Ich schaffte es, das Ding definitiv auszuschalten. Jetzt liegt es erneut geöffnet auf meinem Nachttisch. Ich hoffe, dass die klimatisierte, trockene Luft die letzten Resten Feuchtigkeit aus dem Handy zieht.

Ich fuhr durchs Dorf und fand ein kleines Restaurant, wo man mir diversen kalten Food anbot – nicht wirklich lecker, aber ich musste etwas essen, und die Leute hatten grosse Freude über meinen Besuch.

Morgen ist es unwahrscheinlich, dass ich Schildkröten zu Gesicht bekomme, weil scheinbar niemand etwas davon weiss – wieder eine Ente auf meiner Karte. Gespannt bin ich, wie es mit meinem Handy weitergeht…

Km: 37‘949

 

Mo, 15.02.2016: Finde ich andere Touristen?

Seit fast zwei Wochen bin ich unterwegs, ohne eine andere Touristenseele getroffen zu haben (die langweiligen Langzeitaufenthalter in Cimaja zähle ich nicht dazu!). Ich habe den Smalltalk mit den eigentlich netten Einheimischen ziemlich satt und wünschte mir, wieder einmal einigermassen Gleichgesinnte zu treffen. Die nächste Chance bot sich heute, denn ich wollte einen Surfspot an der Südküste Javas anpeilen, wo ich eigentlich auf einige Wellenreiter stossen sollte.

Ich liess es am Morgen gemütlich angehen, denn Batu Hiu war nicht einmal 100 km entfernt. Ich fuhr erneut ohne GPS. Natürlich unterzog ich am Morgen mein Handy nochmals einem Test. Es startete einige Mal auf, stellte aber schnell wieder ab, der ungesunde grau-grüne Bildschirm verhiess nichts Gutes…

Ich folgte der guten Strasse der Küste entlang. Um mich zu orientieren, machte ich einen Halt bei einer kleinen Hütte am Strand, wo ich einen Kaffee trank und weiter Richtung Pangandaran fuhr. Bald suchte ich mit Sperberaugen nach den beschriebenen Unterkünften, aber da war nichts. Schliesslich erreichte ich die Kleinstadt Pangandaran, ich wusste, ich war definitiv falsch. Wiederum musste ich ungewollte Mehrkilometer in Kauf nehmen. Ich fragte einige Male nach und fand tatsächlich Batu Hiu mit seinem weit ins Meer ragenden Felsen, aber auch da war nichts von einer Surfgemeinde zu sehen. So startete ich mein Handy auf, und tatsächlich erhielt ich in den drei Minuten, während denen es lief, die Information, dass ich nach Batu Karas zu fahren habe – nochmals 20 km westwärts. Batu Karas liegt in einer Bucht, die relativ gutartigen, regelmässigen Wellen sind ideal, um den ersten Surfversuch zu starten. Zuerst traf ich zu meiner Freude aber auf ein junges Schweizer Paar, erst fünf Tage in Indonesien – er ziemlich vergifteter Surfer. Bei einem Bier gab es einiges zu erzählen, dazu hatte ich Hunger und ass zum ersten Mal seit langem Shrimps. Gegen Abend hatte es viele Surfer in Action, die ich lange Zeit beobachtete. Sieht eigentlich ganz leicht aus, aber da werde ich morgen wohl schon noch auf die Welt kommen.

Wir sassen lange auf der Terrasse des Woodden House, ich habe hier ein einfaches Zimmer im ersten Stock bezogen (150‘000 IDR). Später hatte ich Lust auf etwas Westliches – fish and chips, ganz gut, aber eigentlich schon nicht ganz der Region angepasst. Mein Handy hatte ich mal an den Strom angeschlossen, mal schauen, wie es sich morgen verhält!

Km: 38‘093

 

Di, 16.02.2016: Erster Surfversuch

Der Tag begann gut. Nach dreimaligem Versuch konnte ich mein Handy aufstarten. Ich konnte ins Internet gehen und herausfinden, wie man es ohne den weissen Home-Knopf bedienen kann. Dann stellte ich die Einstellungen auf den Urzustand, und dies liess es scheinbar ohne Unterbruch zwei Stunden lang laufen. Ich konnte ins Internet gehen und konnte alle wichtigen und weniger wichtigen Tätigkeiten problemlos erledigen.

Aber dieses Aufleben schien wie der letzte Akt vor dem definitiven Tod zu sein. Plötzlich erschienen wieder die dumpf-grünen oder -weissen Screens, und bald ging gar nichts mehr. Nochmals öffnete ich das hochsensible Ding, fragte nach einem klimatisierten Raum beim Java Cove nach, aber man wollte mir nicht helfen. So legte ich es halb geöffnet auf meinen Laptop, der hoffentlich die nötige wohlige Wärme abgeben sollte, um eventuelle Restfeuchtigkeit abzutrocknen. Aber die Luft ist hier so feucht wegen der gewaltigen Wellen, dass auch dies nichts half. Zwar sah ich, dass es sich wieder entladen hatte und schloss es (geschlossen) nochmals an den Strom an. Aber auch dies half nicht – die Deadline scheint überschritten zu sein. Ein Reparaturversuch werde ich dann in Yogyakarta machen – mit wenig Hoffnung.

Gespannt und mit viel Respekt wagte ich mich danach an meinen ersten Surfversuch. Ich mietete ein grosses Brett, übte zuerst in Strandnähe – learning by doing und Beobachten. Es war ganz schön anstrengend, denn die Strömung trieb einen immer wieder an Land. Und das Herausrudern zur Felsklippe, wo die meisten Surfer auf die perfekte Welle warteten, war ebenfalls streng. Auch hier beobachtete ich lange Zeit das Anrudern, Aufsteigen, Aufstehen. Es scheint so leicht zu sein. Zwei Einheiten lang kämpfte ich mit den Wellen, und erst ganz am Schluss erfuhr ich das geniale Feeling, wie einen die Welle Richtung Strand treibt. Aber da war ein anderer Surfer exakt in meinem Weg, und ich musste notfallmässig abspringen. Aber das letzte Erlebnis war wohl ausschlaggebend, dass ich es morgen nochmals versuche. Die Sonne brannte auf meinen fast nackten Schädel und verursachte leichte Kopfschmerzen. Zudem war ich hundemüde geworden.

Ich hatte jetzt ein Bier verdient und ass gleich einen grossen Red Snapper dazu, begleitete von stark knoblauchigem Guacamole. Der Hausherr des Restaurants, der mich schon auf dem Meer ermutigt hatte, voll in die Wellen reinzustechen – und ich ihm zurief, dies sei mein erster Tag auf dem Brett, gab mir einige Gratistipps für morgen.

Das junge Schweizer Paar reiste heute ab und überliess mir eine Schweizer Schokolade in etwas origineller Form. Ich las noch etwas (ab PC, denn mein Lesemedium ist ebenfalls verloren…), aber bald fielen mir die Augen zu. Lange, ruhige Nacht.

Km : 38‘093

 

Mi, 17.02.2016: Zweiter Surfversuch

Ich erwachte früh, denn mein Zimmer liegt direkt an der Strasse, die teils überlauten Schnepper wirkten wie überdimensionierte Wecker mit unangenehmem Knattergeräusch. Es ist Usus, dass schon frühmorgens die besten Wellen und angenehmen Temperaturen für weitere Surfabenteuer genutzt werden. Ich spazierte zur Felsküste gleich neben dem besten Surfspot und beobachtete, wie die Surfer in krachende Wellen stachen und sich teils gleichsam mit Figinen vor dem Erschlagen der Wassermassen retten wollten. Was für ein dynamischer Sport! Ich hielt mich einige Zeit hier auf, um zu fotografieren (was mir wohl besser liegt…). Aber nach dem Frühstück wollte ich es doch noch einmal wissen. Es war jetzt Ebbe, und das anstrengende Herauspaddeln blieb mir erspart. Ein blonder Einheimischer (!) gab mir einige Tipps und schob mich dreimal an. Und siehe da! Mein erster langer Ritt war Tatsache! Geil! Dies motivierte mich natürlich, und ich wollte es jetzt auf eigene Faust versuchen. Ich schätzte die Welle richtig ein und erwischte genau das Weisswasser, und los ging es Richtung Strand! Logischerweise wollte ich jetzt mehr, obwohl ich mich schon ziemlich müde fühlte, paddelte weiter ins Meer hinaus zum erwähnten Felsen, aber hier hatte ich weniger Glück. Diesmal fand ich den richtigen Abgang nicht mehr. Zwei Stunden war ich auf dem Meer, mich schmerzten Muskeln, von denen ich nicht einmal weiss, dass ich sie habe…

Erholung war angesagt, zuerst mit einem kurzen Nickerchen, dann mit einem Coke und einem Guacamole.

