Teil 08: Teheran - Samarqand/Uzbekistan

Auf dem Demavand/Iran 5672 m.ü.M.


Haarsträubendes hat sich in der Zeit zwischen dem 27. Juli und 8. August 2015 ereignet. Ich verlor unter anderem einen meiner beiden Koffer mit sämtlichen Werkzeugen und Medikamenten sowie meiner externen Festplatte im Iran und bemerkte dies erst in Turkmenistan - unmöglich, wieder zu diesen Utensilien zu kommen.


Dazu klaute mir ein Souvenirjäger in Turkmenistan meine Töffnummer. Wie ich trotzdem drei Grenzübertritte unbeschadet überstand, kannst du in meinem ersten der beiden neuen Blogeinträge nachlesen. Es liest sich wirklich beinahe wie ein Krimi.


Seit fast einem Monat sind wir zu dritt unterwegs. Dominique und Tobias waren meine treuen Reisebegleiter und haben mir immer wieder geholfen, mich aus diversen schwierigen Situationen herauszuwinden...


Zu allem Übel wurde ich auf diesem Abschnitt von Pannen nicht verschont! Lies selber, warum es mir heute in Osh/Kirgistan trotzdem sehr gut geht...

Das Routing zwischen Teheran/Iran und Osh/Kirgistan


Klicke hier, wenn du dich für die neuste Reisestrecke interessierst!

Mo, 27.07.2015: Fahrt zum Demawand-Basecamp – endlich raus aus Teheran

Noch vor neun Uhr hatten wir unsere Motorräder gesattelt. Zuerst fuhren wir nochmals nach Norden zur Turkmenistan-Botschaft, aber auch heute war es nichts mit dem Ändern des Einreiseortes. Unplanmässig war die Botschaft wieder geschlossen.

Aber wenigstens waren wir jetzt schon am Rande der Stadt. Per GPS und Führung von Tobias fuhren wir auf sehr gut ausgebauten Strassen Richtung Demawand, dem höchsten Berg Irans (5672 m.ü.M.). Tobias und Dominique mussten mich nicht lange überreden, einen Versuch zu starten, diesen riesigen ehemaligen Vulkan zu besteigen. Bevor wir diesen mächtigen Berg endlich zu Gesicht bekamen, mussten wir aber zuerst einen Pass überwinden, der uns auf 2700 m.ü.M. führte. Es war ordentlich kühl hier oben, die Landschaft karg, aber doch reizvoll. Erst in den tiefsten Talsohlen ist oasenartiges Grün auszumachen.

Auf dem Weg hatten wir schon eingekauft für unseren Trip und Polur, das Ausgangsdorf oder Basecamp 1 erreichten wir bald. Das Informationscenter versorgte uns mit dem nötigen Wissen über den Berg, und nach einigem Hin und Her wird es gar möglich sein, zum Camp 2 (Moschee) mit dem Motorrad hochzufahren und es an einem sicheren Ort abzustellen. Und doch: Die Unternehmung ist doch ziemlich hirnrissig. Wir sind denkbar schlecht vorbereitet: untaugliches Schuhwerk, überhaupt nicht perfekt ausgerüstet, null Akklimatisation. Aber wir werden zumindest starten und mal schauen, wie weit wir hochkommen. Auf jeden Fall würde uns im obersten Teil viel Schnee erwarten… Immerhin war gut, dass wir heute wirklich einen ruhigen Tag hatten und auch keine Möglichkeit hatten, Bier zu trinken, denn am Nachmittag gab es gar einen Molotow-Jass (!), nachdem wir in einem Restaurant wieder einmal Kebab genossen hatten. Das frische gebackene Fladenbrot war ausgezeichnet, verliert aber seine Knusprigkeit bereits nach kurzer Zeit und ist nachher vergleichbar mit Gummi. Wir hatten ein Permit für den Demavand für je 50 $ zu lösen.

Gegen Abend legten wir einmal bereit, was wir in einem grossen und zwei kleinen Rucksäcken mitnehmen wollen. Wir werden im Basecamp 3 unser Biwak aufstellen und uns dort oben warm anziehen müssen, in der Nacht dürfte es ziemlich kalt werden. Das grosse Fragezeichen wird natürlich sein, wie wir auf die enorme Höhe reagieren werden, wie sehr dies auf unsere Leistungsfähigkeit schlägt. Aber man wird sehen.

Km: 10‘328


Di, 28.07.2015: Aufstieg zum Demavand-Basecamp 2 und 3

Am Morgen packten wir all die Utensilien, welche wir auf diesen Bergtrip mitnehmen wollten. Dominiques kleiner Rucksack, mein kleiner und mein grosser Tramperrucksack wurden so gepackt, dass das Gewicht einigermassen ausgeglichen war. Tobias bereitete unterdessen ein Rührei mit 6 Eiern zu. Das restliche Reisegepäck wurde im Storageroom hoffentlich sicher gelagert.

Und dann ging’s los. Eigentlich wäre es nur möglich, zum Camp 2 hochzufahren mit Spezialbewilligung, und genau eine solche erhielten wir vom Manager der Kohnavardi Federasion schliesslich doch noch. Wir sind zu „special guests“ der „Iranian Moutaineering Federation“ geworden. Die entsprechenden Checkpoints wurden telefonisch informiert, dass da bald drei Schweizer Motorradfahrer erscheinen würden. Tatsächlich hatten wir unsere Tickets gar nie vorzuweisen. Nach den ersten 14 km auf geteerter Strasse entlang des Fusses des Demavands vorbei an einer tiefen Schlucht wurde die Auffahrt zum Camp 2 zu einer Herausforderung. Gravelroad mit Steinen und Gräben durchsetzt, aber die 12 km wurden problemlos bewältigt. Tobias findet offensichtlich den grössten Gefallen, möglichst schnell über die Steine zu brettern.

Beim Moschee-Camp (Camp 2) konnten wir unsere Motorräder abstellen. Akbar wird immer wieder ein Auge auf sie werfen. Ist ja schon immer wieder ein kleines Risiko, solche Maschinen an abgelegenen Orten zu parkieren. Dann begann der Aufstieg zu Camp 3 über trocken-staubige Wege. Aber da war auch noch etwas Grün auszumachen, sogar einige mastige, grosse, rote Mohnblumen fanden irgendwo etwas Wasser zum Blühen. Wir hatten den ganzen Tag Zeit für den Aufstieg mit 1200 Höhenmetern, dementsprechend mussten wir uns nicht beeilen. Alle dreihundert Höhenmeter machten wir eine längere Pause. Jeder Meter wurde wegen der grösseren Höhe aber etwas härter. Abwechslung brachten immer wieder die Gespräche mit den Einheimischen, die es einfach cool finden, dass wir auch hier sind. X-mal wurden wir fotografiert. Schliesslich sichteten wir die neu gebaute Hütte und hatten diese auf 4200 m.ü.M. bald erreicht. Aber diese Höhe hatte es schon in sich. Ich hatte Kopfschmerzen bekommen, war kaum leistungsfähig, sass nur leicht benebelt da, um mich endlich aufzuraffen, auf den terrassenartig angelegten Campingstellen mein Zelt aufzustellen. Irgendwann war dann genügend Energie gesammelt, um ganz zur Hütte hochzugehen. Kalter, schmuckloser Raum, aber warme, nette Leute, mit denen wir sofort in Kontakt kamen. Die zwei Damen hatten hier gar ihre Kopfbedeckungen abgelegt. Natürlich kam es wieder zu einer ausgedehnten Fotosession. Am Abend kochten wir drei Portionen von Doms Hightech-Food. Die Beutel müssen nur mit heissem Wasser angerührt werden. Das Essen ist einigermassen geniessbar.

