Teil 07: Yerevan/Armenien - Teheran/Iran

Seit sechs Tagen sitze ich in Teheran fest, aber alle wichtigen Dinge sind unterdessen erledigt.

Morgen geht's weiter Richtung Osten. Für mich ist der zweite Teil der Reise abgeschlossen.

In den nächsten Wochen werde ich wohl selten über Internet verfügen, weshalb du dich gedulden musst, bis der nächste Blogeintrag erscheint.

Neu reisen wir zu dritt - drei Schweizer Motorräder auf dem Weg zum Pamir...

Das wird ganz spannend!


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Ein Zufallsbild auf dem

Mt. Tochal

Di, 14.07.2015: Tsitsernakaberd-Genozid-Museum und Geghard-Monastery

Schon um zehn Uhr fuhr ich zum Tsitsernakaberd-Museum, einer gross angelegte Anlage, wo des Genozid an Armeniern Ende des 19. Jahrhunderts und vor allem 1915 gedacht wird. Nur einige Staaten und Organisationen stimmen diesem Genozid auch wirklich zu und haben deshalb auf dem Hügel mit guter Aussicht einen Baum gepflanzt, die Türkei negiert ihn nach wie vor, obwohl genügend Augenzeugen und auch Berichterstattungen aus jener Zeit unzählige Beweise liefern, was damals wirklich abgegangen ist.

Nach dem verlorenen Krieg der Ottomanen gegen Russland 1877/78 wurde in Berlin das Daseinsrecht des Staates Armenien in Artikel 61 klar festgelegt, aber der türkische Sultan Hamid hielt sich nie daran. Im Gegenteil: Die vielen Armenier im Westen ihres Ursprungsgebietes, das bis weit nach Ostanatolien/Türkei reicht, ereilte ein übles Schicksal, indem versucht wurde, diese Volksgruppe definitiv zu eliminieren oder islamisieren. Zehntausende von Armeniern wurden brutal hingerichtet oder ermordet. Nie wurde ihr Anspruch auf den Westteil ihres Landes befolgt oder das Volk zumindest rechtlich gleichgestellt. Während des Ersten Weltkrieges wurde das Drama noch grösser, als die Türken im Bund mit Deutschland standen. Ganze armenische Dörfer wurden gleichsam ausradiert, ganze Volksgruppen wurden verschleppt in die syrische Wüste beispielsweise bei Aleppo und bestialisch ermordet. Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, ertränkt, lebendig begraben oder verbrannt. Tatsächlich war dem Westen diese Tatsache durchaus bewusst, unzählige Zeitungsartikel zeugen davon, aber man reagierte nicht, auch nicht nach dem Ende des Krieges. Armenien wurde zum Spielball der Macht und den Russen zugeschlagen, um diese als Siegermacht zufrieden zu stellen. Eine ganze jahrhundertelange Kultur in Westarmeniens wurde aufgegeben. Unzählige uralte Klöster wurden zerstört, in Moscheen verwandelt oder einfach ihrem Schicksal überlassen.

Vieles erinnert an den Genozid, der während des Zweiten Weltkrieges an den Juden begangen wurde, nur ist die ganze Tragödie zu wenigen Menschen bewusst. Das Museum zitiert unzählige Zeitzeugen, viel Bild- und sogar Filmmaterial zeigen erschreckende Ausmasse. Der Mensch, das Tier – oder noch eher ganz und gar teuflisch. Und immer wiederholt sich die Geschichte. Wann stehen wir wieder an diesem Punkt? Unsere Zeit zeigt andeutungsweise, in welche Richtung es gehen könnte…

Unglaublicherweise traf ich auch heute nochmals zufällig auf Sonja und Sebi, welche genau zur selben Zeit im Museum weilten. Erneuter vielleicht tatsächlich letzter Abschied.

Am Nachmittag fuhr ich zum 50 km entfernten Kloster Geghard (bei Garni, ebenfalls Weltkulturerbe), ganz idyllisch in rötlich schimmernden ehemaligen Vulkanfelsen gelegen. Speziell an dieser viel besuchten Stätte ist, dass viele Zellen und auch kleine Kapellen vollständig in den Fels geschlagen wurden. Erneut genoss ich die mysteriös-mystische Stimmung in diesen Räumen. Hinter dem Kloster stieg ich noch einige Zeit auf einem staubig-steilen Weg steil bergwärts und stiess auf weitere in den Fels gehauene Kapellen, vor allem hatte ich aber einen guten Ausblick auf die ganze Klosteranlage.

Ich liess es mir nicht nehmen, im nahen Bach ein angenehm kühles Bad zu nehmen, bevor ich mich auf den Rückweg machte. Die Einfahrt in die Stadt war viel einfacher als die Ausfahrt. Allmählich habe ich auch diese Stadt im Griff.

Am Abend ass ich in einem armenischen Restaurant (El Mayass) ausgezeichnetes, speziell gewürztes Iskandér (eine Art Voressen) mit Salat und Fladenbrot – ausgezeichnet.

Zudem hatte ich heute Kontakt mit dem Schweizer Paar, mit dem ich durch China reisen werde. Wahrscheinlich treffe ich die beiden bei Tatev.

Km: 8623


Mi, 15.07.2015: Reise nach Tatev – Übernachtung im Fass…

Die Nacht verbrachte ich teils auf dem WC, die speziellen Gewürz im Iskandér liessen meinen Magen zum ersten Mal stark bewölken, aber die Niederschläge sollten sich nur als ein Schauer herausstellen. Am Morgen war es vor allem der Wind, der mir entfuhr, ein traditionell gutes Zeichen. Und tatsächlich blieb das Magenwetter den ganzen Tag ruhig, und es wurde immer sonniger.

Nach der unsäglich lang andauernden Packerei war die erste Herausforderung, wieder an der richtigen Stelle aus Yerevan herauszufinden, zumal auch hier Wegweiser Mangelware sind. Da waren Einbahnen, welche im Weg standen und starker Morgenverkehr, aber ich hielt mich einfach einmal an den Sonnenstand, fuhr so in etwa Richtung Süden, fragte einige mal nach, bis ich mich endlich auf jener Autobahn fand, die ich von der Einreise in die Stadt schon gekannt hatte. Ich kam in dieser fruchtbaren Ebene zügig vorwärts. Kurz vor der azerbaijanischen Grenze (die natürlich auch gesperrt ist und die Strasse dorthin in furchtbarem Zustand ist) bog ich links gegen Armeniens Bergland ab. Ich kannte auch diese Strecke, die bis auf über 1700 m.ü.M. steil bergauf führt. Die Strasse ist zwar geteert, weist aber unzählige Bodenwellen auf, sodass ich nicht schnell vorwärtskam. Die Landschaft macht um diese Jahreszeit aber einen sehr trockenen Eindruck. Nur in Wassernähe ist das Gelände fruchtbar. Extrem süsse und aromatische Früchte werden angepflanzt und momentan immer wieder am Strassenrand zu Spottpreisen verkauft.

Es war ja schon in Yerevan temperaturmässig erstaunlich angenehm, weil sich das Tiefdruckgebiet nach wie vor über der Osttürkei und Georgien dreht und kühlere Luft heranführt (aber da bin ich zum Glück ja weg). Auf der Passhöhe war es dann aber geradezu himmlisch-sommerlich-kühl-mild. Natürlich wurde es wieder wärmer, als ich auf der anderen Seite des Passes bald Yeghednadzor erreicht hatte. Sofort hielt ich Ausschau nach einem Auto mit Schweizer Kennzeichen, denn das Schweizer Paar, das ich in China begleiten werde, sollte auf derselben Strecke sein. Nach einer kurzen Mittagsrast mit einem Hotdog mit armenischen Würstchen, übrigens gar nicht schlecht, stieg die Strasse kontinuierlich an bis zum Vorotan-Pass (2344 m.ü.M.). Die Passhöhe empfing mich mit zwei momumentalen Statuen aus russischer Zeit, eine Einheimische übte sich im Handorgelspiel (aber der Stöbi spielt wohl noch besser;-), zudem war die Landschaft mit vielen herumliegenden Abfällen verschandelt. Die Abfallentsorgung ist ein grosses Problem hier, der Abfall wird sorglos weggeworfen oder verschwindet in metallenen Containers, dessen Inhalt immer wieder angezündet wird – mit den entsprechenden Geruchsemissionen. Ich habe aber auch schon Arbeiter gesehen, die den Abfall am Strassenrand sammeln; vielleicht findet allmählich ein Sinneswandel statt.

