Nach zwei strengen, erlebnisreichen Fahrtagen bin ich unterdessen in Bansko/Bulgarien angelangt, vielleicht bekannt durch die Ski-Weltcup-Rennen, die auch dieses Jahr im März stattgefunden haben. Vor allem Albanien hat mich erneut in den Bann gezogen, da habe ich die ersten grossen Abenteuer bestanden...
Lies selber, wenn du Lust dazu hast...
Wenn du etwas über das genau Routing erfahren willst, klicke hier:
Di, 26.05.2015: Dubrovnik – Kotor (Montenegro)
Das schöne Wetter lud für eine nächste Strecke ein. Nach einem Kaffee und einem Croissant in der Stadt folgte ich der Küste gegen Süden, und je weiter ich südlich kam, umso weniger Verkehr hatte es. Der Grenzübertritt nach Montenegro war absolut problemlos, aber wiederum hatte ich meine Greencard (Versicherungsnachweis) vorzuweisen. Ich fuhr ein in die Bay of Kotor, dem wohl einzigen Fjord im Mittelmeer. Das Meer zieht sich hier, gesäumt von recht hohen Bergen, ins Landesinnere vor. Ich umfuhr all die Meereszungen, die Szenerie mit den vielen schmucken Dörfern erinnerte mich etwas ans Tessin, nur dass es sich hier um das Meer handelte. Schliesslich erreichte ich Kotor mit seiner Altstadt („Stari Grad“). Eingangs des Ortes fand ich wieder eine Privatunterkunft (25 €/Nacht).
Zu Fuss machte ich mich auf in diese Stadt. Auch hier hatte es am Nachmittag sehr viele (Tages-)Touristen. Am Abend waren die engen Gassen dann fast menschenleer. Natürlich genehmigte ich mir ein Bier und stieg dann zu Fuss hoch zur 260 m.ü.M. gelegenen Festung, von der man eine tolle Aussicht auch Bucht und Stadt hat. Am Abend ass ich im Montecristo’s ein ausgezeichnetes Tuna-Carpaccio sowie einen Sea-Brass und trank ein Glas montenegrinischen Rotwein. All das ist sehr preiswert hier. Ein grosses Bier kostet 2.20 €!
Km: 2546
Mi, 27.05.2015: Mt. Lovcen (Nationalpark)
Ich blieb einen weiteren Tag in Kotor. Von der iranischen Touristenorganisation wurde ich mehrfach gefragt, ob ich mit einem eigenen Fahrzeug anreise. Ich war aber auf diese Frage gewappnet und verneinte auf Anraten von „caravanistan“, dem sehr hilfreichen Info-Portal zu Zentralasien. Ich bezahlte 30 € auf ein schwarzes Konto in Berlin ein und hoffe auf die baldige Registrationsnummer, mit der ich in Istanbul mein Visum kriegen sollte. Heute wurde auch klar, dass ich Azerbaijan wohl nicht bereise, weil der ideale Zugang nach Iran im Osten der Türkei liegt. Ich werde also Georgien und Armenien und dann auch noch Nagorno-Karabach (visafrei) bereisen, dann nochmals zurück in die Türkei fahren, um dann mit dem Abenteuer Iran zu beginnen. Dies sollte so Mitte Juli sein. Dann hatte ich auch noch einen schwierigen Kontakt mit der uszbekischen Reiseorganisation. Die verlangen von mir eine Bestätigung meiner Arbeitsstelle, sodass ich sofort Hansjörg schrieb (mit der vorbereiteten Bestätigung), der mir dieses Papier unterschreiben und abstempeln soll. Erst dann kriege ich die Kontonummer, auf die ich 70 $ für meine LOI bezahlen kann. Eine solche LOI wäre für mich als Schweizer gar nicht nötig gewesen. Die Erfahrung zeigt aber, dass man schneller zum Visum kommt, wenn man ein solches Papier vorweisen kann.
Einen weiteren Kontakt hatte ich mit Hendrik aus China, der mir mitteilte, dass unterdessen Reisen ohne Begleitung nicht mehr geduldet werden. Er wird mir ein Angebot machen, was eine begleitete Reise durch China für zwei oder eine Person kosten würde. Erst dann werde ich mit Ed aus England wieder in Kontakt treten – der dritte hat sich unterdessen für andere Reisepläne entschieden…
Das gute Wetter heute lud aber auch noch für einen Ausflug ein. Eigentlich wollte ich direkt hoch zum Lovcen-Nationalpark fahren, verfehlte aber die Abzweigung und fuhr bis Budva ans Meer, wo ich links Richtung Berge und Cetinje abbog. In vielen Kehren stieg die Strasse hoch bis zu einem Pass. Was für Aussichten auf Meer und Küste! In Cetinje war die kleine Strasse Richtung Lovcen beschildert und war leicht zu finden. Auf dem „Säntis Montenegros“ (1560 m.ü.M.) hat man eine traumhafte Rundsicht, unter anderem zum Skadar-See nahe Shkodra (Albanien). Ich blieb einige Zeit auf diesem Berg und genoss die Rundsicht, diskutierte mit drei österreichischen und zwei Berner Motorradfahrern über deren und meine Tour. Netter Kontakt! Die direkte Rückfahrt über eine sehr schmale, aber geteerte Strasse war einfach nur atemberaubend. 25 Kehren waren zu bewältigen. Die Sicht auf Kotor, Buchten, Mittelmeer – traumhaft!
Am Abend spazierte ich nochmals zum Montecristos, ass erneut hervorragend und krendenzte in einer Bar ein Bier. Unterdessen hatte ich Kontakt mit Guido (15-minütiges Telefon) und Hansjörg, der mir meine Arbeitsbestätigung innert nützlicher Frist wohl ausstellt…
Km: 2615
Do, 28.05.2015: Kotor – Ulcinj – Shkodra – Theth Nationalpark (Albanien) – das erste wirkliche Abenteuer
Diese traf um neun Uhr ein und ich sandte sie gleich weiter nach Uzbekistan. Nochmals war ich am Morgen mit allerlei Administrativem beschäftigt.