Ich sass dann lange auf einem Felsen, um die schöne Abendstimmung zu geniessen. Aber es war ordentlich kühl geworden, der warme Schlafsack lockte, aber das mit Schlafen war dann eine andere Sache. Erstens waren die iranischen Zeltler sehr lange sehr laut, zweitens ist es offensichtlich nicht einfach, auf dieser Höhe ohne Akklimatisation zu schlafen. Ich fand einfach keine Ruhe, schlief zwar schon etwas, aber nur im Minutentakt, um gleich wieder aufzuwachen. Der Körper wehrt sich wegen des wenigen Sauerstoffes offensichtlich gegen Tiefschlaf. Tatsächlich hatte ich auch das Gefühl, nach Luft japsen zu müssen, es war so eine Art Atemnot, da hiess es einfach ruhig bleiben und regelmässig weiterzuatmen. Zudem hatte ich die ganze Nacht Kopfschmerzen, verzichtete aber auf eine Tablette.

So versuchte ich mich einfach möglichst gut zu entspannen und auszuruhen. Wenigstens hatte ich einigermassen warm in meinem Schlafsack.

Km: 10‘363


Mi, 30.07.2015: Das Demavand-Abenteuer

Es ist nie angenehm, um Viertel nach vier Uhr vom Wecker geweckt zu werden und gleich den warmen Schlafsack verlassen zu müssen. Meine Kopfschmerzen waren beinahe weg, trotzdem wollte ich prophylaktisch eine Tablette nehmen. Die Lust zu essen war verschwindend klein, aber ich zwang mich, den Rest des Curryreises vom vergangenen Abend fertig zu essen oder besser mit Wasser hinunterzuspülen. Die beiden kleinen Rucksäcke hatten wir schon am Vorabend gepackt, sodass wir schon vor fünf Uhr bereit waren loszumarschieren. Wir wollten langsam, aber stetig aufsteigen, einfach so weit es geht, denn wir wussten alle nicht, wie wir auf diesen Höhen reagieren würden.

Bis auf 4500 m.ü.M. ging es erstaunlich gut. Wir stiegen kontinuierlich und ohne Probleme höher und höher. Aber dann wurde aus der Tour eine Tortur. Mit jedem weiteren Höhenmeter wurde der Kraftakt vorwärtszukommen grösser. Zwar gab es da verschiedene Wege, die gegen oben führten, aber die waren staubig und teils voller Geröll. Und jetzt kam auch noch der Schnee. Auf etwa 4900 m nahmen wir einen Weg, der uns auf der rechten Seite zu einem Schneefeld führte, das aber noch hart gefroren war. Und dieses galt es jetzt zu überqueren. Aber unser Energiepegel war jetzt schon extrem tief, zudem war es schwierig, sich zu konzentrieren. Ich fühlte mich, als ob ich eben vier Schnäpse ex getrunken hätte. Trotzdem schafften wir es, auch diese Klippe zu überwinden. Jetzt ging es extrem steil aufwärts, teilweise über Felsen, aber da war tatsächlich ein Trost. Da gab es Bergsteiger, denen es noch schlechter als uns zu gehen schien. Ganze Gruppen liessen wir hinter uns!

Und dann erreichten wir die nächste Schallmauer: 5000 m.ü.M. Das Atmen fiel uns immer schwerer. Immer wieder blieb ich vornübergebeugt stehen, um nach Luft zu japsen, aber es war Tobias, der uns mahnte, regelmässig weiter aufzusteigen. Wir hatten uns eine Grenze gesetzt: Wenn wir bis 13 Uhr den Gipfel nicht erreicht hätten, wollten wir umkehren. Aber noch war es noch nicht einmal zehn Uhr. Und ich sagte, dass es doch zu schaffen sein müsste, in über drei Stunden die letzten 600 Höhenmeter zurückzulegen.

Ab 5100 m.ü.M. änderte sich die Szenerie. Da waren schweflig-riechende Räuchlein auszumachen, die einem in die Nase stiegen, manche Stellen des Felsens waren gelb vor Schwefel. Wir kamen logischerweise immer langsamer voran, aber wir wollten nicht aufgeben. Meter für Meter stiegen wir auf und erreichten die 5200, 5300 Meter. Mein Swatch-Höhenmesser am Handgelenk trieb mich schier in den Wahnsinn. Sooo viel Anstrengung für so wenig Bewegung der Zeiger!

Und dann kam da ein weiteres grosses Schneefeld, diesmal aber extrem lange und steil. Aber es hatte wenigstens Fusstritte von den vielen Berg-Bezwingern. Schritt für Schritt kämpfte ich mich vorwärts. Dom zündete jetzt den Turbo und war plötzlich 30 Meter vor mir. Tobi blieb bei mir, damit ich nicht abreisse. Aber er hatte nicht weniger zu kämpfen als ich. Immer wieder sagte er, dass er endlich von diesem Berg runterwolle. Aber dafür musste er vorerst bestiegen werden. Schliesslich war auch dieses Schneefeld überwunden. 5500 m.ü.M. Es ging jetzt über Felsen weiter empor. Und noch ein kleines Schneefeld. Und plötzlich (wir waren selber überrascht, dass es nicht mehr weiter hochging) standen wir auf dem Gipfel, schon vor elf Uhr, nudelfertig, aber natürlich glücklich und mächtig stolz. 5672 m.ü.M. – ein absoluter Höhenrekord für uns alle!

Aber es ist schwierig, auf dieser Höhe die Aussicht und das erhabene Gefühle des Erfolgs zu geniessen. Natürlich fanden wir Zeit für Fotos, sogar einen Kurzfilm. Aber die Energie, den schneebestandenen Krater mit einem Durchmesser von nur 200 m zu umrunden, fehlte schlicht. Und wir wollten jetzt nur noch runter, runter, runter, im Wissen, dass es uns in geringerer Höhe wieder besser gehen würde. Ich hatte im Gegensatz zu Dom und Tobi wenigstens kein Kopfweh. Schon beim Aufstieg hatten wir natürlich jene riesigen Schneefelder gespeichert, welche sich für einen möglichst kraftsparenden Abstieg eignen würden. Der Schnee war unterdessen weicher geworden, aber das Gleiten auf diesem Schnee war einfach zu anstrengend. Immer wieder haute es mich um, und ich liess mich gehen, rutschte auf meinen Hosen mehr oder weniger kontrolliert zu Tal. Ich nahm auch meinen Regenschutz als Gleithilfe hervor. Gleich mehrere Schneefelder rutschten wir jetzt talwärts, und mit jedem Höhenmeter ging es uns besser. Weniger Freude an der Rutschpartie hatte meine Hose – wahrscheinlich verursachte ein scharfer Stein das grosse Loch auf der Sitzfläche. Irgendwann waren die Schneefelder passé, aber auch jetzt ging der Abstieg recht zügig vonstatten, denn auch auf dem Staub und den Kieseln liess es sich prima hinunterdriften.

Wir brauchten kaum zwei Stunden für die 1500 Höhenmeter Abstieg. Aber die Motivation, jetzt gleich unser Zeltlager abzuräumen, war minimal. Aber irgendwann ist man fertig mit Packen und bereit für den nächsten Abstieg. Und es waren ja nochmals 1200 Höhenmeter zu überwinden. Diese fuhr uns jetzt so richtig heftig in die Glieder. Da war nichts mehr von Wanderfreude, wir wollten nur noch unten sein, wurden aber immer wieder aufgehalten von Einheimischen, die wissen wollten, woher wir kommen, und wir wurden zum wiederholten Male gebeten, uns für ein Bild zur Verfügung zu stellen. Aber unsere Motivation dafür war extrem klein, aber gleichwohl wollten wir nett sein und brachten auch diese Opfer.