Auf der anderen Seite des Passes ging es kaum abwärts. Ich fuhr lange Zeit über ein grünes Plateau, gesäumt von grünen Hügeln, die aber trotzdem eine Höhe von 3000 Metern erreichen. Ich passierte einen Stausee mit unwirklich blauem Wasser. Schliesslich bog ich kurz vor Goris Richtung Tatev-Monastery ab und fand bald an der Strasse jene Unterkunftsmöglichkeit, wo man in riesigen Fässern (!) übernachten kann. Meine neuen Schweizer Freunde waren aber noch nicht hier, nur ihr Auto mit schwedischen Nummernschildern, das ich aber nicht ihnen zuordnete. Erst viel später trafen Mathias und Annika ein, sie waren den ganzen Tag mit ihren Mountain-Bikes unterwegs. Wir begossen unser erstes Zusammentreffen mit einem türkischen (!) Rosé. Mir kam es vor, als sei ich an meinem ersten „blind date“. Annika ist Schwedin mit deutschem Pass, Mathias kommt aus Zürich, beide wohnen momentan in Solothurn. Wir erzählten uns einiges über unsere Reiseerlebnisse und natürlich auch über den China-Trip. Die beiden sind sehr sportlich, haben auf dem Weg in Polen an einem Mountain-Bike-Rennen teilgenommen und in Georgien auch den Mt. Kazbek (5100 m.ü.M.) bestiegen. Da werde ich irgendwann einmal tüchtig beissen müssen. Wir assen gemeinsam zu Nacht.

Und noch etwas: Meine hinteren Bremsbeläge haben heute leicht zu kratzen begonnen. Die müssen wohl bald gewechselt werden – eine neue Herausforderung…

Km: 8897


Do, 16.07.2015: Tatev und „devil’s bridge“

Wir sassen am Morgen gemeinsam am Frühstückstisch, als ein Mail Hendriks hereinkam, in dem stand, dass die chinesischen Behörden bis drei Wochen vor unserer Einreise wegen des Tibetbesuchs unser Visum sehen wollten. Das heisst, dass wir uns nicht in Kirgistan, sondern bereits in Teheran um unser China-Visum zu kümmern haben. Hendrik meinte, wir sollen auf keinen Fall erwähnen, dass wir mit eigenen Fahrzeugen einreisen und auch Tibet besuchen werden – das hatten wir doch schon mal. Ich hoffe, dass das mit dem Visum dann auch klappt, wenn wir als Reiseorte nur einige wichtige Städte angeben…

Annika und Mathias reisten schon heute Morgen über Goris Richtung Meghri ab, ich beschloss, noch hier zu bleiben, und dies sollte sich lohnen. Tatev ist von der Passstrasse durch eine tiefe Schlucht getrennt, weshalb man erst vor kurzer Zeit eine schweizerische (!) Seilbahn über eben diese Schlucht gebaut hat. Deshalb hat es in der Region recht viele Touristen, vor allem einheimische. Gestern traf ich allerdings auch auf einen Deutschen, der in gut drei Monaten per Fahrrad gleich weit gekommen ist wie ich. Schliesslich war der deutschsprachige Club perfekt, als sich auch noch drei Österreicher zu uns gesellten und zwei Portionen russischen Kaviar mitbrachten…

Ich benutzte diese Seilbahn natürlich nicht, sondern fuhr per Motorrad bis tief in diese Schlucht. Der Aufstieg nach Tatev führte über viele Haarnadelkurven auf Gravelroad bis zu diesem Ort, der natürlich sehr von dieser Seilbahn profitiert. Frauen boten frische Himbeeren, getrocknete Früchte, Wildgewürze, Honig an. Das Kloster an sich ist auf einem Felsen gebaut, wirklich mit sehr prominenter Lage, aber ich habe in diesem Land spannendere Klöster gesehen. Die Räume sind leider leergeräumt. In der Kirche fand aber gerade eine Liturgie statt – sehr feierlich. Ich hörte lange einem gut Englisch sprechenden Touristenführer zu. Tatev war ein Ort mit grosser Bibliothek, einer Universität, aber leider gingen diese Schriftstücke allesamt verloren, als die Ottomanen vor Jahrhunderten das Land in Besitz nahmen. Sehr schade! Ich rekognoszierte auch noch die Strasse nach Kapan, die teils sogar geteert ist.

Das Highlight des Tages war aber eindeutig die „devil’s bridge“, der alte, verkarstete Schluchtübergang zwischen den beiden Talseiten. Man sagt, dass ein riesiger herabstürzender Fels eine Rebellenarmee in die Flucht geschlagen und so das einheimische Volk beschützt habe. Um die Mittagszeit war es ziemlich warm geworden, sodass ich über Metallseil und -leiter zum Fluss hinunterstieg und ein Bad nehmen wollte. Und ich wurde positiv überrascht, denn hier unten rannen aus Felsritzen warme Quellen, füllten ganze Pools, die zu einem herrlichen Bad einluden. Ich ging aber noch weiter bis in eine dunkle Höhle und staunte nicht schlecht, dass diese einen Durchgang hatte bis zu Tropfsteinen und schneeweissen, kleinen Pools, gefüllt mit warmem Wasser. Dieses roch hier schweflig-stinkig, aber gleichwohl nicht unangenehm, und die „devil’s bridge“ bekam einen neuen Sinn, als ob der Teufel noch immer hier hauste, giftige Wässerchen und Düfte direkt von der Unterwelt von sich gäbe. Die Szenerie hier unten war aber oberextraprima. Zuerst konnte man sich in diese warmen, satanischen Pfützen setzen und sich anschliessend im kalten Bach treibend wieder abkühlen. Das Abtreibenlassen hatte es aber in sich, denn ich musste jetzt gegen die Strömung wieder zurückschwimmen, und meine Leiste hinderte mich an wirklich kräftigen Schwimmzügen. Aber ich hatte Glück, konnte mich auf der richtigen Seite des Baches am griffigen Karstgestein festhalten und schaffte auch den Ausstieg.

Dann hatte ich da wieder ein Benzin-Problem. Ich weiss nicht, ob dieses für den nächsten Tag, an dem die Fahrt wohl vorwiegend über Gravelroad führt, wirklich reichen würde. Erst nach einigem Nachfragen fand ich im Nachbardorf einen unscheinbaren Laden, wo ich fünf Liter der gewünschten Flüssigkeit kaufen konnte. Der Mann kam mit einem halb gefüllten 10-Liter-Wasserkübel, das Benzin verschwand dank eines riesigen Trichters bald in meinem Tank. Das bleibt nur eine Unsicherheit: Wie steht wohl nur um die Qualität dieses Benzins? Wie viele Octan hat es wohl? Ich werde es wohl bald feststellen.

Unterdessen donnert es doch tatsächlich, es ist stark bewölkt, und es dürfte wohl bald ein Gewitter über mich herziehen. Laut Wetterbericht hat sich nun die Georgien-Störung auch noch nach Süden ausgedehnt – mit dem Vorteil, dass die Temperaturen nicht übermässig hoch sind. In Täbriz wird es wohl tief-angenehme 30°C haben, der Normalfall wäre wohl mindestens zehn Grad mehr.

Und: Das Gewitter kam tatsächlich mit einem heftigen Schauer. Folge: Angenehme Abkühlung und Stromausfall… Das Barbecue-Rind war leider überbraten und wurde zum Teil dem Hund verfüttert, der mir heute Nachmittag zweimal meinen Schuh geklaut hatte, der aber von aufmerksamen Einheimischen „gerettet“ wurde.

Km: 8929


Fr, 17.07.2015: Fahrt zum Grenzort Meghri

Relativ frühes Zubett-Gehen hat meist auch zur Folge, dass man früher wach ist. Dies heisst zwar nicht, dass man dann gleich aufsteht, aber heute Morgen stand ich wirklich schon um Viertel nach sechs Uhr auf. Die Spannung war grösser als auch schon, weil ich wieder einmal nicht wusste, in welchem Zustand die Strasse von Tatev wirklich ist. Es war bedeckt, aber es herrschten ideale Temperaturen, unterwegs zu sein.