Eigentlich wollte ich am frühen Abend nochmals aufs Brett gehen, aber die Wellen waren klein, sodass ich bis am Abend wartete. Die Sonne war hinter den Wolken verschwunden, ich konnte meinen Schädel nicht noch mehr verbrennen, es hatte zu viele Surfer beim wellenbrechenden Felsen, aber die Wellen waren gut. Ich hatte Angst vor mir selber, jemanden unabsichtlich zu überfahren. Eine riesige Welle nahm ich im Ansatz gut, aber dann „vernudelte“ es mich gewaltig, ich wusste nicht mehr, was oben und unten ist, zudem traf die Boardspitze meine Stirn – eine Beule ist die Quittung. Gleich danach erwischte ich aber eine weitere Welle recht gut und liess mich von ihr bis beinahe an den Strand treiben – genial! Aber vom dauernden Herausrudern bei der hereinkommenden Flut war ich ziemlich müde geworden, zudem schmerzten Brustknochen und Innenschenkel. Das war’s für heute!

Am Abend ass ich einen Riesenhaufen gute Shrimps in einem Strandrestaurant. Ich kam in Kontakt mit meinen Boardvermieter, der mir am Morgen die Tipps gegeben hatte, und seiner Freundin. Ich lud ihn zu einem Bier ein für seine Dienste, später tranken wir einen Kübel voll Margherita. Lustiger Abend! Die gut Englisch sprechende Rica aus Bandung konnte nicht glauben, dass ich die ganze Strecke von Europa bis hierher mit dem Motorrad gemacht hatte.

In der Nacht regnete es, ein gewaltiges Gewitter ging nieder, es wurde etwas kühler, perfekt zum Schlafen.

Und: Nochmals machte ich ein paar Einschaltversuche an meinem Handy – njet! Ich habe wohl zu lange darum herumprobiert. Aber ich meinte es ja nur gutJ!

Km: 38‘093

 

Leider konnte ich mich selber nicht fotografieren, hat etwa so ausgesehen;-)

 

Do, 18.02.2016: 25 km Sandfahrt am unendlichen Südstrand Javas

Noch am Morgen war ich unsicher, ob ich Batu Karas wirklich schon wieder verlassen will, denn mit einem Tag mehr Surftraining hätte ich diesen dynamischen Sport wohl tatsächlich in den Griff gekriegt. Der Entscheid, Batu Karas trotzdem zu verlassen, erwies sich schliesslich als richtig…

Von meinem Handy werde ich momentan ziemlich an der Nase herumgeführt, denn zu meinem grossen Erstaunen hatte die Ladeaktion des Nachts etwas gebracht, der Start-Bildschirm war munter aufgestartet. Weil er aber flimmerte, traute ich der Sache überhaupt nicht und schaltete das Gerät wieder aus, um es dann wieder aufzustarten, wenn ich es wirklich brauche.

Ich nahm die Sache gemütlich, und erst um zehn Uhr ging es los. Der erste Teil bis Pangandaran war mir bekannt von der Irrfahrt am Montag, dann ging es Richtung Inland, und ich hatte die richtige Abzweigung nach Sidareja zu erwischen. Nach zweimaligem Fragen fand ich diese auch problemlos und fuhr jetzt durch riesige Reisfelder. Es war sehr heiss, das Gelände topfeben. Auf guter Strasse erreichte ich bald die Küste. Ich wollte jetzt die Küstenstrasse nehmen, um Richtung Osten dem lästigen Lastwagenverkehr auszuweichen. Diese Strasse ist steckengerade, und ich kam gut vorwärts. Aber ich bekam die Küste nie zu Gesicht, dafür weitere ausgedehnte Reisfelder und riesige Früchteplatagen mit Tausenden von in Reih und Glied gesetzten Papayabäumen. Irgendwann wählte ich einen Zugang zum Meer, wurde aber überrascht, als man Eintritt verlangen wollte, zwar nur 40 Rappen. Aber dies wollte ich nicht zahlen, fuhr etwas weiter und wenig später erneut raus zum Strand, diesmal auf einer etwas holprigeren Strasse und erreichte den kilometerlangen Pantai Widarapayung. Weiss schäumende Wellen prallten an den prächtigen Strand. Wäre eigentlich ideal für ein Pausenbad gewesen, aber meine Badehosen waren tief verpackt. Der Strand schien mir aber genug fest, um diesem mit meiner ganzen Ladung fahrend zu folgen. Einheimische gruben Löcher, um Krabben zu finden (?). An langen Schnüren, die ich vorsichtig überfuhr, waren wohl Fischernetze befestigt. Was für ein Gefühl, über diesen menschenleeren Riesenstrand zu brettern! Ich hatte auch zwei kleine Bäche zu überqueren, wiederum ganz sanft, dass mein Töff mit möglichst wenig Salzwasser in Berührung kommt. Wohl 25 km folgte ich auf dem Sand diesem Strand, bis ich zu einer kleinen Hütte kam, wo man mir Kaffee und Wasser verkaufte (dies war mir unterdessen ausgegangen!).

Ich fuhr direkt gegen eine bewaldete Steilküste, die ich jetzt hoffte, überqueren zu können. Die Bird Nest Cliffs (Karangbata) wurden zu einem riesigen Erlebnis. Auf schmaler Strasse konnte ich diese eigenartig gefalteten Hügel ohne Schwierigkeiten erklimmen. Ich fuhr dann hinunter zum Pantai (Strand) Menganti. Dutzende von blau gestrichenen Fischerbooten, wohl auch benutzt für touristische Ausfahrten für die Einheimischen, die am Wochenende wohl in Scharen hierher kommen. Ich spazierte zu den äussersten Klippen und beobachtete das wilde, tiefblaue Meer. Eigentlich hätte ich hier gleich bleiben sollen, aber ich entschied mich anders und erreichte einen weiteren riesigen mit dunklen Sandstränden besetzten Küstenabschnitt, dem ich auf schnurgerader Strecke folgte. Allerdings kam ich nur schleppend voran, denn die Strasse war überaus holprig und mit heimtückischen, tiefen Löchern durchsetzt. Die Strasse ist teils im Bau und wird vergrössert. Dies sind immer gute Aussichten, dass ich irgendwann die ausgebaute Strecke erreicht. Und so war es auch diesmal. Noch immer konnte ich mich nicht über übermässig starken Verkehr ärgern. Erst vor Bantul, zusammengewachsen mit Yogyakarta, nahm er deutlich zu. Zudem begann es zu dämmern, und als ich Yogyakarta erreichte, war es schon stockdunkel. Zentraljava hat sich in der Tat etwas entwickelt. Es liegen viel weniger Abfällen herum, ich habe sogar einen Kehrichtwagen gesehen. Yogya war natürlich nicht wieder zu erkennen nach dreissig Jahren. Ich fuhr extakt richtig Richtung Kraton, dem grossen Sultanspalast der Stadt. Um mein geplantes Hotel zu finden (Andrea Hotel, 150‘000 IDR), schaltete ich mein Handy ein, dessen GPS mich bestens zum gewünschten kleinen Gässchen führte.

Ich hatte Glück, genau noch ein kleines Zimmer war in diesem von einem Schweizer geführten, kleinen Hotel noch frei. Mein grosser Töff löste natürlich wieder viele Hallos aus. Nach der Dusche machte ich einen Rundgang durch die extrem belebten Gassen, wo man Textilien und vor allem Batik in grossen Mengen verkaufen will. Ich hielt Ausschau nach einer Pizzeria, fand jedoch keine, aber immerhin einen Laden, in dem man Pizza verkaufte. Dieser Aufenthalt lohnte sich definitiv nicht. Die mit süssem Ketchup tomatisierte Pizza war definitiv die übelste, die ich auf meinem Trip gegessen hatte.

Zurück im Hotel diskutierte ich noch lange mit dem Schweizer, einem Österreicher und einem Deutschen bei 96%-igem Reisschnaps (!), aber ich war müde und suchte um Mitternacht mein Zimmer auf.

Hier machte ich mir Sorgen um mein linkes Ohr, das etwas schmerzt und sich schliesst, wenn ich liege. Ich mobilisiere sämtliche Selbstheilung, damit ich nicht von der nächsten üblen Ohrenentzündung geplagt werde. Jetzt weisst du, warum es besser ist, dass ich jetzt hier und nicht mehr am Meer bin. Der gestrige Riesenwasserwirbel hat wohl wieder zuviel Wasser in mein Lochohr eindringen lassen…

Km: 38‘413

 

Fr, 19.02.2016: Ein Stadttag in Yogya

Mein Ohr war am Morgen vollkommen „zu“ und schmerzte etwas, aber ich weiss noch nicht, in welche Richtung sich die leichte, erneute Ohrenentzündung entwickeln wird. Glücklicherweise ging das Ohr nach dem Aufstehen schnell wieder „auf“, sodass normales Hören möglich war.

Eigentlich liebe ich Städte nicht besonders, aber heute fühlte es sich gut an, mit Hunderten von Menschen auf Yogyas Strassen unterwegs zu sein. Die Jalan Malioboro (nicht Marlboro) ist etwas die Khao San Road von Yogya mit Dutzenden von kleinen Läden, in denen Batikhemden oder -shirts oder Sarongs verkauft werden. Hunderte von kleinen Essständen verkaufen kleine Happen, von Sates über farbige Süssigkeiten bis zu Reisspeisen aller Art.