Auf halbem Abstiegsweg trafen wir überraschend auf Annika und Mathias, die nach dem Alamkuh jetzt auch den Demavand besteigen – etwas besser vorbereitet als wir. Schliesslich erreichten wir unsere Motorräder auf Camp 2, denen es gut ging. Die Talfahrt über die üble Zufahrtstrasse war jetzt noch 1000-fach anstrengender als bei der Bergfahrt. Wir erreichten Camp 1, bei dem viel Betrieb war – irgendeine Feier wegen der neuen Kletterhalle (!). Unser Zimmer war diesmal im zweiten Stock – eher unangenehm, denn der ganze Kasumpel musste mit unseren leeren Beinen noch ein Stockwerk höher gebracht werden. Gepäck reorganisieren, retablieren, aber vor allem das entstandene Puff wieder entpuffen, denn diesmal bewohnten unser Dormitory-Zimmer auch noch andere Leute.

Am Abend fuhren wir ins bekannte Restaurant in Polur – natürlich gab’s erneut Kebab, diesmal Chicken, dazu speziell gewürzte Oliven, frisches Fladenbrot… Eigentlich wollten wir noch die Yves-Zigarre geniessen, aber wir (oder vor allem ich) waren zu müde. Trotz des grossen Betriebs um mich herum schlief ich sehr schnell ein…

Km: 10‘388


Do, 30.07.2015: Fahrt zum Kaspischen Meer nach Babolsar

Ich schlief lange und sehr tief, erwachte nach zehn Stunden Schlaf aber schon um sieben Uhr, hatte aber Mühe mit Aufstehen, denn mein Körper fühlte sich wie gerädert an – Muskelkater an Stellen, von denen ich nicht einmal wusste, dass man dort Muskeln hat…

Das ganze schwere Gepäck musste vom zweiten Stock wieder zum Ausgang befördert werden – eine weitere Tortur. Wir wollten eigentlich die nahen schwefligen Quellen besuchen, entschlossen uns aber, zum Kaspischen Meer zu fahren. Weil im Iran das Wochenende schon am Donnerstag beginnt (und am Freitagabend aufhörtJ), war der Verkehr gross; ganz Teheran schien sich nach Norden ans Meer bewegen zu wollen. Pfingst-Gotthard-Verkehr à la Iran. Die Strecke führte zuerst durch eine tiefe Schlucht, konstant bergab. Die Region ist unwirtlich und karg, aber trotzdem sehenswert, weil mir das Gebirge rauh, steil und trotzig erschien. Wir durchfuhren lange Tunnels, in denen man im Kolonnenverkehr wegen der dichten Abgase beinahe die Puste verlor. Also holte ich beim nächsten Tunnel tief Luft und schloss das Visier, um nicht wirklich einem erbärmlichen Erstickungstod darnieder zu liegen… Je tiefer wir kamen, umso heisser wurde es. Die Küste kündete sich an, sobald die Hänge wieder grün waren. Dann wurde es flacher und flacher. Wir suchten an der Küste nach einer Camping-Möglichkeit, wurden bis Babolsar aber nicht fündig, fuhren aber trotzdem durch die Stadt an die Küste und wurden von einem Einheimischen zu einem Motel geführt, wo wir ein kleines Appartement für 800‘000 IRR mieteten.

Das Wasser am Kaspischen Meer war wie erwartet nicht die Augenweide, gleichwohl tunkten wir unsere Fudis in die 29°C warme Brühe. Es war hier gar gestattet, ohne T-Shirt in Boxershorts ins Wasser zu tauchen. Wir beobachten am Strand sicher 60 Karate-Kämpfer bei ihrem Training. Aber die Essenz fehlt auch an diesem Ort: Kein Bier, keine wirkliche Unterhaltung, kein schwedischer Damen-Volleyball-Verein. So sürpfelten wir an unserem Tropical- oder Apfel-Ersatz-Biergetränk, aber es wurde uns nicht warm ums Herz…

Am Abend nutzten wir die Einrichtungen unseres Appartementes: Tobias kochte ausgezeichnete Tuna-Tomaten-Spaghetti. Ich sitze jetzt im klimatisierten Schlafraum, weil es draussen unerträglich feucht-heiss geworden ist. Aber ich packe jetzt gleich das Tages-Zückerli aus: Die Yves-Cuba-Zigarre, eigentlich als Gipfelzigarre gedacht, wird heute gekillt… Der aufkommende heisse Landwind, hier am Meer oder See tropisch feucht, lässt uns aber beinahe schmelzen. Wir träumen von einem kühlen Weizen…

Km: 10‘563


Freitag, 31.07.2015: Zufällige Landung in Orost/Soort nach einem Aufenthalt auf dem Polizeiposten

Wir waren am Morgen schon recht früh reisebereit und hatten vor, eine erste Tranche der langen Fahrt nach Mashhad hinter uns zu bringen.

Die Strecke von Babolsar bis Sari war wenig eindrucksvoll, das Land ist dicht besiedelt hier, entsprechend gross war der Verkehr. Interessanter wurde es ab Sari, als wir in fruchtbares, grünes, teils dicht bewaldetes Gelände kamen. Die Strasse stieg jetzt an, und mit jedem Meter wurde es etwas kühler. Je mehr wir uns dem Passübergang näherten, desto trockener wurde es. Kurz nach Kiyasar in Telma Darreh machten wir einen Halt, um uns etwas zu erfrischen. Auch hier erregten wir mit unseren drei Motorrädern grosses Aufsehen. Jeder wollte ein Bild mit uns und unseren Mopeds. So grosse Töffs sind nämlich hier nicht gestattet, nur 250 Kubikzentimeter sind erlaubt. Dom spielte auch noch Pingpong mit einem Einheimischen und war mit der Schnitttechnik dessen ziemlich überfordert.

Als wir endlich weiterfahren wollten, wurden wir wenige Meter später von der Polizei an einem Checkpoint gestoppt. Wir hatten unsere Motorräder abzustellen und ins Büro des Hauptkommissärs einzutreten, Führer-, Fahrzeugausweis und Pass zu präsentieren. Wir wurden sehr nett behandelt, es wurde uns gar Cola angeboten. Aber ein Bild vom Büro und den vielen Angestellten, einer davon sogar bewaffnet, durften wir gleichwohl nicht machen. Wir waren fast eine Stunde auf diesem Posten, lernten in dieser Zeit Omid kennen, der uns unbedingt nach Soort bringen wollte, der touristischen Attraktion der Region. Als er uns auch noch eine Unterkunft und Essen anbot, sagten wir schliesslich zu und fuhren 20 km Richtung Gebirge in ein kleines Dörfchen namens Orost. Man stelle sich vor: Drei schmutzig-stinkende Ausländer geniessen die Gastfreundschaft eines Einheimischen, obwohl wir ihm vollkommen fremd sind – und jetzt transferiere man diese Geschichte mal auf unser Land. Gäbe es da jemand, der wirklich so handeln würde?

In einem kleinen, spartanisch eingerichteten Dörfchen wurde uns Tee angeboten. Omid spricht etwas Englisch, ist Architekt und arbeitet in einem benachbarten Dorf. Wir redeten über Gott und die Welt und das wieder etwas verbesserte Leben seit der Zeit nach Ahmedinejad. Er hat Koran und Bibel und auch die jüdische Version davon mehrfach gelesen und verglichen und respektiert uns voll in unserem Glauben. Er möchte ein gutes Leben führen und Gutes tun, ist also weit entfernt von jedem Extremismus, wie praktisch alle Menschen hier. Er hat keine gute Meinung von Arabern, vor allem den Saudis, die seiner Meinung nach extremistische Gruppierungen finanziell unterstützen.