Der Grillmeister war auch schon wach, und übereifrig wie er ist, wollte er mir unbedingt beim Schleppen und Montieren meines Materials behilflich sein. Aber um zwanzig vor acht Uhr ging’s dann wirklich los. Ich war wegen meiner kratzenden Bremsen heute sehr vorsichtig unterwegs und versuchte, vor allem mit den Vorderbremsen zu verlangsamen, und dies funktionierte ganz gut.

Nach der Steigung nach Tatev machte ich bei einem Café einen Halt und genoss zusammen mit vier Franzosen ein üppiges Frühstück. Danach kam ich auf teils geteerter Strasse recht gut vorwärts. Es waren aber immer wieder Abschnitte zu bewältigen mit Löchern und grossen Unebenheiten, aber die Strasse war diesmal nur staubig und nicht durchsetzt mit Pfützen und Schlammlöchern. Auf dem Zagar-Trip war ich meist mit dem ersten Gang unterwegs, diesmal mehrheitlich mit dem zweiten und dritten. Ich erreichte die Passhöhe auf knapp 2000 m.ü.M. schneller, als ich erwartet hatte und erreichte auf der anderen Seite des Passes bald ein fast ausgestorbenes Dorf, in dem alte, schrottreife russische Lastwagen und einige Traktoren herumstanden. Unerwartet stieg die Strecke jetzt wieder an, aber glücklicherweise nicht für lange Zeit. Auf dem zweiten Kulminationspunkt hatte man eine schöne Aussicht auf das hügelige und gebirgige Land, das aber gleichsam im Dunst verschwand. Die Hügel waren zum Teil mit Nebel verhangen, aber so weit hinauf war heute nicht nötig zu fahren. Die Strecke führte jetzt auf Staubpiste steil bergab, vorbei an einem grösseren Dorf, und ab hier war die Strasse wieder mehr oder weniger geteert, sodass ich die Hauptstrasse vor Kapan bald erreichte.

Noch bevor ich in Kapan einfuhr, bog ich trotz Fehlen eines Wegweisers links ab Richtung Sikohagh-Nationalpark. Die Strasse ist hier perfekt ausgebaut und führt durch ein waldreiches Gelände. Einmal ging es steil aufwärts über die nächste Kuppe, dann wieder steil abwärts. Schliesslich fuhr ich in ein enges Tal Richtung Gebirge ein. In Serpentinen stieg die Strecke konstant an bis zur Waldgrenze, aber noch höher, bis ich über 2300 m.ü.M. war. Es war kühl und windig hier oben, aber die Aussicht trotz des Dunstes grandios. Diese wunderschöne Strecke wird kaum befahren, auf dem ganzen Weg begegneten mir zwei Autos. Und Motorradfahrer hat es ohnehin nicht. In unseren Breiten wäre die Strecke bestimmt eine beliebte Töffstrecke, zudem stören weit und breit keine Radars…

Auf der anderen Seite des Passes schlängelte sich die Strasse in unzähligen Haarnadelkurven steil bergab, und mit jedem verlorenen Höhenmeter wurde es wärmer und wärmer. Die Südseite dieser Berge liegt offenbar auch im Lee, weshalb es kaum Vegetation hat, es ist schon fast wüstenähnlich, nur in der Talsohle wachsen in leuchtendem Grün Früchte und saftige Wiesen. Schliesslich erreichte ich das Araz-Tal. Der mächtige Araz-Fluss trennt Armenien vom Iran, und ich konnte zum ersten Mal einen Augenschein vom Iran nehmen. Hüben wie drüben recken sich zerklüftete Felsen in den Himmel, im Hintergrund erschienen die Felszacken noch höherer Berge. Das Gelände zum Fluss ist mit Stacheldraht (und gar Stromzaun?) abgeriegelt. Bald erreichte ich das heisse Meghri und suchte sofort das Haer-B&B auf, weil ich dort Mathias und Annika erwartete. Als ich das Hostel nach einigem Suchen fand, waren die beiden aber schon wieder mit ihren Mountain-Bikes unterwegs. Ich brachte die Kette des Töffs wieder in Schwung, wusch einige T-Shirts aus und sitze jetzt im schattigen Garten, trinke ein Bier und schreibe Tagebuch. Unterdessen sind die beiden von ihrer Tour zurückgekehrt. Am Abend wurden wir von unserer Hausdame kulinarisch aufs Feinste verwöhnt. Später trafen auch noch zwei ganz junge Deutsche mit ihrem Lada ein, sie brauchten fünf Stunden, um die Grenze vom Iran nach Armenien zu überschreiten…

Gleichwohl geht’s morgen gemeinsam in den Iran! Der Wahnsinn!

Km: 9092


Sa, 18.07.2015: Einreisezauber in den Iran und Fahrt nach Täbriz

Annika und Mathias realisierten noch am Vorabend auf meinen Tipp, dass die ATMs in Iran kein Geld ausspucken werden, deshalb versuchten sie heute Morgen diverse Bancomaten mit Drams zu plündern. Dies gelang tatsächlich, aber wenn sie dann nur nicht auf ihren Drams sitzen bleiben…

Wir hatten die Grenze bei Norduz bald erreicht, und jetzt begann der aufwändige Zauber des Grenzübertritts. Schon am armenischen Zoll mussten viele Schalter aufgesucht werden, wir mussten aus unerfindlichen Gründen auch nochmals 10‘600 Drams für die Ausreise bezahlen, aber schliesslich liess man uns doch gehen. Es hatte sehr wenige Grenzübertritte heute Morgen, deshalb wurden wir am iranischen Zoll sofort bedient. Das Visum war offensichtlich in Ordnung, auch unser Fahrzeug durften wir mitnehmen (…), dieses war aber verantwortlich, dass viele Zollformalitäten erledigt werden mussten. Zum ersten Mal kam das „carnet de passage“ zum Einsatz, das ich schon in der Schweiz noch im letzten Moment organisiert hatte. Dieses „carnet“ gibt die Sicherheit ab, dass wir unser Fahrzeug auch wieder aus dem Land mitnehmen. Sonst werden wir die beim TCS hinterlegten Gelder (ich zahlte dafür über 3000 Fr.) nach der Reise nicht mehr zurückbekommen. Nach nicht einmal drei Stunden liess man uns dann definitiv einreisen. „Welcome to Iran!“, sagte schliesslich die Person am Zoll, mit der wir am meisten zu tun hatten. Leider trennten sich unsere Wege jetzt bereits wieder. Ich wollte aus Zeitgründen nun doch nicht um Orumiyeh-Salzsee fahren, sondern direkt nach Täbriz, damit ich dann wegen der beiden noch zu einholenden Visa genügend Zeit in Teheran habe und vielleicht auch noch die beiden Eschlikoner treffen kann, die bereits morgen an der iranischen Grenze sein werden.

Bei der Abzweigung Richtung Berge war ich gleich zum ersten Mal auf Hilfe angewiesen, weil es nur Wegweiser in arabischer Schrift hatte. Des Langen und Breiten erklärte mir der junge Herr, welche Dörfer ich zu durchfahren habe. Es waren auch nur 160 km zu bewältigen, aber die hatten es in sich, und wer hätte gedacht, dass das grösste Problem auf dieser Reise die Kälte (!) sein würde. Denn die kurvenreiche Strecke führte in die tiefsten Berge, von 700 m.ü.M. erreichte ich schliesslich 2000 m.ü.M., aber beinahe unmerklich. Kontinuierlich stieg es an durch eine gebirgige Wüstenlandschaft, die nur durch oasenähnliche Stellen bei kleinen Flüssen unterbrochen wurde. Hier waren viele Iraner am Campen (!), Grillieren, Pick-nicken. Was allerdings überhaupt nicht zur Landschaft passte, waren die dicken, schweren Wolken. Die Schlechtwetterfront drückt es jetzt also tatsächlich noch weiter gegen Süden – mit dem Vorteil, dass es überhaupt nicht heiss ist. Im Gegenteil: Ich wäre bald einmal froh gewesen, hätte ich die Handschuhe nicht im grossen Rucksack versorgt. Die deftige Bise aus Osten blies mir durch Mark und Bein, dass es tatsächlich ordentlich frisch war. Ich war froh, dass es ab Varzagan endlich bergab ging, sodass es wieder wärmer wurde. Die Einfahrt nach Täbriz, eine der grössten Städte Irans, war insofern speziell, dass noch 5 km vor der Stadt überhaupt nichts auf eine Grossstadt hindeutete – hier war einfach nichts als Berge, Felsen, Staub und Strasse. Sehr geradlinig ging es dann endlich in die Stadt. Ich versuchte den Bazaar zu finden, was mir gut gelang und fand im Hotel Karun eine günstige Unterkunft für 50‘000 Rial (16 Fr.), wo es sogar einen Parking für meinen Töff hatte.