Ich suchte am späteren Morgen die Shopping-Mall Yogyatronic auf, fand hier eine Servicestelle für Apple-Produkte, aber man konnte mir nicht weiterhelfen, weil man nur in Jakarta oder vielleicht Denpasar genügend ausgerüstet ist für eine solche Reparatur. Immerhin wusste man, dass ich wahrscheinlich drei Teile zu ersetzen habe, unter anderen den Bildschirm, der schon vorher defekt gewesen ist. Aber eine Reparatur ist momentan nicht dringend notwendig, denn mein Handy läuft unterdessen wieder munter, als sei nichts gewesen. Sogar das Flimmern hat aufgehört. Ich kaufte mir stattdessen eine externe Festplatte, auf die ich all meine vielen Foto- und Filmdaten ein zweites Mal sichern möchte (105 Fr.). Dann wurde ich von vielen (un-)motorisierten Becak-Fahrern für einen Transport angefragt, als ich zu Fuss zu einer anderen Touristenmeile unterwegs war (Jalan Prawirotaman). Hier fand ich eine echt italienische Pizzeria mit einem grossen Garten. Herrlich: Grüner Salat mit Olivenöl, eine perfekte Pizza und ein Espresso!

Im Schritttempo ging’s dann per Moto-Becak Richtung Jalan Malioboro, wo ich am Morgen einen böl-on-air-Stempel bestellt und schon bezahlt hatte. Aber der fliegende Händler war nicht mehr dort (ich war auch zwei Stunden zu spät) – oder ich fand den kleinen Stand nicht mehr! Der Betrieb in der geschäftigen Stadt war jetzt exorbitant, Marktstand an Marktstand, aber meine Reiseart ist nicht geeignet, irgendwelche Sachen zu kaufen.

Zurück im Hotel spielte ich mit einer Korea-Kanadierin und einem Südafrikaner ein interessantes Kartenspiel (Shithole). Jetzt werden die heiklen Daten, vor allem Fotos und Filme auf meine neue Festplatte geladen. Es dürfte ein spannender Tag werden morgen, denn ich habe den Kontakt zu Isadora (aus Quebec, bekannt aus Medan) wieder hergestellt – dank Facebook…

Und: Meine Selbstheilungskräfte sind stärker als meine Ohrenbakterien. Die leichte Entzündung entwickelt sich in die richtige Richtung!

km: 38‘413

 

Sa, 20.02.2016: Borobudur, Prambanan und ein unerwartetes Doppelabenteuer

Ich stand schon vor halb fünf Uhr auf, um noch im Dunkeln die 45 km zu den über tausendjährigen buddhistischen Tempeln von Borobudur hinter mich zu bringen. Pünktlich um halb sechs Uhr stand ich vor dem Lotus-1-Guesthouse, wo ich auf Isadora wartete, die allerdings noch schlief. Es hatte sich gelohnt, auf die Mehrausgaben für den Sonnenaufgang über Borobudur zu verzichten, denn der Osten war wolkenverhangen.

Isadora, die reizende, erst 25-jährige Kanadierin, stand aber bald bereit, und wir gingen zu Fuss zum Eingang dieser Tempelanlage, wo Westtouristen über einen Sondereingang eingelassen werden, aber auch das Zehnfache des Normalpreises für den Eintritt bezahlen. Wir lösten gleich ein Doppelticket (Borobodur, Prambanan) für 405‘000 IDR. Dank des netten Lotus-Inhabers bekam ich sogar noch etwas Rabatt für die Eintritte. Die Sonne war unterdessen hinter den Wolken hervorgekommen und hüllte diesen überaus mystischen Ort in warmes Licht. Für kurze Zeit waren auch nur wenige Touristen vor Ort, aber mit der Mystik war es alsbald vorbei, als Massen von Einheimischen und ganzen Schulklassen die Anlage besichtigen wollten. Geschätze 357-mal wurde man immer wieder von Gruppen gefragt, ob man für ein Foto posieren könne, immer überaus liebenswürdig, schon fast schüchtern gefragt, aber lästig werdend, denn wir wollten die Zeit nutzen, Borobudur mit seinen einmaligen Steinmetz-Arbeiten möglichst ungestört zu besichtigen.

Borobudur wurde mit zwei Millionen von Lavasteinen zwischen 750 und 850 n.Chr. von der buddhistischen Sailendra-Dynasty gebaut. Das Reich verlor aber kurz nach der Fertigstellung dieser gewaltigen Anlage an Einfluss, und sie geriet für tausend Jahre in Vergessenheit. Erst 1815 wurden die Tempel von Sir Thomas Stanford Raffles freigeschaufelt. Die holländische Kolonialmacht begann anfangs des 20. Jahrhunderts mit der Restauration und wurde bis 1983 fortgesetzt, jetzt unter Leitung der UNESCO. Es ist unglaublich, dass Borobudur trotz häufiger Erdbeben und Vulkanausbrüchen heute in einem dermassen guten Zustand ist. Erst 2010 verschwand die Anlage nach einem Ausbruch des nahen Gunung Merapi unter einer dichten Staubschicht. Viele Steinmetzarbeiten erscheinen trotz ihres Alters beinahe wie neu, zu sehen sind Schiffs- und Elefantenprozessionen, Musiker, tanzende Mädchen, Krieger und Könige. Der quadratische angelegte, riesige Tempel, 118 m mal 118 m, besteht aus sechs quadratischen Terrassen, zuoberst drei weiteren kreisförmigen (die Unendlichkeit des Nirvanas darstellend) und sieht aus der Luft betrachtet wie ein riesiges Mandala aus. Zuunterst wird das tägliche Leben der Menschen in kunstvollen Formen dargestellt, zuoberst das Nirvana, der Himmel der Buddhisten, der mit gut geführtem Leben via Wiedergeburt im Idealfall erreicht werden kann. 432 ruhig und gelassen wirkende Buddhastatuen sind in grossen Kammern zu bewundern, 72 schauen aus Stupas auf das Land mit seiner fruchtbaren Umgebung. Die Umgebung ist im Vergleich zu meinem Besuch 1986 etwas aufgemotzt worden, dafür wird die Anlage heute von viel mehr Einheimischen besucht, die sich aber kaum für den kulturellen Wert interessieren, der ihnen als Muslim so fremd ist. Lieber werden Fotos in allen Lagen geschossen.

Wir verweilten einige Zeit auf allen Stufen dieses Tempels, kehrten dann zurück zu Isadoras Guesthouse und assen eine Kleinigkeit. Ich bot ihr an, doch mitzufahren nach Prambanan, und sie musste nicht lange überlegen. Ich packte ihr Gepäck auf den Töff, und los ging’s zu zweit Richtung Selo, einem auf 1500 m.ü.M. gelegenen Berg- und Gemüsedorf, exakt zwischen dem Gunung Merapi und Gunung Merbabu gelegen. Bald stieg die Strasse steil an, das tropische Klima veränderte sich so schnell wie die Landschaft. Leider waren beide Vulkane wolkenverhangen, zudem wurde die Strasse je länger desto schlechter. Ich meisterte jedoch alle Klippen, Löcher und Lehmstellen problemlos, auch zu zweit. Wir erreichten Selo noch weit vor dem Mittag, als wir in einen Gewittersturm gerieten und in einem originellen Guesthouse, Ausgangspunkt für Vulkanexpeditionen, Unterschlupf fanden. Wir verweilten einige Zeit an diesem angenehm kühlen Ort und warteten auf eine Regenpause. Dann ging es steil bergab, aber das Verkehrschaos auf dieser im Bau befindlichen Strasse war unerhört gross. Dutzende Lastwagen stauten sich, Bäche strömten über die ausgewaschene Strasse. Ich schlängelte mich durch die vielen stehenden Fahrzeuge über mit Wasser gefüllte Löcher, notdürftig reparierte Strassenstücke. Wir kamen nur noch schleppend voran, aber immer noch deutlich schneller als sämtliche anderen Fahrzeuge. Schliesslich erreichten wir den Fuss des Merapi-Vulkans und hatten ihn bei überaus starkem Verkehr gleichsam am Fusse zu umrunden Richtung Klaten/Yogyakarta, um die zweite grosse Tempelanlage Prambanan zu erreichen.

Prambanan ist ungleich zu Borobudur eine hinduistische Anlage, etwas zur gleichen Zeit wie Borobudur von Rakai Pikatan erbaut. Das hinduistische Nordreich und das buddhistische Südreich Javas vereinigten sich dank einer Heirat. Auch Prambanan wurde immer wieder von Erdbeben heimgesucht, zuletzt 2006, als allein im Shiva-Tempel 479 riesige Steinbrocken zu Boden stürzten. Unendlich viele dieser quader- oder würfelförmigen Steine liegen wohl sortiert in der Umgebung der Anlage und warten darauf, bei einer Restauration verwendet zu werden.

Erst 1885 wurde die Anlage ausgegraben, 1937 wurde mit einer Restauration der Haupttempel begonnen. Steine von 244 aussenstehenden, kleineren Tempeln liegen aber immer noch in der Umgebung. Candi Shiva Mahadeva, Shiva gewidmet, ist nicht nur der grösste, sondern auch der schönste der Anlage. Die Skulpturen und filigranen Steinmetzarbeiten sind sogar noch eindrücklicher und feiner als jene von Borobudur. Je acht Haupt- und Nebentempel sind diversen hinduistischen Gottheiten gewidmet, Shiva, dem Zerstörer, Agastya, einer Reincarnation Shivas und einem bedeutenden Lehrer, Ganesha, Shivas Sohn in Elefantenform, Durga, Shivas Gemahlin.

