CHINA Teil II
Ab Lhasa spürte man den Druck Chinas Regierung auf die Tibeter noch viel mehr. Es war erstaunlich, dass uns überhaupt erlaubt wurde, dieses Routing zu nehmen
Nach dem grossen Wetterglück auf den höchsten Pässen wurde ich schliesslich doch noch ordentlich kalt geduscht.
Glücklicherweise bin ich jetzt wohlbehalten in Laos angekommen! Friedliches Volk, gutes Essen, wunderbares Wetter!
HIER erfährst du etwas über das genaue Routing der ganzen China-Reise!
Di, 29.09.2015: Potala-Palast, fauler Nachmittag und Jana…
Mächtig thront der riesige Potala-Palast über der Altstadt, den wir am Morgen besuchen wollten. Der Palast wäre eigentlich der Sitz des Dalai Lama, der noch heute in Indien im Exil lebt. Heute sind viele der Kapellen der Öffentlichkeit zugänglich, allerdings wird dieser Ort vor allem von chinesischen Touristen wahrlich bestürmt. Mit dem von Thoobten besorgten Voucher hatten wir uns schon um neun Uhr in die Reihe zu stellen. Um zwanzig vor elf Uhr konnten wir den Palast endlich betreten. Leider ist wegen der vielen Touristen von der Spiritualität des Ortes heute wenig zu spüren. Der fünfte Dalai Lama verlegte seinen Sitz 1649 an diesen Ort, das Kloster wurde aber schon viel früher im 7. Jahrhundert gegründet. Tatsächlich hatten wir auch Zugang zu den ältesten Gebäuden des Roten Palastes. Zwar findet man auch heute noch Mönche im Kloster, die aber nur administrativen Zwecken, zum Beispiel Reinigung der grossartigen, über 1000 Kapellen und Räume bestehenden Anlage anwesend sind. Quasi in Einerkolonne durchschritten wir die unterdessen leider uninspirierten Räume mit riesigen metallenen Mandalas, kostbaren Buddha-Statuen. Jeder der folgenden Dalai Lamas baute den Palast weiter aus. Die verstorbenen Dalai Lamas sind in dieser Anlage in goldenen Stupas beigesetzt. Die grösste, gewaltige, aus 320 kg Gold gefertigte Stupa liess sich der fünfte Dalai Lama im Zentrum des Roten Palastes bauen. Die Stupas der anderen Lamas erscheinen vergleichsweise klein. Wir hatten Zutritt zu Empfangsräumen, Studierzimmern, Bibliotheken, deren Schriften unterdessen kopiert sind und zum Studium zur Verfügung stehen. Der Prunk in diesen Gebäuden ist grenzenlos, aber gleichwohl wirken die Räume irgendwie tot, weil sie nicht mehr wirklich genutzt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass der jetzige oder auch folgende Dalai Lamas je wieder in diesen Räumen wirken können.
Am Nachmittag widmete ich mich administrativen Aufgaben. Ich fand einen Bancomaten, der mir dringend benötigtes Geld ausspuckte. Dann fand ich tatsächlich einen Ort, wo man mir mein Handydisplay ersetzen konnte (580 Y.). Spannend, mal in ein I-Phone hineinsehen zu können. Leider bin ich mir nicht sicher, ob auch ein Original-Display eingesetzt wurde. Dann besuchte ich ein Einkaufszentrum. Was hier alles verkauft wird! Strange! Hühnerfüsse, die man wie bei uns in Plastiksäcke verpackt, selber abwiegt, viele andere offene Köstlichkeiten, die mir unbekannt sind. Mathias gab mir später einen Tipp, wo ich einen schäbigen Elektronikladen ganz in der Nähe des Hotels finden würde. Tatsächlich war meine defekte Anschlussstelle der Griffheizung bald gelötet. Eigentlich wollte ich hier meine Utensilien wieder einmal einer Generalwäsche unterziehen, die Preise waren aber so unverschämt hoch, dass ich mich entschloss, die Sachen (ausser der Töffjacke und -hose), selber zu waschen.
Am Abend spazierten wir durchs nahe Barkhor-Viertel mit dem Jokhang-Kloster und assen im Namaste-Restaurant ausgezeichnet, nepalesisch zubereitetes Yak mit Naan. Mathias und Annika wollten aber bald ihre Privatsphäre geniessen, sodass ich in der Dunya-Bar ziemlich absackte. Nach einem Margarita trank ich auch noch einen spendierten Whisky, alte Musik aus den Siebzigern lief, ich erriet die meisten Stücke, worüber sich der alte, englische Barkeeper ziemlich freute. Die Nacht zog sich aber noch lange hin, denn im Zimmer diskutierte ich stundenlang mit der reizenden Jana, aber (noch) zog ich keinen Nutzen aus der Gelegenheit…
Km: 20‘420
Mi, 30.09.2015: Jokhang und Norbulingka
Den wohl spirituellsten Moment der Reise, vielleicht in meinem ganzen Leben habe ich heute Morgen im Jokhang-Tempel gemacht. Ich kam in einem guten Moment, denn viele Gläubige waren daran, sich unzählige Male vor dem Tempel, aber auch schon auf dem Vorplatz zu verneigen, Mantras zu murmeln. Dort standen auch zwei Öfen, aus denen es heftig qualmte. Die Feuer wurden mit einer Art Weihrauch-Strauch gefüttert. Der Duft verbreitete sich in der ganzen Umgebung und unterstützte die unglaublich mystische Stimmung.
Ich kam ohne Eintritt zu bezahlen in die heilige Stätte. Und drinnen war die Stimmung noch ergreifender als draussen. Die verschiedenen grossen und kleinen, unzähligen Buddha-Statuen werden angebetet, das Murmeln von Mantras und Gebeten lässt einen beinahe in Trance versinken, und man glaubt, ein Teil des Ganzen zu sein. Ich blieb immer wieder stehen, um zu beobachten. Viele alte Frauen mit ihren eigentümlichen schwingenden Instrumenten, aber auch junge, modern gekleidete Menschen standen vor den Altären und gaben sich der Meditation hin. In riesige Behälter wird Yak-Butter geschöpft für das Licht der Kerzen, aber bei so vielen Leuten ist das zu viel, sodass ein Mönch immer wieder abschöpfen muss.
Der Jokhang, der älteste Tempel im Tibet (gebaut 639 – 647) mitten in der Altstadt und nur fünf Minuten von meinem Hotel entfernt, ist wohl der wichtigste religiöse Ort in ganz Tibet. Der Tempel war voll mit gläubigen Menschen, vor den einzelnen Kapellen bildeten sich lange Schlangen. Gegen Abend ging ich noch ein zweites Mal hin, etwas weniger Betrieb, aber mindestens so schön im warmen Abendlicht.
Am Nachmittag schrieb ich zehn Karten, unter anderem in die Schule Oberbüren. Dann machte ich einen zweiten Ausflug zum Norbulingka-Park zur Sommerresidenz des 14. Dalai Lamas (gebaut 1954 – 56). Weil der Dalai Lama im Exil lebt, kann dieses prunkvolle Haus im Klosterstil heute besichtigt werden, inklusive Schlafzimmer und Toiletten. Der eindrücklichste Raum liegt auf der Südseite, wo in kleinsten Bildern die Geschichte Tibets und der Dalai Lamas dargestellt ist.
Ich war heute alleine unterwegs, weil Annika und Mathias heute zweisam unterwegs sein wollten. Morgen geht’s wieder gemeinsam weiter.
Jetzt werde ich gleich im Hotel essen – und Jana, die eben von ihrem Ausflug zurückgekehrt ist, wird mich begleiten… Es ging etwas länger, bis sie kam, sodass wir im Snowland oder in der Hotelbar etwas trinken wollten, aber beide Lokalitäten waren schon geschlossen. So begaben wir uns aufs Dach und diskutierten lange über Schule, Kinder und Reisen – bis es uns zu kalt wurde.
Km: 20‘424
Do, 01.10.2015: Auf dem Weg nach Osten mit zunehmenden chinesischen Touristen
Wir hatten am Morgen dieselbe Arbeit zu erledigen, nämlich zu packen. Jana zog mit ihrer Gruppe Richtung Westen nach Shigaze, wir fuhren in entgegengesetzter Richtung mit Ziel Nyingchi. Wir verabschiedeten uns sehr herzlich mit der eventuellen Absicht, uns irgendwann wieder zu treffen.
Die Szenerie auf dieser Fahrt war nach dem Erlebten wenig berauschend. Zudem war der Verkehr erstaunlich gross, auch als wir Lhasa schon deutlich hinter uns gelassen hatten. Schon vor Lhasa waren sehr viele chinesische Touristen unterwegs auf der holprigen, unebenen Landstrasse. Wenigstens konnten wir einen Teil davon auf der Autobahn zurücklegen. Die Strasse stieg dann kontinuierlich an. Gleich vier Reihen Hochspannungsmasten störten die sonst schon minimale Aussicht – das Wetter war zwar klar, Yak-Herden wurden von chinesischen Touristen dutzendfach fotografiert. Dann erreichten wir die Passhöhe des Pa-La-Passes (5013 m.ü.M.), auf dem ein riesiger Touristen-Jahrmarkt im Gange war. Wir hielten nicht einmal an und fuhren gleich ein in ein Tal, das je länger desto grüner wurde. Bald standen herbstlich gelb gefärbte Birken am Strassenrand. Gleichzeitig wurde der hellblau-graue Fluss immer breiter, der weiter unten gestaut wird und die ganze Talbreite ausfüllt. Je weiter wir abstiegen, desto mehr kamen mir ganz ähnliche Landschaften in der Schweiz oder dem Südtirol in den Sinn. Ich wähnte mich in der Leventina, nur der Ticino schien mir hier etwas gar gross geworden zu sein.