Gegen Abend fuhren wir ins nahe Soort über eine übel-staubige Naturstrasse. Aber auch mit Passagier schaffte ich die teils sehr steilen und rauhen Stellen problemlos. Soort erinnert an das türkische Pamukkale mit seinen kleinen, hellblau schimmernden Salz-Kalksteinbecken, herrlich anzusehen im Abendlicht. Es hatte viele einheimische Touristen, die sich in einem kleinen Tümpel vergnügten. Wiederum kamen wir in Kontakt mit vielen Einheimischen, die uns fotografieren wollten. In rasanter Fahrt ging’s dann zurück nach Orost. Wir besuchten jetzt gemeinsam das allgemeine Hammamm des Dorfes, wo wir uns in einem Becken mit warmem Wasser waschen konnten. Omid offerierte uns sogar noch eine iranische Massage. Zu Hause begann Omid, Spaghetti auf iranische Art zu kochen. Zuerst fritierte er dünne Scheiben Kartoffeln auf dem Grund der Pfanne, gab dann vorgekochte Spaghetti und Sauce darauf, um sie vollständig zu garen. Al dente ist zwar anders, das Essen war aber doch ganz gut. Später kamen drei Freunde Omids, die doch tatsächlich eine Flasche selbstgebrauten Rosé-Weines mitbrachten (gewöhnungsbedürftig…) und später anfingen, Opium zu rauchen, was hier natürlich strengstens verboten ist. Wir verzichteten auf das Mitrauchen, mussten die Zeit fliessen lassen, denn am liebsten hätten wir uns allesamt schlafen gelegt, aber dies ziemte sich in dieser Situation nicht, wir wollten die Gastfreundschaft nicht verletzen.

Gegen Mitternacht verzogen wir uns aber gleichwohl ins Nebenzimmer, nahmen all unsere Sachen mit, mit dem Effekt, dass alle Freunde ebenfalls in dieses Zimmer kamen. Aber irgendwann waren unsere Matten und Schlafsäcke ausgelegt, und wir fielen in einen tiefen Schlaf. Es war angenehm kühl, wir waren ja auch wieder auf 1900 m.ü.M.

Km: 10‘758


Samstag, 01.08.2015: Pannentag und viele Kilometer bis nach Mashhad

Wir waren erneut recht früh mit Packen beschäftigt. Als wir dann endlich abfahren wollten, bemerkte Dom als Erster, dass mein Hinterreifen platt war. Offensichtlich sind Dom und Tobias technisch noch etwas versierter als ich, und im Nu war das Hinterrad vom Rahmen befreit. Der Boxenstopp war perfekt, Sauber würde vor Neid erblassen.

Dominique (mit Omid auf dem Rücksitz) und ich (mit dem Rad auf dem Soziussitz) fuhren ins 20 km entfernte Kord Mir, wo wir eine Werkstatt fanden, in der mein Hinterreifen von der Felge entfernt und der Schlauch ausgewechselt werden konnte. Ich hatte auf der gestrigen Rückfahrt irgendwo einen Metallsplint gefangen, der sich frontal in meinen Pneu gebohrt hatte. Sofort fuhren wir zurück nach Orost, wo wir den Pneu wieder montierten. Ein grosser Event war, als Tobias einige Einheimische mit seiner Yamaha fahren liess. Das hat wohl einige Fotos des Jahres gegeben…

Kurz vor elf Uhr fuhren wir endlich los Richtung Mashhad im Osten des Landes und wollten einfach so weit fahren, wie möglich ist. Die Landschaft wurde jetzt immer trockener und karger. Wir passierten wüstenähnliche, zerklüftete Felspartien, aber die Strasse war sehr gut, und wir kamen gut vorwärts. Manchmal wurde die Steinwüste unterbrochen durch kleine Oasen, in denen kleine Siedlungen standen. Hier finden Schafe und Ziegen wenigstens etwas zu fressen. Meist wurden an den Strassenrändern Früchte angeboten, die für einen Spottpreis gekauft werden konnten.

Schliesslich verliessen wir das Gebirge mit seinen kurvenreichen Strassen und erreichten die Wüstenstadt Damghan, die wir jedoch umfahren konnten. Wir befanden uns jetzt auf der ausgezeichnet ausgebauten Autobahn Richtung Osten und wollten richtig Gas geben, um möglichst gut vorwärtszukommen. Die Landschaft ist extrem trocken, auf der linken Seite passierten wir Bergrücken um Bergrücken. In Sharud assen wir in einer Raststätte Omelet und Hamburger und als Nachspeise eine einheimische Suppe mit Brotbrocken und Fleisch darin. Jetzt wurde die Landschaft noch trostloser, aber doch unglaublich eindrücklich. Zudem wurde es jetzt plötzlich massiv wärmer. Die richtiggehend heisse Luft war wohl mindestens 40°C warm. Die 185 km bis Sabzevar waren langweilig und musste einfach zurückgelegt werden. Unterdessen hatten wir beschlossen, die ganze Strecke bis Mashhad durchzuziehen. Ab Neyshabur wurde es wieder etwas grüner, Früchte wurde verkauft, die uns einluden, noch einen Halt einzulegen.

Aber wir waren noch nicht am Ziel. Nur 55 km vor Mashhad meldete sich das Getriebe von Tobis Töff. Tobi hatte schon länger bemerkt, dass der Motor mehr und mehr ölverschmiert ist. Offensichtlich verlor er etwas Öl, aber der Ton, der die Maschine von sich gab, deutete auf Getriebeschaden hin. Was war zu tun? Abschleppen bis Mashhad? Wir hatten das Ziel ja fast erreicht. Nachdem der Motor etwas abgekühlt war, starteten wir die Maschine erneut – und der Ton war weg, und tatsächlich schafften wir es noch bis in die zweitgrösste Stadt Irans. Doms GPS tat seine guten Dienste, sodass wir Vali’s Homestay problemlos fanden und sehr freundlich empfangen wurden. Vali startete gleich ein Telefon zu einem Mechaniker, den wir morgen besuchen werden. Dann gab es nach einer verdienten Dusche ein gutes einheimisches Essen auf der Terrasse des Hauses. Es ist schwül-warm heute Abend, im Schlafraum ist es drückend heiss, aber wenigstens hat es zwei Fans, welche die Luft etwas in Bewegung bringen.

Km: 11‘429


So, 02.08.2015: Beim Mech in Mashhad

Vali ist Gold wert! Er führte uns nämlich am Morgen zu einem Töffmechaniker, der sein Handwerk wirklich zu verstehen scheint. Wir landeten nämlich im Haus des iranischen Motocross-Meisters. Dieser liess es sich nicht nehmen, auf Doms BMW gleich einen netten Wheely hinzulegen. Zudem bekamen wir schon am Morgen einen Schluck selbstgebrautes Bier. Der Mechaniker beteuerte, dass er sein Bestes tun werde, um die Maschine wieder zum Laufen zu bringen.

Wir machten einen faulen Tag heute, besuchten am Nachmittag aber Imam Reza’s Holy Shrine (Haram e Razavi). Dieser magische Ort ist für viele Moslems einer der heiligsten Orte überhaupt. Riesige Dome und Minarette in Blau und aus purem Gold, weitläufige marmorne Plätze belegt mit einer Riesenanzahl von Perserteppichen sind bereitgelegt für das Gebet Richtung Mekka. Leider war es nicht möglich, die Stätte unabhängig zu besuchen, wir bekamen einen Führer, der uns zuerst einen Kurzfilm zeigte und uns dann ins Museum führen wollte. Uns genügte aber, die Stimmung und prächtigen Gebäude zu bestaunen, obwohl wir als Christen die wichtigsten und heiligsten Gebäude gar nicht besuchen durften.

Um vier Uhr führte uns Vali noch zu seinem Teppichladen. Ich hätte vielleicht sogar einen kleinen Perser gekauft, aber kein Stück gefiel mir wirklich. Zurück im Hotel spielte ich drei Schach gegen Tobi (2:1), später zwei gegen Marco (1:1). Am Abend wurden wir erneut von Valis Frau kulinarisch aufs Feinste verwöhnt.