Jetzt sitze ich unter der warmen Decke im Gästezimmer einer albanischen Familie kurz vor Theth, das umgeben ist von den höchsten Bergen des Landes. Es ist empfindlich kühl. Eben noch war ich in der ganz einfach (gemütlich ist für unsere Begriffe anders…) eingerichteten Stube, in der im ebenerdig angelegten Ofen ein wackeres Feuer loderte. Sehr angenehm, sich vor dem Schlafen noch einmal etwas aufzuwärmen. Leider bin ich der albanischen Sprache nicht mächtig, und sie kennen meine Sprachen nicht; wenigstens kann man sich mit sehr wenig italienischen Brocken ganz wenig verständigen.
Die Fahrt Richtung Südosten heute Mittag verlief wenig spektakulär. Um die Mittagszeit ist Kotor wieder voll mit fotografierenden Tagestouristen, mehr ärgerte ich mich aber über den starken Verkehr, der mich bis nach Budva nur schlecht vorwärtskommen liess. Als der Verkehr endlich etwas abnahm und ich endlich etwas Gas geben konnte, passierte das, was ich schon seit einiger Zeit erwartet hatte. Ein Polizist hielt mich auf, weil ich laut seiner Radarpistole mit 78 km/h unterwegs war – statt der 50 innerorts, wobei man an dieser Stelle kaum mehr von innerorts sprechen kann. In der Schweiz hätte ich wohl gröbere Probleme bekommen, hier wurde ich mit 50 € gebüsst. Dafür hätte ich ins benachbarte Bar fahren müssen, um den Betrag bei einer Bank einzuzahlen. Nach einiger Diskussion liess sich der Polizist schliesslich aber doch schmieren. Ich zahlte ihm 30 € bar auf die Hand (deren 20 hätten wohl auch genügt), und gut war’s…
Ich fuhr küstenabwärts bis Ulcinj, Montenegros alter Piratenstadt, die vor 200 Jahren als Sklaven-Umschlagplatz (vor allem Afrikaner!) diente und sehr berüchtigt und gefürchtet war. Die Strasse schlängelte sich dann landeinwärts an eigenartigen, scheinbar immer gleich aussehenden Felsformationen entlang, bis ich endlich die Grenze Albaniens erreichte. Problemloser Grenzübertritt. Bald hatte ich Shkodër erreicht, in der Hunderte, wenn nicht Tausende Wahlfähnchen hingen. Die Stadt ist arm und heruntergekommen. Immerhin wechselte ich hier 50 € in 6920 Lëke. In der Stadt war gar nichts beschildert, aber intuitiv fand ich doch den richtigen Ausgang. In Koplik fand ich den richtigen Abzweiger Richtung Theth Nationalpark. Die Strasse hier war schmal, aber wurde je länger desto besser. Die Hügelzüge auf beiden Seiten wurden höher und höher und wuchsen allmählich zu Gebirgen. Allmählich begann die Strasse absolut unerwartet immer mehr anzusteigen, die Ausblicke in diese wilde, unberührte Landschaft, in der es noch Bären und Wölfe gibt, wurden immer zauberhafter. Allmählich wurde es immer kälter, aber ich mochte nicht anhalten, weil ich beinahe schon ahnte, was mich erwarten würde. Endlich hatte ich die Passhöhe auf 1700 m.ü.M. erreicht. Hier standen drei österreichische Motorradfahrer, die mir nicht gerade empfahlen weiterzufahren, denn die fein geteerte Strasse fand an dieser Stelle ihr Ende. Meine Fahrkünste mit grossem Gewicht sollten jetzt also auf die Probe gestellt werden, denn ich dachte nicht im Geringsten daran, kehrt zu machen. Tatsächlich war die Strasse hier sehr rauh mit grobem Kies oder veritablen Felsklötzen, denen es jetzt auszuweichen galt. Zudem wurde das Gefälle, diesmal gegen unten, immer grösser. 17 km sollten auf diese Weise zurückgelegt werden – ich brauchte fast eine Stunde dafür. Gleichgewichtssinn war gefragt, und dieser war glücklicherweise genügend gross, um mein braves Gefährt ohne Zwischenfälle zu Tal zu bringen. Schade hatte ich nicht mehr Gelegenheit, diese grandiose Bergwelt zu bestaunen; tatsächlich war ich jetzt im Hochgebirge angelangt.
Ich hatte Theth noch nicht erreicht, da machte ich schon halt bei einem grossen steinernen Landsitz, wo Zimmer angeboten werden (Cahn). Für 20 € kriege ich Vollpension, schlafe in einem urigen, kleinen Steinzimmer. Der Herr des Hauses bekochte mich am Abend (Hase und Wildschwein!), dazu extrem saures Joghurt mit extrem festem, herrlich schmeckendem Honig. Erst später erschienen Brüder und Mutter und setzten sich mit uns ans Feuer. Zwar kann ich mit der rauen Art der Menschen hier nicht richtig warm werden, und doch fühle ich mich sehr sicher.
Und was ist jetzt zu tun? Kein TV, keine Gesprächspartner, kein Raki, kein Bier mehr, und lesen mag ich nicht. So schlafe ich denn halt, um morgen früh diesen spannenden Nationalpark zu erkunden.