Je grüner die Landschaft wurde, umso mehr bedeckte sich auch der Himmel – und tatsächlich: da war er, der erste Regenfall seit Wochen. Ich fuhr geradewegs in ein leichtes Gewitter und musste anhalten, um den Regenschutz zu montieren. Auf perfekter, 100 km langer Autobahn war aber Nyingchi, eine chinesische Retortenstadt, bald erreicht. Man ist daran, neue Hochhäuser in die Landschaft zu stellen. Die Stadt verströmt so viel Charme wie eine Riesenschlange in ihrem Käfig. Unverständlich, wie wenig Wert die Chinesen heute auf Sinn für Schönheit legen. Vor Jahrhunderten war dies möglich, heute regiert nur noch das schnelle Geld. Eigentlich wollten wir noch weiterfahren, aber die Polizei hatte etwas dagegen, weil sie sich um unsere Sicherheit sorgte…
Bald hatten wir eine Unterkunft in einem sich im Bau befindlichen Hotel gefunden - ein Dreierzimmer für 280 Y. Am Abend trafen wir nochmals auf Thoobten, die uns zu drei kleinen, chinesischen Restaurants führte – erst im dritten war der Reis noch nicht ausgegangen. Pork mit Erdnüssen und Gemüse und Chili, Kohlblätter mit Chili und Tofu, drei Bier – ein ganz leckeres Mahl für nur 30 Y. (5 Fr.) pro Person.
Km: 20‘845
Fr, 02.10.2015: Durchs Nebelgebirge ins chinesische Engadin
Auch heute Morgen war ich zehn Minuten zu spät, bis wir abfuhren. Um zwanzig vor neun Uhr ging’s los, wir machten Halt bei einer erstaunlichen Bäckerei, wo es dunkles Brot und Croissants zu kaufen gab.
Zuerst war ein veritabler Pass zu bewältigen. In vielen Kehren ging es bergauf. Weil es wieder viel Verkehr hatte, nahm ich reissaus. Ich überholte Kolonnen von Autos, die meisten besetzt mit einheimischen Touristen. Die Fahrt führte durch steile, dicht bewaldete Berge, die in Nebel eingehüllt waren. Je höher wir aufstiegen, desto tiefer kam der Nebel, der etwelche Düsternis ins Gebirge brachte. Auf der Passhöhe auf 4500 m.ü.M. war der Betrieb erneut sehr gross. Trotzdem machten wir einen Halt und wurden sofort von verschiedenen Chinesen in Augenschein genommen. Auch heute war vor allem ich das wohl am meisten fotografierte Motiv. Immer wieder musste ich posieren. Die grösste Freude war jeweils, wenn sie gar auf meinen Töffsattel sitzen durften. Jetzt ging’s rasant bergab bis Tashigang, wo wir gestern eigentlich übernachten wollten. Von hier aus folgten wir lange Zeit einem Tal, die Vegetation wurde wieder üppiger. Der Fluss hatte an einigen Stellen die Strasse weggerissen, sodass wir die meist lehmige Umleitung nehmen mussten. Wir fuhren bestimmt 100 km bergab mit erstaunlich wenig Verkehr und erreichten schliesslich eine Höhe von nur noch 1700 m.ü.M. Der Fluss war unterdessen zu einem reissenden Strom angeschwollen. Bald wurde klar, weshalb es keinen Verkehr mehr gab. Wir steckten im Stau fest, nur die Fahrzeuge im Gegenverkehr erhielten die Erlaubnis zu fahren. Da war ich mit meinem Motorrad etwas flexibler als all die Autofahrer und fand mich bald vor einer Metallbrücke an einem steilen Felsen. Weil ich hier auch warten musste, hatte ich erneut als Fotomodell zu fungieren. Einige wenige Chinesen sprachen auch ein wenig Englisch, die erstaunt waren, dass ich den ganzen Weg von der Schweiz bis hierher mit dem Motorrad gefahren war.
Dann endlich ging’s einige hundert Meter weiter. Ich überholte eine weitere stehende Autokolonne und fand mich an jener Stelle wieder, wo an der Strasse gearbeitet wurde. Ein Bagger versuchte eine Stelle auszuebnen, damit diese befahrbar wurde. Wieder dasselbe Hallo und Theater mit den Chinesen an der Spitze dieser Kolonne. Das war sie also, die Stelle, die mir so viel Kopfzerbrechen machte und die mir jetzt 1000 km Fahrweg spart. Der Erdrutsch vor Bomi wurde also genau zur rechten Zeit wieder beseitigt. Es wurde offensichtlich, dass hier beim Zusammenfluss zweier Ströme die Wassergewalten besonders heftig wirken. Deshalb ist man daran, hoch über dem Tal eine neue Brücke zu bauen. Jetzt konnte ich als Erster die alte befahren, auf der anderen Seite ging es auf schlammiger Strasse in engen Kurven steil bergaufwärts. Sofort war ich allein auf weiter Flur. Die Strasse wurde aber nicht besser, im Gegenteil. Zwar ist man daran, neue Tunnels zu bauen, jetzt schmiegt sich die enge, häufig schlammige Strasse ganz nahe an den steilen Berghang, sodass es sogar schwierig ist zu kreuzen. Dann erreichten wir endlich ein Dorf, die schwierige Stelle war gemeistert.
Wir fuhren jetzt wieder flussaufwärts, und es ging nicht lange, bis ein über hundert Meter langes Strassenstück unter Wasser stand und konstant von einem Bergbach gefüttert wurde. Ganz vorsichtig fuhr ich in die reissendste Stelle, dann wurde es aber recht tief, aber ich kam problemlos durch. Dann erschien der Toyota, der zuerst auch eher vorsichtig durch die Überflutung fuhr. Das war aber so spassig, dass wir gleich noch zweimal zurückfuhren und diesmal mit grösserem Tempo durch das Wasser bretschten, einmal gar nebeneinander. Ich verschwand dabei hinter einer heftigen Wasserfontäne.
Je höher wir jetzt aufstiegen, desto spannender wurde die Landschaft. Allmählich hellte es auch etwas auf. Da waren mit unzähligen Gebetsfahnen besetzte Hängebrücken. Der Laubwald hatte sich herbstlich verfärbt. Jetzt kam aber der Nadelwald, Fichten, Föhren, eine sonderbare Art Lärchen. Ärgerlich war nur, dass wir durch die unsäglichen „speed controls“ unnötig gebremst wurden. Ich fand dafür Zeit (Thoobten hätte mir das natürlich wegen der vermeintlichen Militärpräsenz nicht erlaubt…), um zum grössten Gletscher der Region zu fahren. Allerdings war es schon ordentlich spät, sodass nur noch der höchste, nadelförmige Spitz eines 7000-ers von der Sonne beleuchtet war. Die Strecke führte dann durch eine enge Schlucht, bis sich das Gelände öffnete. Willkommen im Engadin! Da war nämlich ein grosser See inmitten mächtiger Berge. Leider begann es schon zu dämmern. Eigentlich hätten wir die „speed control“ mit einem Nachtessen vor dem Checkpoint überlisten können, aber Thoobten meinte, dass es kein Restaurant vor dem Checkpoint gäbe. Es war nicht wirklich sein Tag…
Als wir Ranwu endlich erreichten, war es schon stockdunkel. Ich bestaunte Mathias‘ Hartnäckigkeit, die ideale Unterkunft (Preis – Leistung) zu finden. Jetzt sind wir in einem Dreierzimmer, wir sind wohl die ersten Gäste in diesem Zimmer, der Boden ist noch staubig, die Toilette scheint noch absolut unbenutzt.
Ein schönes Erlebnis hatten wir beim Nachtessen in einem kleinen, lieblich farbig eingerichteten tibetanischen Restaurant. Wir spürten zum ersten Mal, wie warm und herzlich diese Menschen sein können. Wir wurden während des ganzen Essens (auf Chinesisch) unterhalten. Man versuchte mit allen Mitteln, etwas über uns zu erfahren. Natürlich wurde viel fotografiert. Handys sei Dank!
Es war ein langer Tag in eigenartig bekannter Landschaft – vieles hat heute erneut an die Alpen erinnert. Schräg – die Alpen in China…
Km: 21‘223
Sa, 03.10.2015: „safety first“ oder der chinesische Militärwahn
Zuogang heisst der osttibetanische Ort im Middle of Nowhere auf 3800 m.ü.M., und es war wahrlich nicht einfach, hierher zu gelangen. Eigentlich wäre ich gar nicht bis hierher gefahren und würde jetzt am Fluss im Zelt übernachten.
Aber das ist in diesem Land offensichtlich nicht so einfach. Denn Tibet befindet sich fest in den Klauen Chinas. Auch heute durchfuhren wir streng militärisches Gebiet, und ich hätte weder filmen noch fotografieren dürfen. Dies tat ich natürlich gleichwohl. Der unrühmliche Höhepunkt des Tages fand am späteren Nachmittag statt. Nachdem wir nach Bangda Dutzende von Militärlastwagen überholt hatten, fanden wir uns unvermittelt in einem Stau wieder. Natürlich hatte ich keine Lust, mich in die Autokolonne einzureihen, sondern überholte all die stehenden Fahrzeuge, bis ich an der Spitze der Kolonne war. Es ging nicht lange, da erhielt ich grünes Licht zur Weiterfahrt. Ich kam aber vorerst nicht weit, denn die ganze Breite der Strasse wurde von einem Planierungsfahrzeug versperrt, und zwar von hohem Randstein zu hohem Randstein. Dieser war zwanzig Zentimeter hoch, den es jetzt doppelt zu überwinden galt. Zuerst war natürlich wieder Fototime. Ganz funny, denn in diesem Land sind viele Bauarbeiter(innen) Frauen. Zwar sehr schmutzig, aber doch ganz nett aussehend.
Vom Randstein runterzukommen war noch einfach, aber wieder hochzukommen war dann schon schwieriger. Zudem musste ich zuerst auf einem schmalen, zum Fluss abfallenden Weglein die Strassenbaumaschine passieren. Mit Steinen baute ich mir gleichsam eine Auffahrt, aber diese reichte nicht, um nicht mit dem Motorradboden aufzusetzen. Man eilte mir aber sofort zu Hilfe. Gemeinsam wurde der hintere Teil des Töffs ganz einfach angehoben, sofort erhielt ich Grip – und war auf der Schotterstrasse. „Nichts wie weg!“, dachte ich mir, obwohl ich wusste, dass bei dieser Ausgangslage kaum daran zu denken war, dass mein Begleitauto bald folgen wird.