Das Gelände ist recht weitläufig – Isadora wollte aber alles sehen, auch wenn sie ihren grossen Rucksack mitschleppen und sich keinesfalls helfen lassen wollte. Dies sollte sich lohnen, denn vor allem Candi Sewu (die tausend Tempel), gegen Abend ohne Besucher beeindruckte durch seine Grösse. Ein zentraler buddhistischer Tempel ist umgeben von 240 Beschützertempeln, die meisten davon jedoch wegen der vielen Erdbeben eingestürzt.

Die letzten 17 km nach Yogyakarta brachten wir recht schnell hinter uns – trotz regen Verkehrs. Am Abend assen wir gemeinsam im nahen Mi Casa e tu Casa zu Nacht, angenehme, angeregte Zweisamkeit…

Der heutige Trip war aber anstrengend, der Tag lang, und innert Sekunden schlief ich schon um zehn Uhr ein.

Km: 38‘578

 

So, 21.02.2016: Ein ruhiger Tag in Yogya

Wiederum stand ich recht früh auf und hatte viel zu schreiben über gestern. Ausserdem wollte ich die vielen neuen Fotos sichten. Schon vor zehn Uhr war ich unterwegs zum Kraton, dem Sultanspalast, der aber eine Enttäuschung war. Besser gefielen mir die traditionellen Tänze zu Gamelan-Musik. Ich fand an vorderster Front genau noch einen freien Platz und hatte beste Aussicht auf das bunte Geschehen mit den etwas starren, scheinbar auf den feinsten Millimeter abgestimmten Bewegungen.

Erst gegen Abend traf ich auf Isadora, die per Zug nach Malang fährt, wo ich sie morgen vielleicht wieder treffe. Herzliches Abschiednehmen! Ich ass im Bladok pikant gewürztes Randang, Geschnetzeltes auf Sumatra-Art. Es ist schwül-heiss, es wartet ein Bier, morgen geht’s früh weiter.

Und: Ich traf auf jenen Stempel-Laden, wo ich vor zwei Tagen einen böl-on-air-Stempel bestellt hatte, der schon lange fertig bereit dortlag. Es wird also mindestens noch einmal ein eigenes Heim-OpenAir geben…

Km: 38‘589

 

Mo, 22.02.2016: Unerwartet an einem Strand-Wunderwerk gelandet

Es dauerte viel zu lange, bis ich aus Yogya endlich wegkam. Erstens bedeuten vier Übernachtungen am selben Ort, dass ich mehr Zeit beim Packen benötige, zweitens wurde ich von einem schrägen Schweizer aufgehalten, der mit seiner Frau seit zwanzig Jahren den Winter in Indonesien verbringt, sich unter anderem mit Silberschmuck und  Schnitzereien eindeckt, die er in der Schweiz auf mittelalterlichen Märkten gewinnbringend verkauft.

Erst um halb zehn Uhr kam ich weg, war bald aus der Stadt und wurde auf dem Weg vom belgischen Paar angeschrieben, mit dem ich in Sumatra den Gunung Kerinci erklommen hatte. Die Frage war jetzt, ob ich Isadora in Malang oder die beiden in Pacitan an der Südküste treffen wollte. Ich war schon nach dem Mittag in der kleinen Küstenstadt, als ich Ed anrief, der aber nicht abnahm. Ich hatte mich schon gegen die beiden entschieden, als ich es ein letztes Mal versuchte und ihn tatsächlich am Draht hatte. Er meinte, Sara und er würden am Pantai Srau auf mich warten, um eine Exkursion zu einer Höhle zu unternehmen. Sofort fuhr ich über eine asphaltierte, aber schmale und kurvenreiche Strasse zu diesem wirklich schönen, aber absolut verlassenen Strand. Hier erfuhr ich, dass die beiden schon unterwegs zur Höhle waren. Dies fand ich nicht so nett. So genoss ich halt den weissen Strand mit den grossen Wellen und einer kavernenartigen Höhle, welche die Brandung über die Jahrhunderte geschaffen hatte. Ich war ziemlich abseits der Zivilisation, hatte weder Internet- noch Telefonverbindung, sodass die digitale Kommunikation definitiv unterbrochen war. Ich las lange am Schatten, packte gegen Abend wieder zusammen und fuhr im hügeligen Gelände wieder bergwärts, aber auch hier konnte ich mit den beiden nicht mehr in Kontakt treten. Am Telefon hatte mir Ed noch gesagt, dass am Pantai Klayar herrliche Sonnenuntergänge zu bewundern seien.

 

Und diesen Ort peilte ich jetzt an. Die schmale Strasse wurde immer schlechter, ging auf und ab, grosse Löcher waren zu umfahren, und schliesslich war der Teer nur noch vereinzelt zu sehen. Zudem hatte ich keine Ahnung, ob ich in Klayar tatsächlich eine Übernachtungsmöglichkeit finden würde. Ich stellte mich schon auf eine Zeltnacht ein. Für diese letzten 14 km brauchte ich unerhört lange, die Sonne war schon untergegangen, aber ich wurde von der Szenerie an diesem unglaublich wilden Strand förmlich erschlagen. Mächtige weisse Felsen stehen im Wasser, zwischen denen gewaltige Wellen gewaltsam einen Durchgang suchen. Ich musste wahrlich aufpassen, von den an der Steinküste hochpreschenden Wellen nicht weggespült zu werden. Einen derartigen Strand, sichelförmig in einer Bucht gelegen, unterbrochen von kantigen Felsklippen, habe ich wahrlich noch nie gesehen, und er zog mich sofort in den Bann. Eigentlich wäre geplant gewesen, morgen definitiv nach Malang zu fahren, aber diesen unglaublichen Ort muss ich mindestens einen vollen Tag auskosten.

An der Strasse hatte ich schon mehrere brandneue Homestays gesehen, und etwas oberhalb der Küste checkte ich in eines der leer stehenden Hotels ein. Ich war schnell geduscht, schwieriger wurde es jetzt, ein Restaurant zu finden. Da war schlicht und einfach keines! Schliesslich fand ich einen kleinen Warung, in dem ich wie die Affen im Zoo gleich von einem Dutzend Paar Augen interessiert begafft wurde. Aber hier hat noch niemand ein Smartphone, weshalb ich wohl auch nicht fotografiert wurde. Man kochte mir in Kürze ein Nasi Goreng und brachte einige fritierte Bananen, dazu gab es einen Eistee, mit hoffentlich sauberem Eis gekühlt (17‘000 IDR = Fr. 1.20). Ein Bier fand ich erst später, der junge Haushardy checkte schliesslich, dass er eines für mich besorgen könnte. Nicht unerwartet war es natürlich warm…

Wieder einmal nahm der Tag eine Wendung, mit der ich nicht gerechnet hatte, aber ich freue mich, diese einzigartige Umgebung mit diesem aussergewöhnlichen Strand morgen erkunden zu können. Ich fahre auch wieder mit GPS, mein Handy ist auf wunderliche Weise offenbar definitiv von den Toten auferstanden…

Km: 38‘766

 

Di, 23.02.2016: Klippen erklimmen, Schnecken sammeln und ein geschwollener Zeh

Strandtage sind meist faule Tage, aber die wilde Szenerie hielt mich fast den ganzen Tag ausser Atem. Schon am frühen Morgen stellte ich fest, dass dieser Ort vor allem für indonesische Touristen eingerichtet ist. Wie immer in Grüppchen posieren sie vor Klimmen und Meer, um dann am Boden sitzend in einem Warung etwas zu essen. Nach einem Rundgang um die Klippen, wo ein Zugang wegen der Flut und den bedrohlichen, in unregelmässigen Abständen heranpreschenden Riesenwellen noch gesperrt war, setzte auch ich mich ins kleine Strandrestaurant und ass Nudeln mit einem Ei.

Das erste Problem war hiermit gelöst, der Hunger gestillt. Das Bad im türkisgrünen, aber überaus wilden Meer hatte es in sich, denn die Wellen am weissen, recht steilen Sandstrand waren so gross, dass man achtgeben musste, nicht erschlagen oder von ihnen gefressen und ins offene Meer hinausgezogen zu werden. Die Wellen überschwemmen manchmal die flachen Teile der Klippe, und man muss achtgeben, nicht weggespült zu werden. Zum Teil sind die Klippen unterspült; durch einen Schlitz im flachen Fels strömt gleich einem Ministurm Luft, welche durch die Wellen durch diesen kleinen Ausgang gepresst wird. Ich wunderte mich, warum es gleich neben mir so pfeift, bis mich diese Pressluft erfasste und beinahe in die Höhe schleuderte! Was für ein gewaltiges Naturschauspiel! Mein Spaziergang auf den mittleren Klippen, wer mich kennt, Fussstellung auf Charlie-Chaplin-Art, hatte unangenehme Folgen; ich blieb mit dem rechten, kleinen Zeh an einem Felsstück hängen, der sich im Laufe des Tages blau-rot verfärbte, schmerzhaft, aber gebrochen ist er wohl nicht.