Km: 11‘434


Mo, 03.08.2015: Turkmenistan-Visum und ruhiger (Näh-)Tag

Nach dem vielseitigen Frühstück begleitete Vali Marco, den Slowenen und mich zur nahe gelegenen turkmenischen Botschaft. Wir hatten noch einige Minuten zu warten, und ich war bald im Besitze meines Visums für Turkmenistan. Meinem Wunsch, auch in Sarakhs einreisen zu können, wurde allerdings nicht entsprochen. Viel übler erging es Marco, dem das Visum aus unerfindlichen Gründen verweigert wurde. Willkür pur! Er wird sein Ziel nicht erreichen können, mit dem Velo von seinem Heimatland bis nach China pedalen zu können. Er wird sich einen Flug kaufen müssen nach Islamabad/Pakistan.

Zurück im Hotel beschäftigte ich mich während über zwei Stunden mit meiner Hose, die ich mir bei der Rutschpartie über die Schneefelder zerrissen hatte. Der erste Nähversuch misslang, denn der Stoff war zu durchgescheuert, sodass er beim Sitzen gleich neben der Naht wieder riss. So nähte ich ein Stück Stoff zur Verstärkung auf der Innenseite ein. War zwar viel Arbeit, aber es funktionierte. Sieht sogar noch ganz modisch aus… Am Nachmittag fand ich ganz in der Nähe ein tolles Outdoor-Geschäft, in dem ich neue Walking-Schuhe kaufte. Diese kosteten allerdings 110 $, dafür passen sie perfekt.

Am Abend warteten wir natürlich gespannt darauf, ob Tobias‘ Töff fertig repariert war. Wir erfuhren, dass der alte Töffmechaniker, der sein Handwerk aber wirklich gut versteht, 14 Stunden an der Arbeit war, den ganzen Motor auseinandernehmen musste. Er stellte ein Loch im Zylinderkopf fest, verursacht durch den Spanner. Er musste das Öl viermal wechseln, um alle Metallreste auf dem Zylinder zu bringen. 820 $ kostet Tob die Reparatur – dies freute ihn natürlich überhaupt nicht, dafür ist der Töff wieder reisebereit und tönt unterdessen auch viel „gesünder“. Dafür bekamen wir nochmals einen guten Schluck vom selbst gebrauten Bier!

Km: 11‘439


Di, 04.08.2015: Komplizierter Grenzübertritt nach Turkmenistan in Howdan und ein herber Verlust

Schon um fünf Uhr morgens läutete mein Wecker, wir wollten uns (auf getrennten Wegen) möglich bald aufmachen zur Grenze Turkmenistans. Tobias und Dominique fuhren gegen Osten Richtung Sarakhs-Grenzübergang, ich musste den Umweg über Howdan/Ashgabat auf mich nehmen. So war ich um halb sieben Uhr schon unterwegs Richtung Nordwesten. Wieder einmal alleine!

Ich fand gut aus der Stadt und kam auf guter Autobahn Richtung Qusean und machte einen Trinkhalt bei einer Moschee auf halbem Weg. Ab Quesan herrschte fast kein Verkehr mehr, und die Strasse führt durch gebirgiges, äusserst trocken-steiniges Gelände – und mit jedem Höhenmeter wurde es angenehm kühler. Dann erreichte ich die Grenze. Mein Carnet de passage wurde abgestempelt und Iran wurde problemlos verlassen. Auf der anderen Seite erwartete mich ein riesiger Bürokratiewahn. Meine Daten wurden in bestimmt sieben Büros handschriftlich aufgenommen. Ich wurde von einer zur nächsten Stelle gewiesen. Aber man war freundlich mit mir, und in zweieinhalb Stunden war der Zauber vorbei. Genau um 12.47 Uhr war ich Türkmene! Von Tobias und Dominique hatte ich bereits die Meldung erhalten, dass sie noch lange zu warten hätten, weil die Beamten in der Mittagspause seien. Auf der anderen Seite des Passes fuhr ich absolut verkehrsfrei auf einer riesigen, gut ausgebauten Strasse talwärts, und mit jedem Meter wurde die Hitze unerträglicher. Dann sah ich in der Ferne die unwirklich erscheinende Hauptstadt Turkmenistans Ashgabat. In dieser Stadt ist es absolut verboten zu fotografieren. Von einem Hügel liess ich es mir trotzdem nicht nehmen, einige Bilder zu schiessen, aber ich blieb nicht lange im Besitz dieser Bilder, denn ich erreichte bald einen Checkpoint, wo man meine vielen Dokumente kontrollierte und auch meine Kamera verlangte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Bilder wieder zu löschen. Der junge Soldat am Schlagbaum verriet mir aber, dass jetzt keine Kontrolle mehr folgte. So fuhr ich auf den nächsten Hügel und schoss noch die viel besseren Bilder als vorher.

Gerne wäre ich kurz durch diese Stadt gefahren, aber aus Zeitgründen wählte ich die Umfahrungsstrasse an der Stadt vorbei. Auf riesigen Kreiseln standen da riesige, goldene Monumente, die ich ebenfalls fotografierte (…). Jetzt suchte ich ein Restaurant, um etwas zu trinken, aber dieses Vorhaben stellte sich als ziemlich schwierig heraus. X-mal hätte ich Öl kaufen oder meinen Motor reparieren lassen können. Aber eines Restaurant wurde ich nicht ansichtig. Schliesslich liess man mich ins prima klimatisierte Büro einer Werkstätte eintreten, wo ich einen eigenartigen Zitrusdrink hinunterleerte. Zusätzlich deckte ich mich mit genügend Wasser ein. Dies war definitiv nötig, denn was jetzt folgte, hatte ich noch nie erlebt. Die Hunderte von Kilometern lange Autobahn führte durch wüstenähnliches Gelände, und mit jedem Meter wurde es noch wärmer. Es hatte bestimmt gegen 45°C. Ich schloss mein Helmvisier, um mich nicht zu verbrennen, das gelagerte Wasser wurde so heiss, dass man es kaum mehr trinken konnte. Es war eine Frage des Durchhaltewillens, einfach weiter vorwärts zu kommen. Endlich erreichte ich Tejen, den Ort, an dem die Strasse von Sarakhs einmündete. Ich wusste, dass Tobias und Dominique hier schon vorbeigefahren waren. Für mich waren es noch weitere extrem heisse 100 km bis Mary, wo wir im Hotel Sanjar abgemacht hatten.

Schliesslich erreichte ich diese heisse, retortenhafte Stadt mit seinen breiten, noch von den Russen angelegten Boulevards und fand das Hotel Sanjar problemlos. Fast 700 km hatte ich heute zurückgelegt. Alles war gut gegangen, aber der grosse Schock sollte erst noch folgen. Tobias half mir beim Entladen des Gepäcks, und da stellte ich fest, dass einer meiner an der Seite angebrachten Cases fehlte. Ich musste ihn tatsächlich auf der Fahrt verloren haben. Aber wo nur? Wo? Schliesslich checkte ich meine Kamera und stellte fest, dass ich schon vor der Grenze Turkmenistans mit einem Koffer unterwegs war, und ich hatte dies den ganzen Tag über nicht einmal bemerkt. Was für ein Ärger! Die Frage war nun, was ich verloren hatte. Erstens fehlte meine externe Festplatte mit all meinen GoPro-Filmen – die Fotos hatte ich regelmässig auf Dropbox gespeichert und waren alle noch vorhanden. Dann verlor ich all mein Werkzeug, die Apotheke, die Taucherbrille, Ersatzschläuche, Kettenöl, Öl und vor allem meine erst gestern gekauften neuen, perfekt passenden, teuren Trekkingschuhen etc. Und ich wusste, dass es unmöglich war zurückzufahren, um nach dem Koffer zu suchen. Ist ja schon unglaublich, dass ich Hunderte von Kilometern fahre, und ich bemerke dieses Missgeschick nicht. Auch das Gleichgewicht auf dem Töff schien absolut unverändert.

Die beiden neuen Freunde begrüssten mich dafür mit einem kühlen Bier, aus dem deren drei wurden. Die ersten Biere seit über drei Wochen – wunderbar! Natürlich gingen wir am Abend noch aus für ein erstes Schaschlik-Essen. Ganz gut!