Nach einigen Kilometer hielt ich an. Im Visier hatte ich einen netten Zeltplatz am Fluss. Dann versuchte ich mit Mathias oder Thoobten per SMS Kontakt aufzunehmen, aber die Antwort liess einige Zeit auf sich warten. Sofort lehnte Thoobten meine Zeltidee ab, obwohl das bestimmt das Vernünftigste gewesen wäre, denn staubige Schotterpisten zu fahren bei Dunkelheit ist bestimmt nicht angenehm. „Safety first!“, lautete einer der Sprüche Thoobtens schon am ersten Tag, aber eigentlich sollte es heissen: „Military first!“, denn weil wir uns erneut in militärischem Gebiet befanden, ist es nicht erlaubt, ausserhalb der angegebenen Orte zu übernachten. Dabei wäre es bestimmt das Vernünftigste gewesen. Nach einem ausgiebigen SMS-Hin- und Her gab ich schliesslich auf und machte mich auf den Weg nach Zuogang. Der arme Thoobten befindet sich da schon in der Zwickmühle. Der gesunde Menschenverstand hätte eigentlich gesagt, dass unser Vorschlag der richtige ist, aber der Einfluss von Chinas Klauen ist im Tibet gross. Tibet ist schlicht nicht frei und wird mit unscheinbarer Gewalt gezwungen, chinesisch zu sein, deshalb auch die massive Militärpräsenz fast überall. Thoobten würde wohl seinen Job (und vielleicht sogar seine Familie) aufs Spiel setzen, wenn er auf unseren Vorschlag eingehen würde. Es ist wohl überhaupt erstaunlich, dass wir als westliche Touristen durch diese reizvolle Gegend reisen dürfen. Denn es ist die Region mit dem meisten Widerstand gegen China. Immer wieder kommt es vor, dass sich hier Mönche selbst verbrennen, um auf die unsäglich ungerechte Situation aufmerksam zu machen. Es werden Han-Chinesen in grossem Stil angesiedelt, denen sogar Geld, Wohnung und Arbeit geboten wird, wenn sie bereit sind, hierher umzusiedeln. Es ist nur zu logisch, dass sich die wirklich Einheimischen ungerecht behandelt fühlen, sich wehren gegen die Neuankömmlinge, jedoch schnell verhaftet, deportiert oder eingekerkert werden. Noch lebt die Widerstandsbewegung, doch wie lange noch? Natürlich vertuscht die chinesische Regierung dieses Vorgehen, Ziel ist und bleibt es, den Tibetern keine Unabhängigkeit gewähren zu lassen. Für Tibeter ist es auch nicht möglich, zu einem Pass zu kommen und ins Ausland zu reisen. Unterdrückung heisst das Zauberwort, damit es beim Status Quo bleibt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass mit Thoobten, unserem Führer, konstant auch die Angst mitreist.
Aber es gehört wohl zum Abenteuer in diesem Land, viel Unsinniges einfach mitzumachen, um schliesslich unbescholten das Land wieder verlassen zu können. Ich fuhr also auf katastrophaler, sich im Bau befindlicher Strasse Richtung Zielort. 50 km. Extrem anstrengend, denn ich musste nicht nur eine überaus holprige Schotterpiste befahren, sondern da waren auch diverse Fallen – metertiefe Löcher, zwanzig Zentimeter hohe Kanten quer über die Piste – und zudem wurde es immer dunkler, die Fallen waren nicht mehr gut zu erkennen. Schliesslich erreichte ich Zuogang nach acht Uhr, aber das angegebene Guesthouse kannte niemand hier, sodass ich mich selber auf die Suche machte – ohne ein chinesisches Wort zu sprechen, versteht sich. Ich verliess mich auf meine Intuition, und die liess mich nicht im Stich. Ganz am Ende des Ortes ennet eines ausgewaschenen, ebenfalls im Bau befindlichen Fahrweges fand ich ein Hotel, zwei Zimmer für je 150 Y. Die andern drei waren unterdessen auch unterwegs, logischerweise im Kolonnenverkehr in exorbitanter Staubwolke, und dies bei vollkommener Dunkelheit, absolut nicht ungefährlich. Annika war mindestens wortkarg, als sie um zehn Uhr beim Hotel ankam. Ich hatte eben mein Essen im Restaurant nebenan bestellt, und Thoobten gesellte sich zu mir.
Der Tag war aber auch ohne Schlussbouquet schon erlebnisreich. Wir verliessen Ranwu wieder leicht verspätet nach halb neun Uhr. Es ging bei schönem Morgenlicht gleich steil aufwärts Richtung Ja-La-Pass (4700 m.ü.M.). Wiederum veränderte ein Passübergang die Gepflogenheiten der Menschen. Bald erreichten wir ein Dorf, in dem Heu oder Stroh auf den Hausdächern in dicken Ballen getrocknet wird – dient wohl gleichzeitig als Isolation, denn heute Morgen war es vor allem auf dem Pass empfindlich kalt. Zudem ist die Griffheizung unterdessen vollkommen ausgestiegen. Es wurde aber bald etwas wärmer, weil die Strecke jetzt konstant abwärts führte. Wir passierten recht nette Dörfer mit der charakteristischen Bauweise aus Lehm und Stroh. Bald bogen wir ein in eine Schlucht, durch die sich ein blaugrüner Fluss zwang. Steile Felswände reckten gen Himmel, und dieser spannende Teil schien nicht aufhören zu wollen. Plötzlich vereinigte sich der wohlfarbene Fluss mit einem dreckig-braunen. Braun siegte über blau-grün! Dafür hatte ich Spass an einer wackligen Hängebrücke in luftiger Höhe. Fotos hätte ich nicht machen dürfen, aber einige chinesische Touristen fotografierten munter drauf los, sodass ich es auch nicht lassen konnte. Thoobten hatte keine Freude an diesen Aktivitäten, denn wenig später passierten wir einen strengen militärischen Posten. Just hier hatten wir eine Metallbrücke zu überqueren. Die grimmigen Männer mit ihren Gewehren liessen uns passieren, nicht einmal Bewilligungen oder Pässe hatten wir vorzuweisen.
Bald entfernten wir uns von diesem Tal Richtung eines fulminanten Passes (Hung-La, 4850 m.ü.M.). Das Stilfserjoch mit seinen unendlichen Kehren kann einpacken. Über 2000 Höhenmeter machten wir in unendlichen Haarnadelkurven. Während dieses Aufstieges machten wir einen Halt – ich liess mir von einer netten Einheimischen einige Baumnüsse schenken. Mathias und Annika ergriffen die Gelegenheit, mittels eines Schlauches mit starkem Strahl ihr Auto wieder einmal zu reinigen. Die Rückseite des Passes befuhr Annika mittels ihres Mountain-Bikes. In Bangda hatten die drei auf mich zu warten – wieder einmal übersah ich ein grosses Loch auf der Strasse – der Schlag war zu gross, nicht für meine Federung, jedoch für meinen schwarzen Seitenkoffer, den es aus den Angeln hob, auf der Strasse landete und meterweit über den rauhen Asphalt rutschte. Quittung: Aufhängevorrichtung ausgerissen und ziemlich definitiv defekt. Gleichwohl schaffte ich es, den Koffer mittels zwei Zurr-fix wieder an den Seitenrohren zu befestigen, sodass die Fahrt bald weitergehen konnte.
Jetzt sitze ich im Hotelzimmer, zum ersten Mal zusammen mit Thoobten, der sich für meine Kooperation bedankte. Von anderen hätte ich auch gerne ein Dankschön gehört, es kam aber nur der Vorwurf, dass wir uns in solchen Situationen besser absprechen sollten…
Km: 21‘525
So, 04.10.2015: Zweimal den Anschluss verpasst…
Die aktuellen Tage sind unglaublich intensiv. Es ist gar nicht möglich, all die Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Wir sind eindeutig zu schnell unterwegs. Dies ist nicht nur schade, sondern auch äusserst ermüdend. Ich weiss gar nicht, wie ich es auch heute geschafft habe, den Tag der ungezählten hunderttausend Kurven mit weit über 400 km unbeschadet zu überstehen.
Das Bouquet folgte, als wir den Zielort Deqin schon erreicht hatten. Ab der Passhöhe folgte ich dem Auto mit wenigen Minuten Abstand. Eigentlich hätte ich erwartet gehabt, dass man auf mich wartet oder mir am Strassenrand ein Zeichen gibt, aber in der Stadt schienen die drei nicht zu sein. So hoffte ich, die drei auf dem Weg zum gebuchten Homestay zu sehen. Ich folgte der Strasse Richtung Shangri-La, die überraschenderweise bergauf und nicht bergab führte. Unterdessen war es dunkel geworden, und die Strasse führte immer noch bergan. War ich auf dem richtigen Weg? Das Homestay sollte sich an den Gestaden des Mekhong auf 2200 m.ü.M. befinden, und ich war schon fast wieder auf 4000 m angelangt. Und dann erreichte ich den Eingang eines im Bau befindlichen Tunnels, man war auch in der Nacht voll an der Arbeit – ich hatte mich tatsächlich verirrt. Zudem war der Akku meines Handys leer, sodass ich es zuerst an meinen Computer anschliessen musste, um in Verbindung mit den drei treten zu können. Es stellte sich heraus, dass sie in Deqin auf mich warteten, wir hatten uns offensichtlich verpasst. Ich war ziemlich wütend am Telefon, denn nach über 400 km Kurvenweg auch noch so einen Umweg in Kauf nehmen zu müssen, zu frieren und mit leerem Magen, das geht gar nicht! Auf der Rückfahrt nach Deqin versuchte ich mich wieder etwas abzukühlen, und dies gelang mir glücklicherweise. Ich konnte wieder sachlich über die Vorfälle diskutieren. Zudem möchte ich noch elf Tage in Frieden mit Annika und Mathias weiterreisen.
Wir starteten heute schon um acht Uhr. Die Strasse stieg gleich heftig an, es war bitterkalt, Kuhnagel in den Fingern… Sehr bald hatten wir den Gear-Jama-La (5008 m.ü.M.) erreicht. Ich versuchte, meine Finger zu reaktivieren und konnte die Aussicht gar nicht richtig geniessen. Ich war froh, dass es jetzt abwärts ging, denn mit jedem Meter wurde es etwas wärmer. Wir trafen erneut auf einen ganzen Konvoi von chinesischen Militär-Lastwagen, die alle überholt werden mussten. Wir durchfuhren eine wilde, tiefe Schlucht, die es schliesslich zu durchqueren galt.