Km: 2830
Fr, 29.05.2015: Valbona-Pass-Wanderung und eine sehr nette albanische Familie
Nach dem üppigen Frühstück mit Eiern von den rund ums Haus wackelnden Hühnern, ganz speziellem em, extraprima albanischem Honig und herrlicher Frischmilch fuhr ich den überhaupt nicht besser werdenden Weg (Strasse kann man das ja nicht bezeichnen…) weiter talwärts Richtung Theth. Dies war insofern einfacher, dass ich mein Gepäck im Haus zurückgelassen hatte. Aber da war ein kleiner Fluss zu überqueren, und ich schaffte es, diesen zu überqueren, ohne nasse Füsse zu bekommen. Theth ist ein weitläufiges Dorf, in dem unterdessen einige Guesthäuser entstanden sind. Aber die liess ich links liegen, bis ich nicht mehr weiterkam und Kontakt hatte mit einer einheimischen Familie, dessen Vorfahren schon seit Jahrhunderten hier leben und Katholiken sind (die Türken haben seinerzeit diese so abgelegene Gegend damals nicht infiltriert und den Islam zumindest hier nicht ins Land gebracht). Sofort wurde ich zu Kaffee und Raki eingeladen (und das morgens um neun Uhr).
Ich überlegte unterdessen, was ich heute machen wollte und entschloss mich schliesslich, mit dem sympathischen, aber nicht Englisch sprechenden Vater der Familie auf eine Wanderung zu gehen. Die Familie lebt in einem sehr einfachen Haus, da springen junge Hunde und Katzen herum, hinter dem Haus befindet sich ein Garten, in dem Weizen und Hirse angepflanzt ist. Der Sohn der Familie spricht ganz gut Englisch, aber die Rollen sind wie erwartet ganz typisch verteilt. Wir Männer sitzen auf ausgeleierten Sesseln, während uns Emelinda, die Tochter des Hauses, Kaffee auftischt.
Um halb elf Uhr ging es los. Wir wollten zum Valbona-Pass hochsteigen, um an diesem herrlich sonnigen Tag die grandiose Aussicht auf die hiesige Bergwelt zu geniessen. Eigentlich hätte ich den Weg zum Pass bestimmt selber gefunden, aber ich wollte dieser Familie etwas Gutes tun und investierte die 25 €, um sie etwas zu unterstützen. Wir passierten einige Häuser, wo in den Feldern tüchtig gearbeitet wurde. Der Weg stieg erwartungsgemäss bald sehr massiv an, Thomas wählte aber bald seine geheimen Wege, welche die Strecke zwar steiler, aber dementsprechend auch kürzer machte. Wir passierten ein Haus Hoxhas aus der Kommunisten-Zeit, wo Einheimische gezwungen wurden, auf inzwischen aufgegebenen Felder für die Allgemeinheit zu arbeiten. Die Natur hier ist absolut unberührt, die Wiesen blühen in voller Pracht, wie ich das bei uns noch nie erlebt habe. Je höher wir aufstiegen, umso gewaltiger waren die Aussichten auf die wirklich hochalpinen Berge. Wir kämpften uns querfeldein durch dichte Buchenwälder – es schien mir unendlich lang, bis wir diese endlich verlassen durften. Dann stiessen wir auf den gut bezeichneten Wanderweg, und es war nicht mehr weit bis zum Pass. Dort angelangt, stiegen wir noch in einigen Minuten auf einen nahen Berg, auf dem die Aussicht auf die noch mit Schneefelder bedeckten Berge noch grandioser wurden. Da hatten wir doch tatsächlich 1100 Höhenmeter zurückgelegt… Ich wurde von Thomas verpflegt mit kalter Gemüse-Hirse-Lauch-Suppe, Frischkäse, eingemachten Tomaten (!), Sardinen und einer leckeren Joghurt-Knoblauch-Lauch-Sauce, dazu einem fritierten Brot und natürlich einem Fläschen Rakija. Wiederum musste ich mich wirklich überessen. Der Abstieg war dann ein Klacks. Schnell waren wir wieder im Dorf, nicht ohne uns vorher an verschiedenen Quellen mit herrlichem Wasser zu laben.
Wiederaus wurde ich überaus freundlich empfangen, sofort standen Kaffee und Raki da, ich wurde auch noch begrüsst von der zweiten Tochter des Hauses, Valentina. Anschliessend gingen wir zur nahen Bar des Bruders des Hauses, wo wir Tirana-Bier oder Energy-Drinks kredenzten. Wir lachten viel, weil die Mutter unbedingt einmal mit meinem Motorrad fahren will. Schliesslich entschloss ich mich, morgen zu dieser Familie in ihr sehr einfaches Haus (wir schlafen alle gemeinsam in einem Zimmer!) zu ziehen. Dann fuhr ich hoch zu meinem Guesthouse, wo es noch ein Bier gab. Zudem kocht der Herr des Hauses wohl eine weitere Überportion…, aber ich möchte hier noch duschen, am neuen Ort wird es keine Dusche geben. Jetzt sitze ich auf der Terrasse, beobachte die dauernd Futter suchenden Hühner. Es ist ein herrliches Bild: blühende blau-violette Blumen, deren Namen ich nicht kenne und im Hintergrund der mächtig posierende Gryka e Haper. Aber das Ziel ist es ja, noch den höchsten Berg Albaniens, den Jecercës (2693 m.ü.M.) zu besteigen, wofür ich morgen allerdings wohl noch zu müde bin…
Es ist erneut kühl heute Abend, ich habe die gekauften, selbst gestrickten Wollsocken der Hausmutter angezogen, die letzte Dusche für einige Tage ist auch gemacht, auch wenn nur ein Rinnsal aus der Dusche kam, aber wenigstens warm…
Km: 2858
Sa, 30.05.2015: Bei der Theth-Familie und Action-Trip zum Blue Eye
Am Morgen war ich nicht mehr so sicher, ob ich hier wirklich nochmals die Unterkunft wechseln möchte. Zudem hatte ich auf mein Benzin zu warten, das ich gestern bei meinem Hausherrn bestellt hatte. Leider kam dieses mit zweieinhalbstündiger Verspätung. Natürlich überzahlte ich das Benzin etwas, aber ich war wenigstens froh, genug Treibstoff zu haben, um wieder aus diesem Tal herauszukommen. Ich hatte nicht mit derartigen Strassen gerechnet, und das Benzin wurde wirklich knapp, und ich wollte lieber vorsorgen.