Km: 12‘080


Mi, 05.08.2015: Merv und Kofferärger

Es war kein schönes Aufstehen an diesem Morgen, denn der Verlust eines meiner Cases ärgerte mich nach wie vor über alle Massen. Ich telefonierte mit Vali in Mashhad, der jetzt sein Bestes tut, den Koffer vielleicht doch wieder zu finden. Er schickte einen Taxifahrer los, der Ausschau nach meinem Gepäcksstück hält. Zuerst wollte ich ihm den Schlüssel des Koffers nachsenden, weil ich aber nicht wusste, ob dieser dann tatsächlich auch rechtzeitig eintrifft, verwarf ich diese Idee wieder. Aber ich werde Mathias und Annika informieren, die bald auch in Mashhad eintreffen werden und tatsächlich den Koffer mitnehmen könnten…

Wir wollten der sengenden Hitze etwas ausweichen und fuhren erst um die Mittagszeit los, ich halt etwas einseitig, aber tatsächlich war das Fahrverhalten meines Töffs kaum behindernd, ich bemerkte das Fehlen des Seitengewichtes kaum. Zuerst machten wir in Mary einen Halt bei einem offenen Restaurant für eine deftig-fettige, aber recht wohlschmeckende Kartoffel-Fleischsuppe, bevor es dann wirklich losging. Wir fuhren bis ins nur 30 km entfernte Merv, einer uralten Stadt an der Seidenstrasse, die vor Hunderten von Jahren dieselbe Wichtigkeit wie Kairo, Bagdad oder Samarkand hatte. Leider sind von dieser Stadt heute fast nur Ruinen übrig. Die Stadt wurde immer wieder überfallen und zerstört, und man baute sie gleichwohl nur wenige Kilometer entfernt wieder auf. Im Osten findet sich der älteste, fast vollständig zerstört Teil; weiter im Westen findet man einige Gebäude, die renoviert wurden und in denen es angenehm kühl war. Vor allem Chingis Khan spielte der Stadt immer wieder übel mit; dessen Sohn liess einmal sämtlich 300‘000 Einwohner auf bestialische Weise hinrichten, obwohl man bereits kapituliert hatte. Es war auch heute Nachmittag siedend heiss, das Thermometer zeigte Temperaturen bis 45 Grad an.

Als wir wieder losfuhren, war es eine gute Idee, das Helmvisier zu schliessen, weil die Luft dermassen heiss war. Die Innentemperatur im Helm blieb deshalb wenigstens auf „angenehmen“ 37°C. Wir fuhren jetzt durch eine karge Wüstenlandschaft auf unendlich langen, geradlinigen Strassenabschnitten. Der heisse Seitenwind blies uns erneut um die Ohren, Strohbüschel an den Strassenrändern verhindert, dass sich die Sanddünen bis auf die Strasse ausdehnen. Irgendwann machten wir einen Trinkhalt bei einer Raststätte im Middle of Nowhere. Wir assen ein Schaschlik, tranken vorerst Cola. Als wir aber erfuhren, dass es hier auch Bier gibt, entschlossen wir uns, über Nacht hier zu bleiben. Das eigenartig schmeckende, aber herrlich kühle Bier wurde in 1½-Liter Petflaschen serviert, von einer ausnehmend hübschen und reizvollen Einheimischen. Zum ersten Mal erkannte man im Gesicht der jungen, herrlich gebauten Dame auch den asiatischen Touch, und mit ihrer frechen, netten Art faszinierte sie uns trocken gelegte Herren augenblicklich… Wir genossen weitere Biere, begannen zu jassen und verbrachten einen vergnüglichen Abend auf einer Liege im klimatisierten Restaurant-Raum. Mit der Familie des Hauses mit drei Kindern spielte ich einige Zeit das „Schlägli-Spiel“; auf eine mehr oder weniger heftige Körperberührung musste getippt werden, wer es denn wohl gewesen ist. Das war ein Riesengaudi, als auch ich das Opfer war. Der Junge verriet sich immer wieder, weil zu stark zuschlug, dafür wurde er mit er kurzen Rundfahrt auf dem Vorplatz belohnt… Immer wieder kamen wir in Kontakt mit einheimischen Lastwagenfahrern, die sich für unsere Reise interessierten und mit denen wir vor unseren Rädern für ein Foto posieren mussten.

Schliesslich war man aber froh, dass wir das Restaurant endlich verliessen (auch der sechste Liter Bier war im Magen verschwunden…). Tobi stellte sein Faltzelt auf, ich blies nur mein Mätteli auf, aber an einen ruhigen Schlaf war nicht zu denken, denn erstens fuhren immer wieder Autos und Lastwagen heran, deren Fahrer ebenfalls verpflegt werden wollten. Und zweitens schwirrten Millionen von Insekten durch die Luft, die sich sehr gerne auf unserer Haut niederliessen, um sich zu bewegen. Das lästige Kitzelgefühl war schuld, dass an ein Einschlafen nicht zu denken war, aber wenigstens stachen die Vieher nicht zu. Zudem war es unsäglich heiss, auch noch um Mitternacht, sodass ich mich schliesslich entschloss, zum Rand der sandbestandenen Wüste zu gehen und dort zu lagern. Es war etwas windig, herrlich, und es wurde kühler, sodass ich bald sogar meinen Schlafsack brauchte. Aber so konnte ich wenigstens ein paar Stunden schlafen.

Km: 12‘222


Do, 06.08.2015: Ein weiterer herber Verlust: Ich habe eine neue, handgemalte Töffnummer…

Die Nacht unter freiem, sternenklarem Himmel wurde angenehm kühl, sodass ich sogar meinen Schlafsack nutzen konnte. Gleichwohl schlief ich nicht lange, denn schon bald schien am Morgen die Sonne an mein Lager im Sand, und an ein Weiterschlafen war nicht mehr zu denken. Zudem wollten wir heute unbedingt die Grenze zu Uzbekistan erreichen.

Aber das dauerte schliesslich viel länger als geplant… Man lese und staune, was jetzt folgt:

Bald hatten wir unseren Kasumpel gepackt. Viele Wir wurden vom netten asiatisch-turkmenischen Girl erneut sehr nett bedient, assen Spiegeleier, Brot und tranken Tee. Wir kamen in erneuten Kontakt mit einigen einheimischen Truckfahrern, von denen einer auffallend immer wieder nach einem Souvenir fragte. Ich sollte beispielsweise meine Uhr mit seiner tauschen…, worauf ich aber nicht einging. Das hätte ich wohl besser gemacht, denn die Folgen waren eine Katastrophe…

Froh gelaunt verliessen wir um halb neun Uhr diese gut ausgebaute Raststätte Richtung Turkmenabat, machten dort eine kurze Rast, um uns mit Wasser und Snacks einzudecken. Dann folgten wir auf üblen Strassen mit vielen Schlaglöchern dem Südrand der langgezogenen Stadt bis zu einem Checkpoint, wo wir für eine Brückenüberquerung erneut (zusammen) 40 $ loswurden. Und da traf mich der Schock, als ich sah, dass ich ohne Nummernschild unterwegs war. Sofort fuhren Tobias und ich zurück zur Stelle, wo wir Wasser getankt hatten, fanden die Nummer am Strassenrand aber nicht. Zudem stellten wir fest, dass ich die Nummer unmöglich  hatte verlieren können, vielmehr war sie offensichtlich gewaltsam abgerissen worden. Angelangt beim Laden schilderten wir mein Problem sofort heranlaufenden, interessierten Einheimischen – ich war absolut auf dem Nullpunkt angekommen. Wie sollte es jetzt weitergehen ohne Nummernschild? Wie sollte ich dieses Land mit meinem Transitvisum nur verlassen und dann ins nächste ebenfalls nicht einfache Uzbekistan einreisen können? Ein Glück war, dass dieser Markt videoüberwacht war. Nach einigem Nachbohren wurde uns erlaubt, einen Blick in diese Videos zu werfen. Um 10.28 Uhr erreichten wir genau diesen Markt, und es war offensichtlich, dass ich schon ohne Nummer bis zu diesem Laden gefahren war. Also musste die Nummer schon vorher weggekommen sein. Und die Vermutung lag nahe: Weil ich jenem Truck-Mitfahrer kein Souvenir gegeben hatte, holte es sich (wohl während unseres Frühstücks) einfach selber und riss die Nummer mit Gewalt aus ihrer Hülle. Ich hätte sie halt doch anschrauben müssen (was in der Schweiz verboten ist). Aber im Nachhinein ist man immer klüger.