In Markam hatten wir auf den Polizeiposten zu gehen, um uns registrieren zu lassen. Ich ass hier etwas länger als Mathias und Annika, so dass sie mit Thoobten zu einem kleinen Restaurant fahren wollten. Sie fanden aber keines und fuhren gleich weiter. Ich suchte die drei, fuhr die Hauptstrasse auf und ab – niemand da. Fluch! So wartete ich – Kontakt per Handy hatte ich keinen, weil der Akku schon jetzt leer war. Schliesslich schloss ich mein Handy an den PC an, wartete eine Ewigkeit, bis 2 % geladen waren und sah in einem SMS, dass die drei schon weitergefahren und unterdessen über 50 km entfernt waren. Shit! Ärger! So folgte ich den drei auf eigene Faust bis zum Markam-La-Pass (4500 m.ü.M.). Was für Aussichten auf verschiedene entfernte 7000-er! Wiederum ging’s jetzt steil bergab, erneut erreichten wir eine tiefe Schlucht. Die chinesischen Strassenbauer sind Künstler, hoch über dem Tal eine Strasse in die steilen Abhänge hineinzufräsen. Dafür musste jeder Bergrücken umfahren werden – in unzähligen Kurven. Und noch immer waren es weit über 100 km bis Deqin. Jetzt überquerten wir den braun schäumenden Fluss – der mir wohl bekannt ist – den Mekhong. Wer hat ihn nur schon am Oberlauf gesehen? Wieder folgten wir lange Zeit einer Schlucht, bis es endlich hochging Richtung Deqin. Hiermit verliessen wir Tibet und fuhren in Yunnan ein. Was für eine Aussicht hier oben auf dem „flying-temple-Pass“ auf gleich mehrere 7000-er, Min Yung oder White Snow, Kauwa karpo auf Tibetanisch, über 7000 m.ü.M. hoch und zum Greifen nah. Von Gläubigen werden diese Berge als „holy mountains“ verehrt.
Statt ins geplante Homestay (Hendriks Empfehlung) zu fahren, übernachten wir in einem kleinen Hotel in Deqin, Thoobten hat sich erneut in mein Zimmer einquartiert, er schläft schon, die Geruchsemissionen seiner Schuhe sind aber eher unangenehm. Annika und Mathias verbrachten nach ihrer Angabe den übelsten aller Reisetage. Erneut wurde es ihnen verwehrt, mit dem Velo einen Pass herunterzufahren („is not allowed“…). Sie waren ziemlich übel gestimmt, weil sie viel warten mussten – aber was soll denn ich sagen – gleich zweimal kam ich mir heute ziemlich verarscht vor…
Km: 21‘960
Mo, 05.10.2015: Shangri-La und „white water terraces“
Wiederum war perfektes Reisewetter, obwohl es am Morgen sehr kalt war. Ich kannte die ersten 25 km noch von der Irrfahrt vom Vorabend, diesmal ging es aber ganz hoch zur Passhöhe – die falsche Abzweigung Richtung des im Bau befindlichen Tunnels nahm ich diesmal nicht mehr. Wie häufig am Morgen war ich gemächlich unterwegs, zudem störten mich die Wasserspuren der Lastwagen – mit Wasser und einem glitschigen Zusatz werden wohl die Bremsen gekühlt. Es ging lange Zeit steil bergab, wir verliessen die ganz grossen Höhen definitiv. Wir erreichten ein Tal, in dem es so warm war, wie ich es lange nicht erlebt hatte. Shangri-La war aber nur zu erreichen, wenn wir nochmals über einen Pass fuhren. Schon hier wechselte die Vegetation, es wurde viel grüner, die Landschaft ist hügelig, harmonisch. Das legendäre Shangri-La erreichten wir früher als erwartet. Nach einem Lunch mit einem koreanischen Hamburger (!) verabschiedeten wir Thoobten, gleichzeitig begrüssten wir Tashi, unseren neuen Guide für Yunnan. Wir machten einen Rundgang durch die sehr touristische Altstadt – Teile sind letztes Jahr abgebrannt. Viele Häuser werden im alten Stil wieder aufgebaut. Auf einer Anhöhe besuchten wir kunstvolle chinesische, buddhistische Tempel sowie die grösste Gebetsmühle der Welt, die mit Menschenkraft in Bewegung gesetzt werden kann. Nach einem hervorragenden Illy-Espresso verliessen wir die Stadt schon wieder, aber nicht auf der Autobahn, sondern auf der alten Strasse, auf der es kaum Verkehr gab. Wir fuhren durch sanfte Hügel mit vielen langnadeligen Föhren. Die Strecke war sehr kurvenreich, mehrere kleine Pässe wurden überwunden. Ich beobachtete gleich mehrere Hirten, die mit einer Horde von Schweinen auf der Strasse unterwegs waren. Vor allem die jungen sind sehr unberechenbar, vor keinem Rad scheinen sie sich zu fürchten.
Die letzten 72 km sattelte Annika ihr Velo, genoss vorerst eine rasante Abfahrt (während der ich sie filmte), bevor sie aber auch bergauf nicht gleich aufgab. Mathias, Tashi und ich besuchten unterdessen die „white water terraces“, die im Abendlicht ganz besonders schön leuchteten. Von Wasser geformte Kalkstein-Formationen, ähnlich wie in Pamukkale oder Soort/Iran. Hellblau schimmernde kleine Wasserbecken über saftig-grüner Landschaft mit tibetanischen oder chinesischen kleinen Bauerndörfern im Hintergrund, was für eine Szenerie! Dann spiegelten sich die Föhrenhügel und gelben, fremdartigen Rispenblüten im spiegelglatten Wasser. Was für ein Bild!
Wir holten Annika auf einer Passhöhe wartend ein. Aber für die grosse Abfahrt hatte sie nochmals eine Steigung zu überwinden. Wir liessen uns Zeit und genossen die Ausblicke auf die weiss verschneiten Haba Mountains (5300 m.ü.M.). Annika genoss jetzt die rasante Abfahrt Richtung Tiger Leaping Gorge. Als wir die Talsohle erreichten, war es schon beinahe eingedunkelt. Mathias packte ihr Velo ein. Die letzten 15 km fuhren wir wieder gemeinsam motorisiert. Ich musste mit Volllicht fahren, weil mein Abblendlicht defekt ist – unangenehmes Licht auf der kurvenreichen Strasse. Beim Eingang zur Schlucht steht das Walnut Garden Guesthouse. Endlich eine Übernachtungsmöglichkeit, die auch etwas Charme ausstrahlt, vollkommen aus Holz gebaut, mit Garten, Terrasse.
Beim Essen lernten wir Doris und Daniel kennen, momentan wohnhaft in Hongkong, gebürtig aus der Schweiz bzw. Deutschland, die mit dem Velo in Sichuan und Yunnan unterwegs sind – vergnüglicher Abend! Mathias und Annikas tschechischer Schnaps wurde wieder einmal kredenzt…
Km: 22‘310
Di, 06.10.2015: In der „tiger leaping gorge“ (Tigersprungschlucht)
Im braun schäumenden Fluss namens Yangtse, der sich durch die Tigersprungschlucht zwängt, liegen an drei Stellen gewaltige Felsbrocken, von denen man sagt, dass diese einst von Tigern fürs Überqueren des Flusses genutzt wurden. An diesem endlich wieder einmal fahrfreien Tag wollten wir durch diese einerseits von spitzen, gewaltigen Bergen gesäumten Schlucht wandern. Tashi empfahl uns, die Strecke in zwei Tagen zu absolvieren, wir wollten die Strecke aber in einem Tag zurücklegen. Zudem wollten wir auch den ersten Teil hoch über der Schlucht begehen, den Tashi allerdings nicht kannte. Deshalb heuerte er am Morgen einen Einheimischen an, der, dünn und ausgemergelt wie er aussah, eher einer Berggeiss glich.
Wir waren nicht erstaunt, dass er gleich ein forsches Tempo anschlug. Auf verwachsenen Pfaden ging es steil bergan, die sich aber irgendwann verloren, sodass wir durch Gestrüpp und fremdartige Pflanzen in der Falllinie anstiegen, bis wir endlich auf einen Pfad stiessen, von dem es hiess, dass er an einer Stelle verschüttet sei. Die erarbeitete Höhe behielten wir aber nicht lange. Um einen riesigen Felsbrocken herum ging es bald wieder steil bergab durch luftige Bambusstauden und über einen schäumenden Bergbach, bis wir schliesslich auf den von vielen Touristen begangenen, ausgetretenen Bergpfad stiessen. Gegen Mittag erreichten wir das Half Way Guesthouse, das allerdings nur einem Drittel der ganzen zurückzulegenden Strecke entspricht. Hier ass ich ein fried rice mit Chili, dazu ein Knoblibrot. Auch dieses Guesthouse ist sehr gemütlich und idyllisch eingerichtet. In riesigen geflochtenen Körben lagen unzählige rote Chilis, die getrocknet werden. Auch an den Balken der geschwungenen Dächer des Hauses hingen Bündel von Chilis sowie Unmengen von Maiskolben. Die Menschen hier leben von der Landwirtschaft, aber auch zunehmend vom Tourismus. Viele Gruppen von westlichen, aber auch chinesischen Wanderern begegneten uns. Nach dem Mittagessen waren wir sehr zügig unterwegs, erreichten bald das Tea Horse Guesthouse. Bald danach ging es durch dichten Föhrenwald nochmals steil aufwärts. Ich war gut unterwegs, das Höhentrainingslager mit Annika und Mathias zeigt also positive Auswirkungen…
Wir erreichten einen Aussichtspunkt, bevor es in 28 Kehren wieder steil talwärts ging. Tashi organisierte uns einen Transport zurück zum Guesthouse (80 Y.) – er hatte auf diesem Trip offensichtlich am meisten gelitten – Knieprobleme, er ging wie auf Eiern… - aber wir hatten den Zweitagestrip problemlos in einem Tag geschafft – in neun Stunden, inklusive Mittaghalt.
Zurück im Guesthouse kümmerte ich mich um mein Motorrad. Die Kette musste geschmiert werden, zudem wollte ich mich ein zweites Mal meinem schwarzen Case annehmen, dessen Verankerung übel verbogen war. Mit Gewalt, dank Mathias Hammer bog ich das Teil wieder zurecht. Daniels Ersatzschrauben und ein Metallplättchen des Hotelchefs halfen, den Koffer wieder vernünftig befestigen zu können. Gesichert wird er morgen zusätzlich mit einem Zurr-fix.
Dann hatte ich endlich Zeit für eine Dusche, bevor ich mich zu Annika, Mathias, Doris und Daniel in der gemütlichen Laube gesellte. Der tschechische Schnaps wurde an diesem Abend definitiv vernichtet.