Schliesslich warf ich meine Pläne nicht über den Haufen und fuhr eine weitere Viertelstunde talwärts, durch einen ziemlich strömenden Bach. Bei meiner Familie angelangt, wurde ich von den Nachbarn gleich zum Essen eingeladen mit reichlich Raki. Nachher fuhr ich mit Samuel weiter talabwärts Richtung Blue Eye. Fahren über solche Strassen sind echt eine körperliche Herausforderung. Auf halbem Weg trafen wir auf zwei Motorradfahrer aus Zürich und Deutschland, welche heute das ganze Tal durchfahren möchten – 4 ½ Stunden nach Shkodër… Wir fuhren über extrem rauhe Strassen weiter Richtung eine Schlucht, wo wir parkierten und eine halbe Stunde auf der rechtsseitigen Flanke der Schlucht bergaufwärts wanderten, bis sich das Tal wieder öffnete. Der Ort ist touristisch ganz einfach erschlossen. Der Fluss stürzt sich hier über einen engen Wasserfall in die Tiefe in ein Becken, das blau-schwarz schimmert. Zwar war das Wasser eiskalt, aber ich konnte es mir nicht verkneifen, in dieses kristallblaue Wasser zu springen. Wunderbare Erfrischung, aber ich hielt es nicht lange aus im Wasser! Ich belohnte mich mit einem Bier, wir genossen die Ruhe hier. Der Rückweg wurde noch rauher als der Hinweg. Auf halbem Weg stellte der Motor bei einer extrem üblen Stelle ab, und er wollte nicht mehr anspringen. Auch Anrollen brachte nichts. Ich befürchtete, dass der Öltank leer ist, aber nachdem sich der Motor etwas abgekühlt hatte, sprang der Motor wieder an, und mit Hängen und Würgen schafften wir es nach Hause. Erkenntnis: Solche üblen Gravel-Roads halte ich wohl nicht einen ganzen Tag aus, schon gar nicht mit Gepäck. Aber alles war noch einmal gut gegangen. Aber mir graut es schon, den Rückweg über diesen Pass in Angriff zu nehmen. Das Bier zur Erholung tat wirklich sehr gut. Schade, dass ich kein Albanisch verstehe. Die Mutter des Hauses spricht zwar etwas Italienisch, Samuel und die Töchter etwas Englisch, aber gerne würde ich etwas mehr von Leben hier erfahren.
Jetzt sitze ich vor diesem Bretterverschlag, die Menschen sind sehr nett, aber im Inneren des Hauses ist es sehr schmuddelig. Jetzt wird gekocht – eine weitere Magenprobe… Das Essen mit Ei und frisch gebackenem Brot war passabel. Natürlich wurde das Ganze mit Raki, dem Pflaumenschnaps gelöscht. Die Mädchen des Hauses hatten natürlich ein Auge auf meinen PC geworfen. Sie hatten riesige Freude, zu ihren Hits, von denen ich wenigstens einige dabei hatte, zu hören oder zu singen. Aber ich wollte früh schlafen gehen. Der Geruch im Haus war nicht gerade angenehm, mal schauen, ob ich da ohne Läuse und Flöhe und Durchfall durchkomme. Gleichwohl schlief ich bestens in meinem Schlafsack, die alten Wolldecken dienten nur der Isolation…
Km: 2895
So, 31.05.2015: Der Versuch, den Jecercës zu besteigen…
Schon um Viertel nach fünf Uhr hiess es aufstehen. Sofort waren Kaffee und Raki (!) bereit, auch ein gutes Omelett, bevor ich mit Thomas wiederum eine üble Gravelroad Richtung Jecerces, dem höchsten Berg Albaniens fuhr. Immerhin waren da schon 200 Meter Höhendifferenz gemacht. Wir parkierten bei einem Guesthouse, das von einem Bekannten Thomas geführt wird. Thomas kennt wohl jeden hier, denn seine Familie lebt schon seit vielen Generationen an diesem abgelegenen Fleck Erde. Theth besitzt keine Schule, die Kinder arbeiten zu Hause, holen sich aber gleichwohl ihre Bildung, können problemlos lesen. Ich war erstaunt, aber auch nicht überrascht, wie schnell sie mit meinem PC umgehen konnten. Was gleich ist – die Jungen hören dieselben Hits wie unsere Kinder in der Schweiz.
Um Viertel nach sechs Uhr begann der Aufstieg durch ein noch weites Tal, zuerst ganz sanft, aber immer steiler werdend. Bald türmte sich eine riesige Felswand vor uns auf, aber der Weg schlängelte sich einem Felsband entlang aufwärts. Es war sehr anstrengend. Als wir diese erste Stufe überwunden hatten, kamen wir bald auf eine weite Alp mit einigen zerfallenen Steinhütten. Die Wiesen hier oben zeigten sich in ihrem schönsten Frühlingskleid. Was für Farben all dieser kleineren und grösseren Blumen. Es hatte so viele wilde Krokus, dass man eine Armee mit Safran hätte versorgen können! Wir hatten noch keine 2000 m erreicht, da hatten wir die ersten Schneefelder vom vergangenen Winter zu überqueren. Und je weiter wir aufstiegen, um so breiter und tiefer wurden diese, aber sie waren durch die Sonne unterdessen wenigstens aufgeweicht, sodass man seine Spur in den Schnee ziehen konnte. Aber ich war nur mit Turnschuhen ausgerüstet, und die Schneefelder wurden steiler und steiler. Ohne mir etwas zu sagen – oder ich verstand Thomas einfach nicht – er sprach nämlich nur Albanisch, änderte er die Route, und wir stiegen zu einem Pass hoch. Dabei rutschte ich mit Absicht wie ein Skifahrer ein Schneefeld hinab, unter staunenden Augen des Albaners. Hier war der Aufstieg leichter zu bewerkstelligen, und wir erreichten den Pass auf 2300 m.ü.M. um die Mittagszeit.