Jetzt machte ich mich an die Pflicht, nämlich einige schmutzige und verschwitzte Kleider auszuwaschen und an die Sonne zu hängen. Danach war ich bachnass und brauchte eine Erfrischung im Meer, aber Schwimmen ist hier kaum möglich, die Wellen sind zu heimtückisch und einfach zu gross und kräftig. Jetzt hatte ich wieder einmal Zeit zum Lesen, erfreulicherweise wieder per Handyscreen. Ich lag lange in einer Laube, eine geöffnete Kokosnuss vor mir, gesund und nahrhaft! Im Laufe des Nachmittags meldete sich der Hunger zurück. Im selben Restaurant ass ich Fisch und Reis, die Chili-Knoblauch-Sauce war das Beste. Jetzt war Zeit für ein Bier an jenem wildesten Strand, hundert Meter breit und eingerahmt von steilen gelbweissen Klippen. Unterdessen hatte die Ebbe ein grün bewachsenes Riff freigegeben, auf dem einige Frauen auf der Suche nach Meerschnecken waren. Mit einem Metallhaken durchstöberten sie jedes mögliche Loch, um die Tiere herauszuziehen und in einen Plastiksack zu verstauen. Dann suchte ich einen Zugang zur höchsten, auf der rechten Seite stehenden Klippe. Die Kletteraktion war zwar etwas waghalsig, weil der Sandstein kaum Grip erlaubte, aber oben wurde ich mit einer genialen Rundsicht auf Wellen und Meer belohnt. Und endlich war Ruhe, denn schon lange hatten mich die lauten Buggies genervt, welche faule, einheimische Touristen dreihundert Meter bis zur schönsten Bucht chauffierten. Hier oben las ich erneut etwas, bis das Abendlicht immer wärmer wurde. Wellen, Sandstrand, Klippen und dahinter die lusche, grüne Natur, was für eine Szenerie!

Genau jetzt wurde die Bewölkung innert Minuten so dicht, dass es unerwartet zu regnen anfing, aber die Stimmung über den Buchten wurde nur noch grandioser und spezieller. Gleichwohl kletterte ich über den feuchten Sandstein hinunter zum Meer und zur linken Klippe. Es regnete noch leicht, aber der Himmel verfärbte sich in kitschiger Weise und davor schienen die daherpreschenden Wellen in der hereinkommenden Flut und die Gischt noch grösser und wilder zu sein. Ich konnte mich fast nicht mehr lösen von dieser Szenerie – und eigentlich bin ich ja nur zufällig hierhergelangt.

Der Abend wurde ruhig, ich hatte schon gegessen, gab der Töffkette etwas Öl und bereitete mich vor, morgen wirklich früh hier wieder abzuhauen, die Lust auf Berge und Vulkane ist gross!

Km: 38‘770

 

Mi, 24.02.2016: Vom Bromo gefangen genommen

Ich befinde mich an einem unmöglichen Ort. In der Ferne höre ich das Donnergrollen des momentan aktiven Gunung Bromo, und ich halte mich im riesigen Krater dieses Vulkans auf, nur geschützt durch eine andere, wohl bewaldete Kraterwand. Es ist mäuschenstill hier, es scheint weder Vögel noch Insekten zu geben. Ich habe mein Zelt auf einer verregneten, schwarzen Sandbank aufgebaut, als es schon stockfinster war. Die letzten 15 km bis Cemoro Lawang habe ich nicht mehr geschafft. Offenbar habe ich mir heute wieder einmal etwas zu viel zugetraut. Als ich endlich die Kraterkrete erreichte, war es so neblig und finster wie in einer Kuh, dass ich kaum noch im Schritttempo fahren konnte. Die Fahrt in den Krater war aber noch machbar, bei aller Vorsicht, denn das Strässchen war einigermassen gut geteert. Als ich jedoch den Kraterboden erreicht hatte, änderte sich dies schlagartig. Steinig, schlammig, riesige Wasserpfützen, es musste heute stark geregnet haben. Und jetzt kam noch der schwarze Sand, der mich aus dem Gleichgewicht zu bringen versuchte. Als ich vor einer weiteren riesigen, knietiefen Pfütze stand, siegte die Vernunft. Obwohl ich fast kein Wasser mehr habe, beschloss ich, nicht mehr weiterzufahren und mein Zelt aufzustellen. Aber wo? Der Kraterboden ist an dieser Stelle noch grün, genmanipulierte Riesen-Sauerampfern gedeihen hier (oder ist es einfach die fruchtbare Vulkanerde?), andere noch nie gesehene wunderliche Pflanzen. Aber das Gelände neben der Sumpfpiste war mir zu struppig und nass; jetzt steht das Zelt auf einer schwarzen, durchnässten Sandbank. Immerhin regnet es nicht mehr. Ich sah sogar vereinzelte Sterne, als ich mich leicht verpflegte: Avocado, pinke Dragonffruits, die glücklicherweise so gross und saftig ist, Schweizer Schokolade, die ich in Batu Karas vom Schweizer Paar geschenkt bekommen habe. Das war’s dann…

Am meisten Sorgen macht mir das Wasser, vielleicht noch ein Deziliter ist übrig. Diesmal kann ich keinen Tee kochen. Zwar könnte ich Wasser von den Wasserpfützen nehmen, aber meine Benzinflasche ist seit dem Kerinci-Trip verschwunden, und Holz suchen ist hier wohl eine Sache der Unmöglichkeit, geschweige denn, es zum Brennen zu bringen.

Ich wusste, dass dieser Trip mit etwas Risiko verbunden ist, denn der übliche Zugang zum Gunung Bromo erfolgt von der Nordseite (Probbolinggo), aber google maps zeigte eine Strassenverbindung an (im Gegensatz zu den andern beiden Navis), zudem wurde mir im Gespräch mehrmals bestätigt, dass es wirklich eine Fahrmöglichkeit von Westen gibt. Als ich in Kepanjen 20 km vor Malang Richtung Bromo fuhr, war ich ziemlich überrascht, wie viele Strassen und Dörfer es auf dieser Kraterseite gibt. Vulkan, das bedeutet fruchtbar, und wo fruchtbar, da Menschen. Gemüse en masse wird angepflanzt. Ich kam gut und schnell vorwärts, nur einmal wendete ich, weil die google-Strasse nicht mit der originalen übereinstimmte. Schliesslich ging es auch endlich einigermassen aufwärts. Laut google gibt es drei Möglichkeiten, den Krater zu erreichen, die mittlere wählte ich. Als die kleine Fahrstrasse immer enger und holpriger wurde, dachte ich, ja endlich, wenigstens jetzt kommt ein bisschen Abenteuerstimmung auf. Aber wenige Minuten später fluchte und schwitzte ich über zu viel Abenteuer. Schlagartig veränderte sich die einigermassen geteerte Strasse in einen Schlamm- und Steinweg. Was sollte ich machen? Auf der Karte sah ich, dass ich kaum einen Kilometer weiter auf eine andere Strasse treffen würde (die ich besser von Anfang an gewählt hätte). So fuhr ich über grosse Schotter durch ein Waldstück steil bergab – dies schaffte ich mit Hängen, Würgen und Rutschen. Jetzt ging es gleich wieder extrem steil bergauf. Auf einem hundert Meter langen Stück waren kleine, 30 cm grosse Steinplatten gelegt, die aber wegen der Überbeanspruchung überhaupt nicht mehr eben waren. Und daneben war schmieriger, rostbrauner Schlamm, dazu war es überaus steil. Es wurde zu einem Drahtseilakt. Ich musste möglichst gerade fahren, nicht zu langsam, durfte diese Steilplatten aber keinesfalls verlassen. Aber trotz aller Fahrkunst passierte mir genau dies, ich kam mit meinem Riesengewicht ins Rutschen, und da lag sie wieder einmal, meine Maschine. Ich weiss mittlerweile, wie man abspringt, dass ich mich möglichst nicht verletze. Dies gelang mir auch diesmal.

Kaum zwei Minuten später erschien ein Einheimischer mit seiner kleinen, leichten Maschine. Sofort erfasste er meine Not, er wollte die Maschine anheben. Aber ich versuchte es schon gar nicht, die Maschine in aufrechte Position zu bringen, zuerst musste sie von möglichst viel Gepäck befreit werden, ich verdammte meinen Sicherungstic mit all den Knoten rund um meine Ladung. Bald kam noch ein zweiter Helfer, und zu dritt stellen wir die Maschine (nur noch ein Koffer blieb dran, auf dem der Töff lag…) im steilen Gelände auf. Aber ich kam fahrend nur einige Meter weit, kam ins Rutschen, und wieder lag sie auf der Seite. Aber das nächste Mal schaffte ich es, weil ich mit mehr Bestimmtheit anfuhr. Jetzt erreichte ich auch eine Betonspur, die ich perfekt traf. Die beiden brachten mir tragend die abgeladenen Gepäcksstücke ein ganzes Stückweit steil bergauf. Aber ich war auch ohne Schleppen ausser Atem, natürlich belohnte ich die Hilfestellung mit je 50‘000 IDR. Ich realisierte, dass ich mit dieser Aktion viel Zeit verloren hatte und tatsächlich in Zeitnot kam, das Bromo-Gebiet noch zu erreichen. Zudem ärgerte ich mich über meinen Hinterpneu, der unterdessen schon wieder ordentlich heruntergefahren ist und im Schlamm kaum mehr Grip hat. Noch sind es 3000 km bis Osttimor…

Als ich wieder geladen hatte und wenig später auf eine viel besser ausgebaute Strasse traf, war ich wieder guten Mutes, mein Ziel doch noch zu erreichen. Es hatte aufgehört zu regnen, Nebelschwaden zogen um die steilen, bewaldeten Kraterhügel. Aber es dunkelte schnell ein. Zudem wurde ich ein weiteres Mal aufgehalten, am Checkpoint sollte ich Eintritt bezahlen, aber man wusste nicht, was zu verlangen ist, sodass ich einfach weiterfuhr. Die an steilen Hängen angebauten Teeplantagen interessierten mich nicht mehr. Zudem wurde der Nebel immer dichter, je höher ich aufstieg. Als ich den Kraterrand endlich erreicht hatte, war es schon beinahe stockdunkel. Es hatte massiv abgekühlt, angenehm ist anders.