Km: 22‘310
Mi, 07.10.2015: Für einmal eine kurze Reise – wir sind in Baisha
In China, im Speziellen momentan in Yunnan, versucht man aus jeder noch so kleinen Sehenswürdigkeit gleich ein Geschäft zu machen. Der nächste Weg hätte über die Snow-Jade-Mountains geführt. Dafür wären aber wieder 210 Y. (über 30 Fr.) Gebühren zu zahlen gewesen. Auch für die sicherlich sehenswerte Altstadt von Lijang hätte man einen Obolus entrichten müssen. Die Stadt wird jährlich von fünf Millionen Touristen besucht – diesen Touristenmassen und unsäglichen Eintritten wollten wir heute ausweichen.
Annika begleitete Daniel und Doris (die über Magenprobleme klagte) auf dieser Strecke mit dem Velo. Zuerst hatten wir aber den Yangtse noch gemeinsam zu überqueren – auf einer kleinen Fähre, auf der kaum mehr als zwei Autos Platz fanden. Es ist immer wieder ein Erlebnis, auf eine wacklige Fähre zu fahren. Leider dauerte die Überfahrt nicht sehr lange. Schon ging es auf der anderen Seite des Flusses schon wieder steil aufwärts. So waren wir heute motorisiert nur zu dritt unterwegs. Auf kurvenreicher Strasse ging es durch weite Föhrenwälder aufwärts – 1600 Höhenmeter hatten auch die Velofahrer zu bewältigen! Jetzt fuhren wir geradewegs exakt in Richtung starker Wolken, die sich an einem Berg gestaut hatten. Und tatsächlich! Da war er, der nächste Schauer, der glücklicherweise nicht sehr lange andauerte. Wir rasteten kurz, befuhren ein kurzes Stück einer sich im Bau befindenden Strasse mit vielen lehmigen und extrem unebenen Stellen und tiefen Löchern – ein Spass mit dem Motorrad, da war ich wieder einmal am schnellsten unterwegs.
Wir durchquerten das geschäftige Lijang, besuchten aber keine der vielen touristischen Attraktionen, wo man nur sein Geld los wird, sondern fuhren in ein kleines, benachbartes Dörfchen namens Baisha, zwar touristisch auch gut ausgeschlachtet, aber doch ganz sympathisch. Und das Guesthouse, in dem wir uns jetzt befinden, ist sauber und lieblich eingerichtet.
Eben sind die drei Velofahrer eingetroffen, in den letzten Minuten hatten sie noch etwas Regen zu ertragen…
Zu fünft besuchten wir später ein stimmungsvolles Restaurant, wo uns ausgezeichneter Food serviert wurde. Nur das Dali-Bier vermag überhaupt nicht zu überzeugen – Schwachbräu pur, 2.5%, schmeckt wie sauergespritztes Corona… Mein Fisch war zwar ausgezeichnet, wurde aber nach Gewicht abgerechnet – 92 Y… Später sass ich mit Daniel noch in einer leeren Karaoke-Bar. Fussballdiskussionen bei einem Budweiser, letzteres auch nicht viel besser.
Km: 22‘465
Do, 08.10.2015: Wenn im Herbst die Strasse sich wie im Winter verhält…
In der Nacht begann es leicht zu regnen, und laut Wetterbericht war dies nicht erstaunlich. Ich stellte mich also auf eine Regenfahrt ein, aber als wir abfuhren, nieselte es nur noch leicht, und dann wurde es vorübergehend sogar trocken. Nach einem kurzen Aufstieg über grüne, bewirtschaftete Hügel ging es aber bald abwärts in ein Flusstal.
Sehr schnell stellte ich fest, dass die Strasse in einem besonderen, nämlich sehr glitschigen Zustand war. Ich hatte das Gefühl, dass es mir schon in der leichtesten Kurve den Töff unter dem Arsch wegzieht. Nach einem Überholmanöver geriet ich vollends ins Rutschen. Mit dem linken Bein versuchte ich trotzdem, das Gleichgewicht zu bewahren. Ich fühlte mich wie im Winter auf Glatteis. Staub und Wasser hatten die Fahrbahn in eine schmierige Fläche verwandelt. Und ich sah ihn auf mich zu kommen, den tiefen Graben, in dem ich gleich verschwinden würde. Aber 50 cm vor dem Abgrund schaffte ich den Turnaround doch noch. Glücklicherweise war ich nicht zu schnell und konnte einen verhängnisvollen Sturz im letzten Moment doch noch vermeiden. Dass ich nicht träume, sah ich gleich darauf: Gleich reihenweise lagen Minibusse und Auto mehr oder weniger schwer beschädigt im unsympathischen Strassengraben. Diese Fahrzeuge hatten dem Unheil also nicht mehr ausweichen können. Natürlich war ich jetzt geheilt oder geimpft und fuhr noch vorsichtiger und langsamer. Und die Strasse blieb unerhört glitschig. Bald wurde es aber wenigstens flacher, sodass ich das Schlimmste überstanden hatte.
Die Szenerie hat sich nochmals deutlich geändert. Diese Region ist deutlich dichter besiedelt. Man lebt hier von Landwirtschaft – Mais – und bald auch hellgrüne Reisfelder wurden sichtbar. Wir folgten einem Fluss durch lushe grüne Vegetation. Die schmutzigen Dörfer verströmten jedoch wenig Sympathie, aber wir erreichten ein herausgeputztes Shaxi, in dem offensichtlich vom Tourismus profitiert wird. Trotz des wieder stärker einsetzenden Regens macht dieser Ort mit seiner Altstadt einen überaus sauberen und freundlichen Eindruck. Wir checkten ein in einem schon fast luxuriösen Hotel, das meiste gefertigt aus Holz, mit einem grossen Innenhof, wo ich auch meinen Töff abstellen konnte, ohne die Koffer zu entfernen. Aber dann wurde der Regen stärker, und meine Koffer wurden einer Feuchtigkeits-Belastungsprobe ausgesetzt.
Am Abend assen wir in einem kleinen chinesischen Restaurant guten Fisch mit Gemüse und Pork. Nur mit dem Dali-Bier kann ich mich definitiv nicht anfreunden, absolute Schwachbrühe…
Km: 22‘583
Fr, 09.10.2015: Mitten in einem regenreichen Taifun-Ausläufer
Es hatte die ganze Nacht wie aus Kübeln geschüttet. Das war zwar romantisch, wenn man im Bett liegt, aber die Realität holte mich am Morgen schnell ein. Zwar erhielt ich zuerst mein Gnadenbrot, weil wir nicht zu früh abfuhren, ich fand sogar Zeit für einen Cappuccino in der pituresken, wenn auch voll auf Tourismus ausgelegten Altstadt.
Frisch gestärkt ging es dann im strömenden Regen los. Später erfuhr ich, dass ein Taifun-Ausläufer diese für die Jahreszeit aussergewöhnlich heftigen Niederschläge verantwortlich war. Eigentlich sollte eitel Sonnenschein herrschen, aber ich hatte mein Wetterglück wohl im Tibet schon ziemlich arg strapaziert. Es war heute bedeutend weniger glitschig, offenbar wurden Staub, Pneuabrieb und Dieselpartikel in der Nacht weggespült. Trotzdem blieb ich sehr achtsam. Wir fuhren ein in ein recht dicht besiedeltes Tal, passierten mehrere Dörfer, die im Grau der Wolken aber einen erbärmlichen Eindruck machten.
Der Regen in der Nacht war so stark, dass bald die ersten Auswirkungen sichtbar wurden. Denn schon bald stauten sich die Autos, und natürlich wusste ich sofort, was los ist. Ich überholte die stehende Kolonne und sah, dass ein Wildbach die Strasse mit Geröll und vor allem zähflüssigem, braunen Schlamm überflutet hatte. Ein grosser Bagger war schon daran, durch die meterdicken Schlammmassen einen freien Weg zu schaffen. Tonnen von Material wurden in die Fortsetzung des Baches darunter geschoben. Und erstaunlicherweise ging es nicht lange, bis die Strecke wieder frei war, aber auch für Motorräder? Ich versuchte mich als Erster, versank sofort 30 cm tief im noch liegenden Schlamm, aber darunter kam eine harte Schicht, sodass ich sofort Grip fand. Jetzt Augen zu (oder auch nicht) und durch! Die tiefe Schlammstelle wurde überwunden, ich fuhr um eine Wand aus schlammigem Geröll und war sehr schnell durch. Auch in der Folge waren mehrere kleinere Bäche, welche die Strasse überfluteten, zu überwinden, aber ein Durchkommen war kein Problem.
Dann kam aber noch eine zweite Stelle, an der ein Bagger an der Arbeit war. Aber wir hatten kaum fünf Minuten zu warten, bis die Durchfahrt freigegeben wurde. Diesmal musste ich aber besonders achtsam sein, denn der Wildbach auf der asphaltierten Strasse hatte ordentlich Zug, aber mein Gefährt war genügend schwer, diesem zu widerstehen, und ich kam auch hier problemlos durch. Noch immer fuhren wir jetzt talabwärts entlang einem wilden, braunen Fluss, bis wir eine Höhe von nur noch 1400 m.ü.M. erreicht hatten. Die Fahrt war auch im Dauerregen durchaus reizvoll. Wir begegneten vielen terrassierten Reis- und Maisfeldern, durchquerten Dörfer und kleine Städte. Schweinefamilien auf der Strasse befahlen uns, das Tempo zu drosseln. In einem dieser Dörfer machten wir Mittagsrast. Ich ass gut zubereitete Aubergines, trank ein Fanta. Es war aber sehr kühl, meine Handschuhe waren schon durch und durch nass, auch mein Regenschutz hatte seine Dichtigkeit in der Schulter- und Armregion verloren, und Feuchtigkeit kühlt zusätzlich.
Eine Polizeikontrolle, wo wir aber sehr nett behandelt wurden, zwang uns zu einem weiteren Stopp, dabei hatte ich nur noch ein Ziel, nämlich endlich in Da Li anzukommen. Gleich darauf verliessen wir das beschriebene Tal, es ging steil bergauf, aber leider durften wir die bestehende Autobahn nicht benutzen. Motorräder sind auf chinesischen Highways nicht erlaubt. Die Strasse Richtung Stadt war in üblem Zustand, durchsetzt mit Löchern und vielen Schotterstellen, aber dann erreichten wir Da Li doch noch, zuerst die Neustadt mit seinen Hochhäusern. Nach weiteren 15 Kilometern fuhren wir aber in Alt-Da Li ein. Wir checkten im Hotel Mufeng (80 Y.) in einem sauberen und hellen Zimmer direkt an einer etwas lauten Hauptstrasse ein. Es war eine Wohltat, mich all der nassen Klamotten zu entledigen. Aber die nasse Kälte sass noch immer in meinen Gliedern, sodass es mir erst allmählich etwas wärmer wurde.