In der Stadt wurde ich immer wieder von wildfremden Leuten angesprochen, die offensichtlich Freude haben, dass man ihr Land besucht. Allerdings wurde ich nicht fündig nach einer Wechselstube und wechselte schliesslich im Hotel (1$ = 31‘000 IRR, 1€ = 35‘000 IRR). Endlich hatte ich Geld, um meinen unterdessen grossen Hunger zu vertreiben, ass Suppe, Chicken, Reis, Salat, trank Cola (natürlich kein Bier…) für 8 Fr. Beim Hotel kam ich in Kontakt mit einer einheimischen Familie mit ihrem hyperaktiven Sohn, der den Narren an meinem Töff gefressen hatte. Eben hat der Vater den Teppich ausgelegt und Richtung Mekka gebetet!

Keinen einzigen Touristen traf ich auf der Strasse, aber falsch: Eben begrüssten mich zwei Französinnen, bedeckt mit einem Kopftuch… Übrigens ist die Temperatur hier perfekt, 25 Grad; zudem haben sich die Wolken verzogen.

Km: 9295


So, 19.07.2015: Bayram-Nachfeiern in Kandovan

Eigentlich wollte ich schon morgens früh Richtung Kandovan fahren, das ich möglichst im Morgenlicht sehen wollte. Aber der Innenhof meines Hotels war verschlossen, sodass ich nicht wegkam. Stattdessen widmete ich mich der Planung der nächsten Tage, auf die ich mich nicht wirklich freue. Nach dem Studium des Reiseführers verwarf ich die Idee, via Kaspisches Meer nach Teheran zu reisen, weil das Meer und auch die Strände mit Algen verschmutzt seien. Ich beschloss, schon morgen die über 600 km unter die Räder zu nehmen, um mich die nächsten Tage um das Turkmenistan- und neu auch das China-Visum zu kümmern.

Leider ist das Internet im Hotel sehr schlecht, was mich in der Streckenplanung vor allem in Teheran behinderte. Zudem wurde ich immer wieder von den kleinen Jungs abgelenkt, die den Narren an meinem Töff gefressen hatten. Deshalb fuhr ich mit den dreien eine kleine Runde durch die Gassen der Umgebung. Dann machte ich mich auf einen Spaziergang durch die Stadt, unter anderem durch den riesigen Bazar, aber Stadt wie Bazar waren erstaunlich unbevölkert. Erst am Nachmittag fuhr ich dann ins 56 km entfernte Kandovan, ein kleines Bergdorf, dessen Behausungen an diejenigem von Cappadocia (Türkei) erinnern. Ich fuhr Richtung Westen aus der Stadt, bis ich endlich den Bahnhof erreicht hatte, und weiter ging es Richtung Süden, nach gut 20 km wiederum Richtung Osten nach Osku und von dort kontinuierlich bergauf, bis ich Kandovan auf 2300 m.ü.M. endlich erreicht hatte. Hier staunte ich nicht schlecht, dass ein wahrer Jahrmarkt im Gange war. Ganz Täbriz schien hier zu sein, und bald hatte ich auch herausgefunden weshalb. Vorgestern war der Ramadan vorbei, demnach feierte man gestern Bayram, während dem wieder einmal so richtig viel gegessen wurde. Und dem Bayram wurde ein weiterer Feiertag angehängt, und dies war der Grund, warum so viele Menschen unterwegs waren.

So wurde ich an diesem Tag das wohl am meisten fotografierte „Objekt“. Immer wieder kamen Leute auf mich zu und wollten wissen, woher ich komme, warum ich hier sei und vor allem, was ich und auch überhaupt die Menschen in Europa von ihrem Land halten. Natürlich wunderten sie sich über mein grosses Motorrad und dass ich bereits soweit gefahren war. Und von jeglichen Menschen strahlte mir eine unheimliche Wärme entgegen. Man freute sich ehrlich, dass ich ihr Land besuche und später vielleicht zu Hause die Vorurteile ausräumen kann, welche man in Europa hat. Ich hörte ein tausendfaches „Welcome to Iran!“

Es herrschte ein riesiges Verkehrschaos in diesem kleinen Dorf. Geparkt wurde unter anderem im momentan wenig Wasser führenden Fluss. Überall waren Zelte aufgestellt, an den unmöglichsten Orten, Hauptsache, man ergatterte etwas Schatten. Unterdessen war ich ordentlich hungrig geworden, ass Kebab am Spiess, sass aber nicht lange alleine auf der mit Teppichen ausgelegten, grossen Liege. Sofort suchte man erneut den Kontakt mit mir. Da gibt es mehr Leute, die ein recht gutes Englisch sprechen. Ich wurde mit Fragen gelöchert, man brachte mir Früchte, Kekse, Tee – und ich lernte bereits eine Sitte, die es hier zu beachten gilt. Die Menschen hier würden einem ihr letztes Hemd geben, wenn man dauernd annehmen würde. Man muss mindestens dreimal ablehnen, bis man die Gaben schliesslich annehmen darf. Natürlich war ich auch hier sofort Foto-Sujet Nummer Eins. Die Jungs der grossen Familie begleiteten mich dann durchs Dorf, und dies war durchaus hilfreich, denn so bekam ich Eintritt in die Felsen gehauenen, uralten Behausungen einheimischer Familien. Erst seit zwanzig Jahren hat man hier Strom und fliessend Wasser. In den Sommermonaten hat man sich Vorräte angelegt, damit man die schneereichen Winter übersteht. Mit der ganzen Grossfamilie lebte man in einem Höhlenraum. Heute sind die Räume eher für den (einheimischen) Tourismus ausgelegt. Man verkauft Süssigkeiten, verschiedene Teekräuter, handgefertigte Textilien, Schmuck und Mengen an Kitsch (zumindest für unseren Geschmack). Nach dem Rundgang durch das Dorf wurde ich bei der Familie nochmals zum Tee eingeladen, dies passte mir gut, weil noch etwas Zeit war bis Sonnenuntergang, und erst dann wollte ich mich dem Fotografieren widmen.

Schliesslich brach die Familie auf, war mir sehr recht, denn ich wollte auf einen der das Dorf umgebenden Hügel steigen, um eine gute Aussicht auf die Umgebung zu bekommen. Von den Männern verabschiedete ich mich mit der Hand, von den weiblichen Familienangehörigen, von denen ich die ganze Zeit überaus genau gemustert wurde, reichte es für ein warmes „Good-bye!“ Mit dem ältesten der Jung sollte ich mich morgen treffen, der mich durch die Stadt führen möchte.

Ich war weit und breit der Einzige auf diesem wunderschönen Aussichtspunkt, das Geschehen bei diesem Fest spielt sich vor allem in Flussnähe und im Dorf ab. Es ist wohl nicht ihr Ding, nur 15 min zu gehen. War mich auch recht, denn hier oben genoss ich die Ruhe und das wärmer werdende Licht der untergehenden Sonne. Und ich beobachtete das Verkehrschaos, das sich inmitten des Dorfes abspielte – jetzt in umgekehrter Richtung… Ich spazierte mutterseelenallein am oberen Rand der eigenartigen Felsstrukturen entlang, begegnete einzig einem Schäfer mit einigen Tieren. Was für eine Stimmung hier oben! Schliesslich hatte ich das ganze Dorf umrundet und erreichte meinen mitten im Dorf abgestellten Töff. Wiederum kam man unentwegt auf mich zu und suchte das Gespräch! Mit meinem Töff war ich jetzt auf Rückweg nach Täbriz auf der besseren Seite. Ich überholte wohl Tausende von Autos auf der linken Fahrbahn, immer wieder geriet ich in Staus, schliesslich sogar vor Täbriz auf der vierspurigen Autostrasse. Ich bekam einen Eindruck, wie der Verkehr hier tickt. Aus vier Spuren wurden deren fünf, sodass es für mich schwieriger war zu passieren. Aber man hat sich den Gepflogenheiten des Verkehrs hier augenblicklich anzupassen, sonst stände ich wohl jetzt noch im Stau. Nach Gefühl bog ich Richtung Innenstadt ab, aber ohne Hilfe schaffte ich es doch nicht ganz bis zum Hotel. So stand ich ziemlich ratlos da am Rande einer Kreuzung, aber es dauerte keine Minute, bis mir schon geholfen wurde. Zwei Blocks weiter – und ich hatte es geschafft.