Was jetzt folgte, was ein stundenlanges Schauspiel wieder der positiven Art. Nach der Begutachtung des Filmes wurden wir ins Büro des Chefs der Anlage gebeten, wo man uns gleich Tee und Zigaretten anbot. Ein jüngerer, etwas Englisch sprechender Mann kümmerte sich rührend um uns und hatte auch schon eine Lösung des Problems auf Lager. Tobias hatte eine laminierte Version seiner Nummer dabei, ich auf meiner Kamera einige Bilder, auf der man meine Nummer gut erkennen konnte. So fuhren wir in zehn Minuten zuerst zu einem Viertel mit lauter Metall-Werkstatts-Buden, wo man aus einem Stück rostigen Bleches das Format der Original-Nummer ausschnitt und mit zwei Löchern versah. Dann fuhren wir zu einem Farbspritz-Fachgeschäft. Nach langem Diskutieren wurde das Stück Blech geschliffen, silbern grundiert und schliesslich weiss gespritzt. Dann fuhren wir zu einem Nummern-Maler, der aber zuerst nicht an seine Arbeit gehen wollte, weil er sich nicht strafbar machen wollte. Deshalb waren wir schon auf dem Weg zu einem Polizeiposten, aber ich insistierte, dass dies keine gute Idee ist. Nach einigen Telefonaten schien sich das Problem aber zu lösen, und der Maler machte sich an die Arbeit. Tobis kopierte Nummer diente für den oberen Teil mit dem Schweizer Kreuz und dem St.Galler Wappen und dem SG als Vorlage. Glücklicherweise ist meine Nummer nicht wirklich kompliziert: SG 11114. In aller Ruhe malte und stupfte der Turkmene Einzelheit um Einzelheit, bis die fertige Nummer ganz schön gemalt vor mir lag. Nur der Abstand zwischen den Einsen und der Vier war etwas zu gross geworden. Das St.Galler Wappen schien aber sogar dreidimensional zu sein. Natürlich wollte ich all die Helfer fürstlich entlöhnen, aber keiner wollte auch nur einen Manat annehmen. Dafür wurden wir erneut x-mal fotografiert, und ich lud meine gemachten Bilder auf den PC meines Künstlers. – Und mein Töff war wieder „ent-kastriert“.

Es war unterdessen schon gegen drei Uhr, und wir wollten die Grenze Turkmenistan/Uzbekistan unbedingt noch erreichen, auch wenn mir gerade deshalb sehr mulmig zu Mute war. Würde das jetzt wirklich gutgehen? Zu allem Überfluss verirrte sich Dominique trotz Navi in Turkmenabats Strassen bzw. Fusswegen, und wir landeten in den staubigsten Slums der Stadt. Schliesslich fanden wir aber den Ausweg, passierten wieder jene Checkpoint-Stelle, wo man schon mitbekommen hatte, dass einem von uns die Nummer fehlte. Begutachtet wurde aber nur Tobis Nummer, und die war ja okay…

Jetzt überquerten wir einen breiten, übel braunen Fluss auf einer metallenen Pontonier-Brücke und fuhren rasend Richtung Nordosten zur Grenze. Bei einem schmutzigen Tümpel verzierten wir meine nigel-nagel-neue Nummer noch mit etwas Dreck und Staub. Dank des GPS erreichten wir auf absolut unbeschilderten Strassen die Grenze bald – ich hätte mich wieder bös durchfragen müssen.

Und jetzt kam ein weiterer Thrill: Würden wir den Grenzübertritt schaffen? Wie immer wurden wir von den turkmenischen Grenzbeamten sehr freundlich empfangen. Unsere Daten wurden von Hand in mehrere Bücher eingetragen. Schliesslich kamen wir problemlos durch Customs und Grenzkontrolle. Wir hatten alle nötigen Stempel und fuhren zu den uzbekischen Behörden. Auch hier schien man sich über Arbeit zu freuen. Wiederum wurden unsere Daten x-mal in Bücher eingetragen. Am längsten hatten wir bei der Customs-Stelle, wo man vor allem Freude an unseren Personen und Motorrädern hatte. Einige Beamte sprachen sogar etwas Französisch. Wir wurden nach den Medikamenten gefragt, uns wurde das Fieber gemessen (!). Der dickliche, unglaublich ineffektiv arbeitende Chef der Stelle hätte eigentlich noch unser Gepäck nach Sex-Daten (!), Waffen etc. durchsuchen müssen. Aber eine spezielle Aufführung unsererseits war ihm wichtiger: Wir hatten mit Vollgas (!) die Zollstelle zu verlassen. Tobi schaffte sogar einen kurzen Wheely. Sie wollten einfach sehen, wie toll und schnell unsere Mopeds sind. Da war Kontrolle (und meine gefälschte) Nummer überhaupt nicht mehr wichtig…

Yep – es war geschafft, aber noch waren 100 km bis Buxoro zu fahren. Es war unterdessen schon fast sieben Uhr abends – wir waren die letzten, die am Zoll abgefertigt wurden. Vielleicht kommt das Glück ja jetzt wieder zurück!

Der Groof im Land schien uns von Anfang an wieder viel angenehmer. Es war zwar nach wie vor heiss, aber wir durchfuhren bald sehr fruchtbares Land auf recht guten Strassen. In Buxoro fuhren wir bald ein in enge Gassen mit Tempeln, alten Backsteinhäusern bis zu einem Zentralplatz, wo wir im Hotel O’tirbek eine gute Unterkunft fanden (zwei Zimmer für 40 $). Meine Matratzen sind zwar verbesserungswürdig, weil Metallfedern in meinen Rücken drücken… Ich besorgte sofort drei Kübel eisgekühlten Bieres – einfach herrlich! In der Stadt assen wir beim Zentralplatz ein ausgezeichnetes Menu mit Fried Chicken, Salat und weiteren Bieren. Ich trank sogar ein Glas mittelprächtigen einheimischen Rotwein. Um Mitternacht ging ich noch ein zweites Mal aus, weil ich im Zimmer kein Wasser mehr hatte. Unglaublich, wie viele Liter man in diesen heissen Ländern braucht! In der Nacht meldete sich wieder einmal Herr Durchfall, scheint aber nicht besonders schwerwiegend zu sein… Ich stand noch ein drittes Mal auf, weil mein Klimaanlage vorerst nicht funktionierte, aber dann fiel ich in einen ruhigen, tiefen Schlaf und träumte weder von Nummernschild noch von unaufhörlichen Wüsten.

Aber eine Frage bleibt: Wie werde ich in Tadschikistan oder China nur mit meiner falschen Nummer einreisen können? Da gilt es Abklärungen zu treffen.

Km: 12‘551


07.08.2015: Ein fauler Tag in Buxoro

Am Morgen schrieb ich etwas Tagebuch, und dies war nötig, weil ich mit dem Verlust meiner externen Festplatte einige Tage seit Mashhad verloren hatte.