Gerne wäre ich noch weitergegangen. Ich hätte auch durchaus Möglichkeiten gesehen, über Felsbänder d e n Berg doch noch zu erreichen, aber Thomas wollte partout nicht auf meinen Vorschlag eingehen. Er hatte offenbar mehr Angst und weniger Erfahrung mit Schnee in den Bergen als ich. Gleichwohl gab ich nach, denn jetzt folgte ein Riesenspass. Ich rutschte über diverse Schneefelder talwärts, einiges an Höhendifferenz war auf diese Weise ganz schnell zurückgelegt. Wir assen unseren Lunch, Omeletten, Zwiebeln, frischen Käse. Frisch gestärkt hatten wir die Alp mit den verlassenen Schneehütten erreicht. Auch bei letzten Abstieg waren wir im Schnellzugstempo unterwegs, aber ich war doch froh, wieder beim Töff anzukommen, denn die zweimal 1400 m Höhendifferenz spürte man doch einigermassen in den Beinen. Das Bier war danach extraprima. Zurück bei unserem Haus sass die ganze Familie schon vor dem Haus versammelt. Sofort gab es Kaffee und Raki, es wurde gescherzt und gelacht, und natürlich verlangte Valentina erneut nach meinem Computer, um noch einmal ihre Musik zu geniessen. Die Mutter war am Brotbacken in ihrer sehr einfachen Küche, da wurden Makaroni und Gemüsekuchen aufgetischt, aber ich konnte einfach nicht mehr, dann sassen wir lange in der Stube, der wichtigste Aufenthaltsraum vor allem im Winter, wenn der Ort tief eingeschneit ist. Wochenlang ernährt sich die Familie von den angelegten Vorräten und kann wegen des vielen Schnees das Haus kaum verlassen.
Km: 2910
Mo, 01.06.2015: Fahrt nach Shkodër
Schon am Vortag war mit einigermassen bange, wie gut ich es schaffen würde, mit all meinem Gepäck wieder den Pass hochzufahren, von dem her ich gekommen war. Ich begann zusammenzupacken, nicht wirklich zur Freude der Familie. Beim Packen kam mir das Memory in die Hände, das ich von den Oberbürer Dritt- und Viertklässlern geschenkt bekommen hatte. Ich hatte keine Chance, gegen die zwei Mädchen zu gewinnen.
Der Tourismus an diesem Ort, von wilder Schönheit und umgeben von hohen Bergen, ist allmählich am Wachsen. Guesthäuser sind entstanden und warten auf Besucher, aber solange die Strasse in so üblem Zustand ist, wird es noch eine Weile dauern, bis so viel Geld hereinkommt, um wirklich gut leben zu können. Bekannt ist die Strecke über Theth offenbar bei Motorradfahrer, von denen man hier recht viele sieht und auch die 80 km Gravelroad bis nach Shkodër unter die Räder nehmen. Nicht ich – das wäre mir dann doch zu wild und anstrengend. Es erfordert eine gute Kondition vor allem in den Oberarmen, um die Maschine im Gleichgewicht halten zu können. Und diese habe ich scheinbar nicht (mehr). Ich unterstützte die Familie für ihre Dienste mit 100 €, das ist sehr viel Geld hier. Vielleicht ist es ein Anfang, um auch etwas aufbauen zu können. Ich wurde sehr herzlich verabschiedet und nahm den holprigen Aufstieg in Angriff. Je höher ich aufstieg, umso besser kam ich vorwärts. Ich war hier gleichsam in der Lehre, wie man auf solchen „Strassen“ fährt. Und ich weiss, was für mich möglich ist und was nicht. Ich war glücklich, die Passhöhe erreicht zu haben, traf auf eine polnische Töffgruppe. Die Abfahrt Richtung Shkodër war absolut problemlos und geradezu schon erholsam.
Kurz vor Shkodër ging ich auf ein Schild am Strassenrand ein und fuhr zwei Kilometer Richtung Skadar-See, der so gross ist wie der Bodensee, und fand einen extrem sauber gehaltenen Camping-Platz (Lake Shkodra Resort). Neben vier bayrischen Töfffahrern stellte ich zum ersten Mal mein Zelt auf. Dann gab’s einen Reinigungsschwumm im schon warmen See – in Theth hatte ich keine Gelegenheit mehr zu duschen, ich fühlte mich klebrig und schmutzig. Nachher wusch ich die Kleider und genoss eine ausgezeichnete Pizza mit zwei Kübeln eisgekühlten Bieres.
Ich sass einige Zeit am Strand – der Himmel verfärbte sich am Abend zwischen rosig und hellblau. Ich kam ins Gespräch mit den Deutschen, welche jetzt aber schon schlafen. Ich lausche dem Quaken der Frösche, aber sonst ist es sehr ruhig hier. Mal schauen, ob ich in der Nacht genug warm habe…
Km: 2984
Di, 02.06.2015: Tag am Skadar-See
Es fühlte sich hier zu schön an, um schon wieder abzuhauen. So wollte ich noch einen Tag länger bleiben, genoss den See (in dem es allerdings Blutegel gibt…, mich packte aber keiner), schrieb und bekam einige viel versprechende Mails. Die beiden Visa für Uzbekistan und Iran sollten auf den Botschaften in Istanbul bereitliegen, wenn ich dann dort ankomme. Zudem hatte ich nochmals Kontakt mit Hendrik aus Tibet, der mir noch einmal zwei Angebote machte wegen der China-Durchreise. Alleine zu reisen würde mich 12‘000 US$ kosten. Zu zweit kostet es gut die Hälfte. Hendrik schrieb aber noch von einem weiteren Interessenten, der in seinem Toyota RAV das gleiche Routing nehmen möchte. Der chinesische Begleiter könnte in diesem Auto mitfahren, was den Trip erheblich verbilligen würde. Ich habe auch Ed aus England nochmals geschrieben und hoffe jetzt auf weitere Rückmeldungen. Am frühe Nachmittag kamen auch die Oberbayern wieder zurück von ihrem Kurztrip auf die Passhöhe Richtung Theth. Wir tranken Bier, ich ass King Prawns für 8 €, wir kosteten albanischen Merlot-Wein. Schliesslich sass ich mit zweien noch lange bei Raki und Kaffee.