Dann kam Hendrik, der uns diese Reise ermöglicht hatte. Bei einem Bier diskutierten wir über die Reise, die Unzulänglichkeiten, die geschehen waren. Ich bekam auch einige Tipps für Laos, in das wir wohl ohne Probleme werden einreisen können. Am Abend goss es immer noch, die Wolken stauten sich offenbar an den Bergen. Wir suchten eine Pizzeria auf (Café de Jack). Die Pizza war gut, das Beerlao noch besser. Später stand ich mit Hendrik, Andreas (einem Singapur-Schweizer, mit dem Hendrik morgen Richtung Sichuan aufbricht) an einer weiteren Bar bei einem japanischen Kirin-Bier. Per Taxi ging’s zurück zum Hotel – noch immer regnete es stark. Ich bin dankbar, dass wir jetzt schon hier sind, denn in Shangri-La (3200 m.ü.M.) hat es heute geschneit, nicht auszudenken, wenn wir uns jetzt noch im tiefsten Tibet befinden würden…
Km: 22‘749
Sa, 10.10.2015: Ruhe- und Retablierungstag in Da Li
Ich schlief heute Morgen für einmal etwas länger. Den Cappuccino musste ich mich allerdings verdienen, indem ich eine kleine Wäsche vornahm. Es regnete noch immer, und ich hoffe, dass die Kleider dann auch trocknen werden. Nach einer Dusche machte ich mich auf einen Spaziergang durch die Altstadt, trank den verdienten Kaffee und ass ein Sandwich. Dalis Altstadt ist gross und besetzt mit vier Eingangstoren. Viele chinesische Touristen krabbelten wie Ameisen durch die Gassen mit unendlich vielen Souvenirshops mit überaus netten, für mich eher kitschig wirkenden Mitbringseln. Tatsächlich fand ich auch für mich etwas: Eine schräge, farbige Sonnenbrille in etwas anderer, grösserer Form.
Zurück im Hotel wollte ich mir einmal die Laos-Karte anschauen, erlebte jedoch mein blaues Wunder im schwarzen Koffern, weil meine Karten in 5 cm tiefem Wasser schwammen. Einige sind wasserfest und waren bald wieder trocken, aber die papierenen Exemplare waren so triefend nass, dass ich sie beinahe nicht mehr auseinanderbrachte. Jetzt hängen alle im Zimmer an einer Schnur oder liegen am Boden – in der Hoffnung, dass sie in getrocknetem Zustand dann doch wieder nutzbar sind.
Am Abend besuchten wir nochmals zu dritt die von Touristen übervölkerte Altstadt. Leider verwechselten wir das Süd- mit dem Westtor und trafen auf Doris und Daniel erst nach einiger Zeit – die beiden hatten die feuchte Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt... Ich wählte mein Essen nach dem Geschirr und bestellte „Rind im Löffel“. Tatsächlich wurde das leider überbratene Rindfleisch mit Chips in Spaghettiform (!) im hölzernen Löffel serviert. Das Beste am Essen war der Avocado-Salat mit Rucola (statt Käse) sowie das japanische Kirin-Bier. Der französische Rotwein, spendiert von Annika und Mathias, war leider auch nur mittelprächtig. Wir besuchten später eine originelle Bar für einige Drinks – ganz lustiger Abend. Daniel und Doris werden in zwei Tagen von Dali nach Hongkong zurückfliegen. Den Besuch einer Karaoke-Bar verpassten. Nachts um ein Uhr war in den Gassen überhaupt nichts mehr los. Noch wenige Stunden zuvor versuchten mehrere Bars, sich gegenseitig mit lauter einheimischer Musik zu übertönen…
Km: 22‘749
So, 11.10.2015: In der alten Stadt von Weishan
Wiederum wartete ein relativ geruhsamer Tag auf uns. Wir waren nur 70 km unterwegs und befinden uns jetzt in Weishan in einem kleinen Hotel nahe der wirklich sehenswerten Altstadt. Ich teile das Zimmer mit Tashi und bezahle deshalb nur 60 Y. für die Übernachtung.
Am Morgen fand ich Zeit, mein grosses Puff im Zimmer zu entrümpeln. An einer Schnur hingen nicht nur Wäsche, sondern auch die diversen Karten, die zu trocknen waren. Jetzt mussten sie mit Scotch repariert werden, denn an vielen Stellen waren sie zerrissen. Noch vor dem Mittag flanierten wir zu dritt nochmals durch Dalis Altstadt. Wiederum waren sehr viele chinesische Touristen unterwegs, die mit ihren Selfie-Sticks alles und jedes, jedoch meist sich selber vor einem mehr oder weniger spannenden Hintergrund fotografierten. Unser Ziel war eine Bäckerei, wo wir ein ausgezeichnetes Stück Quarktorte sowie einen Cappuccino genossen. Ich kaufte hier Brot und Käse (!) – das gibt mal einen guten Lunch!
Erst nach dem Mittag verliessen wir die Altstadt Dalis, durchquerten die verkehrsreiche Neustadt Dalis, fuhren in kurzer Zeit hoch zu einem Pass – bei exzellenter Strasse und sonnigem Wetter, die Regenfront hat sich glücklicherweise zumindest vorübergehend verzogen. Es war ein Katzensprung bis Weishan, in dem wir uns gemeinsam auf einen Spaziergang machten. Es war absolut wohltuend, dass wir hier beinahe alleine durch die langen Gassen schlenderten. Die Stadt wurde 1390 gegründet und ist nach wie vor sehr gut erhalten. Natürlich hat es auch hier einige Souvenirshops, aber man kann in vielen Winkeln das wahre Leben der Einheimischen beobachten. Da wurden Reisnudeln aus einer Maschine gepresst und zum Trocknen aufgehängt, viele Menschen sind am Spielen mit einer Art Dominosteine oder mit Karten, Kinder rennen in den Gassen und spielen Verfolgungsjagd, alte Menschen sitzen vor ihrem Laden und verfolgen das Treiben auf der Gasse.
In einem überaus geschmackvoll und lieblich eingerichteten Teahouse sassen wir im Innenhof und assen einen Schokoladenkuchen und genossen eine ganz spezielle Art Tee (white tea). Die sympathische Besitzerin des Ladens suchte immer wieder das Gespräch mit uns und brachte uns eine Art Marroni. Annika kaufte vier kleine Teetassen, verziert mit den vier Jahreszeiten. Anschliessend drehten wir nochmals eine grosse Runde Richtung Nordteil der Altstadt. Ich kaufte mir acht gestrickte, kleine, farbige Kürbisse, die ich gleich an den Aussenspiegeln meines Motorrades montierte. Neue Glücksbringer! Dann hatte die Kette noch eine Schmierung nötig.
Am Abend assen wir in einem nahen Restaurant Chicken, Gemüse. Mir wurde mit Verspätung ein riesiger Topf vorgelegt mit einer Riesenmenge Fisch, Kartoffeln, Chili, aber leider auch wieder Koreander und Ingwer – aber doch sehr schmackhaft.
Jetzt sitze ich im Bett und schreibe, während Tashi einen chinesischen Kung-Fu-Film reinzieht. Ja tatsächlich, in den meisten Hotels hier hat es auch TV, wird von mir aber nie benutzt…
Km: 22‘820
Mo, 12.10.2015: Regenwald
Ich bin im Regenwald angekommen! Ein Regenwald ist ein Wald, in dem es regnet, darum ist er auch so herrlich grün und dicht. Und der Tag stand tatsächlich erneut im Zeichen des Regens… Auf der Fahrt von Weishan nach Jinggu Richtung Süden ändert die Vegetation von Kilometer zu Kilometer. Nach dem zweiten Pass waren da plötzlich Bananenbäume, und in Jinggu sind die Promenaden von Palmen gesäumt.
Wettermässig merkt man weniger, dass wir immer weiter nach Süden vorrücken. Nachdem es am Morgen noch stark bewölkt und trocken war und sich die Sonne mitunter sogar zeigte, begannen sich am Nachmittag nach Linjiang die Wolken zu entleeren. Laut Wetterbericht durfte es sich nur um einen kurzen Schauer handeln, aber dem war nicht so. Der Regenwald dürstet offenbar nach Regen, auch wenn er noch so grün war, und tatsächlich erinnert mich der Wald hier daran, wie er auch in Laos aussieht. Die Hänge sehen aus wie undurchdringliche Wände, üppig grün und wild. Zweimal überquerten wir den schon hier gewaltigen Mekhong, beide Male in tiefen Schluchten, die gesäumt sind von mächtigen, steil die Hänge emporreichenden Wäldern. Urwald, Dschungel könnte man dem auch sagen, undurchdringlich, dicht gewachsen und saftig grün, soweit das Auge reicht. Dass sich der Wald genau in diesem Moment nach dem vielen Wasser sehnte, wäre jetzt aber nicht wirklich nötig gewesen, denn lieber hätte ich meinen Regenanzug nicht ein weiteres Mal auf seine Dichtigkeit geprüft. Dabei wurde ich keineswegs durch und durch nass, aber es ist einfach unangenehm, auf regennasser Fahrbahn vorwärtszukommen. Zudem war diese immer wieder überströmt von Resten von rötlichem Schlamm, herrührend von Erdrutschen aus vergangenen Tagen, die mittlerweile zwar geräumt sind, die Strasse aber doch unnötig glitschig machen. Tatsächlich rutschte mein Hinterrad einmal bös zur Seite, glücklicherweise ohne Folgen.
Eigentlich hätten wir den Niederschlägen heute locker ausweichen können, denn eigentlich war nur geplant, bis Linjiang zu fahren. Hier assen wir koreanische Sushi und in einer Bäckerei (!) ein gutes Stuckerl, wir beschlossen jedoch, noch weiter zu fahren, bis Jinggu, und auf dieser Strecke erfassten mich neue Niederschläge, einfach lästig. Schliesslich waren wir über 400 km unterwegs durch abwechslungsreiches, hügeliges und saftig grünes Gelände. Schade, dass wegen der tief liegenden Nebelschwaden von der Landschaft nicht mehr sichtbar war. Es wird hier viel Mais und Reis angeplanzt. Lange Zeit reihte sich Dorf an Dorf, bald durchfuhren wir jedoch ein recht unberührtes Stück Land, das zu steil für die Bewirtschaftung ist. Genau hier war die Landschaft besonders reizvoll, auch wenn es regnete.