Beim Hotel wurde ich von einem spanischen Motorradfahrer überrascht, der beinahe dieselben Pläne wie ich hat. Nur fährt er mit seiner BMW 1200 über Pakistan – Indien – Burma (das unterdessen möglich sein soll zu durchfahren) nach Südostasien mit dem Ziel Australien. Wir führten natürlich angeregte Diskussionen über unsere Reise. Wer weiss, ob man irgendwann gemeinsam unterwegs ist. Jaime ist drei Jahre unterwegs – mit dem Ziel Südamerika… Er empfahl mir auch, bald die Bremsbeläge zu wechseln, die offenbar wirklich auf dem Hund sind, sodass ich mich entschloss, morgen diesem Problem nachzugehen und die Abreise um einen Tag zu verschieben. Jaime hat seit einiger Zeit via Internet Kontakt mit einer Dame aus Teheran, die extra nach Täbriz angereist ist und mit der er jetzt eine Zeitlang gemeinsam unterwegs ist…

Übrigens habe ich unterdessen Glück mit dem Wetter. Noch vor einer Woche hatte es 40°C in der Stadt, jetzt sind es sommerlich-angenehme 28°C mit angenehm kühlen Nächten. Wohl noch für wie lange?

Km: 9411


Mo, 20.07.2015: Das Wechseln der hinteren Bremsbeläge in Täbriz

Der gut Englisch sprechende Hotelangestellte erwies sich heute Morgen als sehr hilfreich, denn gemeinsam fuhren wir nicht weit, bis wir Ersatz-Bremsbeläge (allerdings chinesische und thailändische) besorgt hatten. Ich wollte aber meine von der Schweiz mitgebrachten Beläge montieren lassen (stellte aber fest, dass ich nur Beläge für das Hinterrad mitgenommen hatte!). Die hinteren waren wirklich vollständig durchgefiggt und hätten sich bald an meiner Bremsscheibe zu schaffen gemacht. Ich war sehr glücklich, dass die an sich einfache Arbeit von einem einheimischen Mechaniker ausgeführt wurde. Eine halbe Stunde Arbeit wurde dafür benötigt, ich zahlte dafür 12 Fr.. Suuuper!

Anschliessend begab ich mich zum jetzt stark bevölkerten Bazaar. Man erhält hier alles, was man zum Leben braucht. Es hätte mich ja schon gereizt, um einen der herrlichen Perserteppiche in allen Formaten zu handeln. Es waren auffällig viele Frauen unterwegs, alle mit Kopftüchern, davon aber nur ein Bruchteil in Schwarz gekleidet. Ich habe nicht eine Burka gesehen. Der Bazaar von Täbriz ist einer der grössten der Welt, und es war nicht verwunderlich, dass ich mich in diesem sehr lebendigen Irrgarten bald hoffnungslos verirrt hatte. Aber Handy und Google Maps sei Dank, fand ich umgehend wieder aus diesem Gewirr an Gängen heraus, ass in einem kleinen Restaurant einen iranischen Hamburger und trank ein Cola.

Ich verbrachte einen ruhigen Nachmittag. Ich möchte morgen wirklich fit sein für die lange und schwierige Fahrt nach Teheran. Unterdessen hatte ich auch wieder Kontakt zu Annika und Mathias, die schon heute Morgen von Täbriz Richtung Osten unterwegs sind. Morgen werde ich sie aber von neuem überholen.

Km: 9417


Di, 21.07.2015: Fahrt nach Teheran: Geduldsspiel und: Was für eine chaotische Einfahrt!

Ich fühlte mich fit heute Morgen, auch wenn ich nicht besonders gut geschlafen hatte. Es wartete ein strenger Tag auf mich mit einer Rekordstrecke an Kilometern.

Um zwanzig vor acht Uhr ging es los. Weil ich früh unterwegs war, hatte es noch nicht besonders viel Verkehr in Täbriz. Ich suchte die Autobahn auf der Südseite der Stadt, die ich recht gut fand. Ich füllte meinen Tank zum ersten Mal mit dem rötlich farbenen Superbenzin Irans. Der Verkehr nahm zu Anfang immer mehr ab. Ich fuhr durch eine hügelige, karge Wüstenlandschaft. Es war empfindlich kühl (!) an diesem Morgen, sodass ich sogar meine Handschuhe montieren musste. Unmerklich hatte ich plötzlich eine Höhe von 1700 m.ü.M. erreicht. Am interessantesten war die Landschaft um Miyaneh mit seinen rötlich farbenen zerklüfteten Hügeln. Der heutige Tag war Konzentrationstraining pur. Auf der gut ausgebauten Autobahn musste ich achtgeben, nicht einzuschlafen. Dann legte ich eine kurze Pause ein, etwas zu trinken oder zu essen. Ich passierte auch einige Zahlstellen für die Autobahn, aber ich hatte nichts zu bezahlen. Entweder freute man sich einfach über einen solch seltenen Gast, oder dann zahlen Motorräder grundsätzlich nichts für die Benutzung der Autobahn. Es ging heute einfach darum, die vielen Kilometer in möglichst guter Zeit hinter mich zu bringen und einfach Teheran zu erreichen. Etwa bei Halbzeit in Zanjan machte ich einen längeren Halt bei einer Autobahnraststätte. Das Einheitsmenu mit Chicken, Reis, Suppe war zwar höchstens mittelprächtig, verlieh mir aber neue Energie für den zweiten Teil, der tatsächlich noch langweiliger wurde. Die steinige Wüstenlandschaft ist hier flacher, es ging allmählich unmerklich bergab. Endlich hatte ich Qazvin erreicht, also noch etwa 160 km bis Teheran. Und die hatten es nicht ganz unerwartet in sich.

Schon 50 km vor der Stadt begann sich der Verkehr zu stauen. Ultra Vorsicht war gefragt, aber auch eine gewisse Aggressivität im Fahrstil, und wiederum passte ich mich den hiesigen Verkehrsgepflogenheiten schnell an. Vor Teheran hatte ich immer wieder anzuhalten, um mein Handy zu checken, damit ich die mir vorgegebene Strecke nicht verlor. So fuhr ich auf der mehrspurigen Autobahn in diese heisse Stadt ein. Und es klappte gut. Das Gefährlichste am Verkehr waren vor allem die vielen kleinen Motorräder, die sich hier an überhaupt keine Verkehrsregeln halten. Da wird in Einbahnen und auf Trottoirs gefahren, jede Lücke im Verkehr wird erbarmungslos ausgenutzt. Es ist wirklich erstaunlich, dass nicht mehr Unfälle passieren, auch wenn die Statistik sagt, dass pro Jahr über 20‘000 Menschen im Verkehr sterben. Erst ganz am Schluss, als ich das angepeilte Hotel Firuzeh im Südteil der Stadt suchte, brauchte ich viel Zeit, musste auch noch einmal nachfragen, aber ich fand mein Hotel, das in einer Hintergasse liegt.

Ich checkte ein (leider war eine Reservation am Vortag wegen des schlechten Internets nicht gelungen) und bezog ein sauberes Zimmer im zweiten Stock für 770‘000 Rial (24 $). Aber der nette Hotelmanager brachte mich gleich in Stress. Er vermisste in meinem Pass den Einreisestempel. Offenbar hatte man vergessen, diesen in Norduz zu setzen. Er meinte, dass ich bei der Ausreise ein Riesenproblem haben würde, weil ich gleichsam schwarz im Land sei. Er empfahl mir dringend, mich morgen bei einem Immigrations Office (Touristenpolizei) zu melden. Dabei hätte ich eigentlich geplant gehabt, mich um meine fehlenden Visa zu kümmern.