Ich kann mir keinen Vorwurf machen, heute Morgen zu spät abgefahren zu sein. Um sieben Uhr war ich schon unterwegs durch kurvenreiches, hügeliges Gelände mit unzähligen Reisterrassen und -feldern. Ich freute mich über das schöne Wetter, die reizvolle Landschaft und den spärlichen Verkehr. Nur eine Tankstelle vermisste ich lange Zeit, ein Benzindesaster drohte, das ich schliesslich aber noch abwenden konnte. Je näher ich Malang kam, desto stärker und lästiger war der Verkehr und umso dichter war die Gegend besiedelt. Lastwagen um Lastwagen überholte ich, ebenso die unzähligen unberechenbaren Mofafahrer. In Blitar machte ich einen Nudelhalt, und jetzt ging es schnell. Im Nu war es brandschwarz bewölkt und ein erster kräftiger Schauer ging nieder. Aber ich war noch am Essen und versuchte nur, den kleinen Rucksack von den niederstürzenden Wassermassen zu schützen. Ich fuhr nicht weit ohne Regenschutz, der nächste Schauer folgte sehr bald. Ich wartete einige Zeit unter dem Vordach eines kleinen Ladens, die mir am Ende des Tages dann fehlen sollten.

Es ist erst halb neun, es ist absolut nichts zu hören, sogar der Vulkan schweigt momentan. Ich bin etwas durstig, aber ich werde es überleben. Ich bin gespannt auf morgen, wie gut ich es schaffen werde, den tiefen, ebenen Kraterboden zu durchqueren. Ich werde dem Bromo recht nahe kommen. Hoffentlich trifft mich kein glühender Stein.

Es ist angenehm kühl, ich werde gut schlafen, obwohl keine Menschenseele hier ist…

Km: 39‘116

 

Do, 25.02.2016: Mystik am Bromo

Die Bewölkung und der alles einnässende Nebel hatte sich diese Nacht auch in meinem Magen festgesetzt. Um eins Uhr nachts musste ich notfallmässig aufstehen und möglichst schnell der feuchten Umgebung aussetzen. Der schwarze Sand wurde deftig markiert. Aber wie der Magen war der Himmel am Morgen wieder klar. Um die grünen Krater-Innenwände, im Bromo-Gebiet 15 km in der Ausdehnung, zogen zwar noch dichte Nebelschwaden. Dies machte die Stimmung des Morgens früh nur noch mystischer.

Sobald es hell wurde, begann ich mit dem Zusammenpacken all meiner Utensilien. Das meiste erledigte ich im Zelt, denn draussen war es unerhört feucht, und was man nach draussen nahm, hatte danach Spuren des schwarz-schmierigen Sandes. Schon bevor ich abfuhr, realisierte ich, dass ich kaum weitere 150 m hätte weiterfahren müssen, um das Pflanzenmeer zu verlassen und die Sandwüste zu erreichen. Bereits waren einige Einheimische mit ihren kleinen Motorrädern unterwegs, und es war jetzt leicht, deren Spuren zu folgen. Geschickt wurden so riesige, unsichtbar tiefe Wassertümpel umfahren. Aber auch dies hatte es in sich, denn an einer Stelle nahe des Kraterabhanges musste auf einem schmalen Fussweg eine schmierige Spur befahren werden. Jetzt nur nicht kippen, sonst hätte ich mich in einem dieser Tümpel wiedergefunden. Ich kam glücklicherweise unbeschadet durch. Jetzt wurde die riesige Sandfläche noch weiter, und die aufgegangene Sonne sog immer mehr der Nebelfetzen auf. Nur noch dem Boden nach zogen feine, kaum kniehohe Nebelchen. Die Morgenstimmung auf dieser weiten Ebene war einfach grandios. Und dann sah ich ihn, den rauchenden Bromo, nicht sehr hoch, der Rauchschwaden wegen aber doch sehr eindrucksvoll. Eigentlich machte er gleichwohl nicht den Eindruck, dass man ihn nicht besteigen kann, aber ich wollte mich der Sperrung nicht widersetzen. Das gestrige Wasser hatte immer wieder Spurrinnen in den Sand gefressen, die es vorsichtig zu überfahren galt. Aber dank der Spuren gelang dies problemlos. Cemoro Lawang mit seinen Funkantennen war schon von weitem zu sehen. Aus dem Krater kam ich über eine betonierte Strasse. Was für ein Ausblick am Viewpoint 1 auf diese Mondlandschaft und den rauchenden Bromo im Hintergrund.

Ich fuhr jetzt steil bergab bis zu Yoshis Guesthouse, wo ich schon um acht Uhr ein kleines, aber feines Zimmer bezog (200‘000 IDR). Noch vor dem Frühstück hängte ich das nasse Zelt, Schlafsack, Matte, Schutzplane an die Sonne, denn nur wenn sie netterweise scheint, trocknen die Sachen auch in vernünftiger Zeit. Erst dann gab es Frühstück – heute war ein Nasi Goreng genau das Richtige. Am Mittag wollte ich nochmals zum Krater hochfahren, aber just jetzt begann es zu regnen. Ich fand jetzt Zeit, die Arschseite meiner langen Lieblingshose zum zweitenmal zu flicken, der die Rutschpartie damals am Demawand im Iran nicht gut bekommen war. Ich ass frisches Gemüse aus dem Dorf mit Reis und trank ein Bier. Gegen Abend fuhr ich aber doch noch hoch zum Viewpoint 2 und erlebte einen schönen Sonnenuntergang. Die Rückfahrt wurde aber unerwartet unangenehm, denn ich stellte fest, dass keines meiner beiden Lichter mehr funktionierte. In Minimaltempo kämpfte ich mich steil abwärts durch die Dunkelheit und nervte mich über diese Minipanne. Als ich das Hotel glücklicherweise unbeschadet erreicht hatte, kontrollierte ich die Sicherungen und fand tatsächlich eine defekte. Aber ich hatte keine 15-er-Sicherung mehr als Ersatz, sondern nur noch 10-er. Tatsächlich funktioniert jetzt das Licht wieder, aber ich befürchte, dass die zu schwache Sicherung bald auch wieder ihren Geist aufgeben wird. Zudem mache ich mir erneut Sorgen wegen meines Hinterpneus, dessen Profil unterdessen fast vollständig heruntergefahren ist.

Der Tourismus leidet unter dem Ausbruch des Bromo, es hat viel weniger Besucher, und das Menu ist dementsprechend sehr eingeschränkt. Nudelsuppe zum Znacht!

Km: 39‘148

 

Fr, 26.02.2016: Vulkan-Tage

Ich stand schon vor fünf Uhr auf, um nochmals hoch zum Viewpoint 2 nahe des Bromo-Vulkans zu fahren. Ich hatte wiederum Glück mit dem Wetter, es war klar. Zu Fuss ging ich noch 300 m höher, auf einen Aufstieg per Pferd verzichtete ich. Aus dem diffusen Licht der Dämmerung wurden gleich drei Vulkane bald in warmes Licht gehüllt. Im Hintergrund der höchste, der Semeru (3600 m.ü.M.), aus dessen kleinem Krater immer wieder neckische Rauchfahnen entwichen. Der Bromo selber war gleichermassen aktiv wie gestern, nur der nächste, gleich neben dem Bromo gelegen und mit wenigen Pflanzen bewachsen und in perfekter Form, der Batok, schlief heute Morgen. Ich beobachtete ein einheimisches Paar in Hochzeitkleidern, das hundertfach fotografiert wurde.

Erst nach acht Uhr verliess ich Cemoro Lawang, ich wartete viel zu lange, bis mein Frühstück endlich zubereitet war. Jetzt ging es vorbei an Gemüseplantagen (Kohl und Zwiebeln u.a.) zur Nordküste Javas nach Probolinggo. Hier war es wieder tropisch feucht-heiss, und der Verkehr hatte mich wieder! Tatsächlich fand ich hier die gesuchten Sicherungen für meinen Töff (15-er und 10-er) in zwei Geschäften, ich kaufte eine Sonnenbrille, weil ich meine nicht mehr fand, dann tankte ich und versorgte mich mit neuem Geld.