Km: 2984
Mi, 03.06.2015: Shkodër – Koman – grossartige Fährfahrt – Fierzë – Prizren (Kosovo)
Wiederum galt es, den ganzen Kasumpel zusammenzupacken, Ordnung in die wild zerstreuten Habseligkeiten im Zelt zu bringen. Jetzt galt es endlich, wieder etwas weiter gegen Osten vorzudringen.
Shkodër war bald erreicht und durchfahren. An einer Tankstelle hielt ich an, um einen halben Liter Öl nachzufüllen. Ich fuhr zuerst Richtung Tirana. Ich überholte Pferdefuhrwerke, beladen mit Holz und fand die Abzweigung Richtung Kukës gut, die war sogar markiert.
Nach weiteren 20 Kilometern bog ich links ab zum Koman-Stausee. Ich hatte grosses Glück, denn erst seit drei Tagen gibt es wieder eine Fähre, welche Koman am Südende mit Fierzë am Nordende dieses langen, schmalen, von hohen Bergen gesäumten Stausees verbindet. Ich war gut informiert und erreichte Koman kurz vor elf Uhr. Da war zuerst eine Parkgebühr von 1 € (!) zu bezahlen. Da fuhr die nigelnagelneue Fähre von Fierzë kommend schon heran, und ich konnte problemlos auf Deck fahren (11 €). Die Fähre war nur halb gefüllt. Pünktlich um 12 Uhr setzte die Fähre ab. Die Fahrt war einfach nur hervorragend. Der See ist meist kaum 500 m breit, aber die Natur hier absolut unberührt. Wir passierten riesige, sich die Hänge hochwachsenden Wälder, zu Anfang nur grössere Hügel. Je mehr wir gegen Norden fuhren, umso gewaltiger wurden aber die Gebirge vor allem auf der linken Seite. Da waren sie wieder, jene gleichen Berge, noch mit Schnee besetzt, die im Moment noch nicht so leicht zu besteigen sind. Dieser See verläuft jedoch nicht gradlinig; wir fuhren von einer in die nächste imposante Bucht. Nur etwas störte: Je länger wir fuhren, umso mehr schwamm vom Wind dahergetragener Plastikabfall im tiefblauen Wasser. Je weiter östlich man fährt, umso kleiner scheint das Umweltbewusstsein der Menschen zu sein. Dabei sind kaum Siedlungen auszumachen. Da steht einmal ein Haus, karge, mit Steinen eingezäunte Felder, aber kaum ein Mensch zu sehen. Erreichbar sind diese Häuser wohl nur per Boot. Weit und breit sind keine Strassen und Wege zu sehen.
Ich sass ganz zu vorderst auf Deck. Der Wind nagte an der wehenden albanischen Flagge. Die Aussicht hier war einfach genial. Nach schon fast zwei Stunden Fahrt zeigte sich auf der linken Seite eine sich um die Felsen windende Strasse, welche in irgendein Bergdorf in den Bergen führt. In Fierzë, in dem eigentlich gar nichts ist, steht noch das Wrack der alten Fähre, die noch bis vor drei Jahren gefahren war. Eigentlich wollte ich von hier noch die aufgegebenen Bergminen im Norden Albaniens besuchen, aber das waren ja viele Abzweigungen, aber ich fand die richtige nicht. So fuhr ich an Bayram Curri vorbei Richtung Norden zur Grenze Kosovos (Morine). Unglaublicherweise gilt in diesem Land die in der Schweiz abgeschlossene Versicherung nicht (auch die Green Card half nichts). Ich hatte eine extra Versicherung für 15 € abzuschliessen, wurde dann aber sehr freundlich ins Land eingelassen. Die Fahrt nach Prizren, der zweiwichtigsten Stadt Kosovos, war wenig spektakulär und ordentlich verkehrsreich. In der Stadt fand ich nach einigem Suchen im neuen, aber etwas schmucklosen Hotel Antika, eine gute Unterkunft (35 € - zu zweit zu reisen wäre billiger und hätte gleich viel gekostet…).
Als ich am frühen Abend die Altstadt noch etwas erkunden wollte, traf ich noch vor meinem Hotel auf drei pensionierte Engländer, die auf ihren alten BMW-Motorrädern im Balkan unterwegs waren. Wir kamen sofort ins Gespräch, tranken zwei Bier in der Happy-Hour (0.60 €!). Diese drei Wahnsinnigen waren mit ihren alten Maschinen auch schon in Süd- und Nordamerika unterwegs und zeigten mir ihre Blogs. Fast gleichzeitig trafen wir auf zwei ganz besondere Traveller, einen Amerikaner (Kevin) und eine Schweizerin (Brigitte) aus St.Gallen (!), die bereits seit zweieinhalb Jahren unterwegs sind. Sie sind eben aus Südamerika nach Pristina (!) gereist und machen sich einen Spass daraus, möglichst günstig zu fliegen (50 $ für Dubai – Sofia etc.). Sie bleiben den Sommer über in Osteuropa, um im nächsten Winter noch einmal nach Südamerika zu reisen… So kann man auch leben… Und so trifft man sich – in Prizren im Kosovo…
Mit den Engländern gab es danach ein deftiges kosovarischen Mahl (Grill-Platter) und herrlich frisch gebackenen Fladenbrot mitten im Zentrum. Es ist jetzt schon viel los in dieser Stadt. Da flanieren auffallend viele hübsche kosovarische Girls in den modernsten Kleider und bester Aufmachung, gleichzeitig singt hinter uns die Moschee, aus der verhüllte Damen austreten. Es ist also vieles möglich in diesem Land, man geht recht offen mit Verschiedenheiten um. Aber noch steht Kosovo im Zwist mit Serbien, das die Unabhängigkeit des Landes nicht anerkennen will, im Gegensatz zu den meisten EU-Staaten. Ausserdem ist es sehr auffallend, dass hier viele Leute Deutsch sprechen, eine Vergangenheit in Deutschland oder der Schweiz haben. Mit Jerry spazierte ich noch etwas länger durch die Gassen, es gab ein weiteres Bier, aber vor Mitternacht war es schon merklich ruhiger geworden in der Stadt.