Ich kam am Abend sofort in Kontakt mit einem Norweger, der hier Farsi lernt (die persische Sprache) und mit einem jungen Deutschen, der ebenfalls mit dem Motorrad unterwegs ist nach Pakistan (!) und Indien. Mit diesen zweien ass ich am Abend ein einfaches, preiswertes, iranisches Menu für weniger als 3 $. Übrigens ist das Fortbewegen zu Fuss in dieser Stadt nicht weniger gefährlich. Da wird null Rücksicht genommen. Am besten bewegt man sich in der Gruppe über die Strasse.

Ziemlich erledigt legte ich mich schon um zehn Uhr schlafen. Es ist die Zeit der Diensttage, auf die man gerne verzichten würde. Teheran hätte ich wohl links liegen lassen, wenn ich nicht gezwungen worden wäre, hierher zu kommen…

Km: 10‘072


Mi, 22.07.2015: Fehlender Stempel im Pass und Einleitung Turkmenistan-Visum

Die jetzige Phase dieses Trips ist ein Riesenthrill. Das ist immer dann so, wenn man von anderen Menschen abhängig ist und man nicht weiss, wie sie reagieren und schliesslich in dem Sinne entscheiden, wie man es gerne hätte.

Der heutige Tag stand im Zeichen dieses Thrills. Ein Taxi führte mich heute Morgen zu jenem Immigration-Office, von dem ich mir den nötigen Stempel in meinem Pass erhoffte. Ich folgte dem Taxi mit meinem Motorrad. Tatsächlich wurde ich offensichtlich an die richtige Stelle geführt, wurde freundlich empfangen und von einer zur nächsten Bürostelle geführt, bis ich schliesslich wohl im Büro des Chefs stand. Er prüfte meinen Pass und die vorhandenen Einträge in ihrem Computersystem. Zudem erwies es sich als hilfreich, dass ich in meinem „carnet de passage“ meine vielen Stempel vorweisen konnte. Tatsächlich wurde am Ende mein Pass mit riesigen, ganz speziellen Stempeln bearbeitet, sodass ich mich jetzt offiziell legal im Land aufhalte. Dreissig Minuten kostete mich der ganze Zauber! Gut! Denn so hatte ich noch Zeit, um einem der beiden fehlenden Visas nachzugehen. Ich fuhr auf einer Stadtautobahn bergauf in den viel wohlhabenderen Nordteil der Stadt. Wiederum tat „google maps“ dafür seine guten Dienste. Aber die chinesische Botschaft war nicht genau am richtigen Ort aufgeführt, sodass ich mehrmals nachfragen musste, bis ich sie wirklich fand. Aber Pech! Mittwochs geschlossen! Unterdessen war ich bei dieser Hitze schon beinahe ausgetrocknet und kaufte mir einen Schokodrink (ganz gut) und eine Flasche Wasser. Glücklicherweise ist die turkmenische Botschaft nicht weit entfernt, aber trotzdem musste ich nochmals nachfragen, in welcher Hintergasse die Botschaft zu finden ist. Zwei Polizisten hatten den Narren an mir gefressen, mir wurde eine Zigarette angeboten, viel Small talk, man liebt die Schweiz, und die Zeit schien mir davonzulaufen…

Aber schliesslich wurde ich vom Polizeiauto zur richtigen Stelle eskortiert, wo auch andere Touristen dieses begehrte Visum beantragten. Und die Zeit reichte grad noch knapp vor dem Mittag. Formulare wurden ausgefüllt, Pass- und Visakopien (unbedingt in Farbe) abgegeben. Nur wusste ich nicht recht, an welchem Zollübergang ich nach Turkmenistan ein- und wieder ausreisen wollte. Ich entschloss mich, die Grenze von Mashad Richtung Ashgabat (Hauptstadt Turkmenistan) auszuwählen, ausreisen werde ich über Farap (Nähe Samarkand). Das Transitvisum wurde mir aber nicht sofort ausgestellt, sondern ich habe es in Mashad, in der Nähe der Grenze Turkmenistans abzuholen. Dies wird mindestens eine Woche dauern. Und in dieser Zeit werde ich mich weiter im Iran aufhalten. Viele Orte habe ich ja in diesem Land noch nicht wirklich erlebt. Aber jetzt steht fest, dass ich den Iran am 4. August verlassen werde und fünf Tage Zeit habe, nach Uzbekistan zu reisen. Ich hoffe, das passt mit den beiden Thurgauern, die ich vielleicht bald in Isfahan treffen werde.

Getroffen habe ich heute nicht die Thurgauer, sondern Mathias und Annika, die unterdessen schon mehr Angenehmes erlebt haben als ich (Orumujeh-Salzsee, Miyaneh, Kaspisches Meer), aber ich habe sie wohl etwas gedrängt weiterzureisen, weil auch ihnen der Stempel im Pass fehlt.

Wir werden morgen gemeinsam versuchen, zum China-Visum zu kommen. Deshalb haben wir auch nochmals Mailkontakt mit Hendrik aus China gehabt. Nach unseren Recherchen werden wir nur ein Visum mit einem „letter of invitation“, einer gebuchten Tour, Flugtickets etc. bekommen. Und dieser Einladungsbrief ist jetzt eben hereingekommen. Wir wurden „als Freunde“ eingeladen! Tatsächlich werden wir bei der Beantragung des Visums kein Wort von unserem wirklichen Trip erwähnen (schon gar nichts über Tibet), sondern eine ganz normale Tour mit Besuchen von Grossstädten vorgeben. Hoffentlich klappt das dann auch! Der Thrill wird also auch morgen weitergehen.

Km: 10‘120


Do, 23.07.2015: Another „thrilling day“ in Teheran

Wir waren heute Morgen zu dritt unterwegs. Zuerst ging’s mit dem Toyota RAV Mathias‘ und Annikas nochmals zur Immigrationsstelle der Tourist Police, denn auch ihre Pässe wurden an der Grenze zu Norduz bei der Einreise in den Iran nicht abgestempelt. Es dauerte zwar etwas länger als bei mir, doch um halb zehn Uhr waren wir unterwegs nach Norden zur chinesischen Botschaft.

Der Empfang war zwar freundlich, der Offizielle hinter dem Schalter hatte aber offensichtlich kein Interesse, uns wirklich ein Visum ausstellen zu wollen. Zwei Dinge wurden beanstandet, obwohl auf ihrer Homepage nichts davon aufgeführt war. Erstens hätte das vierseitige Antragsformular am Computer ausgefüllt werden sollen, und zweitens wurde ein Empfehlungsschreiben (!) der Schweizer bzw. der Deutschen Botschaft in Teheran verlangt.

So fuhren wir direkt zur acht Kilometer entfernten Schweizer Botschaft, die glücklicherweise auch im wohlhabenderen Norden der Stadt liegt. Sofort wurden wir eingelassen und mit einem warmen „Grüezi!“ begrüsst. Da schätzt man unbürokratische Arbeit wieder schätzen. Die äusserst nette Dame am Schalter wusste sofort, was zu tun ist und stellte uns dieses Empfehlungsschreiben in kaum einer halben Stunde aus. Natürlich waren dafür Schweizer Preise zu bezahlen. Der Zauber kostete Mathias und mich je 25 Fr.. Die deutsche Botschaft liegt im Süden, sodass Annika nicht innert nützlicher Frist zu diesem Schreiben kommen würde. So fuhren wir zurück Richtung chinesische Botschaft. Das Verkehrschaos war jedoch gross, und wir kamen nur langsam vorwärts. Zudem hatten wir eine „café net“ zu finden, und das war gar nicht so einfach. Aber Nachfragen ist hier alles. Ein gut Englisch sprechender Teheraner führte und zu einem solchen Lokal im zweiten Stock eines kleinen Einkaufscenter. Alleine hätten wir diesen Ort nie gefunden. Sofort machten wir uns in aller Eile an die Arbeit, fanden die entsprechende Homepage und das nötige Formular und druckten die vierseitige Dokumentation aus. Aber die Zeit wurde knapp, denn um 12.30 Uhr schloss die Botschaft. Wir mussten realisieren, dass wir es bei diesem Verkehr unmöglich schaffen konnten. Gleichwohl fuhren wir die Botschaft an. Und dies sollte sich lohnen, denn als wir die Botschaft eine Viertelstunde zu spät erreicht hatten, erfuhren wir, dass sie um 14.30 Uhr nochmals öffnet. Annika und Mathias fuhren jetzt sofort zur Deutschen Botschaft, während ich ein schickes Restaurant in der Nähe besuchte. Und hier lernte ich auch die andere Seite des Irans kennen, nämlich die mehrbessere. Die Besitzverhältnisse in diesem Land sind extrem unterschiedlich. Gestern kam ich ins Gespräch mit einem Einheimischen, der sich über das System und vor allem die geistlichen Führer beklagte. 40% seien reich, der Rest lebe in Armut. Ich bestellte einen Lammspiess, ausgezeichnet zubereitet, so gross, dass drei Personen davon hätten satt werden können – und ich bezahlte auch Schweizer Preise – 1‘280‘000 Rial, 38 Fr.! Aber es war einfach angenehm, sich in dieser angenehm klimatisierten Halle aufzuhalten und sich auf den Nachmittag vorzubereiten.