Ich war froh, die Küstenstrasse Richtung Bondowoso endlich verlassen zu können, aber ich fuhr jetzt geradewegs in eine schwarze Wand, ein heftiger Schauer liess nicht lange auf sich warten. Diesmal hatte ich mich aber schon regentauglich gemacht, bevor ich das erste Mal nass wurde. In Bondowoso war es wieder trocken, aber je mehr es bergauf ging, desto stärker regnete es. Ich überquerte wahre Bäche auf der Strasse, aber die Fahrt war gleichwohl reizvoll, denn ich fuhr lange durch Wald, Vulkanerde produziert einen ganz besonders fremdartigen Wald. Irgendwann überquerte ich die grosse Kraterwand und tauchte ein in fruchtbares, bewirtschaftetes Land. Ich war froh über den Tipp des Hotelmanagers in Cemoro, denn ich fand das ziemlich abgelegene „Homestay“ Catimor problemlos. Die Unterkunft ist zwar weniger ein Homestay, als viel mehr ein älteres Hotel mit vielen Zimmern, Swimmingpool und einem Hotpot, gefüttert von heissen Quellen, die in der nächsten Umgebung vorkommen.

Ich genoss die Anlage, informierte mich über den Gunung Ijen. Es dürfte eine kurze Nacht geben, denn die Blue Fires auf diesem Vulkan sieht man nur nachts…

Km: 39‘361

 

Sa, 27.02.2016: Gunung Ijen – oder der beinahe unerträgliche Spagat zwischen Tourismus und unglaublich hart arbeitenden Bergbauarbeitern

Ich wusste beileibe nicht, ob es eine gute Idee ist, schon um Mitternacht aufzustehen, um mich auf einen Nachttrip zum Gunung Ijen zu begeben, zumal es immer noch stark regnete, als ich früh zu Bett ging. Aber ich stellte vorsorglich den Wecker, und siehe da, um Mitternacht war es klar, und ich stand auf.

Es war kurz nach Mitternacht eine gespenstische Fahrt durch die Wälder bis Sempol, aber als ich hier ankam (ohne mich zu verfahren, was diesmal besonders wichtig war…), war man hier schon umtriebig wie in einem Ameisenhaufen. Viele meist einheimische Touristen hatten dasselbe vor wie ich. Ich hängte mich an zwei Thai-Touristen (!) mit ihrem Führer, die mir aber zu gemächlich unterwegs waren. Bald wurde ich von einem einheimischen Minenarbeiter begleitet, der mich auf dem Kraterrand mit der (nötigen?) Gasmaske ausrüstete, um in den rauchenden Krater hinunterzusteigen. Es ist wie immer, wenn man des Nachts wandert, man läuft wie in Trance, vergisst die Zeit und die Anstrengung und bewältigt die Höhenmeter scheinbar leichter als am Tag.

Dass ich so früh unterwegs war, sollte sich lohnen, denn später kamen unzählige weitere Gruppen, um diesem speziellen Naturereignis beizuwohnen. Der Abstieg zum Kraterboden war steil und unwegsam, ich überholte viele andere Berggänger, meine Bergerfahrung zahlte sich aus. Ein gelbes Meer von Schwefelablagerungen empfing mich nahe des grossen, im Halbmond schimmernden Kratersees. Es war erst etwas mehr als zwei Uhr nachts, und noch nicht viele hatten den Weg bis hierher gefunden. In aller Ruhe konnte ich die phänomenalen blue fires bewundern. Blau schimmernde, unglaublich heisse, vom Vulkangas gefütterte Flammen züngelten zwischen Lavagestein und Schwefel empor. Was für ein Bild in der Nacht! Es waren aber auch schon viele einheimische Minenarbeiter hier. Auf diese Feuer wurden grosse Mengen von Wasser geschüttet, wodurch sich am Ausgang von gelegten Rohren und Fässern riesige Schwefelablagerungen absetzen. Männer waren mit riesigen Metallstäben daran, riesige Schwefelplatten vom Boden zu lösen und anschliesslich in die gewünschte Form zu schlagen, dass sie in den mitgebrachten Körben Platz finden. Zwei Körbe sind mit einer federnden Bambuslatte verbunden. 50 bis 75 kg reinen Schwefels werden dann aus dem Krater zum Kraterrand hochgeschleppt. Was für eine unerträglich anstrengende Plackerei! Zudem ist die Arbeit wohl ziemlich ungesund, dauernd diesem Schwefelrauch ausgesetzt zu sein. Einige Arbeiter schöpfen flüssigen Schwefel in bereitgestelltes Wasser, um kleine Zufalls-Schwefelskulpturen entstehen zu lassen oder giessen diesen in mitgebrachte Formen, um kleine Schildkrötchen herzustellen und an Touristen zu verkaufen; ein noch recht junger Arbeiter zitterte, als ob er Parkinson hätte. Der Schwefelabbau ist nämlich wenig einträglich. Für 1 kg Schwefel, nach Sempol gebracht, erhält der Arbeiter 930 Rupiah (7 Rappen). Ich beobachtete lange die mühselige Arbeit und verpflegte sie mit Teilen meines mitgebrachten Proviantes, wenn ich sie fotografierte, was sie extrem estimierten. Die Stimmung bei Mondschein, aufkommenden Nebels, dem gelben Schwefelrauch und Wasserdampf war einfach unglaublich. Ich hätte mir eine bessere Kamera gewünscht, um die Stimmung noch besser festhalten zu können. Die Nacht verging wie im Nu, und immer weitere Gruppen von vor allem einheimischen Touristen kamen an, um diesem Schauspiel beizuwohnen. Und je länger ich hier war, desto perverser kam mir das Geschehen vor. Hier die gut ausgerüsteten, fotografierenden Touristen, da die schuftenden Minenarbeiter in ihren Flip-Flops, die für wenig Geld Höchstarbeit leisten. Und sinnigerweise benötigt man den Schwefel vor allem für Kosmetikprodukte…! Was für ein Gegensatz!

Eine Stunde vor der Dämmerung machte ich mich auf den Rückweg hoch zum Kraterrand. Es war zwar immer noch klar, aber Wolken im Osten verhinderten einen tollen Sonnenaufgang. Ich wanderte in wenigen Minuten zu einem Viewpoint, um die trotzdem eindrückliche Szenerie zu geniessen. Um die eigenartig gewachsenen, teils von Vulkanausbrüchen verbrannten Bäume zogen unterdessen einige Nebelschwaden, allmählich wurde der eigenartig blaue Kratersee in voller Ausdehnung sichtbar. Die Minenarbeiter waren unterdessen damit beschäftigt, den heraufgeschleppten Schwefel in kleinere Stücke zu hauen, in Säcke zu verpacken und auf kleine Wagen zu binden, um sie die 3 km runter nach Sempol zu bringen. Die Perversität des Geschehens erreichte jetzt den Gipfel, als ich einen schmächtigen Minenarbeiter beobachtete, wie er in einem kleinen Wägelchen zwei fette, gehfaule einheimische Girls fahrend zu Tal brachte, notabene über einen ausgewaschenen Weg mit vielen Rinnen und Furchen…

Ich erreichte Sempol schon vor sieben Uhr und fuhr die 15 km zurück zu meinem Hotel. Natürlich war ich hundemüde und versuchte etwas nachzuschlafen. Aber ich erwachte schon wieder um neun Uhr und beschloss, entgegen den gesetzten Plänen, doch heute schon abzureisen. Es brauchte wiederum einige Zeit, bis alles fertig gepackt war – und ich war ein wenig zu spät, denn gerade einmal zwei Kilometer konnte ich fahren, bis der nächste Schauer in Vollstärke auf mich niederprasselte. Ich rüstete mich mit meinen Regenklamotten aus und fuhr nochmals hoch zum Pass Richtung Sempol. Hier wurde es wieder hell. Die Strasse Richtung Banyuwangi ist etwas besser ausgebaut. Ich durchfuhr die verschiedenen Stufen des vulkanischen Urwaldes, eingehüllt in mystische Nebelschwaden, mit Massen von Riesenfarnen und anderen, noch nie gesehenen Baumarten. Je näher ich der Küste kam – es waren nur 45 km – desto wärmer und heller wurde es. In Banyuwangi hatte mich der starke Verkehr wieder, aber es war nicht mehr weit bis Ketapang. Eine kleine Fähre brachte mich in einer Stunde zur nächsten Insel: Bali! Zwar wurde ich nicht besonders nett empfangen, denn ein weiterer Regenschauer entlud sich exakt an jener Küstenseite, der ich folgen wollte. Dieser dauerte aber nicht lange, und ich hätte mir sogar meine Regenausrüstung sparen können.

Das Feeling in Bali war gleich von Anfang an grundlegend anders. Ich hatte die dauernden, auch in der Nacht singenden Muezzin-Sänger allmählich satt und freute mich über die vollkommen andere Hindu-Kultur Balis: viel verspielter, irgendwie einladender, viel weniger streng und einschränkend, auch wenn die Menschen hüben wie drüben genau gleich freundlich sind. Auf dem Weg entlang der Nordküste Balis besuchte ich einen ersten hinuistischen Tempel (Pura Pabean), in dem sich Massen von Makaken tummelten. Ich bekam gleich einen Sarong umgehängt und genoss die friedliche Stimmung am Meeresufer. Aber ich war müde, denn ich hatte kaum geschlafen. Es waren zwar nur gut 70 km bis Lovina (Kalibukbuk), aber die Strecke schien nicht enden zu wollen. Schliesslich fand ich das angestrebte kleine Homestay Harris inmitten des Ortes (130‘000 IDR mit Frühstück), geführt von einer seit 25 Jahren hier lebenden Deutschen, deren Mann vor drei Jahren leider verstorben ist und die mir hier unterdessen etwas verloren scheint. Aber immerhin versucht sie ihr günstiges Guesthouse momentan etwas umzubauen. Gleich in der Nähe fand ich ein japanisches Restaurant: Zwar relativ teures, aber ausgezeichnetes Sushi-Menu.