In Jinggu, einer recht sauberen, gut entwickelten Stadt mit erstaunlich vielen Shoppingläden, suchten Tashi und Annika lange Zeit nach einem geeigneten Hotel, Mathias und ich standen uns im Regen die Füsse platt, bis sie endlich wieder erschienen. Jetzt befinden wir uns im Haitian Hotel (80 Y. fürs Zimmer, gutes Preis-Leistungsverhältnis). Eben hat Tashi eine ominöse Telefonnummer gewählt, mit der nette Damen aufs Zimmer bestellt werden könnten – er meinte, 150 Y. sei zu teuer. Er vermied es, die Zimmernummer zu verraten, weil sonst wohl bald an die Zimmertür geklopft würde…
Wir waren heute Abend auch einige Zeit am Suchen, bis wir ein geeignetes Restaurant gefunden hatten. Eine ganze Weinsammlung hätten wir hier ausprobieren können, aber wir beschränkten uns auf spezielles Fried Rice oder Fisch. Es regnet noch immer, mein Pullover wird jetzt körpergetrocknet…
Etwas Gutes hatte der heutige lange Fahrtag – es müssen morgen 170 km weniger Strecke zurückgelegt werden. Wir nähern uns mit Windeseile Laos‘ Grenze an. Ich warte sehnlichst darauf, dass die Fahrt Richtung Süden auch endlich die Wärme zurückbringt. Jetzt befinden wir uns auf nur noch 900 m.ü.M., aber es hat kaum 10°C!
Km: 23‘239
Di, 13.10.2015: Dienstag, der Dreizehnte…
Dieser Tag geht definitiv als einer der unangenehmsten in die Reisegeschichte ein. Vielleicht war es im Nachhinein besser, dass ich nicht über den Wetterbericht informiert war. Heute hätte ich wirklich gerne mit Annika, Mathias und Tashi getauscht, denn es regnete schon, als wir am Morgen Jinggu verliessen. Ich hatte nach den gestrigen Regengüssen vorgesorgt und verpackte meinen kleinen Rucksack in meinen grossen, roten, wasserdichten Sack, zudem deckte ich den grossen Rucksack mit dem schwarzen Plastik ab, den ich sonst als Zeltbodenunterlage benutze.
Und diese Massnahmen sollten sich mehr als lohnen. Denn der anfänglich noch leichte Regen wurde zu einem den ganzen Tag andauernden Landregen, der je länger der Tag dauerte, umso stärker wurde. Die allmählich sich wandelnde Veränderung der immer mehr tropisch werdenden Landschaft wurde nebensächlich. Die Pflanzen sind mastig und kräftig, benötigen wohl viel Feuchtigkeit, von der ich heute ebenfalls eine ganze Menge abbekam. Nur bin ich leider kein tropisches Gewächs, im Gegenteil – an gewissen Stellen breitet sich eher die Wüste aus, während es an andern von Unkraut wimmelt (worauf gerne verzichtet werden könnte…).
Es wäre nichts als logisch gewesen, die dank des gestern verlängerten Fahrtages die Strecke auf dem kürzesten Weg zurückzulegen, aber dies wurde uns (beziehungsweise vor allem mir) verwehrt, denn die bestehende, ausgezeichnet ausgebaute Autobahn ist für Motorräder gesperrt. Wir hatten die kurvenreiche G 323, später G 213 zu nehmen, landschaftlich zwar sehr reizvoll, aber im Nebel und in Wolken versunken, die sich gerade jetzt besonders stark entleeren wollten. Wiederum wurde mein Regenanzug einem Dichtigkeitstest unterzogen, und diesmal bestand er diesen in keiner Weise. Sowohl die gelbe Regenjacke war sehr bald wasserdurchlässig, aber noch schlimmer auch die schwarze Regenhose, sodass ich zwischen Bauchnabel und Knien mehr und mehr befeuchtet wurde, sodass die kalten Kleider auf der warmen Haut kleben blieben. Man stelle sich das vor, wie angenehm dies ist… Zudem wurde die Strecke wegen der vielen Kurven und immer wieder zu überwindender Höhendifferenz viel länger als erwartet, kilometer- wie zeitmässig. Je höher wir jeweils kamen, desto mehr Ausblick hatten wir auf die weiten, dunkelgrün schimmernden Teefelder, die in den Hängen in langen Reihen angelegt werden. Dies sollte sich wohl rächen, denn beim Fotografieren regnete es in diesem Moment besonders stark…
Erst am späten Nachmittag erreichten wir endlich Jinhong, wieder eine übertrieben auf Tourismus getrimmte Retortenstadt. Schnell hatten wir das Hotelviertel erreicht. Gutes Zimmer für 160 Y. (zu zweit mit Tashi). Nach dem Reinigen von Befestigungsbändern und Koffern, die wie gemauert aussahen, hängte ich all die durchnässten Sachen im Zimmer und auf dem Balkon auf – mit wenig Erfolg, wie ich am nächsten Morgen feststellen sollte.
Nach einer herrlich warmen Dusche wollte ich mich endlich dem Kommenden zuwenden, nämlich zu planen, welches Routing ich in Laos nehmen möchte. Aber die Überraschung war gross und unangenehm, als ich feststellen musste, dass das Display meines e-readers von der Feuchtigkeit oder vom Druck im Gepäck Schaden genommen hatte und noch mehr gebrauchsfähig ist. Shit! So informierte ich mich halt über mein Notebook. Am Abend versuchten wir in einem nahen Restaurant die regionale Spezialität. In zwei verschiedenen Suppenbecken, deren Inhalt teuflisch scharf war, wenigstens eine davon, konnten verschiedene Gemüse, Pilz, Wurst, Fleisch gegart werden. Leider waren die Suppen wenig gewürzt (ausser mit Unmengen von Chili), trotzdem kamen mir Tränen, und die Nase lief andauernd – will was heissen für mich als Chili-Liebhaber… Aber die nächste grosse Unannehmlichkeit stand erst noch bevor: Das fulminant aussehende Essen musste natürlich fotografisch festgehalten werden – zwei Bilder waren noch möglich, dann wollte meine Kamera die geschossenen Bilder nicht mehr verarbeiten – nur noch farbige Strichmuster wurden angezeigt.
Zurück im Hotel wechselte ich die Batterie, versuchte eventuell in die Kamera eingetretenes Wasser per Föhn zu trocknen, ich wechselte Objektive, SD-Card, aber nichts half. Die ganze Elektronik funktioniert zwar noch, aber Bilder werden nicht mehr richtig verarbeitet. Unterdessen war es dunkel geworden. Mit dem Handy im Mund beleuchtete ich meine Kamera. Ich wusste nicht, dass meine Zähne scharf wie die eines Pumas sind – ein Klirr, und mein Handy-Display hatte erneut drei nette, kleine Risse… Ärgerärgerärger! Der Tag geht wohl als Tag der Nässe und der technischen Pannen in die Geschichte ein…
Km: 23‘550
Mi, 14.10.2015: Grenzübertritt nach Laos
Ich erwachte schon früh und nahm mich noch einmal meiner Kamera an – leider erneut mit keinem Erfolg. Es wurmt mich sehr, fortan wohl nicht mehr fotografieren zu können. Und dies könnte meine Reisepläne beeinflussen. Ich werde wohl schnell nach Bangkok reisen müssen, um einen Ort zu finden, wo man die Kamera reparieren kann. Das inbegriffene Hotelfrühstück war typisch chinesisch – Nudelsuppe – gewöhnungsbedürftig.
Wettermässig stellte ich mich nochmals auf das Schlimmste ein, verpackte meine Siebensachen so gut, wie es halt möglich ist. Der Einstieg in meine Töffkleider war überaus unangenehm, denn jedes Stück war noch klamm-feucht. Unter dem vermeintlich dichten Regenschutz begann es gleichsam zu gären, denn die Temperaturen wurden heute immer wärmer, je weiter wir nach Süden reisten. Nach anfänglichen leichten Regenfällen verliessen wir den unsäglichen Kaltlufttropfen, der um uns gekreist war. Endlich wurde es trocken, dazu kamen wir sehr schnell vorwärts, denn diesmal nahmen wir trotz Verbots den zweispurigen Highway, Spur 3 und 4 sind noch im Bau, deshalb war dies (auch für mich) wohl möglich. Ich mochte mir noch ausdenken, wie lange wir sonst für diesen Weg gebraucht hätten, denn die Landschaft ist durchsetzt mit Hügeln, die zudem immer höher wurden. Viele unbeleuchtete Tunnels wurden durchfahren, Schluchten werden auf Viadukten überfahren. Der Wald ist tropisch dicht, unterbrochen von Bananen- Reis- oder Maisplantagen. Wir hatten auf diese Weise auf der G 213 bald Meng La erreicht, noch 65 km bis zur Grenze. In Mohan, der Grenzstadt, machten wir einen Mittagshalt.
Nach über 6700 km Fahrt durch dieses riesige Land war ich froh, dass dieses Abenteuer (unfallfrei) vorüber war. Es war zeitweise wirklich eine Plackerei, beinahe jeden Tag so weit zu fahren. Wir haben die vorgegebenen dreissig Tage vollumfänglich ausgenutzt, so viele Tage war unser Visum gültig. Nicht auszudenken, wenn wir einmal eine Panne gehabt hätten oder wenn jemand krank geworden wäre. Zudem war die Flexibilität des Reisens in diesem Land marginal, natürlich auch wegen der vielen zurückgelegten Kilometer.
Der Grenzübertritt gestaltete sich überaus unbürokratisch. Departure-Fackel ausfüllen, Stempel, Customs njet bei der Ausreise (die sind wohl froh, dass wir wieder weg sind…), und die Einreise war noch einfacher. Neu reist man als Schweizer visumsfrei in Laos ein (15 Tage Aufenthaltsrecht) – Annika zahlte mit dem deutschen Pass 32 $! An der Grenze verabschiedeten wir uns, obwohl wir das gleiche Reiseziel hatten – Muang Namtha, ein Dorf in Nord-Laos. Die beiden waren vermeintlich bald über alle Berge, weil ich’s jetzt nur noch gemütlich nehmen wollte. Aber ich holte sie bald ein, denn sie standen vor einem vorübergehend gesperrten Strassenstück. Ein Bagger schaufelte Geröll von einem Hang, dass mit Getöse zu Tal über die Strasse sauste. Ich war dann der erste, der das wieder freigegebene Strassenstück wieder befahren konnte.