Denn der wurde wieder spannend! Um halb drei Uhr wurde ich vom chinesischen Offiziellen sofort ganz nett bedient. Es war zufrieden, dass ich jetzt die richtigen Dokumente dabei hatte. Der Invitation letter, der uns gestern von Hendrik noch per Mail zugestellt wurde, erwies sich als gar nicht notwendig. Tatsächlich werde ich wohl am Sonntag mein chinesisches Express-Visum (70 $) abholen können. Super! Ich peilte jetzt eine Metro-Station an, die es noch gar nicht gab, kam aber in Kontakt mit vier Einheimischen, die mich mit ihrem Auto durch die halbe Stadt fuhren bis zur nördlichen Tajrish-Metro-Endstation und fuhr dann in nett klimatisierter U-Bahn bis „Emam Khomeini“, von wo aus es noch ein Katzensprung bis zum Hotel war.

Endlich konnte ich jetzt den beiden Thurgauer Töfffahrern berichten, dass meine Sachzwänge jetzt wohl behoben sind. Die beiden werden am Sonntag vermutlich in Teheran eintreffen, und wir können uns gemeinsam auf den Weg machen. Genial! Pamir zu dritt ist viiiel besser! Nur etwas hindert noch etwas: Ich habe gestern beim Antrag für das Turkmenistan-Visum den falschen Einreiseort bei Ashgabat angegeben. Das werde ich noch versuchen zu ändern.

Jetzt sitze ich in der Hotel-Lobby und ärgere mich über das langsame Internet und dass jene Seiten vom Staat gesperrt sind, aber ein netter Teheraner hat mir eben einen VPN-Zugang eingerichtet, mit dem all die Sperren umgangen werden können. Ich habe jetzt sogar wieder Zugriff auf Facebook!

Km: 10‘120


Fr, 24.07.2015: Freitag ist Sonntag

Am Freitag ist hier Ruhetag, also gleichsam Sonntag, und da soll man ja nichts tun, und daran hielt ich mich mehr oder weniger. Ich bin momentan blockiert in dieser stickigen Stadt, weil ich auf das China-Visum warten muss. Aber wenigstens ist das Firouzeh-Hotel recht gut klimatisiert, und die Stunden brachte ich locker über die Runde, um etwas am Blog zu arbeiten sowie mich einigen weit zurückliegenden administrativen Aufgaben zu widmen. So kündigte ich heute endlich mein Sat-Internet-Abo, das zu Hause immer noch läuft und von Mäsi nicht benutzt wird. Über René Lutz wickelte ich die entsprechende Zahlung ab, die unterdessen mehr als überfällig war, denn trotz VPN-Anschlusses will es mir nicht recht gelingen (vielleicht wegen des langsamen Internets), mein Postfinance-Konto zu öffnen.

Überhaupt stand dieser Tag grundsätzlich im Zeichen des Wartens, denn ich hoffe, am Sonntag in den Besitz des China-Visums zu kommen. So hockte ich fast den ganzen Tag im Hotel, schrieb, sinnierte und überlegte mir, welche nächsten Höhepunkte denn anstehen. Ich informierte mich über den Pamir-Highway in Tadschikistan, die zweithöchste Strasse der Welt, die momentan wegen Gefechten vielleicht sogar geschlossen ist. Zeit bringt Rat – in Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistan wird sich zeigen, ob man uns das GBAO, das Permit, diese Strasse überhaupt befahren zu dürfen, aushändigt. Auf jeden Fall ist es gut, dass wir dann wahrscheinlich zu dritt sind. Am Sonntag erwarte ich ja die zwei Thurgauer im Hotel.

Am Abend suchte ich ein nahes, einfaches Restaurant auf. Aber das immer gleiche Essen mit Kebab-Spiessen und Reis hängt mir allmählich zum Hals heraus, heute war es Chicken…

Und: Annika und Mathias sind unterdessen weitergezogen Richtung Alborz-Berge, aber erst am Nachmittag, denn heute Morgen haben sie festgestellt, dass sie ihre Bergschuhe in Georgien haben liegen lassen. Und so ist Ruhetag auch nur relativ, denn sie haben in der Stadt einen Laden gefunden, wo sie sich neue Schuhe haben kaufen können. Auch die meisten Shops des Viertels haben auch heute munter Pneus und anderes Autozubehör verkauft.

Km: 10‘120


Sa, 25.07.2015: Ein weiterer Schritt zum China-Visum und Besuch des Sa’dabad-Parks

Dass ich nicht freiwillig in dieser Stadt ausharre, hat natürlich noch einen weiteren Grund, denn weil gestern die Banken tatsächlich geschlossen waren, fuhr ich halt heute erneut in den Norden der Stadt (ich hasse diesen Verkehr und die Einbahnen!), denn gleich vis-à-vis der chinesischen Botschaft hatte ich auf ein Konto genau dieser Shahr-Bank 70$ einzuzahlen, und dies hatte unbedingt mindestens einen Tag vor dem Bezug des Visums zu erfolgen. Diese Transaktion war im Nu erledigt, die Quittung liegt versorgt in meinem kleinen Rucksack.

Ich wollte jetzt ganz an den nördlichen Stadtrand fahren, ganz nahe ans angrenzende Gebirge mit Gipfeln bis fast 4000 m.ü.M. und landete in Darband bei einem altertümlichen Sessellift, der aber leider nicht in Betrieb war (im Winter kann man hier sogar Ski fahren). Ganz in der Nähe befindet sich aber auch der Sa’dabad-Park, das weitläufige Anwesen des ehemaligen Shahs von Persien Reza Pahlevi, 600 Meter höher als die Südstadt gelegen (1700 m.ü.M.). Entsprechend war das Klima und die Ruhe hier oben äusserst angenehm.

Nach der islamischen Revolution 1979, ausgelöst von einem gewissen Ayatollah Khomeini, wurde diese luxuriöse Anlage in einen öffentlichen Park mit diversen Museen verwandelt. Die diversen Häuser liegen in herrlich ruhiger, begrünter Anlage mit vielen riesigen Platanen. Ich besuchte auch das Weisse Haus, wo diverse Staatoberhäupter empfangen wurden. Riesige Perserteppiche, die grössten, die je angefertigt wurden, liegen noch immer in den grossen Sälen, luxuriöse Kristallleuchten aus der ehemaligen Tschechoslowakei hängen in allen Räumen, bestes deutsches Geschirr wurde verwendet, vieles vergoldet, Stühle aus der Zeit von Louis XIV. hat Reza in Auktionen erworben, einfach alles vom Feinsten, Luxus pur für den grossen, westlich orientierten Herrscher von Persien. Es war schon eindrücklich, einen Blick in den riesigen Speisesaal zu werfen, in dem beim allerletzten Bankett Präsident Charles De Gaulle empfangen wurde, kurz zuvor Präsident Nixon, der als Geschenk exquisite altertümliche Vasen mitgebracht hatte. Heute ist alles dem Volk zugänglich. Ich traf auf einige Schulklassen, wohl ein Pflichtbesuch im Lehrplan Irans, und die Kinder verhalten sich ähnlich wie bei uns, die Mädchen angepasst, die Knaben eher rüpelhaft-nervös, denen es nichts ausmachte, mich bei den Zugängen zu den Räumen zu verdrängen. Natürlich werden Knaben und Mädchen in diesem Land in separaten Klassen geführt, meist unterrichten Frauen Mädchen und Männer Knaben, aber nie Frauen Knaben. Eigentlich wollte ich auch noch den  „green palace“ von Farah besuchen, stand auch tatsächlich dort, hatte aber in der Zwischenzeit mein Ticket verloren – und man war nicht nachsichtig und liess mich nicht eintreten.