Am Nachmittag flanierten wir zu dritt durch die heisse Altstadt Buxoros, stiessen auf viele historische, typische zentralasiatische Bauten. Offensichtlich wird hier der Tourismus gefördert, denn die Gebäude der Stadt mit seinen vielen engen Gassen und vielen Bauten mit den typischen Spitzbogen sind vielfach renoviert worden. Wir kauften je ein Schmuckstück als nettes Mitbringsel für zu Hause, besichtigten die vielen Märkte mit den Souvenirshops. Es wäre ein guter Ort, sich mit Teppichen oder originellen Kleidern zu versorgen. Wir trafen auf einige italienisch und französisch sprechende Touristen aus Westeuropa, die in Gruppen unterwegs sind. Ich beobachtete lange Zeit ein einheimisches Paar, das sich in den Gebäuden fotografieren liess. Bald löschten wir unseren Durst aber in einem Café mit zwei Bieren und unterhielten uns über die Fortsetzung der Reise. Dann machte ich mich auf den Weg zum Bazar, wo ich Turnschuhe kaufen wollte. Aber hier wurde fast nur Schrott angeboten, und ich wurde nicht fündig nach einem vernünftigen Paar Schuhe. Wie ich doch jetzt jene in Mashhad gekauften Schuhe vermisse, die nicht einmal 24 Stunden in meinem Besitz blieben…

Dominique beklagte sich erneut über heftigen Durchfall, weshalb er es vorzog, am Abend im Hotel zu bleiben. Tobias und ich besuchten dasselbe Restaurant wie gestern. Wieder waren Schaschliks angesagt. Wir blieben nicht allzu lange im Ausgang, vielmehr liess ich mich bald von meiner Metallfeder-Matratze durch die Nacht malträtieren…

Km:12‘560


Sa, 08.08.2015: Fahrt nach Samarqand, Samarqand

Vor einem Jahr hatte ich Politickys Buch „Samarkand, Samarkand“ gelesen, das auch noch einen gewissen Einfluss hatte für meine Reise. Umso gespannter war ich, die legendäre Stadt an der Seidenstrasse tatsächlich zu besuchen. Die zurückzulegende Strecke war nicht besonders attraktiv. Das Land ist hier zwar wesentlich fruchtbarer als noch in Turkmenistan. An der Strasse wurden Trauben, Tomaten, Melonen angeboten. Aber wir waren erneut über 300 km unterwegs, machten ein paar Halte und standen augenblicklich im Mittelpunkt. Viele Einheimische interessierten sich für uns und vor allem unsere Motorräder, und immer wieder wurden die gleichen Fragen gestellt, woher wir kämen, wohin wir reisen wollten, wie viel unsere Maschinen kosten. Man konnte sich aber zumeist nur mit Händen und Füssen verständigen, weil hier nur wenige Leute Englisch sprechen. Es wäre schon toll, wenn wir wenigstens ein bisschen Russisch könnten.

Schliesslich erreichten wir Samarqand am späteren Nachmittag, fanden in der Altstadt im Hotel Najiba eine gute Unterkunft. Ich machte mich alleine aber gleich auf den Weg in die Stadt, um nach einem Sportgeschäft zu suchen. Dies stellte sich aber keineswegs als einfach heraus. Ich traf auf einen gut Englisch sprechenden Einheimischen, der mir erklärte, wo entsprechende Läden zu finden sind. Ich stiess zuerst auf einen recht guten Computer-Shop, wo ich mir eine neue externe Festplatte kaufte. Der Verkäufer wollte aber unbedingt in Som bezahlt werden. So musste ich zuerst einen Moneychanger finden. Es ist hier viel besser, schwarz zu wechseln, man erhält für einen Dollar 4500 Som, auf der Bank nur 2600. Ich wechselte 70 $ und bekam bündelweise Noten. Die grösste Note hier ist ein 5000-er-Schein (gut 1 $ wert!), aber am liebsten werden sie die 1000-er los. Alle Menschen hier haben eine unglaubliche Fertigkeit, Noten zu zählen, da habe ich fünfmal so lang. Für meine Festplatte hatte ich 277‘000 Som zu bezahlen (etwa 61 Fr.), man stelle sich vor, 277 Tausendernoten abzuzählen…; jetzt können meine Fotos wieder gesichert werden.

Anschliessend fuhr ich zum westlichen Zentrum, vorbei am Fussballstadion, wo gerade ein Match im Gange war (Samarqand – Buxoro 2:0, nach 60 min). Ich fand den Lacoste-Laden tatsächlich, aber die Auswahl war klein, und von meinem Lieblingsschuh war meine Grösse nicht vorhanden. So kaufte ich halt einen kitschig-blauen Nike für 50 $, der dann vermutlich im Pamir so richtig zum Einsatz kommt.

Der nette Einheimische empfahl mir, am Abend die Beer-Factory zu besuchen, und ich musste Tobias und Dom nicht lange überreden, diese Lokalität aufzusuchen. Zuerst passierten wir die Registan-Anlage, ein Ensemble von majestätischen, riesigen Gebäuden, besetzt mit azurblauen Mosaiken und gut proportionierten Plätzen, wo gerade eine Probe eines grossen Schauspiels im Gange war, weshalb wir die Anlage nur vom Rand besichtigen konnten. Die Anlage stammt aus dem 14. bis 17. Jahrhundert und wurde von den grossen Herrschern Timur und Ulugbek gebaut. Tobias hatte dafür seinen Spass mit einem Polizisten, dem er den Hut abnahm, ihn sich selber aufsetzte, und der fand das auch noch lustig, aber fotografieren lassen wollte es sich auf keinen Fall… Per Taxi erreichten wir eine ganze Reihe von halb offenen Restaurants, in denen Samarqand-Bier in Kübeln ausgeschenkt wurde. Wir assen ausgezeichneten geräuchten Süsswasserfisch und anschliessend natürlich einen weiteren Schaschlik, dazu gleich kübelweise Bier. Schliesslich bestellten wir auch noch eine Flasche Wodka, das ideale Getränk, um beim Molotow-Jassen die Zeit verstreichen zu lassen. Nur Dom verzichtete, weil sein Magen momentan zu angeschlagen ist. Gleichwohl wurde die Flasche problemlos leer. Dementsprechend war die Stimmung angemessen fröhlich, bevor wir etwa um Mitternacht per Taxi zum Hotel zurückfuhren… Ein lustiger Abend, obwohl ich jasstechnisch nach wie vor Gegner suche…

Km: 12‘877


Besucherzaehler

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Trudy (Mittwoch, 26 August 2015 22:46)

    Nach langem Suchen und herumklicken habe ich jetzt Teil 8 doch noch gefunden. Schade, dass am linken Sideboard kein Inhaltsverzeichnis ist...
    Hoffentlich finde ich morgen wieder her, ich möchte noch lesen.
    Gute Nacht ;-)

  • #2

    sturzi (Donnerstag, 27 August 2015 07:56)

    Dein Wunsch sei mir Befehl! Ich hoffe, du findest dich in meiner Struktur besser zurecht!
    By way: Woher kennst du mich? Wie bist du auf meine Seite gekommen?
    Herzlichen Dank für dein Interesse! Freut mich, wenn ich möglichst viele Menschen an meiner Reise teilhaben lassen darf.
    Mit den besten Wünschen!
    Gruss aus Osh

  • #3

    Trudy (Donnerstag, 27 August 2015 18:42)

    Absolute Bewunderung für eure Leistung! 5672 m.ü.M. Dass man untrainiert sowas schafft hätte ich nicht für möglich gehalten. Da dürft ihr wirklich stolz sein.

    Sturzi, das ist ja ein toller Service! Jetzt kann ich hin und herswitchen zwischen den diversen Teilen. DANKE!

    Ich kenne dich, weil ich den Artikel in der Thurgauer Zeitung gelesen habe. Ich liebe solche Abenteuerreisen auf dem Sofa :-))
    Du bist in meinem Blog verlinkt, deswegen habe ich auch sofort bemerkt, als die Reportage weiter ging.
    Viele Grüsse
    Trudy
    die jetzt weiter liest..