Km: 3214
Do, 04.06.2015: Prizren – Skopje (Mazedonien) – Kumanovo – Blagoevgrad (Bulgarien) - Bansko
Die drei Engländer sind etwas langsamer unterwegs als ich und wollten heute nur bis Skopje (Mazedonien) reisen. Ich wollte etwas länger fahren und Bansko in Bulgarien erreichen. Es hatte den richtigen Ausgang aus Prizren recht schnell gefunden und fuhr hoch zu einem 1540 m.ü.M. gelegenen Pass (Shtërpcë), zuerst durch eine Schlucht in ein weites, kontinuierlich aufsteigendes Tal. Auf der Passhöhe wurde ich überrascht durch viele Schulklassen, die anlässlich eines Schulausfluges mit ausgemusterten Schweizer Cars (noch angeschrieben mit Spiez – Krattigen oder vom Vallée des Joux) hier hochgefahren waren.
Abenteuerliche uralte Vergnügungsbahnen standen hier oben, es war ein richtiggehendes Gewusel an Menschen, vor allem Kindern, die sofort den Kontakt mit mir suchten und einige englische oder deutsche Brocken auspackten. Aber man kann sich kaum vorstellen, welch ein Abfallchaos hier oben herrscht. Die Wiesen sind übersäht mit Plastiksäcken und -flaschen, Abfalleimer sucht man vergebens. Es ist einfach nur schweinisch, wie man hier mit der Natur umgeht.
Dank der guten Strasse erreichte ich bald die Grenze Mazedoniens einige Kilometer vor Skopje. Hier traf ich nochmals auf die drei Engländer, die ohne Green Card unterwegs waren und für eine Unfallversicherung für zwei Tage in diesem Land je 50 € zahlten… Ich konnte die Grenze unbehelligt überschreiten, auch wenn man ein ganz grosses Auge auf mein Motorrad warf. Bald fand ich mich wieder auf der gut ausgebauten Autobahn, verfehlte jedoch die richtige Abzweigung und fuhr statt Richtung Belgrad südlich gegen Athen. Dies merkte ich bald und konnte bei einer Autobahnraststätte auf einem Gravelweg die Autobahn unbehelligt verlassen und kam so um das Bezahlen der Autobahngebühr herum… Dafür war ich jetzt im Middle of Nowhere und musste mich zuerst wieder orientieren. Aber die Menschen hier halfen nur zu gerne, waren ausserordenlich nett, um mich wieder in die richtige Richtung zu weisen. Bald hatte ich die richtige Autobahn erreicht und fuhr ein nach Kumanovo. Besser hätte ich diese Stadt umfahren, aber ich fuhr durch das wenig sehenswerte Zentrum, um nach dem richtigen Ausgang zu suchen. Die Strassenschilder waren unterdessen meist in Kyrillisch angeschrieben, aber ich fand eine Nebenstrasse Richtung Kriva Palanka und sah auch bald die Hauptstrasse, auf die es aber lange einfach keine Einfahrt gab. So fuhr ich parallel zur herrlich ausgebauten Strasse auf einer mit Löchern durchsetzten Kleinstrasse, die eher einem Weg glich. Bei einer Unterführung schaffte ich aber, ein steiles Bord hochzufahren und endlich auf der richtigen Strasse zu sein, denn ich sollte dringend etwas vorwärtskommen, weil noch viele Kilometer auf mich warteten.
Aber erwartete mich schon das nächste Ungemach. Schwarze Wolken türmten sich vor mir auf, Blitze zuckten am Himmel, und ich fuhr geradewegs in diese Gewitterfront hinein. Als die schweren Tropfen endlich zu fallen begannen, machte ich kehrt und stoppte bei einer ausgemusterten Tankstelle, wo mich ein älterer Einheimischer überaus freundlich begrüsste und mir hervorragende Pork-Chops, frischen Salat und einheimischen Käse servierte. In dieser Zeit zog die Front scheinbar vorüber. Als ich wieder startete, war es hell, aber nicht lange, die nächste Front brauste schon heran. Als die ersten Tropfen fielen, hielt ich an am Strassenrand, rüstete mich für Regen aus und geriet in den nächsten Minuten in einen wahren Wolkenbruch. Blitze schlugen gleich neben mir ein. Ich weiss nicht, ob der Faraday’sche Käfig auch auf einem Motorrad wirkt… Aber schliesslich schlängelte ich mich offenbar durch die Blitze, die mir nichts antun konnten. Nach einem Tankstop und wieder trockenem Wetter fuhr ich hoch zur mazedonisch-bulgarischen Grenze. Der Zollbeamte hier nahm es offenbar überaus genau und ich hatte fast eine Stunde zu warten, bis ich endlich drankam. Probleme machte vor allem derjenige bei der Ausreise! Die Einreise nach Bulgarien ging dagegen sehr flott von statten. Unmerklich war ich zu einem Pass hochgefahren. Dies merkte ich auf der bulgarischen Seite, als die Strasse steil abwärts, aber schnurgerade Richtung Kjustendil führte. Von hier ging’s über Nevestino nach Blagoevgrad und weiter bis zur Abzweigung Richtung Bansko. Die Strasse ist hier hervorragend ausgebaut, aber es war unterdessen schon fast acht Uhr (eine Stunde Zeitverschiebung). Bansko ist d e r Skiort Bulgariens, auch bekannt wegen seiner Ski-Weltcup-Rennen, und war wie seinerzeit Cortina absolut menschenleer. Nur einige Einheimische beigten ihr Holz, sassen bei einem Kaffee. Es ist offensichtlich Zwischensaison. Es war auch nicht leicht, mein Hotel Avolon wieder zu finden, das ich schon vor vier Jahren besucht hatte. Ich wurde herzlich empfangen; natürlich war ich der einzige Gast. Aber es hatte genügend Bier, und die anschliessende Dusche tat gut. So sitze ich auf der Terrasse im dritten Stock und sehe über die orangen Dächer Banskos und warte, bis die nächste schwarze Gewitterfront kommt, diesmal auch Norden, besonders unheimlich bei einbrechender Nacht.