Bald war ich bei der Rückfahrt beim Tajrish-Platz, von wo aus die Linie 1 der Metro gegen Süden führt. Wenig später betrat ich ein klimatisiertes Restaurant und ass – man darf dreimal raten – erneut Kebab, diesmal Lamm, aber wenigstens mit Pommes, mal was anderes. Aber die Preise im Norden sind acht- bis zehnmal höher als im Süden. Das Menu kostete mich 580‘000 IRR (fast 18 Fr.).

Die weitere Rückfahrt war erneut anstrengend-gefährlich, man musste höllisch aufpassen, nicht von irgendwem gerammt zu werden, aber ich fand das Hotel mehr oder weniger problemlos und finde es jetzt ganz angenehm, wieder in einem ruhigen, klimatisierten Raum zu sitzen…

Am Abend recherchierte ich im Internet erneut wegen des Pamir-Highways, der momentan tatsächlich geschlossen ist. Dann droht weiteres Ungemach, weil nicht ganz klar ist, wie ich dann nach Kirgistan komme. Der zweite direkte Grenzübergang ist geschlossen, sodass ich vielleicht nochmals nach Uzbekistan einreisen – und ein weiteres Visum beantragen müsste, was mich einiges an Zeit kosten würde. Hätte ich doch nur ein double-entry-Visum beantragt! Es liegen definitiv sehr spannende Wochen vor mir!

Irgendeine Lösung wird es schon geben. Ich bin froh, früh unterwegs zu sein, denn die Einreise nach China ist unverschiebbar…

Km: 10‘178

So, 26.07.2015: Yep zum China-Visum, Mt. Tochal und: Jetzt sind wir zu dritt!

Zum wiederholten Mal fuhr ich auch heute Morgen in den Norden der Stadt zur Chinesischen Botschaft. Der Aufenthalt dauerte nicht lange dort. Ich überreichte der netten Dame die Quittung meiner gestrigen Zahlung und bekam umgehend meinen Pass mit dem begehrten Visum überreicht.

Weniger Erfolg hatte ich bei der turkmenischen Botschaft, wo ich ja meinen Einreiseort noch ändern wollte. Wegen eines Kongresses blieb die Botschaft auch heute geschlossen. Alles Warten und Insistieren brachte nichts. Dafür traf ich hier Jaime, den Spanier und seine iranische Begleiterin wieder. Ganz in der Nähe wurden wir von ihr in einer Privatwohnung zu einem Kaffee eingeladen. Ich hätte die beiden zum Bazaar begleiten können, zog es aber vor, per Gondelbahn auf den Mt. Tochal zu fahren. Zuerst war aber das morgendliche Verkehrschaos zu überwinden und die richtige Einfahrt zu dieser Seilbahn zu finden.

Die Bahn führt tatsächlich ins stadteigene Skigebiet mit mehreren Liften, die etwa so aussehen wie bei uns vor fünfzig Jahren. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, in diese klapprige Gondelbahn einzusteigen, von der ersten zur dritten und weiter zur fünften und siebten Sektion hochzufahren. Die Bergstation liegt auf 3650 m.ü.M. Es war ordentlich frisch hier oben, aber sehr angenehm – herrlich frische Luft.

Der Mt. Tochal liegt aber noch etwas höher. Auf sehr steinigem Weg durch extrem karge Landschaft stieg ich hoch bis zum Gipfel auf 3900 m.ü.M. – ein Spaziergang, obwohl die Luft schon merklich dünner war. Hier oben war die Ruhe genial und die Rundsicht noch besser. Ich kam ins Gespräch mit einigen einheimischen Berggängern, stieg auf der anderen Seite des Berges einige Meter ab bis zu einem Schneefeld (!). Dann führte mich die Bahn wieder zu Tal. Die Rückfahrt Richtung Süden der Stadt wurde eine Tortur, denn das bis jetzt grösste Verkehrschaos galt es zu überwinden. Aber auch dies schaffte ich schliesslich problemlos. Fast gleichzeitig trafen beim Hotel Firouzeh Dominique und Tobias auf ihren Motorrädern ein. Sie waren ordentlich geschafft von ihrer Reise von Esfahan, suchten das Hotel zuerst im Norden der Stadt in einer Strasse mit gleichem Namen. Wir bezogen ein Dreierzimmer für anderthalb Millionen und besprachen das Routing der  folgenden Tage. Jetzt wollen die beiden doch tatsächlich ohne Akklimatisieren versuchen, den 5600 m.ü.M. hohen Hausberg Teherans, den mächtigen Demavand zu erklimmen. Mal schauen, wie das wird! Dominique hat auch einen Kontakt genutzt, um zu erfahren, dass der Pamir auf einer anderen Route doch befahren sein könnte, allerdings auf üblen Strasse auf 200 km! Ich glaube, das könnte gut kommen mit den beiden. Morgen brechen wir schon Richtung Osten auf. Zuerst schauen wir aber nochmals bei der turkmenischen Botschaft vorbei, vielleicht kann ich den Einreiseort ja doch noch wechseln! Wie glücklich bin ich, endlich aus dieser Stadt rauszukommen!

Am Abend fanden wir in der Nähe ein gutes Restaurant, schön eingerichtet in einem Keller. Recht guter fritierter Fisch und Reis!

Und jetzt wird noch der Blog aufgeschaltet!

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Kommentare: 7
  • #1

    Regula (Mittwoch, 29 Juli 2015)

    staun - staun - staun ... über all die abenteuer und strapazen, die du scheinbar unermüdlich laufend über dich ergehen lässt ;-) und ganz besonders staune ich auch über deine selbstauslöser in der tropfsteinbadehöhle. wie hast du die bloss hingekriegt? ich vermute mal, du hast nicht nur ein i-phone dabei, sondern noch einen richtigen fotoapparat, den man irgendwo hinstellen kann? ich drück dir die daumen für die spannende weiterreise!

  • #2

    Marco (Donnerstag, 30 Juli 2015 13:29)

    Heute über einen Zeitungsartikel auf deine Tour aufmerksam geworden. Bin gespannt über deine weitere Reise.

  • #3

    grizzly (Samstag, 01 August 2015 12:44)

    hallo Sturzi
    Ich verfolge mit Spannung Deine neusten Erlebnisse.
    Ich habe meinen rechten Fuss gebrochen. Deine Abenteuer machen
    das "hochlagern" etwas kurzweiliger.
    Ich wünsche Dir weiterhin viele coole Erlebnisse. Ich freue mich auf den nächsten Eintrag.
    Gruss Grizzly

  • #4

    Esthi (Freitag, 07 August 2015 08:42)

    Liebe Urs
    Das ist ja Unglaublich, was Du alles über Dich ergehen lassen musst, um an ein Ziel zu gelangen. Ich bin fasziniert und begeistert! Es ist spannend wie ein Krimi

  • #5

    Iso (Montag, 24 August 2015 13:17)

    Stuuuuuurzi!
    Letzter Blog-Eintrag ist nun einen Monat alt. Müssen wir uns einbizzeli Sorgen machen? Mir ist fangs ein wenig langweilig ohne die Fortsetzung deines Reisekrimis.

  • #6

    Trudy (Dienstag, 25 August 2015 20:00)

    Guten Tag Sturzi
    Ich habe auch die TZ gelesen und bin gespannt auf die Weiterreise. Allerdings scheint etwas schief zu laufen. Hoffentlich nichts schlimmes.
    Alles Gute
    Trudy

  • #7

    Hildegard (Montag, 14 September 2015 12:38)

    Extrem interressant, dein Reisebericht! Bin zwar etwas im Rückstand mit lesen, aber ich lasse kein Wort aus, soooo spannend! Weiterhin good luck.