Es vergingen Sekunden, bis ich danach hinüber in die Traumwelt schlummerte. Ich erwachte nachts um vier Uhr und machte mir Gedanken über meine Pneus, vor allem der hintere ist unterdessen ein Slick, das Profil ist vollkommen heruntergefahren, und ich spiele mit dem Gedanken, kurzerhand nach Singapore zu fliegen, um mir ein neues Paar  Reifen zu besorgen… Noch sind gegen 3000 km zu fahren in Indonesien, nur mit neuen Reifen kann ich beruhigt weiterfahren, zudem kann ich gerade auch noch mein Visum erneuern, wenn ich ausreise. Und die Flugpreise sind ja momentan so günstig…

Km: 39‘539

 

So, 28.02.2016: Erholung nach ereignisreichen Tagen in Lovina

Ich kenne Lovina von einem Besuch mit Häne und Withmer vor fast dreissig Jahren. Der Strand ist noch immer schwarz, das Wasser braun, also nicht wirklich eine Reise wert. Auch dieser Ort ist viel grösser geworden, jeder und jede scheint ein Quäntchen mit dem Tourismus verdienen zu wollen. Es hat wenige Touristen, man hat aber gelernt, was Touristen schätzen, und dies kam heute auch mir zugute.

Nach dem Fruchtteller mit Kaffee am Morgen war ich bald einmal hungrig und fand ein kleines Restaurant mit tripadvisor-Empfehlung. Hier fand ich nicht nur gutes Internet, sondern ass auch gute Spaghetti mit Salat und einem Banana-Vanille-Shake und nachher einem Illy-Espresso (!). Ich arbeitete lange Zeit am Blog, Teil 19 ist beinahe bereit. Die grosse Frage des Tages war natürlich, ob ich wirklich nach Singapore reisen werde, um neue Reifen zu besorgen. Ich nahm Kontakt mit Eng aus Singapore auf (den ich in Chiang Mai kennengelernt hatte), der mir sofort seine Hilfe anbot. Allerdings weiss ich bis jetzt noch nicht, wie lange ein solcher Pneukauf dauern wird, deshalb habe ich auch noch keinen Flug gebucht.

Am späteren Nachmittag besuchte ich den fast menschenleeren Strand, las im Harry Potter IV. Am Abend ass ich in einem relativ belebten Restaurant einen Red Snapper. Allerdings war ich mir nicht sicher, wie frisch der Fisch wirklich war – wird sich dann diese Nacht zeigen.

Ich bin fit für die Weiterreise. Die Distanzen werden auf den kleinen Inseln kürzer, aber ich freue mich, über die balinesischen Berge zu fahren – erneut nach 30 Jahren, diesmal von Nord nach Süd…

Km: 39‘539

 

Mo, 29.02.2016: Ein Aufstieg auf Betonspur, ein nochmaliges Zusammentreffen und ein Sichtungstag

Ich liess mir Zeit heute Morgen, obwohl ich weiss, dass das Wetter morgens meist besser ist und die Schauerneigung am Nachmittag zunimmt. Alle drei Navis zeigten mir verschiedene Wege an, wie ich über Balis Berge komme. Ich verliess mich wieder einmal auf maps me, weil diese Strecke die kürzeste war. Aber diese hatte es in sich! Ich wunderte mich schon in Lovina, als ich auf einen durchlöcherten Fahrweg einfuhr. Aber jetzt ging es beinahe der Falllinie entlang steil aufwärts, bald nur noch auf zwei schmalen Betonspuren. Mit aller Vorsicht versuchte ich meine Spur zu halten. Immer wieder überlegte ich mir, ob ich wenden und doch die bestimmt besser ausgebaute Strasse Richtung Süden nehmen sollte. Aber irgendwann war ich so hoch über dem Meer, dass ich dazu keine Lust mehr hatte. Einmal verlor ich die Betonspur tatsächlich und rutschte in einem besonders steilen Stück schon bedrohlich retour, aber ich konnte mich retten und über einen Absatz die Spur wieder erreichen. Es war eine Erleichterung, als mein Weg in eine bessere Strasse von Westen einmündete und ich wenig später die Hauptstrasse erreichte. Ich hatte die Höhenmeter überwunden und erreichte auf über 1300 m.ü.M. den Tamblingan-See und wenig später den Buyan-See in der Bedugul-Region. Aber unterdessen waren Wolken aufgezogen. Die Stimmung hier oben war grau und matt, zudem ist jede Ecke touristisch ausgebaut. Ladungen von Tour-Touristen machten Halt am See. Für mich war es ein Abklatsch der Erlebnisse vor dreissig Jahren. Beinahe ohne Halt durchfuhr ich ein scheinbar unendliches Strassendorf. Und dann ging’s zügig wieder bergab Richtung Denpasar – Ubud. Vor Ubud hatte ich mich im Strassengewirr mit unzähligen Dörfern zurechtzufinden. Die Gegend strotzt vor pituresken hinduistischen Tempeln. Ubud war nicht mehr wiederzuerkennen.

Ich steuerte Tutde’s Place an, wo sich Isadora aufhielt. Nach langem Suchen fand ich sie in Monsieur Spoon’s Restaurant mit drei anderen Travellern. Aber sie reiste schon am Nachmittag Richtung Kuta ab.

Nach dem Einchecken in meiner Logde (120‘000 IDR) begann der Regen, und ich machte mich ans Organisieren meiner neuen Pneus in Singapore. Die ganze Kommunikation lief über Facebook Messenger, und schliesslich waren tatsächlich zwei neue Pneus organisiert, allerdings nur minderwertige Mitas E09 bzw. E10 (nichts anderes war an Lager!), aber immerhin Enduro-Pneus. Ich telefonierte mit Erik in Chiang Mai, der mir sagte, dass ich sie notfalls verwenden soll, ich könne sie in Darwin ja wieder wechseln. Jetzt versuchte ich einen Retour-Flug nach Singapore zu organisieren, und wiederum staunte ich, dass ebookers nicht ebookers ist. Auf der englischen Seite kam ich zu einem viel billigeren Flug (130 Fr.) als auf der .ch-Seite; allerdings sind die Flugzeiten nicht gerade ideal. Ich werde morgen Abend fliegen und erreiche Singapore um elf Uhr nachts. Ich buchte für einmal eine Lodge im Voraus (Fernloft, 18 SGD/Nacht im Dormitory – nur 13 Fr.). Die Pneus werde ich dann an meinem Geburtstag abholen können, einen Tag später geht’s zurück nach Denpasar.

Am Abend besuchte ich ein balinesisches Restaurant für eine balinesische Reisspezialität (Nasi Peliceng), ein Currygericht, indisch angehaucht, allerdings europäisch gewürzt – ich musste Chili nachbestellen.

Jetzt sitze ich im Garten meiner Lodge, die sich (wie viele der unzähligen Unterkünfte hier) in einem kleinen balinesischen Tempel befindet. Es regnet…

Und: Ich höre wieder einmal schweizerdeutsche Musik. Wolfgang hat mir Weniger-Egli-Musik in meine Dropbox geladen… - gaaanz nett!

Km: 39‘631

 

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Kommentare: 3
  • #1

    regula (Donnerstag, 03 März 2016 21:29)

    ist ja noch profil dran :-) musst halt immer in engen kurven mit viel seitenlage fahren ;-)
    ich hab einmal mehr stunden mit dem lesen deines blogs verbracht und wenn ich damit fertig bin, bin ich gleichzeitig froh (dann hab ich wieder zeit für anderes) und finde es ein bisschen schade. manchmal guck ich mir die route dann noch mehr oder weniger detailliert auf google-maps an. dann bin ich gleich nochmals stunden absorbiert. jedenfalls freu ich mich am ende jeweils schon auf den nächsten.
    ich wünsche dir weiterhin viele wunderbare eindrücke und den frieden mit dir und der welt.
    liebe grüsse, regula

  • #2

    isoreistimgeistemit (Sonntag, 06 März 2016 18:34)

    Sturzi, du bisch und bliibsch en wahnsinnige! Wieso au langwilig, wenns au abentürlich und gföörlich goot? Aber wieder e paar richtig, richtig geili gschichtli. Jetzt fägts endgültig wieder. Schaad nur, dass du das paarigsaagebot vo dere Indonesierin nöd aagnoo hesch. wär doch cool, so e paar netti chlini sturzis in Fernost. wobii - me weiss jo nüt gnäuers....;-)

  • #3

    sturzinsenior (Montag, 28 März 2016 10:19)

    Wann hört man wiedereinmal etwas vpo dir?

    GrussPAP