Km: 3532
Fr, 05.06.2015: Ruhiger Tag in Bansko
Eigentlich war für heute schlechtes Wetter angesagt, deshalb entschloss ich mich noch gestern, in Bansko einen Tag länger zu bleiben und an meinem Blog zu arbeiten. Die Wetteraussichten sind für die nächsten Tage wieder gut. Ziel wird das bulgarische Schwarze Meer sein. Strand muss ja auch mal sein…
Ich verbrachte die meiste Zeit im Haus und brachte Ordnung in Fotos, Filme, Tagebuch etc. Leider habe ich von Ed und Hendrik nichts mehr gehört.
Km: 3532
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Iso (Samstag, 06 Juni 2015)
Wenn das nicht perfekt ist: Ich sitze im Büro und bin gleichzeitig dank deines wirklich spannenden Blogs in Gedanken auf grossartiger Reise. Mittlerweile ist die Abfrage deiner Einträge zur liebgewordenen Routine geworden. Aber mach doch um Blitz und Donner künftig bitte einen etwas grösseren Bogen...
Sturzi (Samstag, 06 Juni 2015 17:32)
Was meinst du mit Bogen?
Raffi (Montag, 08 Juni 2015 20:49)
Sturzi, deine Blogstories lese ich mit Begeisterung.. Wahnsinnig, was du alles erlebst.. :-) Bereits jetzt ist es wohl die Reise deines Lebens.. :-) ? Ich wünsche dir weiterhin viel Spass, schöne Erlebnisse und spannende Begegnungen und freue mich wieder von dir zu lesen.. lg Raffi
Andrea (Dienstag, 09 Juni 2015 14:40)
Hoi Urs,
wunderbare Bilder und Story's zum Schmunzeln...
Wahrscheinlich kannst du nachher gleich ein Buch herausgeben....!
Bei uns ist alles i.O.
Warte gespannt auf die Fortsetzung!
Andrea
Denny (Dienstag, 09 Juni 2015 23:46)
Du solltest problemlos mit eigenem Motorrad gen Iran einreisen können. Vom Primär-Grenzübergang Bazargan würde ich eher abraten. Südlicher Essendere-Sero (nach Orumiye) funktioniert problemlos. Und von Armenien aus kommt man auch problemlos rüber. Allerdings gibt's von dort eine recht lange Anfahrt über oft Schotter bis zur nächsten größeren Stadt - Tabriz.
Wünsche Dir eine gute Reise - drum bun (rumänisch).
Denny
Papi und Mami (Sonntag, 14 Juni 2015 18:16)
Zusammen mit Janet haben wir deine Berichte gelesen. Wir staunen über deine Abenteuer.
Hoffentlich geh tes weiterhin ohne bedrohilche Pannen.
Liebe Grüsse und Küsse von Papi und Mami
Valentin + Ladina (Dienstag, 16 Juni 2015 20:56)
Hop Urs
Ladina und ich vermissen Dich...!
Die Bilder sind KRASS....!
Und die Berichte sind cool!
Danke für die Berichte,
sooo wissen wir Was du machst.
Küssli ladina
LIEBE GRÜSSE VON VALENTIN....!
Stephan (Mittwoch, 17 Juni 2015 09:42)
Hallo Urs,
nachdem wir wieder gut (Richard, Rossi, Lars und ich) und dank Navi (macht manchmal komische Vorschläge) vom Lake Shkodra Resort über teilweise seltsame, verschlungene Landstraßen und Eselspfade, vor allem in Bosnien und Kroatien, unzähligen Begegnungen mit Schlangen (hast Du jetzt endlich mal eine gesehen?) Echsen und Schildkröten nach 1.800 km wieder in Deutschland (Oberfranken Urs, nicht Oberbayern!!!) angekommen und der Arbeitsalltag uns eingeholt hat, habe ich endlich mal die Zeit gefunden, Deine Spur aufzunehmen. Dein Blog ist genauso, wie ich ihn erwartet habe, als ich Dich kennenlernen durfte. Absolut Authentisch, mit viel Humor geschrieben und ganz nah am wirklichen Leben (den letzten Raki am Campingplatz hab ich dann doch gemerkt
(-:) . Nunmehr werde ich ab sofort ein treuer Leser Deines Blog´s sein und Deinen weiteren Weg verfolgen. Ich freue mich sehr, Dich getroffen zu haben. Die interessantesten Menschen trifft man halt meist auf solchen Reisen...
Ich wär so gern mit Dir gefahren...
Alles Liebe und Gute von den "Oberfranken" und noch viele tolle Erlebnisse auf Deiner Reise
wünschen Dir
Richard K.
Gerhard "Rossi" R.
Lars K.
Stephan G.
aus Bayreuth/Oberfranken