Es war ein Katzensprung mit Muang Namtha. Im Zuela Guesthouse fand ich eine geeignete Unterkunft, die Zeiten des wirklich billigen Wohnens in Asien sind jedoch wohl vorbei. Ein Zimmer mit AC kostet 150‘000 Kip (die Fan-Zimmer waren ausgebucht). Was für ein Gefühl, wieder frei zu sein! Nicht schon jetzt daranzudenken, wie weit es morgen wieder gehen wird. Einfach in den Tag hineinleben. Zeit fürs Schreiben haben. Blog. Das angenehm warme (aber nicht heisse) Klima geniessen. Endlich kann ich mich fliessen lassen (auch wenn der Kameraschaden drückt und mich wohl bald zwingt, nach Bangkok zu reisen – ist aber vergleichsweise ein Katzensprung…). Lustigerweise traf ich auch hier nochmals auf Annika und Mathias, die im selben Hotel eincheckten. Am Abend waren wir gemeinsam in einer Pizzeria (!) mit Holzkohleofen – prima!
Genau 6985 km war ich unterwegs von Tasch-Rabat/Kirgistan bis hierher, das heisst, dass ich tatsächlich über 6700 km in China unterwegs war. Und mir geht’s gut und dem Töff auch, wenn auch der Hinterpneu schon wieder bedenklich heruntergefahren ist. Zudem sollte ich dringend das Licht reparieren. Mit Volllicht durch die Tunnels zu tuckern – bei vollkommener Dunkelheit, war definitiv nicht ungefährlich.
Ich bin in den Tropen angekommen, mit eigenem Fahrzeug, unglaublich! Ich lausche den zirpenden Zikaden, die sich in den Bäumen der Umgebung tummeln. Es ist ruhig geworden in Muang Namtha, das sich ein bisschen anfühlt wie ein Dorf Thailands vor dreissig Jahren, als sich der Tourismus allmählich auszubreiten begann. Eine Tour zu den Bergvölkern, wie ich es damals machte, werde ich wohl nicht unternehmen. Eine grosse Gruppe mit extrem jungen Leuten ist heute Nachmittag eben von einem solchen Trip zurückgekehrt. Muss ich mir das wirklich antun, auch zu den Gaffern zu gehören, welche alte Dörfer mit extrem einfach lebenden Menschen, halt in ihren Traditionen, besuchen?
Km: 23‘790
Do, 15.10.2015: Ein Dienst-Tag am Donnerstag in Muang Namtha
Es war eine Wohltat, am Morgen einfach einmal so lange liegen zu bleiben, bis die Lust da war aufzustehen. Schliesslich war dies nicht einmal sonderlich spät, weil in Laos die Uhren wieder um eine Stunde zurückgestellt werden müssen – keine Beijing-time mehr...
Ich kümmerte mich heute zuerst um das Licht meines Töffs. Ich fand an der Hauptstrasse einen Mechaniker, der mir zu Hilfe stand. Es war nicht so, wie ich es erwartet hatte; nicht eine Sicherung war defekt (ich fand das Sicherungskästchen unter dem Sattel…). Das Vorderlicht war schlicht defekt und war schnell ersetzt – Tobias sei Dank! Beim hinteren Licht war die Sache komplizierter. Da die Sicherungen in Ordnung waren, musste irgendwo ein Kontakt faul sein. Aber erst als wir den Sattel in komplizierter Weise demontiert und die Anschlüsse gesäubert hatten, war der Fehler gefunden. Zwei Stunden Arbeit – 150‘000 Kip, 18 Fr.! Im Hotel wechselte ich dann mein Zimmer, Air Condition ist hier wirklich nicht notwendig, es ist angenehm warm, in der Nacht lässt es sich prima schlafen, auch ohne Klimatisierung, neu nur noch 80‘000 Kip pro Übernachtung (10 Fr.). Schon gestern hatte ich 7 ½ kg Wäsche, inklusive muffigem Töffanzug und Schlafsack, abgegeben – 1 kg Wäsche kostet 13‘000 Kip, Fr. 1.50. Dann kümmerte ich mich heute um meine Kette, die in der Feuchtigkeit ebenfalls gelitten hatte. Sie war diesmal auch leicht zu spannen.
Unterdessen ist schon Nachmittag – die Zeit verstreicht auch so. Ich sitze bei Mangosaft im Garten, geniesse die perfekt milden Temperaturen. Die Kamera liegt an der Sonne – ich gebe noch nicht auf und hoffe, dass die letzten Resten Feuchtigkeit aus der Kamera verschwinden. Leider brachte auch diese Aktion nichts! Ich hatte auch Kontakt zu Erik vom Motocenter West, den ich vermutlich auf einer Insel im Südosten Thailands oder dann in Chiang Mai treffen werde. Er wird meinem Töff einen Service verpassen. Vielleicht gibt es dort auch eine Möglichkeit, unabhängig nach Burma einzureisen, allerdings mit exakt festgelegtem Reiseplan. Ich widme mich jetzt wieder einmal meinem Blog. All die Fotos zu bearbeiten wird mich viel Zeit kosten…
Am Abend ass ich zusammen mit Annika und Mathias im Zuela „green curry“, ausgezeichnet zubereitet. Zu uns gesellten sich auch noch Fabian, ein deutscher Traveller und ein interessanter Engländer, der auch Schwedisch spricht und sich bestens mit Annika in dieser Sprache unterhalten konnte. Vergnüglicher Abend!
Morgen werden sich unsere Wege definitiv trennen. Annika und Mathias werden nach Luang Prabang weiterreisen, dann in Bangkok versuchen, ihr Auto nach Europa zu verschiffen. Am 4. November geht’s nach Hause. Womit ich definitiv wieder auf mich alleine gestellt bin. Das gemeinsame Reisen war diesmal nicht ganz so einfach wie mit Tobias und Dominique; da waren wir doch zu verschieden strukturiert, und dann waren da noch die Einschränkungen im Land selber. Aber glücklicherweise haben wir uns doch immer wieder gefunden und konnten die gemeinsame Zeit in Frieden abschliessen. Aber ich bin froh, dass ich jetzt relativ zeitlos unterwegs sein kann. Ich fiel mich echt schwer, am Morgen jeweils auf die Minute pünktlich bereit zu sein! Viel Glück euch zwei und danke, dass ich dabei sein durfte, wir hatten eine gute Zeit miteinander!
Km: 23‘792
Fr, 16.10.2015: Abschied von Mathias und Annika – Zeit für den Blog
Schon am Morgen verabschiedete ich mich ein weiteres (letztes?) Mal von Annika und Mathias, die heute nach Luang Prabang weiterreisen. Ich fand deshalb genügend Zeit für den Blog. Das Tagebuch ist bereit, aber es war ein Spass und beste Unterhaltung, all meine Texte nochmals durchzulesen, zu ergänzen, verbessern, um sie dann in Teil 11 und 12 auf den Blog zu kopieren.
Dann sortierte ich Mathias‘ und Annikas Bilder in meine Bilderserie ein und machte mich dann an die riesige Arbeit, all die 1300 Bilder per Photoshop etwas zu bearbeiten. Ich schaffte heute beinahe die Hälfte!
Gegen Abend machte ich eine Rundfahrt im Ort, war aber etwas zu spät unterwegs, weil die Sonne schneller als erwartet unterging. Ich ärgerte mich auch über meine Handy-Kamera, die nur unscharfe Bilder ausspuckt. Ich fand keine Funktion, um die Kamera richtig einzustellen. Ich ass im Zuela-Restaurant zusammen mit Jon – friedlicher Abend.
Km: 23‘803
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iso (Montag, 19 Oktober 2015 21:19)
Wow, eine richtige Erleichterung, dieses komische China endlich verlassen zu dürfen als Leser. Dafür freue ich mich, bis du dann die nächtliche Jana-Fortsetzung, "über die an dieser Stelle nichts verraten wird", irgendwann preisgibst. Kannst dann ja gleich auch noch die alte, ähnlich gelagerte Geheim-Geschichte aus Thailand vor geschätzten 30 Jahren offenlegen.... Das unglaublichste Detail übrigens zwischen all deinen unglaublich fesselnden Geschichten habe ich aber auf einer Foto entdeckt: Du hast tatsächlich deine potthässlichen und eigentlich verboten gehörendem grünen Crocks immer noch! Bringst du solchen Zivilisationsschrott gleich dahin zurück, von wo er hergekommen ist in irgendeinen Gassauer Schuhladen??....;-)
Lars hat sich im übrigen sehr gefreut, als er heute im Briefkasten Post vom Götti fand; eine Karte aus Tibet hat jetzt noch niemand von uns je erhalten!
Gute Erholung in der Wärme und unfallfreie Fahrt weiterhin!
Hildegard (Mittwoch, 21 Oktober 2015 00:54)
Hoffentlich funktioniert die Kamera bald wieder. Fotos machen deine Schilderungen perfekt, obwohl es auch interessant ist, sich die Situationen selber vorzustellen. Aber wie realistisch? Liebe Grüsse!
Andrea (Mittwoch, 21 Oktober 2015 14:11)
Hallo Urs,
ich habe lange nichts geschrieben, weil ich einfach keine Zeit hatte, deine sehr spannenden aber auch langen Berichte zu lesen. Ich habe etwas quergelesen - aber ich werde es bestimmt nachholen, wenn du dann dein Buch herausgibst von der Reise. Ich bin eben einfach keine Bildschirmleserin!
Besten Dank, für die Tibetkarte, die du Johanna geschrieben hast. Im Gegensatz zu ihr habe ich sie gelesen - sie kommt nicht mehr so oft zu uns nach hause, seit sie in der neuen WG in Zürich wohnt...
Wir sind alle wohlauf - unsere Eltern sorgen sich aber schon ab und zu um dich. Ich muss sie dann wieder beruhigen und beschwichtigen, dass du eine sehr gute Intuition hast, nicht zu grosse Risiken eingehen würdest u.s.w.
Und mein Tipp an dich: Schau, dass dein nächster Zeitungsbericht etwas positiver ausfällt. Ich bekomme oft zu hören, dass sich die Lesenden fragen, ob eine solche Reise nicht zu risikobeladen sei und zu viele Unannehmlichkeiten berge...
Lass wieder mal was hören von dir!
Ein dicker Kuss schickt dir
Andrea